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Ich vernahm eine leise, feine Stimme. Ich schaute mich um, doch ich konnte nichts sehen.
Da war niemand, aber doch kam die Stimme immer näher. Dann verstummte sie plötzlich und ich hörte nur noch das leise Rascheln der Blätter im Wind. Meine langen braunen Haare wehten mir ins Gesicht und ich streifte sie mir hinter's Ohr. Ich ging langsam weiter. Der Mond schien heute Nacht so wunderschön.
Es war Vollmond.
Er hatte schon immer eine beruhigende Wirkung auf mich, doch in dieser Nacht war etwas anders.
Ich spürte den weichen Waldboden unter meinen nackten Füßen.
Ich blickte auf und meine Augen suchten die eine Stelle, die mich zu Ihnen führen würde.
Mein Herz schlug schneller und die Sehnsucht Sie wiederzusehen, wuchs mit jeder Sekunde.
Ich schaute mich noch einmal um und blickte direkt in das strahlende Weiß des Mondes. Es zog mich in einen Bann, bei dem es mir schwer fallen würde, mich von ihm loszumachen. Der Mond schien mir zuzuflüstern, doch gleichzeitig verspürte ich auch den Drang, endlich zu Ihnen zu kommen.
Meine Schritte führten mich schließlich zu einer alten Weide. Es sah so wunderschön aus, wie sie sich leicht im stetigen Rythmus der leichten Windstöße bewegte. Ich tauchte unter einem ihrer Äste hindurch und blieb vor dem breiten Stamm des großen Baumes stehen. Meine Augen waren geschlossen und ich tastete mit meinen Fingern nach der Stelle, die ich dafür benötigte, um weitergehen zu können.
Endlich fand ich sie und übte einen leichten Druck darauf aus. Ich vernahm ein leises Knarren und das Rauschen der Blätter nahm plötzlich zu. Ich atmete tief durch. Mein Herz schien fast zu zerspringen, so gebannt war ich.
Es war wie im Traum. Nur besser.
Der Stamm schien sich für eine kurze Zeit aufzulösen, genug, um schnell hindurchzuschlüpfen. Es war ein geheimer Ort. Niemand war bisher hier gewesen. Kein menschliches Wesen. Es gab nur die wenigen auserwählten Kinder, die mit 12 Jahren gerufen worden. Nun war es bei mir schon 4 Jahre her, dass ich zum ersten Mal hier gewesen war.
Seitdem kam ich jeden Monat her. Jeden Vollmond. Es war schier unerträglich 4 lange Wochen zu warten.
Ich trat einen Schritt vor und ein erlösendes und erleichterndes Gefühl ging durch meinen Körper und meinen Geist.
Ich fühlte mich sofort besser und leicht. Hier war es friedlich und ruhig. Dies war der Zustand, den einjede Seele der Menschen alle Zeit haben sollte.
Ich sog die reine Luft ein und blickte auf. Ich sah, wie sich eine Landschaft vor mir erstreckte, die so wunderschön war, dass mirder Atem stockte. Es passierte immer wieder, wenn ich hier war. Wohin ich auch blickte, alles war von einem strahlenden Grün überzogen, die Blumen hatten Farben, die es in unserer verdorbenen Welt schon lange nicht mehr gab. Die Vielfalt der Tiere war nicht zu überblicken und alles schien so vollkommen.
Über mir erstreckte sich ein strahlend blauer Himmel mit einer hellen Sonne, die ihre Strahlen zu mir hinunter schickte.
Meine Gänsehaut war längt verschwunden, die ich auf dem Weg hierher hatte. In der anderen Welt war es kalt und dunkel.
Es machte mich traurig, dass ich später wieder dorthin zurück musste.
Ich wurde dort geboren, aber ich gehörte in dieses Reich. Ich war eine Gesandte, die dort leben sollte, um über die verhärteten Seelen der Menschen zu wachen. Jedes Mal, wenn ich eine sah und spürte, wie schlimm es um den Zustand der Seele stand, schnürte sich meine Eigene zu.
