Cover

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Der Kürbismann

 

 

 

 

Kevin war mit seinen 25 Jahren eigentlich ein aufgeweckter fröhlicher junger Mann. Aber seit zwei Wochen lebte er allein in seinem Appartement, das einsam vor sich hingammelte. Und wenn er von der Arbeit kam, wenn er mal kein Homeoffice hatte, da hatte er oftmals keine Lust aufzuräumen, aber lange hielt er es nicht aus, denn Ordnung war sein halbes Leben.

Sein Freund Marco hatte sich von ihm getrennt, der angebliche Grund war eine Frau, in der er sich verliebt hatte und erklärte Kevin, dass er doch nicht auf Männer stand, so wie er erst dachte. Sie hatten zwei Jahre eine Beziehung geführt. Kevin glaubte die Geschichte nicht so ganz, und vermutete, dass diese Pandemie, die seit einiger Zeit auf der Welt grassierte, der wirkliche Grund des Beziehungsaus gewesen sein musste. Denn Marco mochte viel Besuche und da man sich in dieser Zeit einschränken musste, war sein Freund launisch, hinterfragte die ganze Situation mit den Kontaktbeschränkungen und schließlich hatte er sich auf einmal in eine Frau verliebt? Nein, da war etwas faul.

Kevin war traurig darüber das Marco ihn diesbezüglich anlog, da er herausgefunden hatte, über ein paar gemeinsame Freunde, dass Marco nun mit einem anderen Mann zusammen war und er nun auf diese Anti-Corona-Demos ging. Eine bittere Pille für Kevin, war er sehr an Marco gehangen. Er war sein erster und fester Freund gewesen. Dennoch hakte er nicht nach dazu war er zu stolz und er wollte zudem nicht sein Gesicht verlieren, oder um etwas kämpfen was bereits aussichtslos schien. Wenn er sich selbst eingestand war die Beziehung bereits seit einiger Zeit nicht mehr harmonisch gewesen und so hatte er ihn ohne Gegenwehr aus der Wohnung ausziehen lassen. Zum Glück war der Mietvertrag auf ihn geschrieben, so konnte er in der Wohnung bleiben, auch wenn die Miete für ihn allein sehr hoch war da Marcos Anteil nun fehlte, aber mit seinem Beruf als Versicherungskaufmann stand er nicht schlecht da.

Marco war an jenem Tag mit einem angemieteten Transporter gekommen, als Kevin einen Spaziergang unternommen hatte. Als er von seinem Spaziergang zurück war, der keine zwei Stunden gedauert hatte, musste Kevin bitter feststellen, dass von Marco nichts mehr übriggeblieben war. Kein Abschied, nichts. Selbst die gemeinsamen Fotos hatte er entfernen lassen.

Es schmerzte ihn, dass er ihm so wenig wert gewesen sein musste.

Und seit zwei Wochen war er schon allein!

Das Appartement war seitdem kärglich eingerichtet, da vieles an Möbel von Marco stammte.

Er hatte sich ein Bett kaufen müssen, ein Einfaches in einem XXL-Möbelgeschäft und das stand nun verloren in dem großen Appartement herum in dem nur noch eine weiße Küchenzeile, einem Tisch mit Stuhl Marke Ikea auf dem sein Laptop stand und sein Sonny Fernseher, der an der Wand hing und von dort aus man vom Boden aus fernsehen musste. Die Couch war auch Marcos Eigentum gewesen.

An manchen Tagen fragte sich Kevin, ob es an seinem Aussehen gelegen hatte, dass er so fallengelassen worden war. Es konnte doch nicht alles am Corona gelegen haben, oder an einer Frau?

Kevin war Durchschnitt, nichts Besonderes, aber hässlich fand er sich dennoch nicht. Braune Haare, die lockig frech sein Gesicht umrahmte, braune große Augen in einem schmalen Gesicht, gerade mal 1.70 cm klein und das war für ein Mann nicht gerade groß. Er hatte keine Muskeln und eher die Figur eines Knaben, na und, da gab es Schlechtere. Ein Quasimodo war er nicht, aber auch ein Quasimodo hatte Gefühle.

