Cover

Komm mit mir, Mädchen

>>Wie meinen sie das?<<, fragte ich durch den leichten Tränenschleier und sah mir den bleichen Mann so genau an, wie man es eben mit nassen Augen tun konnte. Seine Miene war ernst und so wusste ich, das sein Vorschlag ehrlich gemeint sein musste. Seine leicht böse wirkende Stirn zog sich kraus und er streckte mir die Hand entgegen.
>>Ich meine das so, wie ich es gesagt habe, Mädchen. Und jetzt steh auf.<<
Ich schluckte schwer und versuchte meine Tränen zu zügeln. Der Mann starrte mich nicht beängstigt an, so wie alle anderen die meine Schuppen bemerkten. Immer, wenn ich mit Wasser in Kontakt kam, zeigten sie sich auf meinem ganzen Körper, außer im Gesicht. Sie waren nur leicht blau gefärbt, jedoch machten die Kiemen sie um Unmengen merkwürdiger. Ich blinzelte stark und ergriff die Hand des Mannes, der mich sofort mit großer Kraft aufhievte.
>>U…und wieso wollen sie das ich mit ihnen komme?<<, fragte ich leise.
>>Damit du eine Chance kriegst. Du musst mir aber nicht folgen, von mir aus kannst du auch auf der Straße bleiben<<
Ich lächelte das erste mal seid vier Tagen - die Zeit seid der ich von zu Hause weggelaufen war. Meine Eltern wollten mich nicht mehr zu Hause haben, sie fürchteten sich vor mir. Sechzehn Jahre lang haben sie mich ignoriert und wenn sie mich einmal angesprochen haben, hieß es nur >>Warum lebst du nicht dein eigenes Leben<< und >>Wieso verschwindest du nicht von hier<<
Es tat weh, ja, aber mit der Zeit gewöhnte man sich an ihre Sprüche. In die Schule bin ich schon gegangen, aber an Regentagen blieb ich in meinem Zimmer. Jetzt knallte der Regen nur so auf den Boden.
>>Ich komme mit dir<<, sagte ich. Da war jemand der mich wollte, mich nicht verachtete. Und diese Gelegenheit wollte ich nutzen. >>Schön. Ich bin Larten Crepsley, aber nenn mich Mr. Crepsley .<<
>>Klar, ich bin Camille. Und, wo wollen wir hin?<<
Mr. Crepsley verdrehte die Augen, dann meinte er: >>Spring auf meinen Rücken und halt die Luft an.<< Ich hob die Augenbrauen an. Glücklich stellte ich fest, das keine Tränen mehr aus meinen Augen kamen. Mit einer befehlenden Kopfbewegung deutete Mr. Crepsley in meine entgegen gesetzte Richtung. Nach kurzem Überlegen tat ich das, was er von mir erwartete.
>>Aber was soll das…<<, fragte ich noch, doch dann verschwamm die Welt um mich herum.
Erschrocken warf ich mich von Mr. Crepsleys Rücken und bemerkte meine Atemnot. Ich schnappte wie wild nach Luft und versuchte den Druck, den man auf der Brust hat wenn man nicht atmet, auszublenden, und nach einiger Zeit ging es mir wieder gut. Na ja, abgesehen von dem flauen Gefühl im Magen.
>>Ich sagte doch, das du die Luft anhalten sollst!<<, rief Crepsley in einem leicht wütenden Ton. Ich rappelte mich auf und blickte ihn aus großen Augen an, dann fragte ich: >>Wie haben sie das denn gemacht?<<
Er löste sich wieder aus der kurzen Wutphase und begann zu grinsen. >>Eine Frage der Technik.<< Natürlich, sie benutzen den Spruch von Saturn, dachte ich, aber es wäre ja wohl nicht wirklich positiv gewesen das auszusprechen. Gutes Verhalten und Eindruck, sage ich nur.
>>Ah, ja.<<, flüstere ich. Auf Crepsleys Anweisung hin sprang ich wieder auf seinen Rücken, und in den kurzen Pausen durfte ich wieder Luft schnappen. Es ging eine Weile so, bis der Mann und ich uns auf einem Zeltplatz wiederfanden. Einem Zeltplatz, der durch kleine Lämpchen erleuchtet war.
>>He, wo sind wir hier?<<, fragte ich und zog sanft an Crepsleys Ärmel. Er schüttelte nur den Kopf. Dann meinte er: >>Du wirst hier ein paar merkwürdige Wesen sehen. Starre sie nicht an und denk dir einfach deinen Teil, okay?<<
Ein knappes Nicken meinerseits bestätigte ihm, das ich ihn gehört hatte. Er trampelte langsam den Weg zu den Lichtern. Ich heftete meinen Blick auf den Boden und versuchte ihm so leise wie möglich zu folgen. Als wir dann über den Platz zwischen den Zelten liefen, wusste ich, was der bleiche Mann mit >merkwürdige Wesen< gemeint hatte. Gruselig wirkende Personen, oder eher Freaks sahen zu mir hinüber, als ich an ihnen vorbei ging. Und ich,… tja, ich musste wohl auch zu ihnen gehören.
Crepsley warf den Leuten um uns herum warnende Blicke zu und als wir an ein größeres Zelt kamen, sagte er: >>Warte hier draußen, Camille. Und mach nichts Auffälliges oder Dummes. Ich bin gleich zurück<<
Ich setzte mich auf den Boden, nachdem ich wieder stumm genickt hatte. Der Regen hatte während der… der Reise auf Crepsleys Rücken aufgehört. Und durch die hohe Geschwindigkeit war ich getrocknet. Mit anderen Worten: Keine Schuppen und keine Kiemen. Ein jetzt ganz normal aussehendes Mädchen. Zwischen dubiosen Wesen.


Wie wäre es, wenn sie mich rächen?