Sie wendeten sich von ihrem Schöpfer ab, der ihnen diese einst reine Seele gegeben hatte. Es interessiert sie nicht, wie schwarz sie ihre Seelen durch ihre Taten machten. Sie handelten alle nach ihren eigenen Vorschriften. Es machte mich so unsagbar unglücklich, das immer wieder zu sehen. Ich konnte in jede Seele blicken, jeden Menschen einschätzen, der vor mir stand. In ihren Augen war ich zwar nur ein gewöhnliches, 16- jähriges Mädchen, aber sie irrten sich.
Ich setzte mich schließlich wieder in Bewegung und ging den Weg, den ich immer ging, neben einem kleinen, plätscherndem Bächlein vorbei. Ich setzte mich auf einen von der Sonne angewärmten Stein und streckte meine Füße in das klare Wasser. Ich hörte dem Summen der Bienen zu, die sich auf die Blüten der vielen Blumen niederließen, um den Blütenstaub zu holen. Ich beobachtete, wie sich ein kleines Reh näherte und sich in der Nähe von mir niederließ. Ja, hier waren die Tiere zahm. Man konnte im Einklang mit ihnen und den Pflanzen leben.
Ich lächelte. Ich liebte diesen Ort. Hier konnte man sich zu Hause fühlen und geborgen vor aller weltlichen und geistigen Gefahr. Hier war niemand, der mit Maschienen in die Wälder zog, Atomkraftwerke baute oder Gebrauch von jeglicher Gewalt nahm, das das Gleichgewicht zerstörte. Einst war die Welt, wie diese hier, doch die Menschen wurden eigensinnig. Sie dachten, sie könnten alle Macht an sich reißen und herrschen, wie sie es wollten.
Heute ist es nicht besser.
Ich erhob mich und drehte mich um. Ich vernahm eine Bewegung in den Augenwinkeln. Ich erschreckte mich nicht, hier konnte nichts passieren. Dies war ein Ort der Gemeinschaft und der Liebe, die auf Gegenseitigkeit beruhte.
Ich spürte, wie mir etwas um die Ohren summte. Ich blieb stehen. Dieses etwas, war eine kleine Engelsfee.
Sie bekam ihren Namen, durch diesen weißen, strahlenden Glanz, der sie umgab. Bei jeder ihrer Bewegungen, konnte man ein leises Klingeln, wie tausend feine Glöckchen, vernehmen.
Sie ließ sich auf einem kleinen Blatt neben meinen Haaren nieder und schaute mich an. Ich sah, wie sie mich mit einem lieblichen Lächeln anblickte, was meine Augen strahlen ließ.
" Komm.", flüsterte sie leise, doch ich konnte es verstehen. Sie redete mit mir in der alten Sprache, die der Ursprung aller Sprachen war. Ihr Klang, war wie flüssiges Licht.
Sie breitete ihre wunderschönen, kleinen, zarten Flügelchen aus und bedeutete mir, ihr zu folgen.
Ich lief ihr hinterher. Sie führte mich auf einen kleinen Pfad, der an den Seiten mit seltenen Steinen ausgelegt war, die die Strahlen der Sonne reflektierten und bunt in die Luft zurückwarfen. Sie funkelten und glitzerten und über mir konnte ich die vielen verschiedenen Vögel wahrnehmen, die neugierig auf mich herablugten.
Ich sah die kleine Engelsfee von hinten, sie blickte sich immer wieder nach mir um und winkte mir zu. Ich beeilte mich, denn ich wollte sie ja nicht verlieren, aber ich hätte mit jeden Schritt erneut stehen bleiben können, um alles ganz genau zu betrachten.
Plötzlich endete der Pfad und ich blieb stehen. Die kleine Engelsfee flog auf mich zu und setzte sich auf meine Schulter. Sie stützte sich bei mir ab und ruhte sich aus. Engelsfeen waren zwar wunderschön anzusehen und sie blendeten einen mit ihrer Zerbrechlichkeit und ihrer lieblichen Art, doch zum Strecken fliegen, waren sie nicht so gut geeignet. Ich lächelte. " Ruh dich aus, kleine Fee.", versuchte ich ihr zu sagen, doch sie war schon wieder in der Luft.
" Sie erwarten dich", sagte sie mir mit ihrem glockenfeinen Stimmchen mit und strahlte stärker als vorher. Mir ging es genauso, denn wir waren kurz davor, dem Schöpfer gegenüber zu treten. Es war ganz normal, dass wenn man in seiner Nähe war, sich in einem Zustand von innerem Frieden befand. Doch nicht nur das, man fühlte sich auch stark zu ihm hingezogen, denn er war die Quelle des Lebens. Bei ihm war man geborgen und konnte sich in Sicherheit wiegen.