Tja, manchmal dachte er in ein Fitnessstudio zu gehen. Aber das war in Corona Zeiten nicht ganz einfach, so durften sich maximal zwei Familien treffen und er hatte zudem Angst, sich anzustecken. Was Familie betraf so hatte er keine, er war Waise und war früh auf sich gestellt. Einmal unternahm er einen Versuch herauszufinden wer seine Eltern waren, aber dann dachte er sich, was solls, es würde sie auch nicht mehr lebendiger machen. Die paar Freunde die Kevin noch hatte, hatte er über WhatsApp oder sie unterhielten sich über Videobotschaften, aber das machte nach einiger Zeit auch keinen Spaß mehr. Man stumpfte immer mehr ab. Anfänglich fragte man Kevin, warum die Trennung mit Marco überhaupt sein gemusst hatte, und sie hätten doch so gut zusammengepasst, und wie es ihm erginge so allein. Aber Corona erreichte die Wirkung, dass alles immer weniger wurde und irgendwann rief man sich nicht mehr an.

Kevin war es zudem leid immer anderen ständig hinterher telefonieren zu müssen. Er vereinsamte immer mehr.  Ein Stiller Hilferuf, in Form eines Gebetes nach Liebe, stieß er eines Tages in die Luft als er nach einem Spaziergang wieder in seine einsame Wohnung ging, in dem, wie immer, Niemand auf ihn wartete.

Scheiß Mitleid!

Darum beschloss er eines Tages sich ein kleines Stückchen Stadtgarten zu mieten, wo er etwas Gemüse anbauen konnte. Er hatte das in einer Zeitung gelesen, als die Pandemie mittendrin war. Das war der große Renner und viele Leute trösteten sich über ihre verlorene Arbeit hinweg und freuten sich auf Abwechslung und frisches Obst und Gemüse. Kevin würde es über seine Einsamkeit hinwegtrösten, davon war er fest überzeugt.

 

Der Frühling war bereits angebrochen und für die Jahreszeit ziemlich heiß, als er gerade auf dem Weg zu dieser Stadttante war, die diesen Stadtgarten vermietete. Am Wegesrand, mitten in der Großstadt Deutschlands wurde er auf einmal an einem Straßenrand von etwas Kleinem, etwas Funkelndem geblendet.  Es stach direkt in seine Augen. Die Straßen waren, seit Coronas Zeiten, nicht sehr belebt und doch schienen die wenigen Menschen keine Notiz von dem zu nehmen, was er sah und es andere eigentlich sehen mussten. Das kleine Etwas, funkelte und strahlte, wie ein kleiner Diamant und doch mit einer Intensität, die er so nicht kannte.

Schweiß bildete sich auf der Stirn als er sich nach dem Objekt bückte, und wischte sich mit dem Arm über das Gesicht, um besser sehen zu können, was es genau war. Er kniff dabei seine Augen ein klein wenig zusammen, um es besser betrachten zu können, doch konnte er noch immer nicht genau sagen was es war, und warum es so schimmerte, gar leuchtete wie eine kleine Sonne. Wieder sah er sich kurz um und die wenigen Menschen die zum Teil in ihren Mundschutzmasken an ihm vorbeiliefen nahmen von ihm weiterhin keine Notiz. Verwundert schüttelte er mit dem Kopf und richtete sein Augenmerk wieder auf das leuchtende Objekt. Dann hob er es schließlich auf und war überrascht, dass es sich kühl in seiner Hand anfühlte und nicht wie vermutet - heiß. Er richtete sich mit der geschlossenen Hand auf und öffnete dann die Hand, um genau zu betrachten was es war.  Das strahlend, gleißende Licht, das ihn kurz blendete, erlosch und zum Vorschein kam kein Diamant oder so etwas ähnliches, sondern ein gewöhnlicher Samen von einem Kürbis.

