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1.1 Erste Begegnung




„Der Alptraum ist zu Ende “, dachte ich. Doch das Erwachen war umso schlimmer. Ich stand in einem kleinem Zimmer- ganz leer und verlassen und wusste nicht wohin mit mir. Überhaupt wusste ich gar nichts. Nichts. Alles was mir noch so wichtig erschienen war, war so fern, so als wäre alles ausgelöscht worden oder gut versteckt. Eine ganze Weile stand ich einfach nur da und schaute mich um. Alles war schwarz und dunkel, bis auf eine Stelle. Diese Stelle hatte einen gelbstrahlenden dünnen Rahmen, die eine zwei Meter hohe Fläche einzäunte. Vorsichtig ging ich auf sie zu und tastete mich an ihr entlang bis ich einen Knauf fand. Dann drehte ich diesen um. Mit höchster Vorsicht, ganz langsam, öffnete ich die Tür. Dann trat ich hinaus und die gleißende Sonne strahlte mir entgegen. Ich war wie erblindet von dieser Schönheit, die das Licht entsendete- doch sehen konnte ich nichts. Eine ganze Weile irrte ich durch die Straßen entlang und sah niemand, bis ich in die lebendige Altstadt gelangte, dessen Gestank nach Bier, die wie Pech und Schwefel in der Luft hing, roch. Langsam füllten sich die Straßen mit hastigen Menschenmassen, die genervt und gehetzt aneinander zu zweit oder alleine aneinander vorbei gingen. In der Ferne erblickte ich ein mir bekanntes Gesicht. Hanna. Meine beste Freundin. Wir haben uns ein Leben lang gekannt. Seit dem Kindergarten waren wir unzertrennlich. „Wir gegen den Rest der Welt.“ Annegret, Hannas Oma, war auch meine Oma, denn ich ging jeden Tag bei ihnen ein und aus und so wurde das Resteraunt La Cuisine(Küche) zu meinem zweiten zuhause. Nach Hause ging ich nur um zu schlafen und das auch nur am Wochenende, wenn Mama und Papa daheim waren. Annegret und Hanna waren für mich wie eine zweite Familie. Hanna war meine auf blutgeschworene Schwester. Meine Eltern sind oft weggegangen-arbeiten- wie sie immer so schön sagten. Sie hatten nie Zeit für mich- weil Mama Ärztin und Papa Jurist war. Doch in Wahrheit führte jeder sein eigenes Leben in den Weiten der Welt. Nur ein kleines Mädchen, in einem Wartezimmer, erinnerte sie daran, dass sie einst glücklich waren oder dass sie überhaupt verheiratet waren. Aber das alles ist nicht mehr. Seit dem Unfall ist alles anders. Es ist als wäre ich zu Eis gefroren worden und nun wachte ich langsam aus meinem Winterschlaf auf und alles war anders. Ich lief zu ihr hin und schrie ihren Namen. Nichts. Sie drehte sich nicht um, lachte nicht und strahlte nicht voller Freude, weil sie mich endlich sehen konnte. Sie weinte. Ich lief zu ihr hin- wollte sie in den Arm nehmen. Doch es ging nicht. Ich lief einfach durch sie hindurch, als wäre sie nicht da.
„Alex was war das“, hörte ich sie sagen.
„Was war was? , “ fragte Alex sie.
Alex war meine erste große Liebe gewesen- doch seit dem Unfall war alles anders.
"Hast du diesen kalten Luftzug nicht auch gespürt?"
„Dir ist einfach nur kalt“, erwiderte er jetzt mit einem Lächeln. Dann umarmte er sie noch fester und küsst sie auf die Stirn. Mein Herz sank.
"Alexander ist doch mein Freund" wollte ich schreien, doch meine Stimme versagte.
"Von Taubheit geschlagen hören sie dich nicht“, hauchte mir ein Fremder ins Ohr. Doch von Blindheit geschlagen sah ich ihn nicht. Ich sah nur wie Hanna immerfort weint. Alexander tröstete sie. Dann trat ich näher.