Ich trat einen Schritt vor und sofort umhüllte mich ein Duft, der mir ein kleines Lächeln auf das Gesicht zauberte. Dieses Lächeln wurde immer größer, je kleiner die Entfernung zwischen ihm und mir war. Ich sah in sein gütiges Gesicht, dass mich liebevoll ansah. Mein Blick fiel auch auf die Frau, die neben ihm thronte, und sofort wurde mir wärmer ums Herz. Sie spielte ebenso, wie der Schöpfer eine große Rolle hier, denn auch sie hatte großen Einfluss auf seine Entscheidungen. Sie streckte ihre Hände nach mir aus und ich lief ihr glücklich in die Arme. Aus meinen Augen quoll eine kleine Träne, denen noch weitere Kleine folgten, die mir mein Gesicht hinunterliefen. Ich spürte ihre weichen Hände, wie sie meinen Kopf streichelten und vernahm die Stimme des Schöpfers. "Orphelia," sagte er mit einem Klang, der mein Herz schmelzen ließ. Ich drehte meinen Kopf zu ihm um, und er sah mich mit seinen alten, allwissenden und gütigen Augen an.
Meine Stimme war wie verschwunden, als wäre sie nie da gewesen. Ich blinzelte und wischte mir mein Gesicht von den Tränen ab, die mir eben vor Freude gekommen waren.
Ich richtete mich wieder auf und saß plötzlich auf einem Stuhl aus Holz, der so geschnitzt war, dass ich ganz genau in ihn hineinpasste. Meine Finger strichen über bunte Blumenstränge, die sich an dem Stuhl verwachsen haben.
Ich blickte mich nicht verwundert um, denn ich wusste, dass hier alles möglich war.
"Orphelia", sagte der Schöpfer erneut. Seine langen grauen Haare fielen ihm wallend über die starken Schultern und sein weißer Umhang umhüllte ihn. Er wirkte wie eine Scheingestalt, aber er war präsent. Seine Gattin hielte seine breite Hand und ebenso wie er, trug sie einen wunderschönen Umhang, nur, dass er von einem ungewöhnlichen Blau und mit einem Goldrand an den Seiten verziert war. Ihre glänzenden, braunen Haare umhüllten ihr schönes, junges Gesicht und ihre Augen strahlten, wie die hellsten Sterne in der klarsten Nacht.
" Du bist hier", stellte er zufrieden fest und blickte mich an. " Du weißt, ich liebe dich über alles, sowie jede einzelne Seele, die ich geschaffen habe. Ihre einst weißen und reinen Seelen,..". Sein Gesichtsausdruck wurde traurig und ich hatte das starke Bedürfnis, ihn zu trösten. " Mein Herr !", sagte ich, denn ich konnte wieder sprechen. " Ich weiß mein Kind, ich kenne deine Absichten, doch ich bin nicht von dir zu trösten. Du bist gerettet, doch die anderen, sie müssen sich entscheiden." Er sagte dies sehr bedacht.
" Ich kam, um euch über die derzeitigen Zustände eurer geliebten Menschen zu berichten. ", sagte ich leise, denn ich hatte das Gefühl, meine Stimme, die ich gerade für zu laut empfand, könnte ihn erschrecken.
" Nun sprich, mein liebes Kind.", sagte seine Gattin klar.
