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Amselsonett



Frank



Ein Amselmann im Lenze
wollt bauen sich ein Nest.
Er fand auf dem Balkone
ein wundersames Ding.

Die Amselin war hocherfreut
und sang »Das wird ein Fest!«
Neugierig betrachtet sie
den Kasten, der dort hing.

Dieser hatte eine kleine Tür
und ein Pendel, das schlug aus,
und zu jeder vollen Stunde
schaute ein Vögelchen heraus.

»Flieg weg!«, ruft der Amselmann,
»Verschwinde, lass offen deine Tür,
denn der Kasten, das ist doch klar,
gehört der Amselin und mir!"

Das ging so weiter viele Tage,
der Amselmann voll Trauer
vergeblich vor dem Kasten saß,
die Amselin war sauer.

Der Vogel aber stündlich sang
sein Lied in Moll und Dur,
denn der Kasten, der dort hing,
war eine Kuckucksuhr.


Mäuschen Lickefett



Eva Bieler

Ich bin das Mäuschen Lickefett,
und wohn hier nebenan.
Doch meinen Hausherrn Dickefett,
dem liegt nicht viel daran!

Ich fresse alle Speisen auf,
verschwinde flink ins Hinterhaus.
Dort habe ich mein Plätzchen,
geschützt vor Hausherrns Kätzchen.

Ist mal das Kätzchen draußen,
kann ich in Ruhe mausen!
Schlüpfe aus meinem Mausversteck,
vermeide die Falle mit dem Speck.

Es gibt 'ne Öffnung in der Wand,
die ist nur mir allein bekannt.
Dort husch ich in die Küche rein,
genieß die vielen Leckereien.


König, der Frosch



Silke Wiest



Winzig, grün und hässlich.
Du siehst ihn nicht –
nur im Sonnenlicht.
Da glitzert seine güldene Krone.

Bei Regen, Wolken und bei Nacht
siehst du ihn nicht,
da trittst du drauf
und nun gib acht:

Beim ersten Mal zuckt er,
beim zweiten Mal ruckt er,
beim dritten Mal quakt er:
»Ich bin ein Löwe, der König der Tiere!
Nach deinem Fleische ich giere.«

Du hebst nur den Fuß,
es folgt Nummer vier
und du flüsterst ihm zu:
"Deine güldene Krone, die gehört nun mir."

Und die Moral von dem Gedicht:
Halte dir, bevor du sprichst,
den Spiegel mal vor dein Gesicht!


Das Bild



Juli Lessing




Das Bild ist noch ganz,
nur der Rahmen gesprungen,
nachdem es zu hängen
mir gänzlich misslungen.

Es wär dort so herrlich
zur Geltung gekommen,
doch hat es sich selber
heruntergenommen.

Schon viele Versuche,
doch keine gelangen,
die Bilder sind fallend
kaputt nur gegangen.

Ich habe begriffen,
auch wenn ich nicht wollte,
dass an dieser Wand
besser nichts hängen sollte ...


Ein missglücktes Liebesgedicht



Juli Lessing



Ich brauche nichts – nur dich, dein Herz, dein Beben,
dein Lächeln, deinen tiefen, sanften Blick.
Ach, könnten wir doch ewig nur so leben –
ich weiß, jetzt reimt sich irgendwie nur »Glück« ...
Doch leider klingt das alles viel zu kitschig
und lächelnd muss ich hiermit nun gesteh'n,
dass ich dich einfach unendlich sehr liebe,
doch reimen lässt sich das nicht allzu schön.

Es trieft und tropft der Büttenreden-Pathos
und hinterlässt den Eindruck mir, dass man
die allerschönsten, ehrlichsten Gefühle
fast niemals Kitsch-befreit so reimen kann ... - och Mann!


Copyright © Piepmatz Verlag

Impressum

Texte: Piepmatz Verlag ISBN: 978-3942786010
Tag der Veröffentlichung: 31.05.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
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