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SCHATTENGRENZEN - Das Spiel des Schicksals

SCHATTENGRENZEN - Das Spiel des Schicksals

 

Sie gönnt sich heute mal einen freien Tag, ganz für sich allein. Aber doch nicht so ganz ohne Hintergedanken.

Letzten Dienstag war sie auch schon hier, ein paar Teilchen besorgen, für sich und ihre Schwester. Pia kam zu einem Plauderstündchen auf dem rosa Sofa, das ihr so gut gefällt.

Dieses riesige Panoramafenster davor schenkt einen Ausblick, den man nicht so schnell wieder vergisst, wenn überhaupt.

Weit schaut man hinaus, bis zum nächsten Höhenzug und dazwischen ... grüne Hügel, verstreute Gehöfte und im Moment große, blühende, gelbe Rapsfelder.

Für Pia der Inbegriff einer unaussprechlichen Idylle.

Mona liebt diese Aussicht, die Freiheit, diese Ruhe mindestens genauso, doch mit der Zeit, nach einigen Jahren des Genusses wechselt das Erlebnis in Normalität, verschwindet langsam und schleichend das Besondere daran. Schade, aber: So ist das Leben.

Mona macht grad eine blöde Zeit durch, hat ihr Mann doch durchblicken lassen, dass er nicht mehr sonderlich begeistert von ihrem Zusammenleben ist. Das war mal ganz anders, die Zeiten ändern sich eben. Alles Neue wird irgendwann schal.

Da ist Pias Besuch heute eine willkommene Abwechslung und auch Gelegenheit Frust im Gemecker über den Kerl abzulassen.

Für solch eine Plauderei mit - Männer-schlecht-machen-, (was ab und zu die Seele streichelt) ist Mona also im Begriff ein Paar richtig klasse Sahneteilchen zu besorgen. Wenn schon, dann richtig, kommt ja nicht so oft vor. Und wer stört sich schon an dem bisschen Hüftgold?!

Alles wechselt so verdammt schnell von himmelhoch jauchzend zum ekeligen zu Tode betrübt.

Auch die Figur gerät mal schnell, zu schnell aus den Fugen. Die Gründe dafür lassen einen großen Erklärungsspielraum, man kann sich was Passendes aussuchen.

Ist letztlich auch ganz egal. Was wirklich zählt, sind nicht die immensen Anstrengungen den Veränderungen ein Schnippchen zu schlagen, sondern so oft wie möglich sich etwas Gutes zu tun, zu genießen, zu lachen und sich dann und wann am Leben zu erfreuen, wenn sich eine Gelegenheit bietet.

Mona betritt den Verkaufsraum eines Cafés, lächelt spontan beim Anblick der köstlichen Kuchen und Torten aller nur erdenklichen Art in der Auslage. Der Laden ist voll, so hat sie Zeit den Anblick zu genießen, bevor sie entscheiden muss, was für heute Nachmittag das Richtige ist, womit sie Pia und sich selbst eine Freude machen kann.

Einige andere Leute vor ihr müssen sich eher als sie entscheiden, haben die Qual der Wahl, das spürt man ganz deutlich.

»Ach nein, lieber doch das da, mit Eierlikör. Dann vielleicht doch noch von der Mokkatorte.«

Ach ja, die große Verführung.

So viele Menschen haben die Süße im Leben verloren und greifen nun auf die Möglichkeit, sie sich von außen zuzuführen, auch hier in dem Café, zu.

Ein herzlicher Gruß an die Tortenbäcker!

Auch Mona reiht sich ein.

Vom Verkaufsraum aus kann man ins gemütliche Café gehen. Kleine Tischchen für zwei oder sorgfältig gedeckte ›Tafeln‹ stehen für die Schleckermäulchen bereit. Eine gelungene Mischung aus Gemütlichkeit und Eleganz machen den gesamten Genuss rund.

Irgendwie merkt Mona plötzlich ein Kribbeln im Nacken, sie spürt einen unbändigen Drang, sich umzudrehen und ins Café zu schauen.

Erst will sie dem Verlangen standhalten, doch dann gibt sie nach.

Oh Mann, was ist das denn? Mona glaubt es kaum und blinzelt ein paar Mal.

Sie schließt kurz die Augen und erwartet schon, das Trugbild eines so unverschämt tollen Mannes sei dann verschwunden.

Augen wieder auf - er ist immer noch da. Es gibt ihn wirklich, kein Rausch durch den Anblick und der Vorfreude auf die cremig, sahnigen Wunderbarigkeiten, die Mona gleich aussuchen wird.

