Cover

In der Stadt Basora lebte einst ein Färber mit seiner Familie. Adschid, so der Name des Färbers, war kein reicher Mann, doch war er wohlhabend genug, um seine acht Söhne wohl versorgt zu wissen. Seine Frau Malid kümmerte sich liebend um den Haushalt und die Kinder, während Adschid Stoffe mit den prachtvollsten Farben tränkte und oft bis spät in die Nacht mit Kaufleuten verhandelte.
Malid gebar Adschid ein weiteres Kind, eine Tochter. Die Geburt schwächte Malid jedoch so sehr, dass auch die eilig herbeigerufenen Ärzte nicht mehr helfen konnten. Als Adschid dies vernahm klagte er laut sein Leid.
>> Bei Allah, dem Erhabenen, wie soll ich zurecht kommen ohne mein geliebtes Weib, Mutter meiner Kinder. Wer wird sich kümmern, wo ich doch Tag ein Tag aus bis in die Nacht fern bleibe? <<
Da vernahm Adschid ein letztes Mal die Stimme seiner Malid.
>> Gräme dich nicht, mein Gebieter. Unsere Söhne sind stark und werden dir keine Last sein. Sorge dich nur wohl um unsere kleine Tochter, da ich es nun nicht mehr kann.<<
>> Ohne das Licht deiner Sonne, werde ich in Dunkelheit leben, Geliebte. Wie soll ich mich meinen Weg finden ohne dich? <<, klagte Adschid. Doch Malid antwortete nicht mehr, ihr Licht war erloschen.
Traurigkeit beherrschte von nun an das Heim des Färbers und er sah sich alsbald gezwungen seine Schwester Raja um Hilfe zu bitten. Raja kam der Bitte nach, denn sie war verwitwet, kinderlos und lebte einsam in einem kargen Haus. Lange Zeit blieb dem Färber verborgen, was Musa, seine kleine Tochter, schon nach einigen Tagen erleben musste. Ihre Tante Raja war verbittert und von Hass erfüllt. Sie hatte es nie verwinden können, dass Malid, eine niedere Fischerstochter, ihrem Bruder wundervolle Söhne schenkte, während Raja, von Scham erfüllt, kinderlos blieb. So wuchs Musa unter bösen Blicken, vielen Ohrfeigen und bitteren Worten auf, denn ihre stolzen und starken Brüder konnte Raja nicht schlecht behandeln.
Bald schon sah man dem Kind an, welche Schönheit einst daraus erwachsen würde und Raja’s Missgunst wuchs weiter. Als Musa fünf Jahre alt wurde, begann Raja ihr das Tanzen beizubringen. Sie wollte Musa durch ihre Unfähigkeit demütigen und sie bei ihren Fehltritten züchtigen, doch Musa zeigte sich außergewöhnlich gelehrig und verbarg den Spaß, den sie trotz der schlechten Behandlung beim tanzen empfand. So kam es das Bipin, ihr jüngster Bruder sie einmal beim tanzen beobachtete, als Raja Musa mit einem Stock schlug. Erschrocken über das Gesehene, nahm er sich von nun an Zeit für seine kleine Schwester. Sein Vater war seit dem Tod der Mutter von tiefer Traurigkeit erfüllt und so konnte er ihm nicht erzählen was geschehen war, hätte es ihn doch nur noch tiefer getroffen.
