Cover

1.
Eine Hand streichelte, sich behutsam vortastend, einen wohl geformten Körper vom Hals aus über das Brustbein bis zum Bauchnabel eines durchtrainierten Sechserpacks und drehte spielerisch mit den Fingern ein paar Kreise, um unaufhaltsam auf das Ziel hin zu steuern. Die Finger umschlossen eine geballte Ladung Manneskraft und... - »Aaaaahhhh!!!«
»Frauenäckerer! Was ist los?! Warum schreist du mitten in der Nacht? Hast wohl schlecht geträumt, mein Süsser.«
»In der Tat. Ich hab geträumt, ich liege mit einem Mann im Bett und umgreife seinen..., na ja, du weisst schon...«
»Schwanz? Pimmel? Phallus? Penis? Glied? Männliches Geschlecht? Männliches Geschlechtsteil? ...?«
»Nun hör schon auf bitte, mir wird ganz Sturm im Kopf, meine Hübsche, du hast es erfasst! Ich, Wm Frauen- äckerer, Postenchef einer Kantonalen Polizeistation auf dem Lande, halte einen - na ja, du weisst schon - in meinen Händen!«
»Frauenäckerer, keine Sorge. Das ist ein natürliches Phänomen. Der unbewusste, nächtliche Handgriff an seinen Schwanz, Pimmel, Phallus, Penis, beziehungs- weise an sein Glied, Männliches Geschlecht oder Männliches Geschlechtsteil nennt sich im Fachjargon 'inaperzepte nocturne Onanie'. Angst vor ungewollter Homosexualität ist gänzlich unbegründet!«
»Klingt beruhigend. Ich bin demnach nicht schwul!«
»Stell es dir einfach so vor: das Es kommt über dich, wie das Über-Ich zu dir. Das bringt Freud und hält Jung! Daher keine Bange, Frauenäckerer, bei deinen Qualitäten wirst du spielend dein Ziel von 10'000 Beischläferinnen erreichen, ja sogar weit darüber hinaus Schiessen!«
»Es kommt w a s über mich?! Das Ü b e r - I c h?!«
»Frauenäckerer, schlaf weiter oder besorge es mir nochmals so richtig! Wenn du psychologische Hilfe benötigst, vereinbare gefälligst einen Termin in meiner Sprechstunde!«
»Übrigens, jung schreibt sich klein!«
»Frauenäckerer! Keine Spitzfindigkeiten zu nacht- schlafender Zeit!«
»Eine Frage beschäftigt mich noch: welche Nummer bist du?«
»9'347.«
»Bitte?! Ich stehe so kurz vor meiner Pensionierung?«
»War ein Scherz, ich bin deine Nummer 4'983. Du darfst also noch ein paar Fälle in deinem Berufsleben lösen!«
»Ja, und einige erst noch mit dem namenlosen Notarzt.«
»Mit dem hast du es aber hoffentlich nicht getrieben!«
»Wo denkst du hin? Aber eine attraktive Notärztin würde es mir schon antun.«
»Dann wird es Zeit, Frauenäckerer! Werd auch den Medizinerinnen gegenüber deinem guten Ruf gerecht!«
»Du hast Recht, der namenlose Notarzt nimmt sicher irgendwann Urlaub, und seine Ferienvertretung ist dann eine hübsche Notärztin!«
»Träum weiter, Frauenäckerer oder schlag es dir aus den Kopf! D i e s e r Notarzt fährt nie und nimmer in die Ferien!«
»Sag mal, kennst du ihn etwa?«
»Ich hatte auch schon mit ihm zu tun. Nur beruflich, kein sexueller Kontakt!«
»Dieser Notarzt ist sicher schwul, oder impotent! Arbeitswütige kriegen im allgemeinen Keinen mehr hoch!«
»Du kennst ja richtig wüste Worte, Frauenäckerer! Gerade zuvor hattest du noch Probleme damit.«
»Tja! Ich lerne schnell!«
»Dann ist ja alles gut. Nun schlaf schön weiter, bitte. Ich habe einen strengen Tag vor mir.«
»Schlaf auch gut, meine unvergesslich schöne und sinnliche Psychologin«, und schon drehte er sich zur Seite.