Sie hat sich durch ihre Reaktion verraten, oh du Peinlichkeit!

Mr. Strahlemann grinst sie mit einem leicht schiefen Lächeln an, das ihr einige Unruhe in den Bauch zaubert.

Leuchtend grüne Augen, (zum Glück hat Mona ihre Brille auf), ein supersinnlich geschwungener Mund, der eigentlich sofort geknutscht werden will, markante, männliche Gesichtszüge, leicht gebräunt, dunkelblonde Locken bis auf die Schultern, lässig hinter die Ohren gestrichen.

Himmel - Mona starrt dieses Wahnsinnsexemplar von einem Mann an. Und er lächelt weiter - zu ihr rüber. Nun zwinkert der auch noch, sie möchte sich jetzt sofort auf ihn stürzen!

 

 

*

 

 

»Habt ihr was erfahren, womit wir weiterkommen?«

»Auf jeden Fall, der Anschlag ist noch für heute Nachmittag geplant. Eine junge Frau bepackt mit Sprengstoff und ein Café. Nur welches war nicht mehr zu ermitteln. Der Viewer war zu fertig.«

»Mist! Wo ist Mirko? Können wir ihn noch mal auf das Target ansetzen?«

»Er müsste jeden Moment kommen. Du kennst ihn ja, nicht unbedingt immer zuverlässig. Eigentlich wollte er schon vor einer Stunde im Viewing sein.«

»Dafür ist er einer unserer Besten. Es geht hier um Menschenleben.«

Laute Stimmen vor der Tür lassen die beiden Beamten aufhorchen, als auch schon die Tür aufgerissen wird.

»Hey Leute, ist schon alles vorbei? Wegen mir kann´s sofort losgehen. Soll ja eilig sein!«

Strahlend grüne Augen blitzen Mirko böse an.

»Mann, jetzt aber schnell! Der Anschlag findet wohl schon heute Nachmittag statt. Du musst mit Severin noch mal einsteigen, um Genaueres in Erfahrung zu bringen.«

Auf dem Weg in einen absolut schalldichten Raum, in dem die Remote Viewing Sitzungen abgehalten werden, beginnt Mirko sich schon auf seine Aufgabe als Viewer vorzubereiten.

Er ist es gewohnt, unter Druck zu arbeiten. »Das gibt den besonderen Kick«, sagt er oft.

Einige in diesem Team, das so geheim ist, dass noch nicht einmal die hohen Tiere in der Regierung davon wissen, sind mit Mirkos coolen Art, wie er an die Arbeit geht, ganz und gar nicht einverstanden. Sie trauen diesem großen, schlaksigen Freak nicht zu, ernsthaft zu arbeiten. Doch da irren sie sich gewaltig.

Sobald Mirko seine Kurve zeichnet, sie einteilt und die einzelnen Segmente abtastet, findet mit ihm eine Verwandlung statt.

Die feuerrote Mähne hat er mit einem Lederband zu einem Zopf zusammengebunden. Die grau-grünen Augen verschleiern sich, sein Blick ist nach innen gerichtet.

Mit größter Sorgfalt folgt er dem Protokoll und den Ansagen des Monitors, der ihn leitet.

Nichts Flapsiges, kein Rumgehampel stört die konzentrierte Atmosphäre im Raum.

»Es ist jetzt schon zehn. Wir haben die ganze Nacht immer wieder andere Viewer mit neuen Targets eingesetzt.

Au Mann, so unter Druck ist das echt scheiße. Wenn Mirko das jetzt nicht hinkriegt, können die vom BKA nur noch die Scherben einsammeln.«

»Hol dir erst mal ´nen Kaffee und bleib einfach ruhig. Mehr als Warten können wir im Moment nicht.«

Oktavian Seebaum atmet tief ein, schlendert den Flur zur Kantine runter um sich einen Kaffee zu organisieren. Der aus dem Automaten schmeckt erbärmlich. Darauf hat er jetzt keinen Bock.

Oktavian und sein Partner Percy Cameron gehören einer kleinen geheimen Gruppe von Remote Viewern an.

Während der Zeit des kalten Krieges wurde diese Methode im Rahmen des Stargate Programms entwickelt und die Viewer sollten als eine Art Psycho-Spione für die CIA operieren.

Beim Remote Viewing wird der Geist mit Hilfe eines genau ausgeklügelten Protokolls auf eine sonderbare Reise geschickt, um dem Feind genaustens auf die Finger schauen zu können, Informationen geheimer Einstufung in Erfahrung zu bringen, sogar vor Manipulation schreckte man nicht zurück.