>>Hey, warum sitzt du denn da?<<, fragte ein Junge mich und eilte zu mir. Im Schlepptau hatte er einen anderen Jungen seines Alters mit grüner Schlangenhaut. Ich sah ihn mir kurz genauer an, dann warf ich den Blick an ein Zelt weiter vor mir. So ähnlich müssen die Leute mich sehen - als merkwürdig. Camille, versteh`s doch. Du bist eigentlich genau wie der Schlangenjunge!
>>Weißt du denn nicht, das dieser Ort hier nichts für dich ist? Es ist zu gefährlich!<<, sagte der normale Junge. Er hatte ebenfalls eine bleiche Hautfarbe, genau wie Crepsley.
Mit einer scheuchenden Handbewegung versuchte er mich zum Aufstehen zu bringen, doch blieb auf dem Boden sitzen. >>Ich weiß zwar nicht genau wie gefährlich es hier ist, aber ich warte auf jemanden. Er ist dort im Zelt.<<, ich deutete mit meiner Hand hinter mich. Leicht erschrocken weitete der blasse Junge die Augen und ich wich ein kleines Stück vor ihm zurück. >>Er heißt Laren Crepsley.<<, fügte ich schnell hinzu und verknotete meine Finger.
Der Schlangen junge und der normale tauschten ein paar Blicke miteinander, dann beugte sich der Blasse zu mir hinunter, reichte mir wie Crepsley die Hand und wuchtete mich hoch.
>>Ich bin Darren Shan und das ich mein Kumpel Evra<<, stelle Darren, der blasse Junge, die beiden vor. Ich lächelte freundlich, obwohl mir nicht wirklich danach zu mute war und sagte: >>Ich bin Camille Eyden.<< Plötzlich traf mich die Erinnerung wie ein Schlag und ich zuckte zusammen. >>Darren Shan? Meinst du das ernst? Vor einem Jahr ist ein Darren Shan in meiner Stadt gestorben!<<
>>Du liest Todesanzeigen?<<, rief Evra dazwischen und blinzelte Darren zu, doch dieser schüttelte den Kopf. >>Du musst dich verlesen haben<<, flüsterte er.
>>Da war auch ein Bild<<
>>Oh<<, wisperten Darren. Evra grinste. >>Darren, sie ist hier bei den Leuten von >Cirque du Freak<. Sieh mich an, ich bin ein Schlangenjunge! Du bist dagegen noch ziemlich normal.<<
Ich sah Darren an. >>Den Umständen nach denke ich, es wird mich schon nicht verstören zu erfahren was du bist. Ich tippe auf Vampir.<<
Evra grinste noch mehr. >>Scheint so, als wäre hier eine gute Schätzerin!<<
Ich verschränkte die Arme und trat einen Stein beiseite. Vampir. Vampir. Also war Darren ein Vampir. Und anhand daran, das Crepsley die gleiche Hautfarbe und Kraft wie er hatte, musste er wohl auch ein Vampir sein. Beunruhigend. Es gab also Schlangenmenschen, so was wie mich und ich hatte vorher nie an Vampire geglaubt. Wieso? Dachte ich etwa ich wäre der einzige Freak auf der Welt?
>>Und ich, ich bin ein Etwas mit Schuppen und Kiemen.<<, kam es über meine Lippen, ehe ich nachdenken konnte. Evra lächelte mir mitfühlend zu. >>Du musst dich damit abfinden… Tut mir leid, aber ich muss los.<< Der Schlangenjunge klopfte mir kurz auf die Schulter und verschwand hinter einem Zelt. Darren sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. >>Du sagst das mit dem Vampir so, als wäre es was ganz normales. Und über dein eigenes Schicksal regst du dich auf?<<
>>He, jedenfalls hast du Superkräfte.<<, flüsterte ich und schüttelte die übereilte Traurigkeit ab.
>>Woher willst du eigentlich wissen, das du keine hast?<<, fragte Darren.
>>Ich weiß es einfach<<
>>Nun, ich muss zu Evra, ihm bei den Arbeiten helfen. Und nur zur Info: Ein Vampir zu sein ist wunderbar, so lange man sich damit abfindet. Bei dir und deinen Schuppen wird es sicher nicht anders sein.<<
Ehe ich meinen Mund wieder öffnen konnte, war der Vampir verschwunden. Ich sah mich nach ihm um, jedoch konnte ich ihn nicht mehr entdecken. Sei`s drum. Ich wartete noch ein bisschen, dann kam auch schon Mr. Crepsley aus dem Zelt.
>>Sie sind ein Vampir, oder?<<, platzte es aus mir heraus, als ich ihn sah.
Er zuckte mit den Schultern. >>Schon möglich.<< Dann strahlte er mich an. >>Ja, ich bin ein Vampir. Hast du etwa Darren getroffen um zu deiner Schlussfolgerung zu kommen?<<
Ich sah ihn misstrauisch an. >>Gibt es hier noch mehr Vampire?<< Ein Kopfschütteln brachte mich dazu erleichtert zu seufzen. Aber dann brachte mich Larten völlig aus der Fassung, als er plötzlich fragte: >>Was hältst du eigentlich von dem Verhalten deiner Eltern?<<
Ich war nicht auf Gedanken an meine Eltern vorbereitet und zog scharf die Luft ein. Dann schluckte ich den so plötzlich erschienenen Kloß in meinem Hals hinunter und schabte mit dem Schuh auf dem Boden.
>>Was soll ich denn bitte von zwei Leuten halten, die sich nicht für mich interessieren? Ich… ich würde ihnen gerne zeigen, das ich nicht nur ein Monster bin. Das ich im Herzen ein stinknormales Mädchen bin.<<
Oder mich rächen.
>>Dann tu das einfach. Und die Rache… wenn du das wirklich willst, was ich natürlich verstehen würde, dann überleg dir was demütigendes. Oder erschreck sie<<
Ich fuhr erschrocken zusammen. >>Woher wissen sie…<<
>>Ich hab die Rache in deinen Augen gesehen.<<
Oh, genau. In meinen Augen. In denen, in die sich wieder Tränen füllten.
>>Verdammt! Jetzt flenn ich schon wieder!<<, ärgerte ich mich über mich selbst und schlug die Hände vor die Augen.
>>Komm schon<<, sagte Crepsley >>jemand der dich verachtet ist es nicht wert.<<
Ich rieb meinen Kopf kurz an meine Schulter. Dann flüsterte ich: >>Wie wäre es, wenn sie mich rächen?<<


Ashley, Nick und der schwarze Koffer

>>Gute Nacht, Camille<<, sagte Gertha und legte sich in ihr Bett. Ich lag auf der völlig unbequemen Luftmatratze, die für mich noch im letzten Moment aufgepustet und in die Ecke geklatscht wurde. >>Gute Nacht<<, brummte ich müde und gähnte. Unbequem oder nicht - besser als unter einer Brücke. Bei der Erinnerung an die schrecklichen Sommernächte zitterte ich und zog mir die Decke bis zum Kinn. Zum Glück war niemand da gewesen, der mich umbringen könnte. Und so hatte ich die vier Tage überlebt.

Am Morgen blendete mich das gleißende Licht der Sonne und ich richtete mich auf. Gertha stand bereits vor ihrer Kommode und war wohl grade mit dem Umziehen fertig geworden. In einem gepunkteten Sommerkleid stand sie einfach nur da und betrachtete sich im etwas entfernten Spiegel, der so stand das sie mich sehen konnte. Ich war mir zwar sicher, das er gestern als ich in Gerthas Zelt eingeteilt worden war noch anders gestanden haben musste, sagte aber nichts.
>>Hallo Gertha<<, flüsterte ich und ging zu ihr herüber. Sie nickte, doch dann bemerkte sie: >>Camille, magst du dich denn nicht umziehen?<<
Ich zuckte mit den Schultern und sie schob sich zur Seite, sodass ich mich ansehen konnte. Ich erschrak kurz; einzig und allein mein Gesicht erinnerte mich noch an mich selbst. Meine Haare waren total zersaust und meine Kleidung dreckig und kaputt, obwohl der Regen sie durch gewaschen hatte.
>>Wir haben hier keine Klamotten die dir passen würden. Auf sechzehnjährige Mädchen sind wir nicht wirklich vorbereitet… also, was wollen wir tun? Dir was Neues nähen?<<
Ich strich durch mein Haar. >>Wie wäre es wenn ich etwas von zu Hause hole?<<
>>Hey, guter Einfall!<<
>>Und… wie soll ich dahin kommen? Meine Eltern sind von zehn bis sechs auf ihrer Arbeit, also wäre es kein Problem ihnen aus den Weg zu gehen. Aber ich habe gesehen wie weit dieser Ort von meinem Haus entfernt ist. Da brauche ich schon Crepsley, oder Darren um es zu erreichen. Und dummerweise können die tagsüber nicht raus.<<
>>Tja, wo du recht hast, hast du recht. Aber das ist nur bei Laren so. Darren ist ein Halbvampir, geh jetzt lieber zu dem<<
Ich nickte, bedankte mich und trat aus dem Zelt, wo ich mich äußerst verwirrt umsah. Er könnte überall sein! Ich beschloss mich für die Variante, den Platz abzusuchen. Ein paar mal war ich im Kreis gelaufen, als ich gegen Evra prallte.
>>Es tut mir leid… hast du dir wehgetan?<<
Ich sah ihn mit großen Augen an. >>Nein alles okay. Aber ich bitte dich, sag mir wo Darren ist!<<
>>Er müsste in unserem Zelt sein. Es steht gleich da drüben<<
Er deutete auf ein grünes Zelt. Mit einem flinken Nicken verschwand ich und stürmte durch den Eingang. Als Darren mich sah, lächelte er freundlich. >>Oh da ist ja die Landstreicherin<<, scherzte er und ich verdrehte die Augen. Wäre das ernst gemeint gewesen, hätte es wehgetan. Aber ich wusste selber wie bescheuert ich aussah.
>>Ja, und sie braucht die Hilfe eines Halbvampirs, damit sie nicht mehr wie eine aussieht.<<
>>Was soll ich denn bei deinem Plan machen?<<
>>Lauf zu mir nach Hause - mit mir natürlich - und setz mich da ab, damit ich meine Sachen holen kann. Es wäre echt nett, würdest du das tun<<
Er grinste, und ich wusste das das seine Antwort war.