Wann immer Bipin konnte, nahm er Musa mit sich, um sie vor den Grausamkeiten Raja’s zu schützen. So kam Musa eines Tages auch mit in den Wald, denn Bipin war ein geachteter Jäger. Musa zeigte sich neugierig und geschickt, so dass sie Bipin schon bald als Treiber diente und ihn schließlich auch dazu bewegen konnte, ihr die Kunst mit Pfeil und Bogen beizubringen. Frauen war es natürlich nicht gestattet zu Jagen, aber Bipin konnte Musa diese eine Freude nicht verwehren. Bekleidet mit einem kleinen Turban auf dem Kopf, der ihre langen, nachtschwarzen Haare verbarg und einer weiten Pluderhose, sah sie aus wie ein Junge und konnte so unbehelligt durch den Wald streunen. Eines Tages saß Musa in einem Pipalbaum mit dichtem Blätterdach auf der Lauer, als ein mit Gold und Edelsteinen geschmückter Mann auf einem schwarzen Pferd vorbei ritt. Musa staunte noch über all die nie zuvor gesehene Pracht dieses Fremden, als ein tiefes Grollen durch den Wald hallte. Das Pferd des Fremden scheute, stieg auf und der Reiter fiel hinunter. Musa wäre fast auch von ihrem Baum gefallen, doch dann sah sie den König des Schreckens. Auf leisen Pfoten näherte er sich dem Gefallenen, seine Augen blitzten hungrig auf und er setzte zum Sprung an. Ohne nachzudenken hob Musa ihren Bogen, schoss mit zitternden Händen und traf das Herz des Tigers während er sprang. Der Kopf des Fremden schnellte überrascht herum und starrte auf den Baum, aus dem seine Rettung gekommen war. Musa war zutiefst erschrocken. Sie hatte das schönste und erhabenste aller Tiere getötet. Würde man erkennen das sie ein Mädchen war, ginge es ihr sicher schlecht. So schnell sie konnte, sprang sie vom Baum und verschwand zwischen den Büschen. Sie erzählte niemandem von dem Erlebten, denn sich befürchtete Bipin würde sie nicht mehr mit auf die Jagd nehmen.
Nach und nach erfuhren auch die anderen Brüder von Musa’s leidvollem Dasein und gemeinsam versuchten sie Raja zu überreden, freundlicher zu sein, doch sie waren nicht immer da um ein Auge auf Musa zu haben und so erging es ihr noch viel schlechter.
Als Samir, einer ihrer älteren Brüder, dunkle Striemen an ihren Armen erkannte, nahm auch er sie mit sich, wann immer er konnte und so kam Musa in die große Bibliothek, in der Samir als Schreiber arbeitete. All das Wissen in den Mauern dieses Gebäudes, ließ Musa schwindeln und sie schwor sich, all diese Kenntnis irgendwann zu Besitzen. Samir brachte ihr das Lesen und Schreiben bei und Musa verbrachte viel Zeit unter Samirs großem Schreibtisch, wo sie stets ein Buch versteckte. Eines morgens war Samir unterwegs zum Markt um Papier zu kaufen und Musa blieb allein zurück. Da öffnete sich plötzlich die Tür und zwei Männer traten ein. Musa konnte ihre Gesichter nicht sehen, nur die zwei paar Schuhe waren für sie zu erspähen. Ängstlich lauschte sie und versuchte kein Geräusch zu verursachen.
>> Oh Herr, hier seid ihr ungestört. Der Raum gehört einem Schreiber, doch er ist zum Markt gegangen. <<, säuselte einer von ihnen.
Lange Zeit war daraufhin nichts zu hören, außer das stetige Blättern in einem Buch. Musa war allein mit dem Mann zurückgeblieben, der sich hier offenbar Ruhe erhoffte. Verwundert fragte sie sich, wieso er nicht an einem der öffentlichen Plätze las und diese Abgeschiedenheit suchte.
>> Oh Allah, Erhabener! <<, hörte sie ihn schließlich leise beten >> Wie soll ich meinen Wesiren den Weg weisen, wenn ich ihn selbst nicht kenne? Nun verstecke ich mich schon in einer dunklen Kammer, was ist aus mir geworden? Dem großen Stadthalter? Wie soll ich das Unglück, das unserer schönen Stadt droht, noch abwenden? <<
Musa wusste nicht wieso der Fremde so unglücklich sprach, doch sie hatte Mitleid mit ihm. Trotz der Furcht vor Entdeckung, nahm sie das Buch von ihrem Schoss und schlug eine Seite auf die ihr besonders gefiel. Trost und Hoffnung hatte sie aus diesen Worten gezogen. Sie hoffte, dem Fremden möge es ähnlich ergehen. Langsam schob sie das aufgeschlagene Buch unter dem Tisch hervor und zog ihre Hände blitzschnell wieder zurück. Der Fremde fuhr erschrocken vom Tisch zurück.
>>Bei allen Heiligen! Was ist das...<<, rief er aus. Doch dann schwieg er und hob das Buch auf. Laut las er die ersten Worte auf der Seite.