" Immer wenn ich sie ansehe, werde ich sehr traurig, denn ihre Seelen sind so finster und dunkel. Es fällt mir schwer, es zu ertragen, sie so abgespalten von deiner Liebe zu sehen, Herr. Sie setzen ihren eigenen Willen durch und haben kein Mitleid mit ihren Mitmenschen." Ich sagte dies wieder kleinlaut, denn ich wusste genau, wie unsagbar unglücklich der Schöpfer über diese Erkenntnis war. " Immer mehr wenden sich gegen dich. Sie fangen an, dich zu vergessen. Sie wollen dich vergessen. Sie gehen den einfachen Weg, den leichten, der in den Abgrund führt. Sie sind wie ein Schwarm, der blindlings mitschwimmt." Ich schaute in die Gesichter der beiden und ich sah, wie sich die wunderschönen Augen der Frau mit Tränen füllten, die rot schimmerten. Ja, wenn sie ihren Tränen freien Lauf lassen würde, würde sie Blut weinen. Das Blut, dass der anderen Welt vergossen wurde, gerade vergossen wird und noch vergflossen sein wird. Ich konnte es nicht mit ansehen, wie sie weinte, also bewegte ich mich auf sie zu und nahm ihre zerbrechliche Hand in meine. " Bitte, weine nicht. ", sagte ich verzweifelt. Ich war kurz davor, mit ihr zu weinen, doch in meinem Inneren hörte ich, wie der Schöpfer zu mir sprach. ' Mein Kind, sie weint, denn sie liebt die Menschen ebenso wie ich. Du bist sicher hier, du hast dein Seelenheil erreicht. Sei nicht traurig.' Sofort spürte ich, wie ich mich besser fühlte. Meine schlechten Gefühle wichen einem großen Vertrauen, dass in mir wuchs und mit jedem Atemzug zunahm. ich war bereit, weiter zu erzählen und dem Schöpfer Bericht zu erstatten. Vorher blickte ich seine Gattin noch einmal liebevoll an und fing an zu sprechen.
" Es gibt die Reichen und die Armen, die vielen Bösen und die wenigen Guten, die Kranken und Gesunden, die Liebenden und die Hassenden, die Herrschenden und die Unterdrückten, die Hungernden und die Gesättigten, die Kämpfenden und die Sterbenden. Viele von ihnen sind schwarz, doch auch gibt es welche, die dich noch nicht gänzlich vergessen haben. Sie spüren, dass es etwas Größeres gibt, als ihren Eigensinn und Egoismus. Sie haben einen Blick auf Hoffnung, doch für alle Anderen, die sich von deiner Gnade abschirmen, werden verloren sein."
Ich konnte sehen, wie er zitterte und doch sah ich, dass er ruhig blieb.
" Du hast Recht mein Kind. Ich danke dir sehr dafür, dass du diese Last für mich und dieses Reich auf dich nimmst. Das ist ein großes Opfer für dich. Du musst alles ertrage, was da in der anderen Welt vorsich geht und doch hälst du stand und bleibst mir treu. Es wird Zeit, dass sich meine einst gesprochenen Worte erfüllen. Die Zeit ist gekommen, an der eine Wendung eintreffen muss. Ich werde den Rat der Pflanzenfürsten, der Wasserquellengnogs, der Windbläserelfen und Erdgnomhelfer einberufen. Die Geistschleicher sollen auch erscheinen und ebenso die Flügelnymphen. Ich würde mir wünschen, dass auch die Engelsfeen kommen und die Meinung der Augenblattmännchen mitbringen. Der oberste Buntlichtpfau möge bitte auch kommen."
Ich spürte etwas, doch ich konnte nicht sagen, was es war. Eine Bewegung des ganzen Reiches. Die Wesen, die hier lebten, hatten den Ruf des Schöpfers gehört und folgten ihm, egal was kommen würde. Sie kannten ihren Herrn und wussten, was zu tun war. Sie kamen, ich spürte es. Es war unausweichlich, was der Schöpfer eben entschieden hatte.
Ich saß immer noch auf dem Stuhl und schaute gedankenverloren auf die Blumenranken um mich herum. Die schöne Frau hatte mittlerweile aufgehört zu weinen. Plötzlich befanden wir uns nicht mehr im goldenen Licht der Sonne, sondern auf einer großen Lichtung, überseht mit abertausenden von Blumen, die einen berauschenden Duft verströmten und so vielfältig aussahen, wie nichts, was ich bisher gesehen hatte. Dieser Reichtum an Farben und Formen war so groß und es war wirklich traurig, dass die Menschen es nicht zu schätzen wussten. Ich schaute mich um und mein Blick fiel auf eine große Steinplatte, in der etwas eingeritzt zu sein schien. Ich konnte es noch nicht erkennen, aber es strahlte etwas sehr Altes aus. Die Lichtung war umgeben von großen, grünen Bäumen, in der einige Vögel sangen und ab und an, flog einer davon, wenn wieder ein neuer Vogel zu den Anderen stieß. Sie schienen nicht zu bemerken, dass wir hier waren, denn sie zwitscherten fröhlich weiter und kümmerten sich um ihre Jungen.
