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Kapitel 1.2 Die Flucht

Ich hätte ihm jede Lüge, die in meinen Ohren wie ein kleines Märchen klang, geglaubt. Überhaupt hing ich an seinen Lippen wie ein kleines Mädchen, das aufgeregt einem Abenteurer beim Erzählen seiner Geschichten zuhörte, obschon es die sachlichste und gleichzeitig desillusionierenste Geschichte war die ich je zu hören bekam. Insgeheim wartete doch jedes kleines Mädchen darauf von einem Ritter in glänzender Rüstung auf einen weißschillernden Schimmel, gefunden und gerettet zu werden. Edward war ein charmanter Gentleman, der mehr als nur zuvorkommend war. Er war gebildet, gutaussehend, eloquent und einfach nur hinreißend. Hin und wieder brachte er mich zum Lachen und wenn ich ehrlich war schien mir das alles wie ein vergessener Traum, der sich zu erfüllen schien. Doch Edward Darcy war vielmehr als das. Er war der Mann von Welt, der einer Frau jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte und für mich so schien es genau der Richtige. Zumindest sagte mir das mein Gefühl, wobei ich nicht wusste ob es einfach nur die Erfüllung einer Sehnsucht war oder wahre Liebe. Während Edward mir alles erklärte, wovon ich nur die Hälfte- wenn überhaupt- mitbekam, starrte ich ihn die ganze Zeit mit einem schiefgelegten Kopf an und tat so als würde ich wissbegierig seiner Erläuterung folgen. „Ist der Kerl gebildet, dann nicke und lächele und tue so als würdest du ihn verstehen. Ist er dumm wie Brot, einfach ignorieren, in der Hoffnung er wechselt schnell das Thema“, erinnerte ich mich, Kelly sagen, was mir ein schmunzeln abrang. Edward bekam davon überhaupt nichts. Er bekam in etwa genauso viel von meinem verträumten, schmachtenden Blick mit wie ich von seiner hochinteressanten Geschichte. Es war nun wirklich nicht so, dass es mich nicht interessierte, aber es gab nun mal etwas, dass meine Interesse mehr als nur ein bisschen weckte. Am liebsten wollte ich ihn einfach so auf der Stelle küssen und ihm sagen: „ Zuckerpopo, du redest zu viel.“ Genau so hätte es Kelly, meine Cousine, getan. „Was hätte ich in diesem Moment dafür gegeben, wie Kelly zu sein und diesen Mann einfach zu schmecken“ , dachte ich während wir beide an einem kleinem Schaufenster mit der Aufschrift „Zu Verkaufen“ vorbei gingen. „ Mylady… Haben Sie alles verstanden? Es scheint mir so als wären sie etwas apathisch.“ In der Tat war ich etwas abwesend und abgelenkt, was ich ihm natürlich nicht sagen konnte. Stattdessen sagte ich im. „ Edward… Ich weiß nicht wie lange wir uns kennen, aber ich denke Vic und du genügt. Alles klar?“, fragte ich ihn Sicherheitshalber. „ Sicher Mylady“, antwortete mir Edward, wofür er einen tadelnden Blick meinerseits erntete. „ Großer Gott…“, schrie ich entsetzt, als ich in das Glasfenster des Ladens schaute. „ Mylady was bereitet ihnen Sorgen?“ „ Ed, waren wir nicht beim per du?“ „Entschuldigen Sie Mylady. Ich arbeite dran“ , sagte er, wofür er erneut einen tadelnden Blick meinerseits kassierte. „Macht der Gewohnheit“ , sagte er mir dann, so als wollte er sich rechtfertigen. „ Kommen wir zurück zu meiner Frage?“ „Ich habe kein Spiegelbild…“ „ Brauchen Sie nicht. Eine so schöne Dame wie Sie weiß um ihre Schönheit, spätestens wenn Sie angestarrt werden“ ,sagte er mir bevor er mit seiner Ausführung fortfuhr. Natürlich hatte ich keine Ahnung wovon er sprach, bis ich die Blicke selbst spürte. Genau dann machte ich mich bei Edward bemerkbar, indem ich mich fester an ihn klammerte. „ Woran erkennt man den Unterschied zwischen Lebenden und Toten?“, unterbrach ich ihn in seiner eindrucksvollen und eloquenten Erzählung über die Dimensionen, mit all ihren Facetten. „ Wenn meine Menschenkenntnis mich nicht täuscht, sind Sie nicht gerade der geduldig lächelnde Buddha, der seine Fragen bis auf weiteres verschiebt.“ „Nun… ähm… es ist nur … ich… Ich fühle mich beobachtet“, platzte es aus mir, nach einigen Ansätzen, heraus. „ Ich wollte nicht dreist oder unhöflich sein und ich entschuldige mich sehr dafür sie in ihrer Erzählung unterbrochen zu haben. Der alte Mann dort hinten auf der anderen Straßenseite, starrt mir schon die ganze Zeit auf den Hintern und ich kann es nun wirklich nicht leiden, wenn man mich mit sabbernden und lüsternen Blicken auszieht wie ein hirnamputiertes Tier, der nur seine gottverdammte scheiß Triebe kennt. Da ist es doch kein Wunder, dass wir Frauen zu dem Schluss kommen, dass Männer nur Schweine oder Kaulquappen sind “, sagte ich, wobei ich Letzteres, immer lauter werdend, geradewegs hinausschrie. Edward der sich sichtlich vor Lachen verbog, konnte sich nicht einkriegen. „ Was ist denn daran soooo witzig.