>>Hast du jetzt alles?<<, fragte Darren und sah besorgt aus dem Fenster. >>Es ist schon fast sechs, wir müssen bald hier weg sein<<
>>Ich weiß<<, zischte ich prustend und versuchte meinen Koffer zu schließen. Darren seufzte und zog den Reißverschluss für mich durch. >>He, danke<<, lachte ich und warf noch einen Blick in den Spiegel. Nach der Dusche, der Bürstenbehandlung und dem Fernsehen war ich wieder okay. Der Halbvampir hatte sich ebenfalls die Zeit mit Fernsehen, der Spielekonsole und ich dem Laptop meiner Eltern vertrieben. Meinen hatte ich bereits in den riesigen Koffer gestopft.
>>Bevor wir gehen<<, grinste ich >>können wir uns doch noch ein wenig Geld aus dem Notfallportmonee nehmen, oder? Ich meine, das ist mein Abschiedsgeschenk<<
Der Junge verdrehte die Augen und folgte mir, als ich in die Küche stürmte. Mit belustigten Gesichtsausdruck nahm ich mir zwei einhundert Euro Scheine aus dem Lederbeutel von denen ich einen Darren reichte. >>Danke, das du mitgekommen bist<<, sagte ich.
>>He, immerhin habe ich eine Bezahlung bekommen<<, freute er sich und ging zurück in mein Zimmer, um den schwarzen Koffer zu holen. Als ich plötzlich das Türschloss hörte, rannte ich zu dem Halbvampir und überwältigte ihn. >>Sie sind hier!<<, flüsterte ich hektisch in sein Ohr. >>Meine Eltern sind da<<
Und schon konnte man die Schritte auf der Treppe vernehmen. Panisch rannte ich umher und Darren schob den Koffer unter mein Bett. Dann packte er mich um die Taille und stopfte mich in den fast leeren Kleiderschrank. >>Ich geh unter dein Bett. Komm erst raus wenn ich es sage, klar?<<
>>Klar<<
Er verschwand, nachdem er mir die Türen entgegen gedrückt hatte. Ich schluckte und lauschte. Nur ganz kurz hörte ich wie Darren unter das Bett kroch, und dann herrschte völlige Stille. Und darüber wunderte ich mich. Meine Eltern müssten doch jetzt im Flur angekommen sein, und auf dem knarrenden Holzboden müsste man ihre Schritte hören.
Fast hätte ich die Tür geöffnet, als eine Stimme rief: >>In dem Zimmer hier ist nichts!<<
Ich erschrak. Die Stimme, die soeben die Stille durchbrochen hatte, war weder die meiner Mutter, noch meines Vaters. Sie gehörte dem Mädchen, das meine beste Freundin war, bis sie mich mit Schuppen gesehen hatte.
>>Ashley…<<, flüsterte ich und ballte die Hände so stark zu Fäusten, das sich meine Fingernägel in die Haut bohrten.
>>Aber das Buch muss doch da sein!<<, antwortete Nick, der in meine Klasse ging, auf Ashs Frage.
>>Am besten wir suchen in ihrem Zimmer. Da sollte sie wohl ihr Tagebuch versteckt haben<<
Mein Herz setzte kurz aus. Sie wollten mein Tagebuch! Das, welches in dem Koffer bei Darren war!
Es begann in meinem Zimmer zu rascheln und jemand warf etwas um. Oh Mann, wenn ich dürfte würde ich die beiden umbringen!
>>Nick, Nick! Sieh dir das an! Ich habe eine Geschichte von dem Meeresungeheuer gefunden!<<, brüllte Ashley aufgeregt und Papier knackte.
>>Oh nein, das liest du nicht<<, hauchte ich wütend. Sollte ich rausstürzen und mir das Mädchen vorknöpfen? Natürlich… es gab ja auch nichts besseres zu tun, als sie zu verprügeln. Und so oder so wollte ich so tun, als wäre ich ausgewandert, gestorben oder so ähnliches.
>>Wow, guck dir das an. Sie schreibt: >Das Mädchen lebte glücklich zusammen mit ihrer Familie und ihren Freunden<. Die muss ja verzweifelt sein!<<, lachte Nick und ich fühlte, wie ich langsam aber sicher auf 180 kam.
>>Ja, der Freak hat mir immer erzählt wie gerne sie doch mit jemand anderen tauschen würde. Und sie wurde mal von meiner Katze angefallen! Das war echt so witzig, und ich hab mich immer gefragt wieso das passiert ist!<<
Okay, ich wurde noch wütender und als extra auch noch enttäuscht. Sie hatte mir geschworen, das niemanden zu erzählen, weil mir das echt peinlich gewesen ist. Ich merkte, wie meine Hand zu schmerzen begann. Wahrscheinlich waren das meine Fingernägel - ich hob meine Hand in den kleinen Spalt Licht, der durch die Tür fiel und zuckte zusammen. Meine Handfläche blutete dort, wo ich meine Fingernägel eingestochen hatte und die Übeltäter selbst waren länger und um sehr vieles spitzer geworden. Ein leichter blauer Schimmer lag auf ihnen.
>>Was zum…<<, flüsterte ich und drückte mich nach hinten.
>>He Ash, hast du das auch gehört? Mach mal den Schrank auf<<, sagte Nick. Ich zog scharf die Luft ein und begann zu beten. Nein Ashley, mach das nicht, es ist nichts interessantes hier drin!
Ich hatte noch einen kleinen Augenblick um zu warten, und da glotzte mir schon Ashleys Gesicht entgegen. Entsetzt warf sie sich nach hinten und flog gegen Nick. >>Oh mein Gott! Es ist Cam!<<, brüllte Nick. Ich biss mir auf die Lippe. >>Und sie ist ein Freak!<<, rief Ash.
Schnell kam Darren unter meinem Bett hervorgekrochen und zog den Koffer mit sich.
>>Und ein Freak ist gefährlich… Er wird euch töten. Wenn ich das noch nicht mache<<, hauchte er mit äußerst bösen Unterton. Ich wusste, das er das nur zum Spaß gesagt hatte, doch Nick und Ashley sahen so aus als würden sie sich gleich einpinkeln.
Das braunhaarige Mädchen gab ein markerschütternden Schrei von sich und krabbelte rückwärts. Als sie an meine Wand kam, presste sie sich ängstlich an sie. Der Junge rollte sich panisch nuschelnd unter meinen Schreibtisch.
Darren wandte sich von ihnen ab und grinste mich an. Dann zog er den Griff aus dem Koffer, half mir aus dem Schrank und drückte ihn mir in die Hand.
>>Wow, da hat ja wohl jemand Krallen bekommen<<, sagte er und hielt kurz inne, um meine Fingernägel zu begutachten. Mein Gesicht musterte er auch kurz, dann lachte er: >>Komm spring jetzt auf<<
Ich tat was er gesagt hatte und sah noch die beängstigten Gesichter meiner (alten) Freunde, bis wieder alles um mich herum verschwamm. Der Koffer klapperte verdächtig, doch ich konzentrierte mich darauf ihn festzuhalten, was nebenbei bemerkt verdammt schwer war.
Der Halbvampir hielt nach ein paar Sekunden an und ich sprang von seinem Rücken, wobei ich auf dem Koffer landete und ungeschickt zu Boden fiel. Das verstärkte meine kurz unterdrückte Raserei und ich starrte, nachdem ich mich hingesetzt hatte, auf meine Klauen. Meine Hände waren mit bläulichen Schuppen bedeckt und ich fuhr mit ihnen nach kurzem Überlegen über meine Arme. Ebenfalls bedeckt mit Schuppen. Dann fasste ich an meinen Hals, fühlte die Kiemen und an mein Gesicht, das ebenfalls bedeckt war.
>>Was soll das denn jetzt?<<, zischte ich durch meine Zähne hindurch. Meine Füße fingen an zu jucken und ich riss meinen Schuh und die Socken beiseite - und erblickte sie.
>>Schwimmhäute?<<, kreischte ich. Dann zog ich meine Knie an den Körper und schlang die Arme darum.
Darren schlich langsam hinter mir entlang und setzte sich vor mich. >>Camille, komm hoch. Wir gehen jetzt zum Cirque und da kannst du dich ausruhen, okay?<<
Ich legte meinen Kopf so auf die Knie, das ich ihn ansehen konnte. Meine Zähne drückte ich aufeinander und wippte mit dem Fuß.
>>Ach komm schon, das mit der Katze war doch lustig<<
Schmollend schürzte ich die Lippen. Aber als ich in die Augen des Halbvampirs blickte, wurde mir schwummerig und ich verlor jedes bisschen Wut, das sich in meinem Körper angesammelt hatte.
>>Was tust du da?<<, flüsterte ich und Darren grinste. >>Hypnose<<, strahlte er.
Und so kam es, das meine Schuppen verschwanden und der Junge mich dazu brachte, mit ihm zurück zum Cirque zu gehen.