Um die alte Steinplatte herum standen 12 Figuren, die eine bestimmte Bedeutung hatten, die ich aber nicht wusste. Neben jeder Figur stand etwas, was einem Thron ähnelte und wahrscheinlich auch dazu dienen sollte, um sich zu setzen. Jedoch gab es einen, der wesentlich größer war, als die anderen und daneben befand sich ein Weiterer, der ein wenig kleiner war, als der Größte, aber trotzdem noch die anderen überragte.
Der Größere von ihnen hatte keine Figur, jedoch ein Symbol auf an seiner Oberseite. Es war ein einfacher, runder Kreis mit einer Krone darüber. Es sollte für das Leben und die Liebe stehen und für das, was niemals enden wird.
Für den Schöpfer.
Auf dem danebenstehenden Thron befand sich ebenfalls keine Figur, sondern ein Zeichen, das aussah, wie eine Rose. Sie stand für die Gattin, denn sie war so zart und jungfräulich, wie eine frischerblühte Blume, die zum ersten Mal die Tautropfen auf ihren Blättern spürt und von der strahlenden Sonne gekitzelt wird.
Als ich diese Gedanken hatte, saßen der Schöpfer und seine Frau schon auf ihren Thronen und schauten mich an. Sie bedeuteten mir, zu ihnen zu kommen. Ich folgte ihrer Bitte nur zu gern und ging auf sie zu. Sie setzten mich irgendwie zwischen sich und ich saß geborgen zwischen ihrer Größe, auf meinem Platz.
Wir warteten nicht lange und schon kamen die Ersten auf die Lichtung. Bisher hatte ich noch nicht alle Wesen zu Gesicht bekommen, die hier lebten. Als erstes kamen die Erdgnomhelfer, denn sie lebten in der Erde und konnten sich so am schnellsten fortbewegen, weil sie waren mit jeder Lichtung, jeder Wiese und einfach jeder Stelle verbunden in diesem Reich. Nach ihnen folgten die Windbläserelfen, sie waren schnell und wussten, wohin sie gerufen wurden, denn die Augenblattmännchen waren so zahlreich, dass sich die Bitte des Herrn schnell verbreiten konnte. Die Windbläserelfen mussten bloß durch die Bäume wehen und schon wussten sie den Treffpunkt des Rates.
Jedes Augenblattmännchen war einem Blatt zugeordnet worden und mussten es in seiner Obhut pflegen und vor Unheil behüten. Dadurch, dass es auch so viele Blätter gab, konnten sie jeden sehen und beobachten, der in ihrer Nähe war, so wussten sie immer zuallererst die neuesten Sachen. Sie konnten nur leider nicht bei der Sitzung erscheinen, denn sie waren so mit ihren Blättern verbunden, dass sie nicht wegkonnten. Wenn sie sich von ihren Blättern entfernen würden, würden diese verwelken und auf die Erde sinken. Jedes halbe Jahr mussten sich die Augenblattmännchen jedoch von ihren Blättern trennen, denn sonst wurde der Rythmus der Zeit gestört. Nur leider, war die Zeit noch nicht für sie gekommen.
Die Engelsfeen kamen auch und man erkannte sie schon an ihrem hellen Glanz, der mit jeder dazustoßenden Fee zunahm. Gleichzeitig kamen auch die Flügelnymphen geflogen. Ihre Flügel waren genauso zart, wie die der Engelsfeen und sie schimmerten in einem leichten Grün- und Blauton. Sie sahen aus, als wären sie aus hauchdünnen Diamanten zusammengesetzt worden. Ihre Haut war stetig mit kleinen, schimmernden Wasserperlen besetzt und ihre Augen waren stark geweitet, wenn sie sich an der Luft befanden. Die Pflanzenfürsten kamen wie feiner Nebel aus den
umliegenden Blumen heraus. Auch aus Farn und den feinen Grashälmen. Diese Schwaden setzten sich schließlich zu Gestalten zusammen, die aussahen, als wären sie von einem Umhang aus einem kompliziert gemachten Pflanzengeflecht umgeben. Der oberste Buntlichtpfau flog plötzlich auch über unseren Köpfen und landetete sachte und darauf bedacht, nicht allzuviele Blumen zu zertreten, in der Nähe von einem der Throne, der anscheinend seiner war. Gleich darauf sah ich, wie ein kleiner Bach neben den Flügelnymphen entsprang und sich daraus die Wasserquellengnogs bildeten, die anscheinend nur aus Wasser bestanden, denn man konnte durch sie hindurch packen. Ihre Körper waren ständig in Bewegung und sie spendeten den Flügelnymphen ab und zu ein wenig Wasser, damit sie nicht austrockneten. Es war eigentlich auch ungewöhnlich, dass sie überhaupt für so lang an Land kamen, aber für den Schöpfer taten sie eben alles, denn jeder verehrte und liebte ihn. Außerdem konnte ihnen durch die Wasserquellengnogs auch nichts passieren. Sie arbeiteten auch sonst zusammen, denn die Nymphen sorgten regelmäßig dafür, dass das Wasser wunderbar klar und sauber blieb.