Sein Herz begann zu klopfen und es wurde immer stärker. Etwas in seinem Inneren regte sich. Jeder wäre enttäuscht gewesen, doch Kevin freute sich darüber. Er freute sich so sehr etwas gefunden zu haben und hinterfragte nicht, warum dieser Samen noch vor einigen Augenblicke seltsam geleuchtet hatte. Das ist es, dachte er sich, ich pflanze einen Kürbis, dachte er erfreut weiter und verstaute den Samen in ein Taschentuch und faltete es sorgsam zusammen und verstaute es in seiner Hosentasche.

Dann ging er zu dieser Frau, die diese Stadtgärten vermietete und sie wunderte sich, warum er keine anderen Samen haben wollte, die mit in der Vermietung enthalten waren. „Nein“, hatte er geantwortet, „ich habe schon Saatgut.“ Strahlend, und mit Vertragsabschluss und einem Gartenplan in der Hand, ging er zu seinem neu angemieteten Beet und machte sich rasch an die Arbeit.

Lange Zeit sah man nichts, außer der Stelle an dem er den Samen in die aufgelockerte Erde eingepflanzt hatte war nur ein feuchter Fleck zu sehen. Um diesen weiterhin feucht zu halten musste er täglich zum Gießen kommen und betete, dass bald was wachsen würde. Eines Tages, der Frühling war bereits vorbei und der Sommer klopfte an der Tür, war ein kleines Pflänzchen entstanden, bald daraufhin kam eine große gelbe Blüte zum Vorschein. Nur eine Einzige, was ihn verwunderte, da er sich erkundigt hatte, wie man eine Kürbispflanze zu behandeln hatte und wie sie sich entwickelte, aber das machte nichts, denn bald darauf entstand ein kleiner Kürbis und so war es egal, dass die Pflanze nur eine Frucht gebildet hatte. Sein Herz klopfte noch rascher und er wunderte sich selbst über diesen Gefühlsausbruch, welche dieser kleine grüne Kürbis in ihm hervorrief.  Liebe erfüllte die Luft, schwängerte sie. Der Gedanke tröstete ihn, nicht mehr allein zu sein, eine Aufgabe zu haben. Und er gab diesem kleinen Kürbis einen Namen: Alex

Und sein kleiner Alex war geboren.

 

Alex wurde zu seinem Vertrauten.

Jeden Tag sah Kevin nach Alex, um ihn zu gießen und ab und zu, zu düngen, denn Kürbisse brauchten viel Nährstoffe. Er freute sich von Tag zu Tag mehr, dass dieser immer größer wurde. Fast schon liebevoll streichelte er seinen Kürbis, der mittlerweile handgroß war, aber noch grün in seiner Struktur.

Sein Beet war nicht groß, aber sein Kürbis hatte genügend Platz und so wuchs er munter weiter.

Es wurde seine einzige Hauptbeschäftigung neben seiner Arbeit, die er immer mehr im Homeoffice verbringen musste, da manchmal die Aufträge ausblieben und Kundenbesuche er nicht machen durfte, weil Ausgangsbeschränkungen wieder zunahmen wo zuvor im Sommer gelockert wurde. Der Herbst wurde eingeläutet, und die Hitze war verschwunden, das Virus war verstärkt wieder da. Er hatte keine Angst, aber er nahm es mit den Abstandregelungen und den Hygienemaßnahmen sehr ernst. So bestellte er sich über das Internet einige Möbel, die nun sein Appartement wohnlicher aussehen ließen. Marco rückte immer mehr in den Hintergrund. Es schmerzte nicht mehr, wenn er ab und an, an ihn dachte, denn nun hatte er Alex. Denn

sein Kürbis durfte er weiterhin sehen und anfassen, und er durfte ihn streicheln, ohne dabei eine Mund- und Nasenschutzmaske tragen zu müssen.

Wie hatte sich die Welt nur so verändert? Er machte das Beste daraus. Manchmal ertappte er sich dabei, wie er träumte und wie aus Alex ein aufregender Mann wurde… Aber das war reines Wunschdenken. Ein Kürbis war kein Mensch und auch kein Freund, aber in dieser Zeit war Alex sein bester Freund. Egal ob Mensch oder Kürbis.