Kreischkonzert & Körperhygiene

>>Scheint so, als ob ich auch… mutiere, wenn ich wütend werde<<, erklärte ich Evra und stopfte meinen Schlafanzug unter meine Decke.
>>Und wie wütend sie war<<, sagte Darren und verdrehte die Augen, in denen Schalk lag.
Evra schob meinen Koffer mit dem Fuß ein Stückchen nach vorne.
>>Ah klar, also ist die Landstreicherin auch noch gleichzeitig eine Furie<<, grinste er. Ich stach ihm aus Spaß mit meinem Finger in die Seite und ging durch den Eingang des Zeltes auf den großen Platz. Die Jungs folgten mir und redeten ziemlich laut darüber, das ich bei meiner Ankunft wohl Deo am nötigsten gebraucht hätte.
Ich drehte mich um und sah die beiden herausfordernd an. >>Ah ja, klar, ich bin die einzige die was gegen ihren Körpergeruch tun sollte.<<
>>Was willst du uns damit sagen?<<, fragte Darren und verschränkte die Arme vor der Brust. Dann sah er zu Evra und nickte ihm mit belustigtem Grinsen zu. Evra drehte den Kopf vom Halbvampir zu mir und zog eine Augenbraue in die Höhe. Als er mir gefährlich nah kam, fragte ich: >>W… was hast du vor? Evra? Evra?<<
Blitzschnell packte er mich und wirbelte mich herum. Ich schrie leise auf und krallte mich an seinen Händen fest, damit ich nicht auf den Boden fiel.
>>EVRA!<<, kreischte ich halb lachend. Darren kicherte vor sich hin und Evra lachte laut. Uns mussten wohl ein paar Freaks komisch ansehen, denn Evra setzte mich irgendwann ab und scharrte mit dem Fuß. Darren legte sich die Hand vor den Mund und zuckte immer noch lachend zusammen.
>>Okay, okay! Ich werde nie wieder im Leben etwas über eure Körperhygiene sagen, einverstanden?<<, grinste ich und versuchte meinen Puls runter zubekommen.
>>Also ich finde das das eine gute Idee ist, was meinst du, Vampelina?<<
>>Klar, nur schade das wir dann nie wieder dieses unvergleichliche Kreischkonzert hören werden.<<
Ich schubste Darren leicht und lächelte ihn an.
>>Wow, ihr drei versteht echt was von Ruhe.<<, begrüßte uns eine blondhaarige Frau.
>>Hey Corma<<, sagten Evra und Darren gleichzeitig. Corma lächelte mich freundlich an.
>>Wer ist denn euere Freundin da?<<
>>Oh, das ist Camille<<, antwortete Darren auf ihre Frage.
>>Die Landstreicherin und Furie<<, fügte Evra hinzu.
Corma sah mich mit weiterhin freundlich an und lachte, als ich Evra gegen die Schulter boxte.
>>Hallo Camille, ich bin Corma Rimbs, aber auf der Bühne bin ich die Königin des Recyclings<<
Ich grinste sie an und schüttelte ihre Hand, sah aber leicht hilfesuchend zu Darren. Er tat so, als würde er sich seine Hand abhacken und Evra spielte mit seinen Finger so an dem >abgehackten< Arm herum, das es einfach nur merkwürdig aussah.
>>Recycling?<<, fragte ich Corma und blickte sie fragend an.
>>Wenn ich beispielsweise im Kampf mein Bein verliere, da wächst es sofort nach<<
Ich nickte, obwohl ein Teil in meinem Kopf mit den Achseln zuckte und sie komisch ansah. Ein Mann traf zu uns und begrüßte uns genauso wie Corma, was sie zum lächeln brachte.
>>Alexander<<, kicherte sie >>du verstehst wie ich denke<< Dann küsste sie ihn und strahlte.
>>Das da ist Alexander Ribs, mein Freund und der Hungerkünstler. Aber wir müssen jetzt langsam mal wieder an die Arbeit.<<
>>Genau deshalb bin ich gekommen, mein Liebling<<, sagte Alexander und gemeinsam verschwanden sie mit einem >>Tschüss<< in einem kleinen Zelt. Verwirrt drehte ich mich zu den beiden Jungs.
>>Hungerkünstler?<<, fragte ich, doch die beiden zuckten nur mit den Schultern und sagen: >>Sieh dir einfach die Show an<<
Ich gab mich mit der Antwort zufrieden und stellte keine Fragen mehr. Eigentlich wollte ich einfach nur Mr. Tall nach meinen Aufgaben fragen, doch traf ich auf dem Weg zu ihm so viele verschiedene Freaks, das ich, bis ich ankam, eine menge Zeit gebraucht hatte. Aber letzten Endes war ich angekommen.
>>Mr. Tall?<<, fragte ich und betrat sein Zelt. Er schien beschäftigt zu sein, denn er saß grade an einem großen Tisch und kritzelte auf etwas herum. Jedoch drehte er sich zu mir und sagte: >>Hallo Camille<<
Ich nickte ihm zur Begrüßung zu und kam gleich zur Sache.
>>Ich bin wegen meinen Aufgaben hier<<, verkündete ich.
>>Setz dich erst einmal<<
Ich nahm sein Angebot an und pflanzte mich auf ein Sofa, das in seinem Sichtfeld stand.
>>Ich habe dir deine Aufgaben aufgeschrieben. Auf diesen Zettel<<
Er überreichte mir ein grünes Blatt Papier, auf das mit schöner Handschrift geschrieben war:
Jeden dritten Tag mit Evra und Rhamus kochen und Garderobendienst, jeden Freitag mit Madame Truska Nahrung für die kleinen Leute aus dem Wald holen.
>>Und, was ich dich noch fragen wollte, hast du vielleicht Interesse daran in der Show mitzumachen?<<
Ich legte den Kopf schräg. >>In ihrer Freakshow?<<
>>Ja, genau, in der Freakshow. Vorausgesehen du wirst von den anderen Akzeptiert und im Cirque du Freak aufgenommen<<
Ich schluckte kurz, dann sagte ich: >>Ich würde gerne mitmachen<<