Schließlich stießen die Geistschleicher auch noch zu uns, doch man konnte sie nur schwer erkennen, denn man sah sie nicht. Man musste sich schon stark anstrengen, denn sie blieben nie an Ort und Stelle. Sie bewegten sich, ohne innezuhalten und wenn man nicht genau aufpasste, waren sie neben dir und waren dabei, dir etwas ins Ohr zu flüstern. Sie hießen ja nicht umsonst Geistschleicher.
Nun waren elf Throne besetzt, von jeweils einem Vorsitzenden der gerufenen Wesen, doch ich wunderte mich, denn der 12. blieb unbenutzt. Ich spürte neugierige Blicke auf mir und sah, wie mich plötzlich alle ansahen.
" Orphelia, mein Kind, das da ist dein Thron.", sagte der Schöpfer auf einmal und ich war überrascht, dass ich die Ehre hatte, einen dieser Plätze einnehmen zu dürfen. Seine Gattin legte mir beruhigend ihre Hand auf meine Schulter und bezeugte, was ich eben gehört hatte. Ich stand langsam auf und drehte mich zu den Beiden um.
" Ja, das ist jetzt dein Thron. Du bist ein Mitglied dieses Rates. Du hast dich dafür bewährt gemacht und wir sind glücklich, dass du bei uns bist. Du kannst uns durch deine Anwesenheit helfen, das Urteil über die Menschen zu fällen und sie durch deinen Beitrag versuchen zu retten. ", er lächelte mir aufmunternd zu und ich erwiderte sein Lächeln.
" Danke", sagte ich demütig und sehr glücklich.
Als ich gerade meinen Platz einnehmen wollte, sah ich vereinzelt ein liebevolles und nettes Lächeln von den hiersitzenden Wesen. Ich setzte mich und ich fühlte mich auf einmal so frisch und für jede Bewältigung bereit.
Alle wandten ihre Aufmerksamkeit wieder dem Schöpfer zu, der mit lauter Stimme anfing, ein altes Lied anzustimmen, dass schon seit Ewigkeit existierte und ein Ritual war, wenn der Rat einberufen worden ist. Alle stimmten andächtig mit ein und es war überraschend, wie fließend mir die Worte über meine Lippen rollten. Ich hatte das Lied bisher noch nie gehört, doch ich konnte es, als würde ich es schon ewig kennen.
Die Atmosphäre war einfach atemberaubend und als das Lied endete, waren noch alle gebannt, von dem Klang, den wir eben erschaffen hatten. Wir schwiegen noch eine Weile, bis alle wieder mit ihren Gedanken angekommen waren und der Schöpfer sprach.
" Willkommen Freunde. Ich danke euch, dass ihr alle erschienen seid, denn ich liebe jeden Einzelnen von euch. Ihr gebt mir mit jedem eurer Atemzüge eure Annerkennung für mich. Ihr seid dankbar, dass ich euch das Leben gegeben habe und ihr hier glücklich und ohne Sorge leben könnt. "
Ein begeistertes Stimmgewirr ging durch die Menge.
" Nun so ist es aber leider nur bei euch, denn die Menschen, die auch ich geschaffen habe und die eine Seele von mir bekommen haben, um sie wie den größten Schatz zu pflegen, werfen sie weg und handeln nicht nach guten Absichten.


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Tag der Veröffentlichung: 24.10.2011

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