"Warum? Warum musste Vici nur sterben“, dann wieder schluchzen. Mein Herz sank tiefer. Es fing an zu regnen. Durch mich durch." Hanna ich bin doch hier. Hanna ich bin doch nicht tot“, wollte ich schreien. Dann wieder die mir fremde Stimme: „Von Blindheit geschlagen sehen sie dich nicht." Dann gingen sie fort. Fort mit dem Regen, der immer noch auf meine Haut prasselte als wäre ich nicht da. „Das wird schon Victoria“, sage ich mir und rühre mich nicht von der Stelle. Es war wie ein Alptraum ohne Erwachen. Eine ganze Weile starrte ich den beiden nach obwohl sie schon längst gegangen waren. Der Regen hatte aufgehört. Ich drehte mich um und wollte gehen, doch vor mir stand ein Mann, der mir einen Schirm über den Kopf hielt und mir den Weg versperrte. Er sah aus, als wäre er einem ganz anderen Zeitalter entsprungen.
"Sie werden nass Mylady"- und so redete er auch.
„Sie sind nicht von hier oder? Und WER sind sie überhaupt?" wollte ich ihn energisch fragen, doch seine Anmut raubte mir die Sprache.
„Ich heiße Edward Darcy und wurde 1836 geboren. Ich bin ihr Geleit. " sagt er, als hätte er meine Gedanken gelesen.
Ich war sprachlos. Entweder wurde ich verrückt und er war wirklich tot oder er spielte mir einen blöden Streich. Ich tippte auf letzteres. Ja das wäre am logischsten.
„W… w… wohin g… gehen wir?“, versuchte ich zu stammeln, doch kein einziges Wort kam über meine Lippen.
„Nach drüben. Sie sind neu hier nicht wahr?“, fragte er mich dann.
Ich wusste nicht was ich sagen sollte vor lauter Sprachlosigkeit. Dann wand ich mich kurz ab und Schritt voran. Der Mann folgte mir, auf Schritt und Tritt.
"Das wird mir Alex oder Hanna nie glauben. Ich rede hier mit einem Revolutionär aus dem 19.Jh. Das kann nur ein Traum sein“, dachte ich in Gedanken versunken.
"Mylady? Ist alles in Ordnung mit ihnen? ", fragte er mich, während er mir in die Augen schaute.
"Verzeihen sie ich bin nicht in der Stimmung für schlechte Scherze, also lassen sie diese Maskerade. Bitte!", flehte ich ihn etwas unsicher und verlegen an. Doch dann fasste ich mich wieder und mein Temperament war wieder da.
" Ich verstehe. Sie sind wirklich neu hier."
"Nein SIE verstehen nicht. Rein gar nichts! "
"Komm ich werde Sie ein wenig umherführen. Dann bringe ich sie nach Hause."
"Aber..." ich muss doch zu Hanna und Alex, wollte ich sagen, doch sein Lächeln erstickte meine Worte im Keim
Etwas verlegen und hilflos, geradezu orientierungslos folgte ich dem Herrn, wie ein Welpe, auf Schritt und Tritt. Er ging mir voraus, sodass ich nur seine breiten Schultern, gekleidet in ein langes schwarzes Jackett sah. Vergeblich versuchte ich mich durch die Masse zu drängeln. Mit jeder Stunde, die verging, füllte sich die Stadt mit noch mehr Menschen, die hastig durch die Straßen eilten. Jedes Mal versuchte ich den Menschen, die mich nicht wahrnahmen, auszuweichen- rein aus Gewohnheit. So war es nicht von ungefähr, dass ich meilenweit hinter Edward war. Dann blieb er am Ende der Straße stehen. „ Wie lange wollen Sie mich noch warten lassen, „ sagte er, während er demonstrativ die Arme verschränkte. Mein Gesicht lief rot an, als er das sagt und ich fühlte mich wieder wie ein unbeholfenes kleines Kind. Er seinerseits trat zu mir näher, hob meinen Kopf etwas an und sagte: „ Soll ich ihnen was verraten, sie müssen nicht auf diese Menschen achten. Sie spüren uns nicht. Sie können einfach durch sie hindurchgehen.