 

Es war bereits dunkel, als er seinen Computer heruntergefahren hatte, sein Smartphone ausschaltete, denn es gab nichts Schlimmeres als mitten in der Nacht von irgendwelchen Kunden aufgeweckt zu werden, die eine Weltuntergangsstimmung vermittelten und dementsprechend auch so versichert werden wollten, die es nicht gab. Aber wie konnte man panische Menschen vermitteln, dass eine Pandemie kein Weltuntergang war - noch nicht und es dafür keine Versicherungen gab. Er sah auf die Uhr, es weit nach 19 Uhr. So lange hatte er gearbeitet, dass er vergessen hatte, nach Alex zu schauen. Er nahm sein Fahrrad und radelte zu seinem Beet, prüfte, ob Alex auch gut gebettet auf seinem Stroh lag, das er für ihn hergerichtet hatte, damit er nicht nass werden würde.

Er erzählte ihm, wie er es jeden Tag mittlerweile machte, von seinem Tag, nichts Aufregendes, dennoch hatte es etwas Tröstendes, denn er hatte immer das Gefühl, dass Alex ihm zuhörte. Als er sich, wie immer zum Schluss, von seinem Kürbis verabschiedete meinte er auf einmal eine Stimme zu hören. Das war etwas Neues.

Er schüttelte mit dem Kopf, der Herbstwind, der um seinen Kopf blies, spielte bestimmt mit seinen Sinnen, anders konnte es nicht sein.

 

Es war schon beinahe 22 Uhr als er in seinem Appartement zurückkam. Er machte sich eine Kleinigkeit zu essen und wenige Minuten später lag er ausgestreckt in seinem Bett und dachte über sein Leben nach. Dann dachte er an Alex, und wie er sich vielleicht auf dem Beet allein fühlen musste. Der Gedanke an einen eigenen Balkon hatte er nie gehabt, wo er hätte Alex pflegen können, aber jetzt wo das Wetter immer ungemütlicher wurde, würde er ihm ein kleines Holzhäuschen bauen müssen. Er wusste, dass es verrückt war, so über einen Kürbis zu denken, aber der Gedanke, dass es seinem Kürbis nicht gutgehen würde stimmte ihn traurig. So beschloss er gleich morgen in aller Früh zu seinem Kürbis zu gehen. Und mit diesem Gedanken schlief er zufrieden ein.

 

Kevin wachte erschrocken auf, als es an seiner Wohnungstür klopfte, anstatt zu klingeln. Das Klopfen verstärkte sich.

„Moment, ich komme gleich“, rief er verschlafen und wurde mürrisch, als er sich aus dem Bett schälte. Er schaute kurz auf die Uhr, und wunderte sich, es war erst 23 Uhr. Ungläubig darüber schüttelte er mit dem Kopf, hatte er das Gefühl länger geschlafen zu haben.

 

Er schlüpfte schnell in eine Jogginghose, da er immer nur in Unterwäsche schlief, dann streifte er sich einen Mundschutz über, für alle Fälle und ging an die Wohnungstür. Er hatte leider keinen Türspäher und so musste er sie öffnen, um zu sehen wer es war. Er öffnete einen Schlitz und spähte hinaus, dann öffnete er überwältigend von dieser Erscheinung komplett die Tür, ohne Angst zu haben, dass dieser vielleicht einbrechen oder ihn überwältigen könnte, oder gar anstecken könnte von einem Virus. Er nahm seinen Mundschutz von seinem Gesicht und ließ es fallen, während er weiter die Gestalt anblickte.

Vor ihm stand ein Mann ungefähr seines Alters, der von einer unglaublichen Schönheit umrahmt war. Seine Augen waren im goldbraunen Ton. Seine Haare hatten einen rotgoldenen Stich war gewellt und ging ihm bis auf die Schultern. Er war komplett in einem Jeanslook gekleidet, dem Mann sehr stand. Alles an ihm war wunderschön und atemberaubend, wie Kevin weiterhin trocken feststellte. Und insgeheim, so musste er sich eingestehen, hatte er sich so immer einen Mann vorgestellt. Genauso musste sein Traummann aussehen. Alles war perfekt.