>> Hab keine Angst, oh Gläubiger, denn in der dunkelsten Stunde wird Allah dir zur Seite stehen. Mit Liebe und Weisheit wird er dich ins Licht führen und den Tapferen belohnen. <<
Wieder war lange nichts zu hören und Musa glaubte sich schon von groben Händen unter dem Tisch hervorgezerrt, als sie die Stimme hörte.
>> Kleiner Tischgeist, ich danke dir. Jetzt weiß ich wie ich unsere Stadt retten kann! <<, schmunzelte er leise.
Langsam schob er das Buch wieder unter den Tisch und ging ohne ein weiteres Wort. Musa musste Tränen der Erleichterung zurückhalten, so froh war sie, das der Fremde sie nicht verraten hatte.
Viele Monde zogen über das Land und Musa wuchs zu einer jungen Frau heran. Sie war belesen wie ein Gelehrter, flink und geschickt wie ein Assasine, aber auch wunderschön und anmutig. Nun nahm sie auch Tushar, ihr ältester Bruder mit zu seiner Arbeit, denn in ihrer Raserei hatte Raja Musa die schönen Haare abgeschnitten und Musa war lange Zeit untröstlich. Tushar war Arzt von Beruf und erhoffte sich schon bald eine Stelle am Königshof. Er erzählte Musa viele Geschichten darüber und lehrte sie gleichzeitig die Heilkunst. Auch dies war einer Frau nicht gestattet, doch mit den kurzen Haaren und ein wenig Russ im Gesicht, erkannte Musa keiner als junges Mädchen.
Es kam die Zeit, da Raja darauf beharrte, Musa müsse Geld verdienen und nach langem Streit mit dem Vater, wurde Musa erlaubt, verschleiert auf dem Markt zu tanzen. Noch war sie zu jung um ernsthafte Blicke auf sich zu ziehen, aber selbst das kritischste Auge erfreute sich an ihren anmutigen Bewegungen und so manch einer hoffte, er könne einen Blick unter den Gesichtsschleier werfen, um dort die Schönheit zu erblicken, die sie vermuten ließ.
Unter den vielen Zuschauern entdeckte Musa einen Jungen, der ihr nicht recht dazu gehören wollte. Er stand Abseits, sah sich immer wieder scheu um, wenn er sie nicht gebannt mit den Augen verfolgte und als eine Stadtwache zur Patrouille vorbei kam, schreckte er auf und verschwand in der Menge. Als Musa sich nach dem Tanz, wieder in der Verkleidung eines Jungen, auf den Weg zu Tushars Arztpraxis machte, fiel ihr Blick wieder auf den Jungen. Er schlenderte durch eine Gasse und verschwand um die nächste Ecke. Neugierig folgte ihm Musa, denn noch immer schien ihr etwas seltsam an ihm.
Als sie um die Ecke kam, hörte sie einen leisen Schrei und lief los. Sie fand den Jungen, auf dem Boden liegend und sich das Bein haltend. Tränen rannen über sein schmerzverzerrtes Gesicht, doch als er sie kommen sah, drehte er schnell das Gesicht weg.
Musa kniete sich zu ihm hin.
>> Was ist dir geschehen? Sprich! <<, fragte sie aufgeregt.
>> Es ist nichts, mach dich fort! <<, brachte der Junge zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Musa war zutiefst verwundert. Er schien ernstlich verletzt, doch er gab sich stolz und herrisch, als wäre er ein Prinz. Dann sah Musa wie sich eine Kobra ins Gebüsch schlängelte und starrte erschrocken auf den Jungen herab. Ohne auf seine Proteste zu achten, schlug sie ihm die Hand von seinem Bein und sah sofort die tiefen, giftigen Bisswunden.
>> Du wurdest gebissen! Wenn du keine Medizin bekommst, wirst du sterben. Lass mich dich zu einem Arzt bringen!<<, rief sie.
>> Nein! Lieber sterbe ich! <<, schluchzte der Junge.