Ein ganz normales Picknick mit Evra

Und da war ich nun. Die erste Woche hatte ich hinter mich gebracht und mich sogar mit ein paar Freaks angefreundet. Ich stand in Mitten eines Kreises, um mich herum die Leute, die entscheiden würden ob ich bei ihnen bleiben durfte. Die Arbeit im Cirque war recht gut verlaufen, bis auf meinen Versuch Popcorn zu machen. Es war angebrannt und somit äußerst schwarz geworden. >>Kratzen wir doch einfach das schwarze ab<<, hatte ich peinlich geflüstert. Natürlich war ich für den Tag die große Lachnummer gewesen, aber das Gute daran war, Lachnummern kamen freundlich rüber… na ja, das hoffte ich jedenfalls.
>>Und jetzt, meldet euch bitte deutlich, wenn ihr wollt das Camille bei uns bleibt<<, rief Mr. Tall. Ich biss mir nervös auf die Unterlippe und verknotete die Hände, als die Finger sich langsam erhoben. Ich sah mich um. Eine Menge Freaks hatten sich gemeldet, aber ob es wohl genug sein würden? Ich wollte doch hier bleiben!
Mr. Tall zählte mit einer sanften Handbewegung durch die Menge, bis er inne hielt und mich fröhlich ansah. >>Wir haben beschlossen, das sie ein Mitglied wird!<<
Ein leises Jubeln strich über die klatschende Menge, und ich wusste, das es von Evra war. Mit breitem - und vor allem glücklichen - Grinsen, blickte ich ihn an. Er drehte sich zu Darren und die beiden klatschten sich ab.
Mr. Tall gratulierte mir und ich sprang zu meinen Freunden herüber, die mich in die Arme nahmen. Ja, so viel konnte man in einer Woche mit Selbstvertrauen schaffen. Freunde bekommen, im Cirque angenommen werden und mal eben sein Schicksal wegstecken. Und das alles zu schaffen, machte mich überglücklich. Ich entfernte mich von Darren und Evra und sah den Schlangenjungen komisch an. Er begann verlegen mit seinem Fuß zu scharren und spannte sich kurz an.
>>Schein so, als wärst du jetzt ein offizieller Cirque Freaker.<<, sagte Darren und blickte seinen Kumpel genauso merkwürdig an, wie ich es tat.
>>Schein so<<, antwortete ich, wandte mich ab und strahlte. Eine Hand auf meinem Rücken brachte mich dazu, mich umzudrehen.
>>Oh, hallo Okavango<<, sagte ich und er schüttelte meine Hand.
>>Es freut mich, das du im Cirque angenommen wurdest<<, lachte der dehnbare Mann und wartete nicht einmal auf meine Antwort, als er wieder wegging.
>>Ich habe eine tolle Idee! Wie wäre es, wenn wir zur Feier des Tages ein Picknick machen?<<, schlug Evra vor, und ich war sofort begeistert.

Ich hatte bereits den Korb gepackt, als Evra in das Zelt, indem ich nur noch für kurze Zeit wohnen würde, platzte, und mich mit einem Stückchen Brot bewarf.
>>Hey, wo wollen wir denn eigentlich essen?<<, fragte er und nahm sich den Picknickkorb vom Tisch.
>>Ich dachte mir, wir gehen in den Park<<, antwortete ich. Der Schlangenjunge sah mich kurz mit kraus gezogener Stirn an, dann sagte er: >>In den Park. Die Leute werden ausrasten, wenn sie mich sehen<<
Ich stemmte die Hände in die Hüfte und lehnte mich an den Pfeiler hinter mir. >>Tja, vielleicht hast du recht, aber du wolltest doch sicher schon öfters nach draußen und unter die Leute.<<
>>Und dann kommt die Polizei. Sie nehmen mich mit und ich darf Mr. Tall erzählen, das ich gerne die Normalos aufschrecke. Toller Plan<<
Der Sarkasmus schwang unüberhörbar in seiner Stimme mit. Ich stieß einen Seufzer aus.
>>Mach mir ja keine schlechte Laune. Wie wäre es, würden wir zum See gehen? Da sind zwar auch viele Leute, aber nicht so viele wie im Park. Denen kannst du erzählen, das das ein Kostüm ist und du eine Wette verloren hast.<<
>>Gute Idee<<, mischte sich Darren ein, als er zu uns traf. >>Hey Evra<<, sagte er >>lass Camille und mich bitte kurz allein<<
>>Wieso?<<, fragte Evra, doch der Halbvampir schob ihn bereits davon. Als er durch die Tür und ein paar Meter weiter weg war - Darren sagte noch etwas zu ihm - kam der Vampir zurück.
>>Ich komme gleich zum Punkt: Zum Picknick musst du alleine mit Evra gehen. Ich habe noch einige Aufgaben von Crepsley, die zu erledigen sind.<<
Ich blickte ihn verwirrt an und fuhr mir mit meiner Hand durch die Haare.
>>Kann er dir nicht heute frei geben? Er versteht es doch wohl, wenn du ihn darum bittest.<<
>>Ich möchte ihn nicht stören, außerdem gibt es eine Menge andere Gründe, wegen denen ich nicht mitkommen kann…<<
>>Beispiel<<, sagte ich das kurze Wort und grinste.
Darren atmete tief ein und aus, dann sagte er mir leicht belustigtem Lächeln auf den Lippen: >>Ich wollte deine Beziehung zu Evra fördern. Nun ja, die überfreundschaftliche Beziehung<<
Ich gab den erschreckten Laut wohl mit großer Lautstarke von mir, denn Darren zuckte kurz zusammen.
>>Was willst du mir damit sagen?<<, fragte ich schnell.
>>Als ob du das nicht wüsstest… aber ich will nicht weiter diskutieren. Geh zu ihm, na los<<
Ich wollte etwas erwidern, doch Evra kam bereits zu uns.
>>Leute, was ist hier los?<<
>>Ich weiß ja nicht so wirklich, ob Cam dir die Sache erzählen wird, doch frag lieber sie<<