„Hallo, ich bin Alex“, stellte sich ihm der Mann mit einer warmen weichen Stimme vor, die ihm weiche Knie bescherte.

„Alex?“, Kevin verstand nicht, doch sein Herz klopfte ungewöhnlich schnell, so schnell wie der Kuss den er von dem Gegenüber dann überraschend bekam. Alles ging schnell und kaum, dass er denken konnte, lag er in den Armen des sonderbar, aufregenden Mannes.

Die Lippen fanden sich und Zungen glitten ineinander und Kevin schmeckte den Geschmack eines leckeren Kürbisses.

„Halt!“, keuchte er und ließ von dem Mann ab.

„Was ist?“, fragte der Mann, der sich so nannte wie sein Kürbis, und der auch so schmeckte wie einer.

Kevin leckte sich über die Lippen und konnte es nicht fassen.

„Das kann nicht sein, du bist Alex…“, er sprach nicht weiter sondern dachte sich den Satz zu Ende: „Du bist mein Kürbis?“

Als ob der Gegenüber die Gedanken erraten hatte nickte er als Antwort.

„So lange habe ich auf dich gewartet.“ Der Klang seiner Stimme war wie flüssige Seide, wie die pure Verführung, er musste Adam aus dem Paradies sein, oder Adonis, oder der Teufel persönlich.

Es muss ein Traum sein, dachte sich Kevin und im Traum durfte man alles machen, dachte er auf einmal und scherrte sich nicht um diese so ungewöhnliche Situation. Er ging in die Offensive.

Und so nahm er Alex an die Hand zog ihn in die Wohnung, schloss die Tür hinter sich und führte ihn an sein Bett. Dann setzte er sich drauf und zog Alex neben sich aufs Bett, der das Ganze mit einem Lächeln und einer Erregung in den Augen wohlwollen geschehen ließ, als ob er gewusst hatte was Kevin vorhatte.

Schnell waren beide der Kleidung entledigt und lagen Sekunden später nackt nebeneinander und streichelten sich gegenseitig. Beide waren sehr erregt und Kevin konnte seine Augen nicht von Alex Erregung lassen.

„Gefällt dir mein kleiner Kürbis“, flüsterte dieser ihm ins Ohr und lachte leise.

„Sehr.“ Er schämte sich seiner Gefühle nicht, die immer mehr aufbrachen und er wunderte sich, warum er so viele Gefühle niemals für Marco hatte und hatte immer gedacht, dass es ausreichen würde und er damit zufrieden sein würde. Ab heute niemals mehr.

Und dann ging alles wie von selbst, als ob sie schon immer füreinander geschaffen waren. Die trüben Gedanken um Marco, das Verlassen sein, alles zählte nicht mehr, es zählte nur noch Alex und er.

Er griff in Alex volles Haar und zog ihn runter, da dieser mittlerweile auf ihm lag. Sie küssten sich immer stürmischer werdend bis zum Schluss eine Vereinigung stattfand, im Gegenseitigem Verständnis, fand jeder seine Erfüllung auf eine Art und Weise, die nur die Liebenden wissen konnten.

 

Stöhnend wachte Kevin auf und erst da realisierte er, dass er das alles geträumt haben musste.

Sein Bett war nur mit ihm und die Seite, die in seinem Traum belegt gewesen war, leer.

Die Enttäuschung kam und Tränen schossen in die Augen während er merkte, dass er im Schlaf masturbiert haben musste, als er an sich heruntersah, verschwitzt und nackt, und sein Lebenssaft, das auf ihm vertraut lag.

Doch was war das? Kevin vernahm neben dem Duft von Sperma, einen kleinen Duft von Kürbis, wie der Geruch einer Suppe ohne Gewürze.

Sofort machte sich eine Sehnsucht bereit, und es hielt ihn nichts mehr im Bett, obwohl es erst sechs Uhr in der Früh war. Auch wenn es Wochenende war und er eigentlich noch schlafen könnte, wollte er zu seinem Kürbis. Auch wenn es nur ein Traum gewesen war, so vermisste er seinen Kürbis aufs schmerzlichste und verdammte sich seiner Gefühle und fragte sich insgeheim, ob er einer Abart erlag, die ihn teuflisch heimgesucht hatte.