Musa wusste nicht ob der Junge von Sinnen war oder Angst hatte, doch sie konnte ihn nicht so liegen lassen. Schon bemerkte sie, wie sich sein Blick verschleierte. Mit vielen guten Worten und Aufmunterungen konnte sie ihn davon überzeugen mit ihr zu gehen. Von Musa gestützt, schafften sie es beide bis zur ihrem Heim und Musa versteckte den Jungen in ihrer Kammer. Voller Bangen behandelte sie den Jungen, wie Tushar es ihr beigebracht hatte. Heimlich schlich sie im Haus herum und sammelte alles an Heilkräutern, was sie finden konnte um ihm einen Trank zu kochen und das Fieber zu senken, das ihn befallen hatte. Am dritten Tage schien es ihm besser zu gehen und Musa atmete erleichtert auf. Gerade als der Junge die Augen aufschlug, schrillte ein wütender Schrei durch das Haus. Musa zuckte entsetzt zusammen. Schon hörte sie Schritte auf dem Gang und stürmte aus der Kammer. Dort empfing sie schon Raja, das Gesicht zu einer wütenden Fratze verzerrt. Sie packte Musa bei den kurzen Haaren und schleifte sie auf den Hof, während sie dabei immer wieder Schimpfworte brüllte, Musa eine diebische Natter und noch vieles andere Schlimme nannte.
Als sie spürte wie der erste Hieb der Peitsche in ihr nacktes Fleisch schnitt, dachte Musa
>> Dieses eine Mal habe ich die Strafe wohl verdient, oh Herr! <<
Raja hatte Musa in ihrer Wut an eine Hofsäule gebunden und sie ausgepeitscht bis von dem Mädchen nur noch ein blutiger Haufen übrig war. Nun erkannte sie ihr Tun und befürchtete das Mädchen getötet zu haben. In ihrer Angst nahm sie alles Gold im Haus und floh aus der Stadt.
Gerade noch rechtzeitig kam der Vater Heim um seine geschundene Tochter zu retten, bevor sie verblutete. Mehrere Wochen lag Musa auf ihrem Lager, an der Schwelle des Todes. Immer wieder erwähnte sie im Fieber den kranken Jungen, doch weder ihre Brüder noch ihr Vater hatten jemanden im Haus gefunden.
Zwei Jahre vergingen und Musa erblühte zu einer wahren Schönheit. Sie tanzte nun regelmäßig für die Mächtigsten der Stadt, doch noch immer verschleierte sie ihr Gesicht, wie es ihr Vater wünschte. Ein großes Fest zu Ehren des Schahs Abid el Sadum, der den Stadthalter in seinem Palast besuchte, stand bevor und Musa wurde gebeten im Garten auf dem Fest zu tanzen. Sogar ein kleines Zelt hatte man ihr zugewiesen, wo sie sich umkleiden sollte und wo sie zwischen den Auftritten ruhen konnte. Musa war sehr aufgeregt und nervös, denn sie hatte viele Geschichten über den Schah gehört. Es hieß er sei ein gerechter Herrscher, aber auch gnadenlos bei Bestrafungen und ein Sklave, ein Diener oder eine Tänzerin ließen sich durch Unachtsamkeit schnell etwas zu Schulden kommen. Als sie ihr Zelt verließ und die ersten rhythmischen Töne erklangen beachtete sie keiner, doch als sie sich dem Tanz hingab, verstummte das Gerede und Gelächter nach und nach und eine stille Bewunderung legte sich über die Zuschauer. Sie beendete den Tanz und verschwand so schnell sie konnte wieder in ihrem Zelt, bevor sie unter so manch heißem Blick errötete. Doch sie war nicht länger allein. Erschrocken sah sie den jungen Herren an und erkannte ihn.
>> Du!<<, brachte sie atemlos hervor.
Der Jüngling starrte sie entzückt und verwirrt zugleich an.
>> Kennen wir uns etwa, schönste aller Blumen? <<, sagte er schließlich.
>> Du bist der Junge mit dem Schlangenbiss! << entfuhr es Musa, die sogleich zurückfuhr, als sie erkannte, dass sie sich verraten hatte. Der Jüngling schaute sie mit großen Augen an und wurde blass. Mit drei großen Schritten war er bei ihr und riss den Schleier von ihrem Gesicht.