>>Hey, ich finde hier ist der Platz perfekt.<<, sagte ich, deutete auf den Boden und setzte mich. Evra nickte stumm, lies kurz nervös den Blick zur Seite schwenken und ging in die Knie. Ich schüttelte den Kopf und zog ihn zu mir nach unten.
>>Ich habe genau diese Stelle ausgesucht, weil hier die wenigsten Leute hinkommen… obwohl ich es wirklich wunderschön finde<<
Der Schlangenjunge lachte überrascht auf, als er neben mir landete und säuselte leise: >>Okay<<
Er setzte auf, dann nahm er den Korb und stellte ihn zwischen uns. >>Ich muss mich wohl auf dein Gespür für Menschen verlassen… ich armer Kerl<<, lachte er. Mit einer flinken Bewegung hatte ich eine Banane aus dem Korb genommen und hielt sie wie ein Messer vor mich.
>>Sag nichts Falsches! Ich habe Obst, und ich weiß wie man es benutzt!<<, rief ich, legte aber einen verdutzten Blick auf, als Evra die Banane in meiner Hand schälte, einmal abbiss und kauend sagte: >>Ich weiß es auch<<
>>Idiot<<, kicherte ich. Der Junge hielt sich die Hand vor den Mund und schluckte. Wir scherzten ziemlich lange weiter, bis wir mit dem Essen begonnen. Doch letztendlich hatten wir die Hälfte des Korbes leer bekommen, und saßen vor der untergehenden Sonne. Es hätte alles perfekt sein können, doch die Welt war gemein. Und so kamen wir zu einem Gespräch, bei dem ich mein Gesicht mit einem Schleier aus Haaren verdeckte.
>>Ich weiß, wie du dich fühlen musst. Aber der Cirque hilft dir dabei dich zu akzeptieren, genau so wie du bist<<, flüsterte Evra. Ich seufzte. Ja, er hatte mir geholfen, jedoch würde ich niemals Ashleys Gesichtsausdruck vergessen.
>>Camille, ich weiß nicht so recht, wie ich dir das sagen soll… aber…<<, hauchte Evra. Ich schlug den Schleier beiseite und sah ihm direkt in die Augen, warum auch immer. Es war ein Fehler, denn er wandte den Blick sofort ab und starrte eine Weile auf die Wasseroberfläche. Mein ganzer Körper spannte sich an, als er den Mund öffnete, doch sackte ich unzufrieden in mich zusammen, als er aufstand und mit einem >>Wir sehen uns im Cirque<< mein Sichtfeld verlies. Ich wollte ihm nicht folgen. Ich wollte warten. Auf… irgendetwas. Und dieses Irgendetwas kam leise und schnell. Ich konnte noch nicht einmal mehr blinzeln, da zog sich schon der Sack über mein Gesicht.
>>Was zum…?<<, kreischte ich, aber wurde nur hochgehoben. Ich schlug heftig um mich und merkte, wie sich mein Körper blitzschnell veränderte. Mit ein paar Krallenhieben schaffte ich es, das ein Mann aufschrie und der Sack samt Inhalt - damit meine ich mich - auf das gras fiel. Schnell rollte ich mich weg und stolperte grade aus, da hörte ich auch schon Evra rufen: >>Lauf Cam, lauf!<<
Ich sprang herum, sodass ich sehen konnte, wie er auf mich zu gelaufen kam. >>Wohin?<<, fragte ich, und bekam als antwort: >>Irgendwohin!<<
Und grade, als ich erleichtert aufatmen wollte, weil er mich erreicht hatte, wurde er von hinten überwältigt und in einen Sack gesteckt. Zwar wollte ich helfen, jedoch wurde ich ebenfalls gepackt. Und das von mehreren Leuten auf einmal.


Ein Knockout

>>Und was gedenkt ihr zu tun, nachdem ihr uns gefesselt habt?<<, fragte ich barsch und zuckte zusammen, als mir das Seil in die Haut schnitt.
>>Auf unseren Chef warten<<, antwortete mir die Frau, die Evra mit dem Stuhl verband, erst, als ich fertig verschnürt war. Der Mann, der an der Tür stand und mich nur eines kurzen Blickes würdigte, schnaubte verächtlich. Ein Junge kaute hinter mir auf seinem Kaugummi herum und war der jüngste der drei Normalos.
>>Oh Mann, meine Begeisterung hält sich kaum in Grenzen<<, zischte ich durch meine Zähne hindurch. Evra stieß plötzlich ein leises Fauchen neben mir aus und ich wandte mich so schnell zu ihm, das sich der Stuhl ein kleines Stück mitbewegte.
>>Evra?<<, fragte ich besorgt und biss mir auf die Unterlippe, als ich sah wie sein Arm eingeklemmt wurde.
>>He, passen sie ein wenig auf ihre Opfer auf, okay?<<, brummte er und sah mich nur ganz kurz an. Die Frau lachte, lehnte sich zu dem Mann und nickte mir zu. Nein, sie nickte dem Jungen zu, der mir freundlicherweise einen Knockout gab.