Eine viertel Stunde später mit frischen Klamotten auf dem Leib und mit einer Katzenwäsche bestückt, hüllte er sich in einen warmen dunkelblauen Mantel und ging nach draußen. Es war bereits Ende Oktober, und in einigen Tagen würde der November den tristen Alltag und die bevorstehende kalte Zeit einläuten.

Er ging zu Fuß und nahm dieses Mal auch keine Abkürzung. Er wollte die frische Luft genießen und die Erinnerung an seinen sehr erotischen Traum verarbeiten und das konnte er nur wenn er keine Eile hatte und die Ruhe genießen konnte. So hatte er sich immer seinen Traummann vorgestellt. Er musste innerlich lachen und gleichzeitig weinen, weil Alex ihm so fehlte und er, so abartig das Ganze erschien, sich in seiner Traumwelt in Alex verknallt hatte. Er hatte sich in einen Kürbis verknallt, der eine menschliche Gestalt annehmen konnte.

Er war so in seinen Wunschgedanken gefangen, dass er kaum merkte, wie er vor seinem Beet stand. Seine Augen weiteten sich vor Schreck.  Oh nein! Irgendwas war anders.

Das Beet war leer, nur noch die leeren Blätter und ein abgerissener Stängel, der Alex mit Nährwerten versorgt hatte, lagen einsam in dem großen Beet. Kevin konnte sich vor Schreck nicht rühren und starrte entsetzt weiterhin auf sein Beet – ohne sein Alex.

Eine Frau, die er öfters gesehen hatte, da ihr Beet neben seines lag, kam mit Mundschutz zu ihm und fragte ihn, warum er nur den einen Kürbis angebaut hatte? Er musste auf sie sehr sonderbar gewirkt haben, sonst hätte sie nicht gefragt. Doch Kevin zuckte nur mit der Schulter. Er wusste selbst nicht, warum das so war.

Der Traum blieb ihm so in Erinnerung, er schmeckte Alex und Alex schmeckte so lecker nach Kürbis. Traurig, dass es nur der Fantasie entsprungen war.

„Ich weiß es nicht, ich liebe nun mal Kürbis, aber mir ist der hier gestohlen worden.“ Er deutete auf sein leeres Beet und seine Stimme war leiser geworden und verschluckte vieles durch seine Mundschutzmaske.

Die Frau schüttelte verständnislos mit dem Kopf.

„Gestern Abend war Ihr Beet aber noch mit dem schönen großen Kürbis besetzt, den sie immer so gehegt und gepflegt haben, und auch sprachen sie ab und an mit Ihrem Kürbis.“ Sie grinste, man konnte es an ihren Augen ablesen. Alles andere war unter dem Mundschutz nicht zu erkennen.  „Wir haben uns alle schon gewundert wieviel Hingabe Sie an diesem einen Kürbis haben. Es muss heute Nacht passiert sein, aber wer sollte so etwas machen? So kurz vor Halloween, vielleicht hat einer einen Kürbis zum Aushöhlen gebraucht, wie etwa für seine Halloweenparty, wobei man momentan ja keine allzu großen Partys machen darf.“ Kevin hörte der Frau unter einem Tränenschleier weiter zu. „Sehen Sie sich mal um, wir haben viel mehr zu verlieren, hier ist alles voll mit Gemüse, welches noch abgeerntet werden kann.“ Sie sah ihn mitfühlend und mit einem gewissen Abstand an. „Ach kommen Sie, in jedem Laden bekommen Sie für wenig Geld einen neuen Kürbis, klar ist es schöner, wenn man sich selbst einen herziehen kann.“

Kevin zuckte erneut und stumm mit der Schulter und ließ die Frau stehen, ohne darauf zu antworten, für ihn war eine Welt zusammengebrochen. Seine Tränen zu einem Fluss geworden, sein Mundschutz nass durchtränkt warf er ihn fast wütend in den nächsten Mülleimer.

