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Bloody Tears

Ich sehe nichts! Ein roter Schleier verdeckt alles. Panik! Grässliche Panik packt mich.

Luft! Luft! Ich brauche Luft! Aber nichts passiert. Es schnürrt mir die Kehle zu. Verzweifelt keuche ich ... erfolglos. Ich sinke auf die Knie, kneife die Augen fest zusammen, den Kopf gesenkt und versuche mich zu beruhigen. Durch die Nase rein, durch den Mund raus. Atmen, einfach nur atmen. Alles andere ausblenden und mich nur auf meine Atmung konzentrieren. Langsam lässt der Schmerz in meinen Lungen nach. Ich kann den Sauerstoff förmlich fühlen, wie er durch meine Adern rinnt. Die Angst lässt nach. Meine Muskeln entspannen sich. Langsam hebe ich den Kopf und öffne die Augen wieder.

Der rote Schleier ist noch immer da. Nur dass es kein Schleier ist. Es ist nicht die Angst, es ist nicht die Panik, die meinen Blick getrübt hat. Mein Blick ist klar und war es die ganze Zeit ... Es ist kein Schleier ... es ist Blut.

Es ist vorbei. Es ist endlich vorbei. Ich habe überlebt. Alle anderen sind tot, aber ich habe überlebt. Ich ganz allein. Um mich herum auf dem Boden liegen die toten Körper meiner Feinde.

Mein Blick fällt auf das Schwert in meiner Hand. Es ist Blutüberströmt, wie auch ich. Von oben bis unten bin ich voller Blut. Alles voller Blut. Aber es ist nicht mein Blut. Es ist ihr Blut.

Wer hätte das gedacht? Sie waren stärker als ich, aber sie haben es nicht geschafft mich zu verletzen. Nicht einmal einen Kratzer habe ich davon getragen

Eine merkwürdige Euphorie ergreift von mir Besitz. Ich lache erleichtert auf. Ich habe überlebt.

Ich merke kaum, wie mir das Schwert aus den Händen gleitet. Ich kann einfach nicht mehr aufhören zu lachen. Ich könnte die ganze Welt umarmen.

Plötzlich fühle ich einen stechenden Schmerz im Bauch. Ich blicke hinunter und sehe ich ein Schwert aus meinem Bauch ragen. Mein Schwert. Fassungslos blicke ich hinunter. Das darf doch nicht wahr sein! Ich bin so wütend, dass ich nicht einmal den Schmerz spüre. Wütend will ich herum fahren, verliere aber das Gleichgewicht. Zwei starke Arme fangen mich auf und senken mich langsam auf den Boden. Ich spüre wie das Schwert, wieder aus mir herausgleitet.

Mein Kopf wird in jemandes Schoß gebettet. Langsam hört das Schwindelgefühl auf und ich kann wieder klar sein. Über mir ragt der Körper eines jungen Mannes auf. Sanft streicht er mir die Haare aus dem Gesicht. Verwundert sehe ich ihn an. Und wütend bin ich auch nicht mehr. Wie auch? Ich hätte schließlich das selbe gemacht. Langsam setzt der Schmerz ein. Ein grausamer und quälender Schmerz. Ich denke, dass er gleich gehen müsste, aber das tut er nicht. Er bleibt und streicht mir weiter fast zärtlich über die Haare.

Während ich in seinen Armen liege und spüre wie das Leben mit jedem Blutstropfen mehr und mehr aus meinem Körper sickert, fällt mein Blick wieder auf die Toten. Meine Feinde. Ich bin froh, dass ich sie getötet habe ... aber stimmt das?

"Es tut mir so leid. Ich hatte dir versprochen, nicht zuzulassen, dass du dich verlierst. Es tut mir so leid," höre ich seine traurige Stimme an meinem Ohr.

Mich verlieren?

Ja.

Richtig.

Das habe ich gesagt.

Ich wollte mich nicht verlieren, wollte ihr Spiel nicht mitspielen. Jetzt habe ich es doch getan. Wieder drückt es mir die Brust zusammen und ich ringe nach Luft. Diesmal nicht vor Angst oder Panik, sondern aus Trauer. Gequält schluchze ich auf.

Ich weiß wieder alles. Sie waren nicht meine Feinde. Sie waren nur Unschuldige, die von dieser grausamen Welt in diese Lage gezwungen wurden ... Sie waren genau wie ich.

Langsam und unter großen Schmerzen hebe ich den Blick und sehe ihn an. Diese wunderschönen braunen Augen, die mich so voller Trauer und Schuld ansehen.Vorsichtig versuche ich die Hand zu heben. Wie durch ein Wunder gelingt es mir, sie auf seine Wange zu legen. Eine Träne löste sich aus seinen Wimpern. Sie läuft über seine Wange bis sie auf meine Hand trifft. Sie läuft weiter, nun rot von dem Blut all derer, die ich getötet habe. Eine blutige Träne, die auf meinem Arm eine saubere kleine Spur hinterlässt.

Während ich den Weg der Träne mit den Augen verfolge, fällt aller Schmerz von mir ab. Ich fühle mich so leicht und frei, wie schon lange nicht mehr. Ich lächle glücklich an. Er wird überleben, das weiß ich. Er war stärker als ich, stärker als wir alle. Er hat sich nicht verloren und am Ende hat er mich gerettet.

"Danke."

 

Impressum

Bildmaterialien: http://melyssah6-stock.deviantart.com/
Tag der Veröffentlichung: 03.03.2014

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