2.
»Mamma Mia! Ich kann einfach nicht mehr ein- schlafen!«
»Frauenäckerer! Du musst! Zähl doch Schäfchen und gönn mir meine Ruhe!«
»Ich kann nicht! Der Vorfall von vorhin beschäftigt mich! Und irgendwie sehe ich beim Zählen immer nur Schafsböcke vor meinem Inneren Auge! Ich fühle mich im Gedankenkarussell gefangen!«
»Nun gut, was geht dir nicht mehr aus dem Sinn?«
»Ich weiss nicht, mich plagen starke Ängste, ausge- rechnet jetzt!«
»Angst oder Frucht?«
»Besteht da ein Unterschied?«
»Aus psychologischer Sicht ja. Angst ist weniger gut fassbar wie Frucht, also mehr abstrakt. Furcht ist besser objektivierbar, somit hauptsächlich ding- gebunden.«
»Was für ein Ding?! Mein Ding?!«
»Ding Dong, machte es an der Haustüre, und Frauen- äckerer wurde von zwei Weisskitteln abgeholt! Dein Ding zum Beispiel ist sicher nicht abstrakt, sondern - mmhh! - ausfüllend!«
»Dafür Furcht erregend?
»Erregend durchaus, doch nicht Furcht! Dennoch kann das 'Ding' Ängste auslösen.«
»Welches 'Ding'?«
»Schwanz, Pimmel, Phallus, Penis, Glied, Männliches Geschlecht oder Männliches Geschlechtsteil! Das hatten wir doch schon! Ich dachte, du lernst schnell?«
»Es macht Spass, diese Wörter immer wieder aus deinem Mund zu hören!«
»Herr Wachtmeister, Sie spinnen!«
»Erzähl mir bitte, wie ein Schwanz, Pimmel, Phallus, Penis, Glied, Männliches Geschlecht oder Männliches Geschlechtsteil Ängste auslösen kann.«
»Schau, zum Beispiel, seit der Annahme der Anti- Minarett-Initiative in der Schweiz...«
»...Anti-Minarett-Initiative? Jetzt wird's auch noch politisch?«
»Red mir bitte nicht dauernd drein, Frauenäckerer, das macht mich ganz konfus!«
»Jetzt sind wir die erste Nacht zusammen und schon verhalten wir uns wie ein altes Ehepaar!«
»So schnell kann es gehen. - Nun, weiter im Text: einbürgerungswillige Muslime in der Schweiz plagt nun eine für uns nicht nachvollziehbare Angst. Gilt neu die morgendliche Erektion als Zuwiderhandlung gegen das Minarett-Verbot und wird demgemäss zur Anzeige gebracht und gebüsst werden? Du weisst, das Bundesamt für Migration in Bern kennt für verurteilte Gesetzesbrecher keine Gnade, sie gelten als nicht einbürgerungswürdig! Wegen groben Verstosses gegen die Rechtsordnung!«
»Das klingt echt hart; ich allerdings würde die Angelegenheit differenziert betrachten. Dennoch, Ordnung muss sein! Schliesslich können wir der zunehmenden Ausländerkriminalität in der Schweiz nicht einfach mit Noteinbürgerungen begegnen!«
»Frauenäckerer, du bist ein Rassist!«
»Unsinn, ich bin Realist! Und Polizist!«
»Stimmt! Dafür ausserberuflich mit ausserordentlichen Qualitäten! - Unter deinen zärtlichen Händen zerfliesst jede Frau... ...Lass uns... ...mmhh... ...Schade, dass ich nur eine Nacht mit dir allein zusammen verbringen darf!«
»So wollen es eben die Gesetzmässigkeiten, m e i n e Gesetzmässigkeiten!«
»Ja, Frauenäckerer! Denn d u vertrittst das Gesetz!«


3.
»Frauenäckerer! Halt! Einen Moment, bitte!«, rief die Psychologin und sass plötzlich auf.