“ „ Sie sind wirklich süß, wenn Sie ihrem Temperament freien Lauf lassen. Die Farbe steht Ihnen im Übrigen wirklich gut und unter uns gesagt Sie hätten dem alten Herrn dort drüben ganz gut die Stirn bieten können. Vor allem in der Rhetorik. “ „ Nun, ich verstehe nicht im Geringsten was sie mir damit sagen wollen, aber okay wenn sei meinen.“ „ Nun das war Lincoln höchstpersönlich, “ sagte er mit einer kühlen gelassenen Stimme „ Sie machen Witze.“ „ Nun dann sehen sie mir in die Augen. Können diese Augen jemals lügen oder scherzen, “ antwortete er mir während er mit seinem Zeigefinger seines „Baseball-Hands“ auf seine Augen zeigte. „ Du Schlingel“, sagte ich während ich lachend zu dem alten Mann rüber sah. „Sie hätten ihr Gesicht sehen sollen“, sagte er während ihm die Augen und seinen Mund mit den fülligen wohlgeformten Lippen, die mit einer kleinen Narbe versehen war, sich weit öffnete. „Einfach köstlich. Richtig süß wie ein kleines Kind“, fuhr er lachend fort „ Es freut mich wirklich sehr, dass sie sich auf meine Kosten amüsieren“, sagte ich und stimmte ich in sein Lachen ein „ Nun, was soll ich dazu sagen. Sie bieten mir die perfekte Grundlage dafür.“ Eine ganze Weile zogen wir uns mit albernen Grimassen etwas auf, bis ich wieder die Blicke, die mich wie kleine Nadeln piksten, auf mir ruhen spürte. „ Edward… ich… ich fühle mich wieder beobachtet“, sagte ich während ich mich an ihn klammerte. „ Ach, das ist doch nur der alte Jenkins, der starrt doch alles an was zwei Beine hat.“ „Bitte… sieh einfach nach. Okay.“ Ich wusste nicht wieso, aber plötzlich packte er mich am Arm und begann zu laufen. Sichtlich vergaß er dass, wir uns nicht spüren oder erfassen konnten, wie er selbst gesagt hatte. Dann drehte er sich zu mir um und sagte mir, wir müssten so schnell es ginge zum Fundbüro. Ich lief ihm hinterher, vorbei an den Cafés und Clubs, vorbei an den gefüllten Einkaufsläden, die mich schon immer an ein überdimensional große Kühlschränke erinnerten, und durch die Menschen hindurch. „ Edward was ist hier los. Warum rennen wir, wie solche Karnickel, “ sagte ich während ich einfach stehen blieb. „ Sie sind nicht registriert und noch was wir sind Karnickel“ „Ich verstehe nicht.“ „ Erinnern sie sich, dass ich ihnen gesagt habe, dass die Erde nur ein überdimensional großes Wartezimmer ist, in der man eine Prüfung nach der anderen bestehen muss. Nun wenn man stirbt, wird der exakte Todeszeitpunkt und Ursache zur Akte gelegt und es wird entschieden was mit ihrer Seele passiert. Wenn sie aber nicht registriert sind, sind sie Freiwild. D.h. jeder kann sich ihre Seele schnappen, was wiederum bedeuten würde, dass sie nie existiert haben. Ihre Akte würde verschwinden und auch alle bleibenden Eindrücke die sie irgendwo hinterlassen haben, würden verschwinden. Somit entstünde eine Lücke, ein Riss oder Fehler im System, welches gestopft werden muss und ein Toter kann sich Eintritt in diese Welt verschaffen. Deshalb wurden sie so angestarrt. Für Sie sind Sie Karnickel. Es tut mir aufrichtig Leid, dass ich ihnen das vorenthalten habe. Aber ich musste sie einfach….“, etwas traurig schaute er weg. Einen kurzen Augenblick schaute er mich an, dann an mir vorbei. Gerade noch so konnte ich erkennen wie seine Augen sich vor Schreck weiteten. Die Angst war im ins Gesicht geschrieben und doch erkannte ich die gleiche Entschlossenheit wie damals. Für einen Bruchteil einer Sekunde drehte ich mich um und da waren sie. Meine Jäger. Ich konnte sie nicht genau erkennen. Das Einzige was ich von ihnen vernahm war ihre Silhouette. Es schien so als trügen sie lange schwarze Mäntel mit Kapuzen, die ihren ganzen Körper verdeckten. Fasziniert und verschreckt geradewegs wie erstarrt blieb ich stehen, doch Edward trieb mich erneut voran. So nahmen wir die Flucht wieder auf und rannten durch enge alte Gassen, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte, geschweige denn von ihrer Existenz in einer solch modernen Großstadt wie diesen zu glauben. Dann ganz plötzlich blieb er stehen.

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Tag der Veröffentlichung: 18.09.2011

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