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Schneegestöber

Lautes Kindergeschrei ertönt und  weckt mich aus meiner Welt der Träume. Verschlafen öffne ich meine Augen. Kühle umfängt mich trotz der dicken Daunendecke, die sich an mich schmiegt. Tapfer entsteige ich meiner warmen Höhle und gehe in die Küche um mir einen leckeren Kakao zu machen. Während die Milch auf dem Herd kocht, schaue ich aus dem Fenster. Ein Blubbern verrät mir, dass meine Milch fertig ist. Ich gebe Kakaopulver hinzu und während ich das Getränk in eine Tasse gieße, schweifen meine Gedanken schon hinaus in die Freiheit.

 

Das köstliche Wintergetränk in der Tasse und in der Hand haltend, begebe ich mich zum Fenster. Einem Blick nach draußen zeigt mir die Magie des Schnees. Mein Atem kondensiert auf der Scheibe. Die Welt außerhalb ist so weiß, dass ich denke jemand hat alle Farben mit einem Radiergummi entfernt. Am liebsten würde ich drin bleiben im behaglichen Haus, doch mein Kühlschrank ist leer und ruft nach  leckerem Nachschub.

 

Kühlschrank.

 

Dieses Wort so im Widerspruch zu dem Wetter draußen. Als ob es nicht kalt genug sei. Ich ziehe mich dick an, hier drinnen fange ich an zu schwitzen. Doch kaum entweiche ich dem wohligen Warm des heimischen Herdes und trete an die eisige Luft, umfangen mich kalte Winde und mein Atem gefriert leicht, fast wird mein Hauch zu Eis, der seinen Weg zum Boden nimmt. Auf dem Weg versuche ich meine steifen Glieder zu bewegen und meinen Körper dem eisigen Hauch der Natur entgegenzustemmen. Mein getrübter Blick schweift über die Umgebung. Die Menschen verstecken sich unter Schichten von wärmenden Klamotten und genießen die kalten Temperaturen. Kinder spielen wild im Schnee und bauen einen Schneemann. Ich sehe mehrere Kinder im Schnee liegen und durch ihre Bewegungen Schneeengel erschaffen. Ein Mann geht  an der tobenden Horde vorbei.

 

Klatsch!

 

Ein größeres Projektil aus Schnee entwich der eigentlichen Flugbahn und erwischte das falsche Ziel. Der Mann schimpft die Kinder laut aus während diese lachend weiterspielen. Grinsend stampfe ich weiter auf dem Weg zu meinem Ziel. Vor dem Einkaufszentrum steht ein Mann als Weihnachtsmann verkleidet mit einer Glocke in der Hand und Spenden für das örtliche Weisenheim sammelt. Als ich zu ihm komme und etwas Geld in den Behälter stecke, wünscht er mir gleichzeitig ein frohes Fest. Mit einem Griff in meinen Einkauf hole ich eine Packung Schokolade heraus und übergebe sie ihm mit einem Lächeln.

 

Überall in der Stadt glitzern die Lichterketten an Fenstern, Bäumen und Laternen, der Duft von leckerem Gebäck, warmen Brot und klebrigen Süßigkeiten des Weihnachtsmarktes verbreitet ein wohliges Gefühl, einige Leute rennen hektisch durch die Gegend mit Paketen bepackt. Grinsend denke ich daran, dass die Geschenke schon längst besorgt worden sind und ich mich nicht mehr abhetzen muss. Glückliche Pärchen gehen Hand in Hand im Getümmel spazieren, Kinder drücken sich ihre Nasen an Schaufenster platt und schauen mit offenem Augen und glitzernden Augen den künstlerischen Schaffen der Ständebetreiber zu. Pfannkuchen, Bratäpfel, gebrannte Mandel, Clementinen und viele leckere Sachen locken mit ihren glänzenden Anblick und ihrem überwältigenden Duft sowie Glühwein mit ihrem fruchtig-heißen Geruch. Der große Weihnachtsbaum in der Mitte des Marktes ist reich geschmückt mit bunten Lametta, leuchtenden Baumkugeln, behangen mit Kerzen und diversen Figuren wie Engeln und Rentieren. Wahrlich ein prachtvoller Augenschmaus. Mehrere Kinderchöre tönen von der holden Weihnachtszeit und die Gespräche der Menschen gehen im Lärm des Getümmels unter.

 

Die hell läutenden Kirchturmglocken reißen mich mit ihrem musikalischen Spiel aus meinen Träumen. Langsamen Schrittes und mit warmen Gefühlen in der Bauchgegend begebe ich mich auf dem weiten Weg nach Hause durch den weißen knirschenden Pulverschnee. Plötzlich merke ich, wie es anfängt zu schneien. Fasziniert beobachte ich wie eine einzelne Schneeflocke langsam schwebt auf ihrem Weg zur Erde.

 

Doch sie ist nicht alleine.

 

Erst sind es einige wenige, doch es werden immer mehr. Am Ende sind es unzählige Flocken, die ihren wunderschönen wirbelnden Tanz durch die Luft vollführen. Ihre Anmut und Grazie rühren mein Innerstes auf und eine kleine Träne läuft mir aus den Augen. Dieses Schauspiel entfesselt eine tiefe Ehrfurcht und auf meinen einsamen Weg nach Hause fliegen meine Gedanken hinaus in die kühle und stürmische Welt hinaus.

 

Am Abend schaue ich ein letztes Mal durch mein Fenster nach außen. Die Winterwelt umfängt meine Seele und bevor Morpheus mich in seine Arme nimmt, ist das letzte Bild was ich vor Augen habe,

eine kleine zarte Schneeflocke.

 

Auf ihren Weg in die weite, weiße Welt wo die Gesellschaft ihrer Schwester wartet.

Impressum

Texte: Hans W. Karpowski
Bildmaterialien: Lariuma Heartless, http://lariumaheartless.deviantart.com/
Tag der Veröffentlichung: 29.11.2019

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