»Was ist mit dir? Möchtest Du nicht mehr mit mir schlafen?«
»Keine Bange, Frauenäckerer. Gleich gehöre ich dir! Eine Frage beschäftigt mich noch: mir ist dieses Bild an der Wand aufgefallen. Das Porträt einer Frau, völlig verschleiert. Stehst du etwa auf Musliminnen?«
»Unsinn! Das ist unsere Aussenministerin im Hijab! Die Offizielle Schweiz, somit Bundesbern, entschuldigt sich auf diese Art bei den Moslems für die Annahme der Anti-Minarett-Initiative durch das Volk!«

4.
»Na, Herr Notarzt, wieder einmal vor der Polizei am Tatort eingetroffen! Diesmal habe ich ihr NEF erkannt! Steht mit laufendem Motor unten vor dem Haus, das fiel mir sofort auf!«
»...92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100!...«
»Stellen Sie bereits Rechnung vor Behandlungsab- schluss?! Sie plagen wohl Verarmungsängste?«
»Unsinn, ich reanimiere! - Verarmungsängste?! Was soll das bitte? Sie verbrachten Ihre Nacht wie es scheint mit einer Psychologin, Frauenäckerer!«
»Für Sie immer noch Herr Wachtmeister Frauen- äckerer, bitte! Sonst lasse ich Sie gleich wegen Beamtenbeleidigung verhaften! - Übrigens, wie Reanimieren sie eigentlich? Alleine? Wo sind Ihre Helfer?«
»Keine Helfer! Reanimation gemäss Einhelfer- methode!«
»Sie beatmen ja gar nicht, Herr Notarzt!«
»Ich gehe eben mit der Zeit. Zu Beginn meiner medizinischen Karriere betrug das Verhältnis Herzdruckmassage zu Beatmung noch 5:1; später dann 15:2; weiter 30:2 und jetzt 100:0!«
»Aha, darum haben Sie vorhin auf 100 gezählt. - Nun, was liegt an? Darf ich um Rapport bitten, Sie sind ja verpflichtet, sich einen tarifkonformen Überblick verschaffen, Herr Doktor. Sonst können Sie sich Ihr Honorar gleich ans Bein streichen!«
»Nun, eigentlich sind es zwei Patienten. Beide männlich. Der, der näher bei Ihnen liegt, ist tot, schon eine geraume Zeit.«
»Ich sehe, vorschriftsgemässe, mindestens 9 Minuten dauernde Nulllinienableitung. Ha! Gleich wird Ihr Apparat wieder zu Sprechen beginnen! Ich rüttle mal am Kabel!«
»Hören Sie sofort auf damit, Frauenäckerer! Sonst lasse ich den Regionalen Qualitätsbeauftragten persönlich vorfahren!«
»Reingelegt, Herr Notarzt! Der Regionale Qualitäts- beauftragte befindet sich auf Weltreise! Nach seiner Rückkehr wird er Besseres zu tun haben als Ihre Nulllinien-EKG's auf deren Authentizität zu über- prüfen!«
»Selber reingelegt, Herr Wachtmeister! Es existiert eine Stellvertretende Qualitätsbeauftragte! Hören Sie besser sofort auf damit, an den Elektrodenkabeln zu rütteln! Sonst...!«
Frauenäckerer hält abrupt inne. »Eine Qualitäts- beauftragte, sagen Sie? Mein Gott, das habe ich nicht gewusst! Ist sie wenigstens hübsch?«
»Bevor ich Ihnen antworte, muss ich zuerst darüber schlafen.«
»Was ist denn hier los, wie lange soll ich draussen noch warten?!«, unverhofft bellte eine Stimme von der Wohnungstür her.
»Sind Sie die Stellvertretende Qualitätsbeauftragte? - Nein, Sie sind ja ein Mann!«
»Das ist mein Fahrer«, stellte der Notarzt klar.
»Ihr Fahrer? Ich dachte, Sie lenken Ihr NEF persön- lich?«
»Natürlich leiste ich mir ab und an einen Fahrer. Das entspannt«, beeilte sich der Notarzt, zu erklären.
»Vor allem dann, wenn er Führerausweisentzug hat!«, kicherte die bellende Stimme von vorhin.