Minuten schienen zu vergehen bis er sich besann.
>> Du bist nicht nur die schönste aller Frauen, du bist auch die Klügste! Du hast mein Leben gerettet! <<, flüsterte er.
>> Du wirst mich doch nicht an den Schah verraten, ich flehe dich an oh Gebieter. <<, schluchzte Musa und sank zu seinen Füßen.
>> Mein Name ist Prinz Ranaan und glaube mir, ich weiß wie es ist den Zorn des Schah, meines Vaters, zu spüren, ich werde dich bestimmt nicht verraten. Ich bin dir ewig zu Dank verpflichtet, Licht meines Lebens!<<, sprach der Prinz sanft und zog Musa wieder auf ihre Beine. Lachend und weinend zu gleich setzten sie sich und erzählten sich ihre Geschichten. Immer wieder ging Musa hinaus um zu tanzen, während der Prinz ungeduldig im Zelt auf ihre Rückkehr wartete. Sie hatte nun erfahren, wie unglücklich der Prinz bei seinem letzten Besuch in ihrer Stadt war. Auch er hatte seine Mutter verloren und wurde streng von den Wesiren des Schahs erzogen. Nie hatte er die Freiheit zu tun was er wollte und so stahl er eines Nachts aus Trotz und Leid die Kleidung eines jungen Dieners und floh aus dem Palast des Stadthalters. So fand ihn Musa damals und als sie solche Mühe für ihn auf sich nahm, um ihn zu retten, fühlte auch er sich verpflichtet zu seinem Vater zurückzukehren und sich Mühe zu geben. Wieder kam Musa nach einem Tanz ins Zelt und erzählte nun ihm, wie es ihr danach ergangen war und der Prinz war erzürnt und entsetzt zugleich über das Schicksal, das dieses junge Mädchen schon ereilt hatte. Der Abend ging in die Nacht über und noch immer erzählten sie miteinander, bis Musa aufstand und sich verabschiedete, denn ihr Vater war sicher schon in Sorge.
Die Festlichkeiten dauerten sieben Tage und so hatten Musa und Ranaan immer wieder Gelegenheit sich einige Augenblicke zu stehlen und jedem der sie zusammen gesehen hätte, wäre nicht entgangen, dass sie sich in Liebe zugetan waren.
Am letzten Abend legte sich Schwermut auf Musa’s fröhliches Gemüt, doch Ranaan wollte nichts von einem Abschied hören. Er war sich sicher, er könne seinen Vater davon überzeugen Musa zu heiraten. So fassten sie Mut und traten gemeinsam vor den Schah.
Abid el Sadum war überrascht von dem plötzlich ernsten Ansinnen seines Sohnes, doch als er die Schönheit von Musa erkannte, war auch er beeindruckt. Lange unterhielt er sich mit dem bescheidenen, klugen Mädchen und gab den beiden schließlich seinen Segen.
Kurz darauf verkündete der Schah die Hochzeit von Ranaan und Musa öffentlich. Doch einen Tag später, bat eine verhüllte Frau um Audienz beim Schah.
>> Oh gütigster und größter aller Herrscher<<, begann sie. >> Ich muss euch warnen vor dem Mädchen, das ihr eurem Sohn zur Frau geben wollt. Jahre lang habe ich mich liebevoll um sie gekümmert, doch meine Bemühungen stießen bei ihr auf unfruchtbaren Boden. Stets strafte sie mich mit Undankbarkeit, schlich sich heimlich fort und lernte bei ihren Brüdern ungebührliches Wissen für eine Frau. Schließlich bestahl sie mich meiner kostbaren Kräuter und als ich sie dafür rügen wollte, wurde ich in Schimpf und Schande vom Hof gejagt. <<
Als der Schah dies hörte, wurde er so wütend, dass er den Stadthalter beauftragte Musa in den Kerker werfen zu lassen. Der Stadthalter kam dem Befehl schweren Herzens nach und fragte Musa betrübt, ob die Frau die Wahrheit sprach und so erzählte Musa ihm die ganze Geschichte. So erfuhr er auch von der Bibliothek und erkannte in Musa den kleinen Tischgeist, der ihm einst geholfen hatte. In der Hoffnung Musa zu helfen, ging er zum Schah.