Es fing zu nieseln an und er setzte seinen Weg fort, machte sich traurig und mit todbetrübter Stimmung schließlich auf den Heimweg. Als er sich einigermaßen wieder beruhigt hatte, nahm er einen neuen Mundschutz zur Hand, als er vor einer Bäckerei stand, und zog das Ding über Nase und Mund. Er wollte sich ein Frühstück holen, als er einen gewissen Hunger verspürte und ging in den Laden und kam mit einer kleinen Tüte wieder heraus.

Er hatte sich für einen Croissant mit Kürbisfüllung entschieden.

Welch Ironie.

Zuhause angekommen, entledigte er sich erst einmal seiner feuchtgewordenen Sachen und schlüpfe in ein paar Wohlfühlklamotten.

Dann nahm er von seiner kleinen Küchenzeile einen Teller heraus und legte die Backware auf den Teller und setzte sich. Innerlich war er immer noch aufgewühlt, er verstand sich ja selbst nicht, dass man wegen so einer Sache, einem Kürbis, hinterhertrauern konnte.

Er nahm sein Essen in die Hand und als er hineinbeißen wollte drang ein leichter Duft von Kürbis in seine Nase. Angewidert legte er das Teil zurück. Nein, er konnte jetzt keine Dinge essen, die etwas mit Kürbis zu tun hatte. Er warf das Croissant in den Müll und aß ein paar Kekse, die er noch fan in einer hintersten Ecke seines Vorratsschrankes fand.

Wo war sein Kürbis? Die Trauer nahm wieder überhand.

Er stöberte im Internet ob irgendwo ein Kürbiswettbewerb stattfand oder stattgefunden hatte, aber es waren fast alle Veranstaltungen abgesagt worden. Es musste jemand gewesen sein, der wirklich Halloween feiern wollte oder seinen Bauch damit füllen wollte.

Mein armer Alex!

Der Gedanke, dass sein Kürbis im Magen irgendwelcher hungrigen Mägen gelandet war trösteten ihn nur sehr schwer.

Die ganze Zeit, in der er und Marco schon getrennt waren, hatte er einen unsichtbaren Freund gehabt. Und jetzt.

Die Tage verstrichen und der Traum von Alex und ihm kehrte nicht wieder. So sehr er sich Alex vorzustellen vermochte, immer wenn er einschlief, blieb sein Wunsch unerfüllt wenigsten von ihm zu träumen.

 

Als er seine Arbeit nebenher machte und einen Auftrag unterschreiben musste, wusste er nicht auf Anhieb welcher Tag war, und sah auf seinen Kalender. Er runzelte die Stirn, es war der 31. Oktober, Halloween.

Da stach ein Stich in sein Herz.

Alex, sein süßer Kürbis und er konnte mit ihm nicht Halloween feiern. Er merkte kaum wie Tränen über sein Gesicht rann und ehe er sich versah weinte er um seinen Kürbis und um eine träumerische Liebe.

 

Einige Zeit später, Kevin war mittlerweile in seiner Arbeit vertieft, klingelte es an seiner Wohnungstür. Ein kleiner Junge mit traurigen Augen trug auf seinen Händen einen Kürbis. Er wusste sofort, dass dieser Kürbis seiner war. Er kannte jede Kerbe, jede Farbveränderung, alles.

„Der gehört dir und sorry, die Frau sagte mir, bei dem ich den Kürbis gestohlen hatte, du wärst so traurig, wenn du deinen Kürbis nicht bekommen würdest!“, mehr sagte er nicht und rannte weg, nachdem er den Kürbis vor ihm abgestellt hatte.  Kevin war zu perplex um reagieren oder irgendetwas darauf sagen zu können.  Sein Blick fiel auf den Kürbis, der immer noch auf den Boden lag und zu glühen begann. Genauso wie damals als er noch ein Samen war. Hell wie die Sonne und glitzernd wie ein Diamant erstrahlte er den Korridor. Und im nächsten Augenblick verwandelte sich der Kürbis in den Mann aus Kevins Träumen.

„Wie ist das möglich? fragte Kevin, seine Stimme hatte ihm beinahe einen Strich durch die Rechnung gemacht.  Seine Augen wurden größer, weil er es nicht glauben konnte, dass das hier geschah.

