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Der Drehorgelspieler

 

Der Drehorgelspieler

 

Horrorthriller

 

von

 

Alfred J. Schindler

 

 

 

VORWORT

 

Als ich im Alter von neunzehn Jahren meine Heimatstadt verlassen musste, hatte dies einen ganz speziellen Grund. Man warf mir vor, die vierzehnjährige Tochter des Bürgermeisters geschwängert zu haben. Nicht nur meine Eltern waren entsetzt. Mein Vater schrie mich an, dass er mich nie wieder sehen wolle. Und meine Mutter heulte Rotz und Wasser. Soweit, so gut. Ich verließ Raffhausen, und der erzkonservative Bürgermeister erklärte mir mit gewaltiger Stimme, dass man mich hier nie mehr sehen wolle. Ich ging in eine andere Stadt und lebte dort über fünfzig Jahre. Dann beschloss ich, nach Raffhausen zurückzukehren. Meine Sehnsucht nach diesem Ort war mehr als groß...

 

 

01

 

 

Ich stehe hinter meiner Drehorgel in der Innenstadt von Raffhausen. Die Leute betrachten mich teilweise amüsiert, zum Teil freundlich. Jedoch bei einigen von ihnen - es handelt sich ausschließlich um ältere Bürger, die mich erkannt oder erfahren haben, dass ich wieder hier bin - sehe ich die blanke Abneigung. Und ich frage mich, warum sie mich so feindselig behandeln. Denken sie denn immer noch, dass ich damals die minderjährige Walburga verführt hatte? Wissen sie denn nicht, dass sie ihrem Vater, der inzwischen verstorben ist, in einer schwachen Stunde gebeichtet hatte, wer der wirkliche Vater war? Oder wollen diese Mitbürger die Wahrheit nicht wissen? Ich selbst hatte durch einen riesengroßen Zufall vor etwa dreißig Jahren erfahren, dass ein anderer Mann der Vater des Kindes war.

 

Vor drei Jahrzehnten.

 

Rex, mein Schäferhund, liegt brav und ruhig neben meinen Füßen und lauscht den Tönen, die nicht nur er in- und auswendig kennt. Und Balduin, der wunderschöne Ara, sitzt auf seiner Stange und beobachtet die Leute mit wachem Blick. Ein Mann nähert sich uns, den ich nicht kenne. Er nimmt aus seiner Geldbörse einen Euro, bleibt an meiner Orgel stehen und sagt:

 

„Du bist doch der Gottfried, oder?“

„Ja. Und wer sind Sie? Kennen wir uns aus früheren Zeiten?“

„Das tut nichts zur Sache. Du bist also der Gottfried.“

„Mein Name ist Gottfried Bär. Wenn Sie mir nicht sagen möchten, wer Sie sind, so möchte ich Sie bitten, mich mit meinem Familiennamen anzusprechen.“

„Ich soll dich mit deinem Nachnamen ansprechen?“, fragt er herablassend.

„Ja. Ich bitte darum.“

„Warum bist du zurückgekommen?“

„Das geht Sie nichts an.“

„Na gut.“

 

Er steckt den Euro zurück in seine Geldbörse. Und der Blick, der mich trifft, ist alles andere als freundlich. Ich verspüre nicht die geringste Lust, mich vor diesem Mann zu rechtfertigen oder mich mit ihm zu streiten. Aber es würde mich trotzdem interessieren, wer er ist.

 

Je länger ich in dieser Einkaufsstraße stehe, desto mehr bereue ich den Entschluss, diese Drehorgel gekauft zu haben. Es war ein Jugendtraum gewesen, und jetzt muss ich einsehen, dass ich den falschen Ort gewählt habe. Ich kann mich über die Einkünfte wahrlich nicht beklagen, aber andererseits muss ich für diesen Standplatz, der direkt vor einem kleinen Supermarkt liegt, einen hohen Obolus an die Stadtkasse berappen.

 

Die Menschen in Raffhausen sind teilweise hochnäsig und arrogant. Ja, es ist geradezu auffällig, wie viele von ihnen ihre Nase ganz oben tragen. Ich frage mich, ob mich die

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 10.02.2014
ISBN: 978-3-7309-8260-0

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