“ „ Wie als wären wir aus Luft, “ beendete ich seinen Satz. Erst jetzt sah ich in sein Gesicht, welches zuvor verdeckt wurde. Der Hut, den er sich aufgesetzt hatte, rundete sein markantes Gesicht mit den weichen Zügen ab. Doch obwohl der dunkelblaue abgerundeter Hut ihm perfekt stand, juckte es mich doch in den Fingern ihm diese vom Kopf zu nehmen. So kam es, dass meine Augen an seinem Gesicht, das von einem 3-Tage Bart umrahmt wurde, und seiner Erscheinung hängen blieben und ich seinen Hut in den Händen hielt. Seine etwas längeren jünglingshaftdichten Haare, das leicht nach vorne gekämmt war, sodass seine Stirn verdeckt wurde, waren pechschwarz und mit feinen grauen, kaum sichtbaren Strähnen durchsetzt. Während meine Augen zu die seinen wanderten, dessen blaugrüne Farbmischung eine verträumte Kühnheit und Entschlossenheit wiederspiegelte, strich ich sanft über sein Gesicht, um die Strähnen, die wild und trotzig in seinem Gesicht hingen, wegzustreichen. Genau in dem Moment ergriff er meine Hand, um mir Einhalt zu gebieten. Dennoch spürte ich nichts. Kein Druck, kein Schmerz –nichts. Trotzdem hielt ich inne und die Augen die mich zuvor so liebevoll und geheimnisvoll mit einer Mischung aus Freude und Neugier begegnet waren, schienen mich bis zum Grund meines Herzens zu durchbohren. Gerade so als wollten sie mir sagen: Bis hier hin und nicht weiter. Doch ich ignorierte die Warnung, der gefährlich lodernden Augen, die jegliches Blau verloren hatten und strich die Strähnen zur Seite, die eine lange hässliche Narbe zum Vorschein brachte. Die Narbe fing am Haaransatz, mitten in der Stirn an und verlief diagonal nach unten bis unterhalb der Augenbrauen .Eine weitere Narbe bahnte sich einen kleinen Weg von seinem Ohr bis zur Schläfe, wo es in einem perfekten 90° Winkel sein Weg zur Wangenknochen bahnte, in der es auf halben Weg inne hielt, um in eine kleine Abzweigung nach unten verlief . Vom Anblick erschreckt, zog ich meine Hand ruckartig zurück und stammelte eine Entschuldigung. „Gott, was hat dieser Mensch nur gelitten“, dachte ich während still und leise eine Träne über meine Wange rollte. Sein Gesicht verhärtete sich und er blickte zu Boden, bevor er mich in seine Arme schloss. „ Das muss Ihnen nicht leid tun. Es ist nicht Ihre Schuld“, sagte er mir mit einem leicht verkrampften Unterton. „ Aber…“ „ Warum gehen wir nicht einfach weiter und sehen dem Treiben der Menschen zu, während ich Ihnen alles in Ruhe erkläre.“ Stumm nickte ich. Dann gingen wir scheinbar Hand in Hand durch die Straßen. Es war wie damals mit Alex und doch… anders. Ich glaubte ihn lieben zu können ohne jegliche Geheimnisse vor ihm zu haben, geschweige einem Blatt zwischen uns zu haben. Das verrückte war nur, dass ich ihn kaum kannte , vielleicht ein paar Stunden. Maximal. So was war dann wohl Liebe auf den ersten Blick. Dass es so etwas gab habe ich noch nie geglaubt. Alex kannte ich ja auch schon von früher. Wir waren in derselben Grundschule. Dann zog er weg und auf der Uni kamen wir dann wieder zusammen. Hanna war auch in ihn verliebt- er aber nicht in sie. Dann stritten Hanna und ich uns nur noch. Aber wir versöhnten uns wieder. Der Unfall trennte uns erneut.- doch mit Edward war das alles was ganz anderes.

Impressum

Texte: Illustration:http://www.flickr.com/photos/trialsanderrors/2940046460/ Text: Phoebe Readers
Tag der Veröffentlichung: 02.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich meiner zweiten Familie. Eine Familie, die sich jeder aussuchen kann- der Freundeskreis.

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