„Du hast mich erschaffen“, sagte der Mann, den Kevin, als er noch ein Kürbis war, Alex getauft hatte. 

„Ich habe dich erschaffen?“

„Ja, als Marco dich verlassen hatte, spürte ich deine Trauer in der Parallelwelt, in der wir leben und wir für Euch eigentlich niemals erreichbar sind, es sei denn ein Hilferuf erreicht uns, was so gut wie nie vorkommt.“

„Nie vorkommt?“ Kevin war fassungslos und sein Herz klopfte laut in seiner Brust. Parallelwelt? Träumte er etwa wieder?

Der Mann, fuhr fort. „…  und dein Ruf hat mich erreicht, so erschien ich dir als ein Kürbiskern. Wärst du dafür nicht empfänglich gewesen hättest du mich nie entdeckt.“

„Warum ausgerechnet als Kürbiskern? Warum nicht als normaler Mensch?“

„Das ist eine lange Geschichte, wenn du möchtest erzähle ich sie dir eines Tages.“

„Okay, und wie ist dein richtiger Name?“ Kevin gab sich vorerst zufrieden.

Alex lachte und seine warme Stimme drang tief in Kevins Ohr.

„Glaub mir den willst du gar nicht wissen, aber ich mag den Namen: Alex, darum ist das okay für mich, wenn du mich so nennst. Ich liebe diesen Namen.“ Kevin Herz zog sich schmerzvoll zusammen da eine Frage in ihm brannte.

„Gehst du wieder, verlässt du mich jetzt?“

„Nur wenn du das möchtest.“ Seine Augen bohrten sich durch Kevin.

„Niemals!“ Kevin wusste jetzt schon, dass er ihn anketten würde, gedanklich versteht sich. „Und wer war dieser Junge gerade eben?“, fragte er dennoch neugierig.

„Glaub mir, das willst du auch nicht wissen, aber ich bin froh, dass er mich zu dir brachte.“ Alex blieb für ihn ein Rätsel, dass er bestimmt irgendwann knacken würde.

„Und der Traum?“

Alex lachte und seine ebenmäßigen Zähne blitzten im Flurlicht auf.

„Ich verrate dir etwas?“ Er beugte sich zu Kevin und flüsterte es leise in sein Ohr: „Es war sehr schön mit dir und ich möchte das mit dir wiederholen.“

 

Alex blieb die ganze Nacht und danach für immer, sie liebten sich heiß und innig und es war kein Traum mehr wie Kevin verzückt feststellen musste. Und egal wie Alex es geschafft hatte, hatte er auf einmal eine Identität mit einem legalen Pass, einem Beruf als Makler und lebte schon seit 24 Jahre in Deutschland.

Kevin hinterfragte nichts, denn dazu liebte er diesen Mann zu sehr und es wurde jeden Tag intensiver.

Er wusste jedoch, eines Tages würde er Alex‘ Welt kennenlernen wollen, aber dazu hatten sie noch viel Zeit.

Viele Fragen blieben offen und vieles ergab sich aus ihrem Zusammenleben. Halloween wurde für beide ein heiliger Tag, sie feierten diesen, jedes Jahr, wie ein Hochzeitstag in der sie sich liebten, lachten und miteinander Spaß hatten. Und jedes Mal, wenn Alex kochte, hatte Kevin immer einen Wunsch: Keinen Kürbis bitte! Denn das konnte Kevin seither nicht mehr essen. Alex roch immer danach und wer konnte schon seinen Liebhaber zum Fressen gernhaben oder etwas das nach ihm schmeckte. Zudem bildete sich Kevin jedes Mal ein, wenn er einen Kürbis sah, dass vielleicht ein ähnlich zauberhaftes Wesen wie Alex darin verborgen war und nur darauf wartete, dass jemand nach ihm rufen würde, wenn er Kummer hatte… und das war sein einziges Geheimnis das er nun vor Alex hatte…

 

 

 

Ende

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Tag der Veröffentlichung: 08.10.2020

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