Als ich wieder zu mir kam, fiel bereits das aschfahle Mondlicht durch das kleine Fenster an der Wand.
>>Was ist passiert?<<, fragte ich verwirrt und bemerkte, das der Raum außer mir und Evra leer war. Mein Hinterkopf pochte vor Schmerz und am liebsten hätte ich meine Hand auf ihn gehalten, jedoch hatten beide unter dem Seil nur noch wenig Platz.
>>Cam, es geht dir gut<<, rief Evra und lachte erleichtert auf.
>>Wenn du Kopfschmerzen als gut bezeichnen willst<<, sagte ich hörbar leiser als ich sonst redete. Dann rieb ich meine Füße aneinander und bewegte meinen Körper ein kleines Stückchen nach vorn.
>>Es war wohl doch keine so gute Idee sich einzumischen…. Ich hätte ihn doch rufen sollen<<, gestand sich Evra und seufzte.
>>Was meinst du damit?<<, fragte ich, woraufhin der Schlangenjunge erneut seufzte.
>>Als ich mitbekommen habe, das diese primitiven Normalos dich angegriffen haben, da wollte ich helfen… und ich hatte die Wahl zwischen dem Helden spielen und mit meinem Handy Verstärkung rufen.<<
Ich nickte um ihm zu sagen, das ich ihn zuhörte, obwohl es äußerst wehtat.
>>Mit Verstärkung meinst du Darren, oder?<<
Über seine Lippen kam ein gehauchtes >>Ja<< und er drehte den Kopf einmal, sodass es knackte.
>>Ich wollte einfach nicht, das er immer den spielt, der alle rettet und gelobt wird, während ich da sitze und Essensreste abbekomme<<
>>Wer hat dir den so einen Schwachsinn eingeredet?<<, fragte ich leise und musterte den kaputten Holzboden.
>>Niemand hat mir das eingeredet… ich habe es mir zusammengedichtet. Aber jemand hat mir einen Tipp gegeben.<<
Ich begann am Inneren meiner Wange herumzukauen und fand einen kleinen Käfer auf dem Boden. Angewidert von seiner lila Farbe wich ich zurück und schaffte es, mit dem Stuhl umzukippen. Meinen Kopf konnte ich noch grade anheben, sodass er nicht auf den Boden krachte.
>>Verdammt<<, rief ich, halb über mich lachend, halb verärgert. Evra war wohl genauso perplex wie ich, denn er lachte kurz, dann sagte er besorgt: >>Alles okay?<<
Ich schluckte und sah mir die Decke an.
>>Alles okay, aber ich denke das ich die nächste Zeit lang wohl hier liegen muss<<
Und das war wahr. Ich konnte mich kein Stückchen mehr bewegen und glotzte hilflos nach oben. Nach einer Weile der Stille musste ich husten, was ich dazu veranlasste zu reden.
>>Und Evra, wer hat dir überhaupt was für einen Tipp gegeben?<<, fragte ich.
Zuerst zögerte er, doch letzten Endes gab er mir eine Antwort: >>Crepsley hat gesagt, dass…<<
Er stockte und sah sich plötzlich wie wild um.
>>Was hat Crepsley gesagt?<<, fragte ich und versuchte ihn anzusehen, doch es funktionierte nicht und ich gab auf. Er gab einen zischenden Laut von sich, der mir bedeuten sollte den Mund zu halten und lauschte. Ich tat es ihm gleich und hörte das laute Knallen umfallender Gegenstände, die rufenden Stimmen und leises Plagen.
>>Was geschieht da?<<, flüsterte ich zu mir selbst.
>>SAGEN SIE UNS WO SIE SIND!<<, rief eine Stimme bedrohlich laut. Ich überlegte und zuckte zusammen als ich herausfand, wessen Stimme das war.
>>Es ist Darren!<<, sagte ich zu Evra.
>>Werden sie mich sonst töten?<<, fragte die Stimme einer Frau genau vor der Tür des Raumes, indem Evra und ich gefangen waren.
>>Sagen sie uns einfach was wir wissen wollen<<, sagte Crepsleys Stimme und ich freute mich darüber, das Rettung gekommen war.
>>H… hinter der Tür da<<
Nachdem wieder etwas umfiel - ich vermutete es war die Frau - fiel die Tür aus den Angeln und zwei Silhouetten traten in den Raum.
>>Evra, Cam!<<, rief Darren, die kleinere Person und rannte zu mir. Crepsley ging langsamer auf Evra zu und begann ihn zu befreien.
>>Wie hast du denn das geschafft?<<, fragte Darren grinsend und band mich los. Ich stand auf und drückte meine Hand auf den Hinterkopf. Das Aufstehen tat mehr weh, als das Kopfschütteln oder Nicken und so sagte ich mit angestrengter Stimme:
>>Ich hasse Käfer<<

Ich rutschte von Darrens Rücken und sah mir den Platz des Cirques an, da spürte ich das sich Evra neben mich stellte.
>>Geht’s dir gut?<<, fragte er besorgt und ich nickte nur leicht. Mir war ziemlich übel. Ich hörte nur leise wie Darren, Crepsley und Evra sich einigten, das die Vampire schon zum Platz zurückgehen sollten und der Schlangenjunge auf mit mir langsam nachkam. Als die Vampire schon über den Platz waren, nahm Evra meine Hand.
>>Lass dir ruhig Zeit<<, flüsterte er sanft. Ich fühlte mich schon irgendwie komisch, und damit meine ich nicht meine Kopfschmerzen. Nein, ich meine das Gefühl, auf Hilfe beim Gehen angewiesen zu sein. Aber jedenfalls war es Evra und nicht irgendwer den ich am liebsten vergraben würde.
Bei dem ersten Schritt den ich machte, wurde mir wummerig und ich verlor das Gleichgewicht, doch Evra fing mich auf.
>>Es war wohl keine so gute Idee mit dir zu Flitzen<<, stellte er fest und half mir, mich wieder hinzustellen.
>>Das denke ich auch<<, säuselte ich und drückte seine Hand noch fester. Er musterte mich einige Sekunden lang, bis er mich hochhob und zum Cirque trug.
>>Danke, jetzt fühl ich mich vollkommen schwach<<, sagte ich, legte meinen Kopf aber trotzdem an seine Brust und schloss die Augen um den Schmerz zu verdrängen.
>>Sei froh, das ich grade keine neue Haut bekomme<<, scherzte er und ging weiter. Ehe ich mich versah, waren wir in Gerthas und meinem Zelt angekommen, doch niemand war da.
>>So, ich werde dich mal auf dein Bett legen<<, sagte Evra und ging zu der Luftmatratze, aber als er mich ablegen wollte, krallte ich mich an seinem Shirt fest.
>>Aber du bist viel bequemer<<, lachte ich heiser und versuchte ihn davon zu überzeigen mich auf dem Arm zu behalten. Wahrscheinlich würden mich alle morgen dazu zwingen, zum Arzt zu gehen. Juhu.
>>Setz du dich auf die Matratze und lass mich schlafen<<
>>Ich habe nicht wirklich was dagegen, aber wird das nicht eigentlich total unbequem?<<
Ich grinste und merkte, wie ich langsam in den Schlaf glitt.
>>Nö<<, flüsterte ich trotzig und sank in die Welt der Träume.