>> Oh Herr, ich bitte um Gnade für Musa. Erinnert euch an die Bedrohung für diese Stadt, die einst von dem großen Kriegsherren des Südens ausging. Er wollte unsere Stadt erstürmen und kam mit tausend Soldaten um zu Morden und zu Plündern. Ich wusste nicht ein noch aus und ging in die Bibliothek um Weisheit zu erlangen. Doch es wollte mir nichts einfallen, was unsere Stadt hätte retten können, bis mir ein kleiner Tischgeist half. Durch einen tröstlichen Spruch kam ich auf den Gedanken, den Kriegsherren nicht mit Pfeilen zu empfangen, sondern mit Freundschaft und Liebe. Er war so überrascht von unserem Tun, dass er sich mit uns verbündete und unsere Stadt für immer schützen wollte. Es stellte sich heraus das Musa dieser Tischgeist war. <<, erklärte der Stadthalter.
Der Schah wollte ihm jedoch keinen Glauben schenken.
Nun erzählte ihm auch sein Sohn, wie Musa ihn einst gerettet hat und das ihr dies nur Dank ihrer Fähigkeiten möglich war. Doch der Schah sah in Ranaan nur die Verzweiflung, nicht aber die Wahrheit, denn er wollte nicht erkennen, dass eine Frau Gutes erreichen konnte, mit solchem Wissen.
In seiner Angst um die Tochter, trat auch Musa’s Vater vor den Schah und berichtete von ihrem Schicksal und wie er sie einst blutüberströmt fand.
Ungewollt regte sich Mitleid im Herzen des Schahs für das misshandelte Kind, doch es besänftigte nicht den Groll gegen die Frau, die sie nun war.
Also ließ er Musa holen um sie ein letztes Mal zu verhören und das Urteil zu sprechen. Musa kniete mit gesenktem Haupt vor dem Schah und rührte sich nicht, während er die Anklage vorbrachte. Als er geendet hatte, fragte er ob Musa noch etwas dazu zu sagen hätte und so sprach sie.
>> Oh Gebieter, ich beuge mich willig deinem Urteil. Du bist weise und gerecht, daher werde ich nichts abstreiten, wenn du sagst ich habe falsch gehandelt. <<
Der Schah war sehr überrascht von Musa’s Worten, denn er hatte Flehen, Wehklagen und viele Tränen erwartet.
>> Wenn du noch weitere Taten zu beichten hast, so ergreife diese Möglichkeit jetzt. <<, sagte der Schah streng, denn in ihm regte sich Unsicherheit.
Da erzählte ihm Musa die Geschichte mit dem getöteten Tiger aus ihrer Kindheit und der Schah erkannte mit größtem Erstaunen, dass ihm diese bekannt war. Denn er war einst der gefallene Reiter, der durch einen Pfeil aus dem Baum gerettet wurde.
Den Schah überkam nun große Dankbarkeit und er wusste, dass alle Geschichten über Musa der Wahrheit entsprachen. Reuevoll sah er ein, dass keine Gefahr drohte von dem wissenden Mädchen, sondern eine Bereicherung.
Glücklich entließ er Musa aus der Gefangenschaft und richtete die größte Hochzeit aus, die das Reich je gesehen hatte. Zum Dank und als Geschenk zur Hochzeit, erließ der Schah ein neues Gesetz, dass Frauen kein Wissen mehr verwehrt werden durfte.
Nach den Feierlichkeiten trat der Schah an Musa heran und fragte sie was mit Raja, ihrer Tante geschehen sollte, die sie so schändlich behandelt und beschuldigt hatte.
>> Oh Herr, es ist nicht nötig Raja zu bestrafen, sie selbst ist es, die sich straft mit Hass und Neid, die sie täglich und für alle Zeiten quälen werden. <<, antwortete Musa.
Ranaan und Musa aber lebten frei von solch quälender Last, glücklich und segensreich, bis ans Ende ihrer Tage.

Impressum

Texte: © bei Pika Lina
Tag der Veröffentlichung: 27.11.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Märchen aus 1001 Nacht

Nächste Seite
Seite 1 /