Cover


Sanft strich ich über das ausgeblichene Holz meiner Bettkannte. Die Sonnenstrahlen die durch das Rollo gelangten, zeichneten sich auf dem dunklen Laminat ab und krochen die Wand hoch. Ein Gefühl machte sich in mir breit, aber nicht erst seit geradeeben, ich kämpfte schon länger gegen an. Seit ein paar Tagen. Ich wusste nicht mal wie es sich anfühlte aber ich hatte eine Vorahnung, dass es mich ausbeuten würde, meine Energie rauben und jeden Lebensmut nehmen würde, also sperrte ich es aus, blockte es ab.
Ich warf mich auf meine andere Schulter ins Kissen und hielt mit geschlossenen Augen einen Moment inne.
Gedankenstumm lag ich dort, die Decke vor Hitze ans Bettende gestrampelt und eine Hand im Nacken. Mit einem tiefen Durchatmen setzte ich mich wenige Augenblicke später auf die Bettkannte, die Hand immer noch in meine obersten Wirbel stechend. Ich hatte keine Schmerzen, täuschte sie mir aber selbst vor, damit ich irgendwas zum ablenken besaß.
Vorsichtig biss ich mir auf die Lippe, um realen, intensiven Schmerz zu spüren, aber nicht mal das Gelang mir. Ich verharrte in meiner Bewegung und dachte über die Ereignisse nach, die mein Bewusstsein so stark geprägt hatten, dass ich meine Augen am liebsten geschlossen hielt.

>Ich will mich nicht bei dir verlieren.<
Als ich das zu ihm gesagt hatte, erfüllten sich seine Augen sichtbar mit dunkler Trauer. Er wollte nach meiner Hand greifen, doch ich schüttelte sie ab.
Ich merkte wie ich gefangen war, in meiner eigenen kleinen Glaswelt, die zu leicht zerbrechen konnte und mich vermutlich rausgerissen hätte, aus dem Wenigen was ich mir in den Jahren erbaut hatte.
Er erwiderte nichts.
In dem Moment, in dem ich ihm den Rücken zukehrte, merkte ich wie seine Welt zusammenbrach, dabei war sie viel stabiler als meine.
Aus festen Steinen, mit Beton als Fundament.
Ich hatte seine zerstört, damit er mit einer falschen Bewegung nicht meine zerbrach. Ich konnte spüren wie der Boden hinter mir einstürzte, sein Boden, den ich ihm kaltherzig unter den Füßen zerschmettert hatte.
>Du weißt wir könnten reden.<, hörte ich seine vertraute Stimme hinter mir bedauernd zittern.
>Ja, das könnten wir. <, ohne mich umzudrehen ging ich davon, ließ ihn alleine stehen.

Es war nicht immer so ungreifbar gewesen, die Möglichkeit ihn zu haben, ihn zu mögen. Ich hatte mich immer bei ihm sicher und geborgen gefühlt, aber ich kannte diese Art von Zuneigung nicht und hatte Angst vor ihr.
Ich hatte ihn dort stehen gelassen, ohne offensichtliche Gründe für meine Reaktion und er hatte auch noch Verständnis, das hatte ich nicht verdient.
Ich schlich über den kalten Boden zum Fenster und öffnete die Rollos. Es war still, so absolut still, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Eigentlich brauchte ich immer Trubel, nicht um mich selber, das war mir nicht wichtig, ich untersagte es sogar, aber doch abundzu etwas Lautstärke, Lachen, oder einfache Hintergrundgeräusche.
Ich merkte wie ich plötzlich den Drang verspürte, mich unter eine Menge zu mischen, Leute zu sehen.
Es mussten nicht mal vertraute Gesichter sein, wahrscheinlich würde es mir sogar besser tun, niemanden zu kennen.
Unerkannt und unbeobachtet herumzuirren.
Von meinen Gedanken benommen ging ich zum Kleiderschrank, nahm das was mir entgegenfiel und ehe ich mich versah stand ich in der Kälte, vor meiner Haustür.
Mit meinen Händen tief in den Jackentaschen vergraben, ging ich die Straßen entlang, wich den Leuten aus die ihre Fußwege von bunten Laub befreiten und ignorierte alles, was mir entgegen kam.
War es doch unwichtig, jetzt wo ich meinte mir über meine Gefühlen im Klaren zu sein. Ohne ein bestimmtes Ziel anzustreben, folgte ich dem Gesang der Straßen, dem Lachen, dem Rufen, und den Menschen, die es ins Stadtinnere zog.
Blind lief ich an den Geschäften vorbei und nahm nur im Augenwinkel das Geschehen um mich herum war. Auf dem Marktplatz waren Buden erichted, von jeder einzelnen Gelangen die köstlichen Gerüche von süßem oder deftigem Essen zu mir. Ich schlich noch tiefer in die Menge rein, zwischen ein paar der Imbisswägen und einem Kinderkarussell der altmodischen Art, mit Pferdchen und Leierkastenmusik. Hier war es viel wärmer, zwischen den ganzen fremden Menschen. Und in dem Moment wo ich dort stand, wurde mir endlich völlig bewusst, dass er nicht nur bloß ein Freund, ein Bekannter oder gar belanglos war.
Er war viel mehr als das, viel mehr als es je jemand für mich gewesen war.
Ich beschloss mich gerade dazu den Nachhauseweg aufzusuchen, als ich versuchte die Uhrzeit an der Helligkeit des Himmels festzustellen, doch mein Blick blieb nicht nur an den tiefliegenden, dunklen Wolken hängen, sondern auch an einer Karawane von bunten Luftballons die zielstrebig die Nähe des Windes aufsuchten. Die kleinen, weißen Zettel flatterten an den Enden wild umher und brachten den Ballon zum schaukeln, um mich herrum boten nun alle dem Wind- und Farbenspiel Aufmerksamkeit.
Ich kannte diese Art von Attraktion, sie verhalf Kindern dazu Wünsche leise in die Welt zu tragen. Hielt ich es früher immer für albern, so war ich doch jetzt in einer Situation, wo es mir durchaus nicht schaden konnte.
Meine Füße trugen mich meinem Gehör folgend in die Richtung wo das Lachen am glücklichsten zu klingen schien. Die vielen kleinen, hoffenden Gesichter dem Himmel empor gerichtet, kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Die Frau, die den Stand leitete, war gerade am zusammenpacken und ließ die Luft aus den übrigen Ballons wieder heraus.
Als ich vor ihr stand, merkte sie das anscheinend gar nicht, ich sah, dass sie gerade nach dem letzten griff und hüstelte hektisch, verwirrt sah sie mich an, den Knoten schon öffnend.
>Könnte ich den noch haben?<, brachte ich hervor.
>Den hier?<, sie hielt den rosafarbigen Ballon hoch,
>Klar Schätzchen, möchtest du auch noch einen Wunschzettel?

Ich wünsche mir Dich.

Impressum

Texte: Rechte, wie an Cover als auch am Text, liegen bei der Verfasserin.
Tag der Veröffentlichung: 21.11.2010

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