»Führerausweisentzug?!«, frohlockte Frauenäckerer.
»Ja, hihi, Blaulicht und Sirene zu früh eingeschaltet!«
»Zu früh?! Bei Unfällen auf Dringlichkeitsfahrten heisst es seitens der Unfallgegner doch immer, man habe die Sondersignale zu spät oder gar nicht eingeschaltet gehabt!«
»Hihi, dieser Notarzt nicht! Nahm Sonderrechte in Anspruch, noch bevor die Kantonale Notrufzentrale ihn dazu autorisiert hatte!«
»Tja, in der Schweiz dürfen gemäss UVEK-Weisungen nur Polizeibeamte Blaulicht und Sirene in Betrieb nehmen ohne Auftrag seitens der Einsatzzentrale! Ordnung muss sein! Wo kämen wir denn hin, wenn jeder – nur um rascher bei seiner Freundin zu sein - einfach eine Dringlichkeitsfahrt geltend macht!«
»Schluss jetzt, wir sind im Dienst! Herr Frauenäckerer, beruhigen Sie sich, bitte.«
»Sie verstehen wirklich keinen Spass, Herr Notarzt! Notabene, für Sie immer noch Herr Wachtmeister Frauenäckerer! Das habe ich Ihnen heute doch schon einmal gesagt!«
»Fahrer, da schau, was der Herr Wachtmeister für Rhythmusstörungen herbeigerüttelt hat! Torsaden, Kammerersatzrhythmus, sogar eine PEA! Richtig professionell! Sie hätten Arrhythmiker werden sollen statt Polizist!«
Frauenäckerer erstrahlte sogleich. »Wir beide gäben also ein tolles Paar ab, ich rüttle mir eine Rhythmus- störung heran, und Sie als Arzt behandeln diese erfolgreich!«
»Herr Frauenäckerer, ich bin gerührt, nicht gerüttelt!«
»Schon wieder eine Beleidigung! - Nun denn, fahren Sie fort mit ihrem Rapport! Sonst lasse ich Sie definitiv Einlochen!«
»Es spricht der Golfer aus Ihnen. Bevor ich meine Berichterstattung fortsetze, soll mein Fahrer wieder zum NEF hinunter gehen und dort mit laufendem Automotor auf mich warten. Falls ich mich Ihrer Verhaftung entziehen möchte!«
»Ich habe den Motor überhaupt nicht abgestellt! Allein schon wegen dem Turbolader!«
»Wegen des Turboladers! Genitiv, nicht Dativ! Und so etwas ist mein Chauffeur!«
»Mir doch egal, Hauptsache der Motor stirbt nicht ab, und ich muss die Reparaturkosten übernehmen!«, entrüstete sich der Fahrer.
»Herr Fahrer, ich sehe, Sie haben Mut und wider- sprechen sogar diesem namenlosen Rettungs- mediziner! Wie heissen Sie, bitte?«
»Ich bin auch namenlos, Herr Wachtmeister.«
»Was?! Sie heissen gleich wie Ihr Chef, der Notarzt?!«
»Nein, wir sind beide namenlos, dennoch nicht miteinander verwandt, somit nur Namensvettern.«
»Klingt irgendwie logisch«, sprach der Wachtmeister und kratzte sich am Hinterkopf. »Dennoch, einen namenlosen Fahrzeuglenker darf ich nicht zulassen, das wäre führerscheinwidrig! Daher frage ich Sie zum zweiten und letzten Mal, wie heissen Sie?«
»Süsser!«, erklang jäh eine melodiöse Stimme im Raum.
»Meinen Sie mich?!« Frauenäckerer wirkte irritiert.
»Wer redet denn von Ihnen, Herr Gendarm! Mein Interesse gilt ausschliesslich diesem gut gebauten jungen Mann in seinem roten Overall und den Lederhandschuhen! Er erinnert mich an einen starken Hydranten. Na, zeigst du mir dein bestes Stück, Süsser?!«
»Darf ich nicht, ich bin der Fahrer vom Dienst! Ich sollte hinterher noch lenken können«, entfuhr es dem 'Hydranten'.