Angeblich wurde das Projekt genau dann, als erschreckende Erfolge erzielt wurden, eingestellt. Wer glaubt das denn?!

Der menschliche Geist ist mit einem dementsprechenden Training zu vielem fähig, was als Nonsens bezeichnet würde, wenn´s nicht schon längst umgesetzt und angewendet würde.

Jeder kann dieses Viewen lernen. Der Eine beherrscht es besser als der Andere und Mirko ist besonders gut.

Er hat schon Dinge ans Tageslicht gebracht, die erst sogar im Team keiner glauben konnte. Und dann schlug die Realität zu, alles stimmte genau, wie Mirko es aufgedeckt hatte.

Oktavian bewundert und fürchtet diesen Freak, der nie so ist, wie alle, immer anders und voller Überraschungen, die nicht unbedingt angenehmer Natur sind.

Andere Kollegen raunen hinter vorgehaltener Hand, er sei wohl ein Kandidat für die Klapse.

Aber vielleicht ist gerade diese, die Andersartigkeit verantwortlich für seine Begabung mit jedem Target fertig werden zu können.

Egal, welches Ziel sich im braunen Din A4 Umschlag hinter der willkürlichen Zahlenkombination verbirgt, Mirko pirscht sich ran, hält sich mental am Monitor fest, um nicht abzudriften in eine Unendlichkeit ohne Wiederkehr.

Sein Leben gleicht so und so einem Tanz auf dem Vulkan und hier im Team stellt sich ihm eine Aufgabe, wodurch er einen Anker hat, der ihn auf dieser Seite des Wahnsinns hält, immer die Gefahr vor Augen auf die andere Seite abrutschen zu können.

 

*

 

Kapitel 1

»Hallo! Gute Frau haben Sie einen Wunsch oder überlegen sie noch, ob Sie sich ins Café setzen möchten?«

»Hä - ach so - ja - nein - ich wollte eigentlich ein paar Teilchen«, stottert Mona blöd, völlig aus dem Konzept gebracht.

Leider wird sie jetzt bedient und möchte niemanden verärgern, aber nun kann sie ihn, die ›Erscheinung‹, nicht mehr angrinsen.

Konfus und ohne sich auf den Kuchen konzentrieren zu können sucht sie wahllos ein paar Stücke aus, dreht sich wieder um ... er ist weg, verschwunden, hat sich aufgelöst.

Nur seine leere Tasse Kaffee und die zusammengefaltete Zeitung zeugen von seiner Anwesenheit.

Mona bezahlt und hegt die Hoffnung, er sei vielleicht nur grad zur Toilette gegangen.

Draußen vor dem Fenster bleibt sie eine kleine Ewigkeit stehen - kein Traummann mit strahlend grünen Augen erscheint wieder.

Schitt, sie hätte sich doch auf ihn stürzen sollen. Chance verpasst!

Während der Woche kann Mona diese Augen einfach nicht vergessen. Die verfolgen sie, egal, was sie tut, wo sie hingeht, bis in ihre Träume kommen diese Augen mit.

Vielleicht, denkt sie am Wochenende, kommt er ja jeden Dienstag in dieses Café. So was gibt´s doch, oder?!

Am Dienstag nimmt Mona sich wieder einen Tag frei, macht sich rechtschaffen früh auf den Weg, hat ihr Aussehen sorgfältig gestylt, sich eine Stunde lang immer wieder umgezogen - und ist doch noch nicht richtig zufrieden.

Unterwegs nimmt sie die Kette wieder ab, die Molle ihr geschenkt hat, mit viel Gedöns und Klunkern dran, eigentlich wunderschön und was Besonderes, doch heute kommt sie sich damit vor, wie ein behängter Weihnachtsbaum. Dieses Gefühl schwächt ihr Selbstbewusstsein und das kann sie grad nicht gebrauchen.

Lieber Gott! Lass es geschehen!, betet sie, die aus der Kirche ausgetreten ist, aus tiefster Seele.

Mit schwitzenassen Händen glutscht Mona von dem Türgriff, der sie doch zu ihrem Date ins Café einlassen soll, ab.

Fängt ja gut an«, faucht sie und startet einen neuen Versuch. Mist, ein Fingernagel ist abgebrochen. Auch das noch!

Voller Erwartung marschiert Mona gleich ins Café - abgebrochener Nagel hin und her. Sie strahlt, kann ein gewisses Grinsen nicht unterdrücken. Überall sitzen Leute, schlemmen oder stieren vor sich hin.