»Darf ich fragen, wer Sie sind?«, meldete sich Frauen- äckerer, wieder ganz der Polizist.
»Ich bin der Mitbewohner hier, dort hinten liegt mein Freund, tief bewusstlos oder gar tot! Die Leiche da vorne kenne ich allerdings nicht! Was diese Person wohl in unserer Wohnung zu suchen hatte? Ich befürchte, es handelt sich um einen Einbrecher! Oder um den Liebhaber meines Mitbewohners!«, quiekte er plötzlich lautstark.
Eine Stimme erklang matt vom Boden her: »kaum glaubst du mich tot, flirtest du mit einem anderen! Das hätte ich nie von dir gedacht! Du liebst mich nicht mehr!«
»Iiich?! Ich soll dich nicht mehr lieben? Du wolltest mich doch verlassen, wärest mir fast weggestorben!«
»Nur dank dem Notarzt nicht! Der einzige, der mir geholfen und mich ins Leben zurück geholt hat!«, wieder die matte Stimme.
»Ich hätte dir auch geholfen, wenn ich nicht immer so viel arbeiten müsste! Du als IV-Rentner hast den ganzen Tag Zeit und betrügst mich erst noch mit einer Leiche!«
Frauenäckerer schritt heftig ein: »Schluss jetzt, oder ich lasse Sie alle verhaften!«
»Mich etwa auch?!«, wollte der gut gebaute Fahrer wissen.
»Sie selbstverständlich auch! Ich benötige von Ihnen allen Ihre Aussagen, diesen Vorfall betreffend! Wer übrigens, hat die Notrufzentrale informiert?«
»Das war ich natürlich!«, meldete sich eine bis anhin unbekannte Stimme aus einem Nebenzimmer.
»Wer sind Sie? Tragen wenigstens Sie einen Namen?«
»Herr Wachtmeister, ich heisse Dietrich Polterer. Eigentlich sollten einige von Ihnen mich kennen, ich bin in der Schweiz Rettungs-... (sein Wortfluss stockt für einen Moment) ...-Sanitäter und Sanitäts-Dispo- nent der Kantonalen Notrufzentrale.«
»Herr Notarzt, ist Ihnen dieser Mann bekannt? Entsprechen seine Angaben der Wahrheit?«
»Herr Wachtmeister, diese Person kenne ich nicht, sie hat mich sicher noch nie zu einem Einsatz aufgeboten! Seine Angaben sind absolut unglaubwürdig! Vermut- lich arbeitet Herr Polterer nicht in der KNZ!«
»Sicher arbeite ich dort! Aber ich habe in der Tat noch nie einen Notarzt aufgeboten. Notärzte sind über- flüssig im Rettungssektor! Auch heute habe ich bei der Alarmierung keinen Notarzt verlangt, und trotzdem ist dieses namenlose Individuum am Ereignisort aufge- taucht! So ein Skandal! Das werde ich meinen Vorgesetzten melden und gleichzeitig eine Dienst- aufsichtsbeschwerde einreichen!«, polterte Dietrich mit sich überschlagender Stimme.
»Beruhigen Sie sich, bitte Herr Polterer! Sie agieren heute als Zeuge und nicht als Sanitäts-Disponent!«
»Ein Sanitäts-Disponent ist immer im Dienst, wie ein Polizist auch! Schliesslich trage ich ein Handy auf mir.«
»Handy?«
»Natel! Als Deutscher kann ich mich selbst Jahre nach der Einwanderung nicht an diesen Begriff gewöhnen!«
»Die üblichen Akklimatisierungsschwierigkeiten bei Personen mit Migrationshintergrund also! Übrigens, was soll daran so ungewöhnlich sein? Alle hier tragen ein Mobiltelefon auf sich. Sogar der Herr Notarzt besitzt eines. Es würde mich schon interessieren, wie er sich am Telefon meldet. Vermutlich mit 'Hallo, Sie sind mit dem anonymen Notarzt verbunden...'«, Frauenäckerer wippte arrhythmisch mit seinem Becken hin und her.
»Das interessiert in dieser Sache überhaupt nicht, Herr Wachtmeister! Hier, sehen Sie, auf meinem Handy- Display! Aussergewöhnlich! Einzigartig! Und meins!«, ereiferte sich Dietrich Polterer unermüdlich.
»Was soll da daran besonderes sein? Mein Natel besitzt auch ein tolles Display!«, eiferte ihm Frauen- äckerer nach.
»Zeigen Sie mal her! - Herr Wachtmeister! Da, eindeutiger Unterschied! Bei mir steht: 'NUR NOT- RUFE'!! - (er hält seinen rechten Zeigfinger demon- strativ in die Luft) - Hab ich’s doch gleich gesagt! I c h bin der geborene Sanitäts-Disponent!«
Frauenäckerer schüttelte den Kopf »Leute gibt's! Gut, Herr Polterer, Sie haben mich überzeugt. Aber jetzt erklären Sie mir bitte, warum Sie als Sanitäts- Disponent beziehungsweise als Rettungssanitäter dem Notarzt nicht unter die Arme gegriffen haben. Sie liessen ihn alleine Reanimieren! Ich werte das als unterlassene Hilfeleistung!«
»Wir sind keine Rettungssanitäter, sondern Rettungs- assistenten! Medizinische Fachpersonen mit ausser- gewöhnlichen Spezialkompetenzen! Die Schweizer wollen das einfach nicht begreifen! Ich hab auch bereits ausgesagt, dass ich niemals mit Notärzten zusammenarbeite! Bis zu seinem - (er deutet mit dem rechten Mittelfinger auf den Notarzt) - Eintreffen habe ich persönlich den Patienten betreut und überwacht. Danach habe ich mich zurückgezogen und die Szene genau beobachtet. Gleich fiel mir auf, dass es nur 100 Herzdruckmassagen benötigte, und schon waren beim Patienten wieder Vitalfunktionen vorhanden! Ich zweifle daher stark am rapportierten Kreislauf- stillstand! Die angeblich maligne Rhythmusstörung wurde überhaupt nicht dokumentiert! Der Herr Doktor war sich nämlich nicht zu schade, den einzigen vorhandenen Defibrillator für den Toten in Betrieb zu nehmen! Eine Schande so etwas!«
»Ich habe mich absolut korrekt verhalten! Mindestens 9 Minuten lang eine Null-Linie abzuleiten! Entspricht den Vorschriften! Ende der Diskussion!«, stellte der Notarzt klar.
»Sie haben es alle gehört! So gehen die Notärzte mit uns Rettungsassistenten um!«
Erneut schritt Frauenäckerer ein. »Schluss jetzt, sofort! Fertig gepoltert! Wir sollten zusammenarbeiten statt uns zu streiten! Wieso eigentlich ist der Kranken- wagen noch nicht eingetroffen?«
»Die Mannschaft ist noch bei einem anderen Notfall beschäftigt. Sobald das Team wieder einsatzklar ist, wird es unverzüglich zu uns stossen. Dies teilte mir der Disponent bei meinem Aufgebot mit«, warf der Notarzt ein.
»Sagen Sie mir, Herr Doktor, gibt es in dieser Region nur eine einzige Ambulanz? Kürzlich schon anlässlich eines Tötungsdeliktes mussten die Rettungssanitäter den Tatort fluchtartig verlassen und zu einem schweren Verkehrsunfall ausrücken. Hat das Ganze überhaupt System?«
»Da müssen Sie die Leitenden der Kantonalen Notruf- zentrale fragen, das Aufgebot der Rettungskräfte obliegt deren Zuständigkeit.«
»An der Effizienz unseres Einsatzleitsystems gibt es nichts zu rütteln!«, so Polterer.
»Das haben wir gemerkt«, so Frauenäckerer. »Übri- gens, Herr Doktor, da wir gerade etwas Zeit für- einander haben, Sie haben mich belogen!«
»Wie bitte? Ich lüge nie!« Der Notarzt klang irritiert.