Nur der Typ ist nicht da.

Noch nicht, versucht sie sich zu beruhigen.

Von ihrem Platz aus kann sie den kompletten Gastraum überblicken und ganz hervorragend beobachten, wer reinkommt.

»Ja bitte, was darf ich Ihnen bringen?«, säuselt die nette Bedienung.

Mona bestellt eine große Tasse heiße Schokolade mit viel klasse Sahne, fett und cremig.

Heute ist ein freier, ein besonderer Tag, da sollte man sich ruhig was gönnen.

»In der Auslage habe ich eine tolle Marzipantorte gesehen, mit viel Marzipan nicht nur obendrauf, sondern auch zwischen den Böden. Davon bitte ein Stück.«

»Ja gerne. Kommt sofort.«

Weg ist die freundliche Dame und ein leckeres Schmausen steht Mona bevor. Herrlich! Die Vorfreude ist groß und zaubert ihr ein Lächeln um die Lippen - ein Strahlen in die Augen.

Der Supermann ist aber leider immer noch nicht da.

Ungeduld ist eine unschöne Gesellschaft und kann einem alles vermiesen.

Mona überlegt, womit sie sich beschäftigen könnte, um nicht alle fünf Minuten frustriert auf die Uhr zu schauen. Das bringt´s nämlich gar nicht. Auf einmal kommt der Typ tatsächlich rein und sie blickt ihn mit runterhängenden Mundwinkeln stumpf an. Oh, oh! Jegliche Chancen wären dahin.

Mona kommt der Gedanke, ob sie hier und jetzt nur ihre Zeit vertut, sich einer unverzeihlichen Faulheit schuldig macht, obwohl sie zu Hause in ihrer Schreibbude ´ne Menge zu tun hätte. Sie aber sitzt nun einfach dumm rum und vergnügt sich an fetter Torte mit Sahne. Ihr fällt der Song von Udo Jürgens ein: Aber bitte mit Sahne.

Monas Grinsen wird etwas breiter, die Mundwinkel heben sich merklich.

Grad kommt der heiße Kakao mit der Torte - ach wie passend zum Lied! Beim ganz langsamen, genießerischen Verspeisen der Köstlichkeiten sinniert sie hinter dem Gedanken her, was Faulheit denn eigentlich ausmacht.

 

 

*

 

 

»Wo ist diese Neue? Sie ist bereit eingesetzt zu werden, bevor sie noch wankelmütig wird. Mit ihren blonden Haaren und blauen Augen sieht sie so total deutsch aus. Da hegt keiner einen Verdacht. Nur schnell muss es jetzt gehen. Serkan, wo ist die?«

»Ich habe sie eben im Vorbereitungsraum gesehen. Sie schien mir sehr traurig und in sich gekehrt zu sein.«

»Genau das hat sie ja zu uns gebracht. Sie sucht eine Aufgabe und auch endlich Zugehörigkeit, nachdem ihre Eltern, die ganze Familie sie im Stich gelassen hat. Bei uns hat sie beides gefunden. Hol sie her!«

Serkan hat ein mulmiges Gefühl. Er kann nicht genau sagen, weshalb, doch irgendwie stinkt alles nach Scheitern.

»Hamed, ich weiß nicht, sollten wir nicht ...«

Mit einer unwirschen Handbewegung bringt der Serkan zum Schweigen.

»Unsinn! Alles ist vorbereitet, Ozan vertraut uns und wartet, dass was passiert. Der Sprengstoff ist da, wir dürfen jetzt nicht mehr zögern, bis noch alles auffliegt. Unsere Aktion ist der Zünder einer ganzen Kettenreaktion. Also geh schon und bring die Schlampe her!«

Serkan kann dieses Scheißgefühl nicht loswerden. Immer wieder baut sich ein unbeschreibliches Chaos vor seinem geistigen Auge auf. Da stimmt was nicht, aber was? Er kann diesen Mist, der sich ihm aufdrängt, nicht greifen.

Bente ist tatsächlich noch im Vorbereitungsraum, sitzt einfach da, auf dem Boden, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, aus glasigen Augen stiert sie ohne etwas zu sehen vor sich hin.

Das Mädchen gehört eigentlich nicht zu ihnen. Auf der Suche nach einer Familie und Zuwendung ist sie an einen ihrer Rekrutierer geraten, der ihr die Erfüllung all ihrer Wünsche in den schönsten Farben geschildert hat. Vor Freude weinend war Bente sofort bereit sich dieser verheißungsvollen Gruppe anzuschließen.