»Unlängst klärten Sie mich darüber auf, dass niemals ein Notarzt in einer fremden Region wildere, sonst - Krrrr (er fährt mit der flachen Hand unter seinem Kinn durch) - einen Kopf kürzer!«
»Korrekt!«
»Soso! Und wie war das vor kurzem? Gleich d r e i Notärzte auf Platz, wegen e i n e s gestürzten Velofahrers?«
»Wann soll das gewesen sein?«, so der Notarzt.
»Jetzt stellen Sie sich bitte nicht dumm! Betrachten Sie zum Beweis dieses Buchcover genauer!«
»Das ist eine Fotomontage! Das Kantonale NEF klebte bestimmt zu keiner Zeit am Heck von meinem Einsatz- fahrzeug!«
»...meines Einsatzfahrzeuges! Genitiv, nicht Dativ! Sie beherrschen offensichtlich die Deutsche Sprache nicht!«
»Tut hier nichts zur Sache! Nochmals von vorn, es handelt sich um eine Fotomontage!«
»Sicher, Fotomontagen und Verdrehen der Tatsachen sind Ihre Spezialität! Nur, mir wurde das Original-Foto zugespielt! hem

hat es geschossen! Ihr Notarzt- einsatzfahrzeug, das Kantonale NEF und ein Streifen- wagen der Kantonspolizei standen in der gleichen Kurve! Ausserdem war ich persönlich vor Ort. Sie können mir also nichts vormachen, Herr Doktor!«
»Wie bitte? Sie waren persönlich vor Ort? Das ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Ich arbeite eben diskret im Hintergrund und trotzdem sehr effizient.«
»Falls ihre Angaben stimmen, Herr Frauenäckerer, haben Sie hoffentlich festgestellt, dass nicht drei Notärzte, sondern zwei Notärztinnen und meine Wenigkeit anwesend waren.«
»Ich würde nicht Frauenäckerer heissen, wenn mir das nicht aufgefallen wäre! Natürlich habe ich mich sofort fürsorglich um die beiden Damen bemüht; in Ihrem Arbeitseifer dürften Sie das nicht bemerkt haben!«
»Und, welche der beiden ist Ihnen auf den Leim gegangen? Die bodenständige im Kantonalen NEF oder die Ihnen engelsgleich mit dem Rettungs- helikopter zugeflogene?«
»Herr Notarzt, enttäuschen Sie mich nicht, bitte! Selbstverständlich habe ich es beiden Damen ange- tan!«
»Ich dachte, Ihre flotten Dreier beinhalten immer eine frühere Nummer und eine Neue?«
»Daran halte ich auch fest. Ich darf mich somit auf zwei lange Nächte mit je einer dieser Notärztinnen freuen!«, triumphierte Frauenäckerer. - (Unmittelbar danach wird sein Redefluss unterbrochen.) - »Wir, die Rettungssanitäter sind da! Was liegt an? Oh! Hallo Dietrich, du hier? Dann kannst du uns gleich Rapport geben? Warum ist der Notarzt auch auf Platz?! Ist er dir zu nahe gekommen, Kollege Polterer? Ich hoffe nicht, das hätte ein Disziplinarverfahren zur Folge!«, gab sich der Teamleader gleich zu erkennen. »Ab sofort übernehmen wir die Einsatzleitung! Der Notarzt kann gehen!«
»Fahrer! Strategischer Rückzug! Wir sind hier über- flüssig!«, zerrte der Notarzt sogleich seinen Chauffeur hinter sich her.
»Vergessen Sie Ihren Defibrillator nicht, die Herren!«, rief Frauenäckerer ihnen nach, erfolglos.
»Nun denn, nehme ich ihn halt mit und rüttle mir zuhause ein paar Rhythmusstörungen«, murmelte der Wachtmeister vor sich hin und machte sich alsdann an die Polizeiarbeit.

4.
Nach Feierabend fuhr Frauenäckerer eilig nachhause. Schliesslich erwarteten ihn drei unverbrauchte und wohlgeformte Damen in seinem Bett. Zwei Bekannte und eine Neue, die bodenständige Notärztin.
»Ja!« Frauenäckerer boxte mit der rechten Hand mehrmals in die Luft, er stand an der Erfüllung seiner Wünsche! Eine Notärztin, was für eine Wohltat nach diesem unangenehmen Zusammentreffen heute Morgen!
»Hallo Frauenäckerer!«, begrüssten ihn zwei Mädchen keck.
»Hallo Mädels, freut mich, euch wieder zu sehen. Wo habt ihr die knackige Notärztin versteckt?«
»Hihi-hier!«, quiekte eine Stimme vor Vergnügen.
»Zeig dich! Ja, du bist es... - ...oder doch nicht?«
»Doch, ich bin es! Quiek!«
»Irgendwie kommst du mir bekannt vor, aber dennoch erinnerst du mich an jemand anderen. Du wirkst so schlecht rasiert, ein richtiger Damenbart. Ich sehe fast den namenlosen Notarzt vor mir!«
»Das kann schon sein, wir sind Zwillinge!«, quiekte die Stimme fröhlich.
»Eineiig oder zweieiig?«, interessierte sich Frauen- äckerer unvermittelt.
»Eineiig natürlich! Nein, zweieiig, war ein Scherz!« Die Stimme klang immer tiefer.
»Mein Gott! Sie sind es! Was haben Sie in meinem Bett zu suchen? Raus hier, aber sofort, sonst rufe ich die Polizei! So eine Unverschämtheit! Was massen Sie sich an! Dies wird ein Nachspiel haben!«
»Sie verstehen auch überhaupt keinen Spass! Ich wollte bloss mal sehen, was Sie so treiben die ganze Nacht! Vermutlich fühlen sich noch wohl dabei!«, entrüstete sich d e r Notarzt.
»Natürlich fühle ich mich wohl dabei!«
»Da haben Sie aber noch Glück gehabt! Sonst hätte ich Ihnen einen Hausbesuch verrechnen müssen!«
»Raus, bevor ich mich vergesse! Schliessen Sie die Haustür hinter sich, und werfen Sie den Hausschlüssel gefälligst in den Briefkasten!«
»Ich füge mich der polizeilichen Gewalt! Bereits das zweite Mal werde ich heute wie ein Hund fortgejagt!«
»Keine Mitleidstour, bitte! Das zieht bei mir nicht! Gehen Sie endlich! Ich erwarte noch die Dritte für heute Nacht, die Neue!«
»Ich geh ja schon! Tun Sie mir nichts, bitte!«, rannte der Doktor schreiend aus dem Haus.
»Memme! Der bringt sicher Keinen hoch!«


5.
»Pardon junger Mann, wohnt hier ein Herr Frauen- äckerer?«
»In der Tat, gnädige Frau, das tut er«, erwiderte der Notarzt freundlich.
»Ich werde erwartet.«
»Sie scheinen bereits eine reifere Person zu sein. Zusammen sind die zwei Damen, die sich schon bei Frauenäckerer eingefunden haben, nicht einmal halb so alt wie Sie! Ich muss ausserdem bemängeln, dass Sie nicht der bodenständigen Notärztin gleichen, mit der ich kürzlich auf dem Unfallplatz zusammenge- arbeitet habe.«
»Ich bin ihre Vertretung. Fie fühlte fich plötzlich fehr krank.«
»Ich sehe gerade, Sie tragen das Gebiss einer Vorhaut-Käuerin! Unüberhörbar!«
»Fo etwaf Ungeheuerlichef! Waf erlauben Fie fich! Fo gehen Fie alf Arzt alfo mit Behinderten um!«
»Beruhigen Sie sich. Da haben Sie den Schlüssel. Gut, dass ich ihn noch nicht in den Briefkasten geworfen habe. Treten Sie gleich ein. Frauenäckerer freut fich ficher auf eine föne und finnliche Nacht mit Ihnen.«
»Hören Fie fofort auf, mich nachzuäffen! Daf ift eine Unverffämtheit fondergleichen!«
»Was für ein Tag!«, triumphierte der Notarzt und trat in die dunkle Nacht. Er ging zu Fuss nachhause, seinem Fahrer hatte er für den ganzen Abend frei gegeben.

Impressum

Texte: Alle Rechte beim Autor Cover-Foto: hem
Tag der Veröffentlichung: 05.12.2009

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