Mit gefälschten Papieren und über grüne Grenzen kam sie dann ins Ausbildungslager.

Sehr schnell zerbröckelten die Erwartungen des Mädchens und sie hegte keine Zuversicht mehr, auf die Erfüllung der ihr gemachten Versprechungen.

Gerade Frauen gehen in diesen Lagern durch die Hölle.

Die kleine, zarte Bente mit ihrer blonden Mähne und den leuchtend blauen Augen fachte in den Soldaten des Terrors alles an, was Männlichkeit ausmachte.

Sie wurde rumgereicht. Da gab es kein Entkommen mehr, Hilfe oder Beistand - ha!

Wer so aussieht, ist für diese Aufgabe geboren, war die einhellige Meinung.

Einmal versuchte Bente nachts abzuhauen, weit weg von jeder Siedlung, abseits von allem, draußen im Nirgendwo. Das war ihr egal, lieber verhungern, verdursten oder sich einfach aufgeben, als immer und immer diese geilen Böcke ertragen zu müssen, deren Gestank sie unweigerlich wieder zum Kotzen brachte. Dann wurde sie auch noch geschlagen. Manchmal so doll, dass endlich die rettende Ohnmacht einsetzte, sich Dunkelheit über ihre Sinne legte und sie nichts mehr mitbekam.

Anschließend war sie dann mehr tot als lebendig, übersät mit Prellungen und blauen Flecken, wund und aufgerissen.

Das Schlimmste allerdings war, auch Typen aus ihrem Heimatland waren mit von der Partie. Animalisch, wie tollwütige Tiere fielen auch ihre eigenen Landsleute über sie her.

Eines Tages, nach so einer widerlichen Aktion, spürte Bente tief in sich ein Knacken. Da wusste sie augenblicklich: Das war´s, hier kommst du nicht mehr raus.

Von nun an waren da keine Gedanken mehr, kein Widerstand. Alles in ihr war komplett leer.

Bentes Identität wurde ausgelöscht, sie war gebrochen, was von nun an kam - egal.

Ab diesem Tag wurde sie zur Selbstmordattentäterin ausgebildet. Sie fügte sich, was auch immer man ihr auftrug zu tun, sie war eine leere Hülle, die funktionierte.

Dass sie bei einem solchen Einsatz auch andere Menschen mit in den Tod reißen könnte, kam ihr gar nicht in den Sinn. Denken - ausgeschaltet. Machen - schlafen - essen - machen.

Und jetzt ist sie also hier, kurz vor ihrem Einsatz. Auch gut, ebenso wie alles andere!

»Bente, Mädchen, es ist so weit. Hamed wartet auf dich. Komm ich bringe dich zu ihm.«

Dieser seelenlose Blick aus so wunderschönen blauen Augen hauen Serkan um.

Das ist nicht richtig, sowas darf man doch niemandem antun!, denkt er entsetzt und zweifelt wieder einmal an der Richtigkeit seines Tuns. Doch was soll er machen? Viel zu tief und zu lange hängt er schon in diesem Krieg, der nicht seiner und auch nicht zu gewinnen ist, mit drin.

 

Kapitel 2

Bente steht auf und trottet neben ihm her, bedingungslos, vollkommen ruhig, ohne irgendwelche Erwartungen, gedankenlos.

Sie ist nur noch ein Werkzeug, das jetzt gebraucht und benutzt wird. Für dieses Mädchen gibt es das, was man Leben nennt, nicht mehr.

Sie denkt noch nicht einmal an danach, denn sie steckt schon längst in einem Danach Modus.

Serkan spürt plötzlich eine fiese, unerklärliche Unruhe. Hier ist was um ihn herum. Er bleibt abrupt stehen, dreht sich hektisch um, schaut in alle Richtungen - nichts.

Aber da ist eine Präsenz, er spürt sie ganz deutlich. Eigentlich kennt er sowas wie Angst schon gar nicht mehr, doch das hier verursacht ihm eine Scheißangst! Da ist nichts und doch ne ganze Menge. Bente ist noch ein Stück weitergegangen, bevor sie merkt, dass Serkan stehen geblieben ist. Sie schaut

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Bildmaterialien: Bildmaterial © https://pixabay.com/de/mann-s%C3%A4nger-musiker-portrait-67467/ - Pixabay.com
Tag der Veröffentlichung: 30.11.2015
ISBN: 978-3-7396-2565-2

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