Der Überfall

Evra schlief an die Wand hinter meinem “Bett” gelehnt, als ich aufwachte. Ich musste bei seinem Anblick grinsen, denn er sabberte im Schlaf. Der Helligkeit draußen zu mute war es wohl erst zwei oder drei Uhr morgens. Gertha war immer noch nicht im Zelt. Wahrscheinlich ist sie bei ihrem Freund, dachte ich und kuschelte mich an Evra. Er war wirklich wie ein neues, warmes und vor allem tolles Sofa. Ich schloss wieder meine Augen und versuchte einzuschlafen, da vernahm ich das Klirren von Glas und einen Moment danach aufgeregte Stimmen, die durcheinander brabbelten. Als einige Stimmen davon dann wütend und verängstigt wurden, rüttelte ich Evra wach.
>>He, da draußen ist irgendwas los<<, flüsterte ich ihm zu und schob mich von ihm. >>Guck mal nach, was es ist, Evra<<
Er war relativ schnell wach und aufgestanden, sodass er sofort am Fenster stand. Er hielt inne und starrte nach draußen, bis er wieder zu mir kam.
>>Ist es besser geworden?<<, fragte er. Ich nickte, denn das konnte ich jetzt wieder, aber es wäre zu schön gewesen wenn mein Schmerz vollkommen verflogen wäre.
>>Ein bisschen. Was hast du gesehen?<<
Evra fuhr mit einer Hand über sein Gesicht, bemerkte dabei den Spuckefleck und wischte ihn mit peinlich berührten Gesichtsausdruck weg, jedoch fasste er sich schnell wieder.
>>Vampyre, die von den Vampiren die ihre Opfer töten und “böse” sind, stehen auf dem großen Platz und bewegen sich nicht. Ich habe schon einmal erlebt, wie sie Darren holen wollten. Wahrscheinlich wollen sie ihn wieder<<
Ich schluckte und stand auf, doch Evra drückte mich wieder auf die Matratze. Dann befahl er mir: >>Bleib hier sitzen<<
>>Und was tust du jetzt?<<
>>Ich werde mal rausgehen und die ganze Sache unter die Lupe nehmen. Außerdem werde ich Darren bescheid sagen<<
Ich verschränkte die Arme und sah ihn wie ein kleines Kind an, das ein Stück Schokolade haben wollte, doch er schüttelte nur den Kopf und verlies das Zelt. Na schon, wie du willst. Geh raus und lass mich allein, aber wenn mich so ein Vampyr tötet bist du Schuld.
Nach einer Weile hörte ich, wie mehrere Leute sich stritten und schrien. Gerthas Stimme gehörte zu den Lautesten.
>>Er gehört jetzt zum Cirque und ihr werdet weder ihn, noch irgendwen anders mitnehmen, verstanden? Oder soll ich euch die Ohren abbeißen?<<
Ich zog scharf die Luft ein und ging zum Fenster. Und tatsächlich standen dort vier zwielichtige Männer, um sie herum die Freaks und Evra, der hinter ihnen zu Darrens Zelt schlich. Gespannt wartete ich ab, was als nächstes passieren könnte.
>>Wir wollen den Halbvampir nicht holen, er soll zu uns kommen… Ach ja, da wäre noch etwas<<, sagte einer der Männer und grinste so, das mir das Blut in den Adern gefror. Und dann geschah alles zu schnell, als das irgendwer reagieren könnte. Die Vampyre holten Waffen aus ihren dunklen Taschen und begannen mit ihnen die Zelte anzugreifen und zu zerstören. Wieso auch immer sie das taten, es war schrecklich! Alexander kam aus seinem Zelt gelaufen und in der nächsten Sekunde brannte es schon. Die Freaks fingen an zu kreischen und zu brüllen, doch es brachte nichts. Vielleicht würden sie gleich in mein Zelt kommen! Ich musste raus hier! Panisch wirbelte ich herum und knallte gegen jemanden, und das so stark, das mein Hinterkopf wieder wehtat. Zuerst wollte ich durch das Fenster abhauen, doch als ich erkannte wer vor mir stand, umarmte ich ihn.
>>Evra, wir müssen hier raus!<<
Aber er hielt mich bei dem Versuch zu türmen fest und lies mich nicht los.
>>Wir müssen weg hier!<<, rief ich und versuchte mich loszureißen, jedoch ohne Erfolg.
>>Das ist zu gefährlich, Camille. Außerdem müssen wir Darren anrufen, er ist grade mit Crepsley los um sich zu stärken<<
Evra schob mich beiseite und schaute mich so an, das ich mich von selbst auf den Boden setzte. Ängstlich sah ich mich um, während er sein Handy rausholte, den Lautsprecher anstellte und redete.
>>Hallo, hier ist Larten Crepsley. Darren kann grade nicht an sein Handy kommen, er ist… beschäftigt.<<
>>Mr. Crepsley, stopp, nicht auflegen! Hier ist Evra.<<
>>Evra, du müsstest ja wohl am besten wissen das du nicht anrufen sollst wenn wir unterwegs sind. Darren ist immer wenn er Blut trinkt wie ein Kleinkind, das zu viele Gummibärchen gegessen hat.<<
Ich kicherte kurz.
>>Ja, ich weiß. Aber wir brauchen euch. Die Vampyre sind hier und zerstören den Cirque<<
>>Was?<<
Am anderen ende der Leitung raschelte es und Crepsley legte auf.
>>Kurzes Gespräch<<, flüsterte ich, dann rutschte ich rückwärts und lehnte mich an die Wand. Ich sah Evra an, und er kam zu mir auf den Boden.
Mit besorgten Lächeln sagte er: >>Sie werden gleich hier sein, aber trotzdem werde ich versuchen die Vampyre aufzuhalten<<
>>Ganz allein? Du wirst dabei draufgehen!<<
Evras Lächeln wurde schwächer, aber trotzdem blieb es als er >>Ich weiß<< sagte. Ich schüttelte den Kopf. >>Oh nein<<, flüsterte ich >>du wirst ganz sicher nicht da raus gehen<<
>>Camille, was sein muss sein. Ich werde eh nicht fiel erreichen, aber wenn ich Mr. Tall helfe habe ich wenigstens etwas für den Cirque getan<<
Obwohl ich etwas sagen will, beiße ich wieder in meine Wange. Es war ganz sicher das er bei den Vampyren sterben würde. Crepsley hatte ja schon fiel Kraft, aber wie viel hatte dann ein böser Vampir? Ich hatte Evra in Aktion gesehen, und so toll war er auch wieder nicht.
Er lehnte sich zu mir herüber, küsste mich auf die Stirn und rannte so schnell er konnte davon.
>>Oh Mann, Evra!<<, rief ich, aber er war schon weg. Die Stelle an der er mich geküsst hatte, begann zu kribbeln und ich fuhr mit meinem Finger darüber. Ich versuchte zwar an meine Situation zu denken, aber es ging nicht anders und meine Gedanken konzentrierten sich auf meine Stirn. Ein glückliches Gefühl breitete sich in mir aus und am liebsten hätte ich mir selbst eine gescheuert. Es gab grade wirklich wichtigere Dinge als einen Kuss von einem Freund! Wütend biss ich auf meine Unterlippe und legte die Hände zu Boden. Erst dann verstand ich, warum dieses Gefühl in meinem Körper war. >>Mein Gott<<, flüsterte ich und zog die Beine an die Brust. Ich war verliebt in Evra! Erschrocken darüber verschluckte ich mich und begann heftig zu husten. Meine Hand schlug ich vor den Mund und überlegte. In einer Woche war alles geschehen - mein Leben hatte sich verändert, ist schöner und gefährlicher geworden, ich habe Freunde gefunden, mich verliebt und mich von den beiden Leuten die mich hassten verabschiedet. Und wenn er nicht aufpasste musste ich das auch noch von dem Schlangenjungen. Dieser Idiot. Küsst und lässt mich alleine. Mich nach draußen wagen, nur um hier raus zu kommen? Ich wollte das zwar anfangs, aber nun versuchte Evra die Vampyre aufzuhalten. Und wenn er sterben würde, was sollte es mir bringen dabei zuzusehen?
Auf dem Dach knackte es und ich zuckte zusammen. Mein Selbstbewusstsein schrumpfte auf die Größe einer Haselnuss, als ein blasser Junge in das Zelt trat. Er erblickte mich und seine Augen blitzten freudig auf.
>>Ein kleiner Snack für zwischendurch<<, hauchte er bedrohlich und kam auf mich zu.


Speichel auf dem Hals, Krankenhäuser und Fluchtreflexe

>>Bitte lass mich in Ruhe<<, flüsterte ich und drückte mich gegen die Wand. Auf den Schmerz in meinem Hinterkopf, der stärker wurde weil ich mich mit aller Kraft von dem Jungen weglehnte, achtete ich nicht. Der Junge lächelte als er meine Angst sah und hielt mir die Hand hin. Ich blickte verwirrt auf diese und versuchte nicht zu zittern, aber es war unmöglich.
>>Komm schon, ich will dich doch nicht töten. Das mit dem Snack war doch nur ein Witz<<
Ich schluckte. >>Wer bist du?<<
>>Mein Name ist Steve, und deiner?<<
Ich sah wieder auf Steves Hand, dann auf sein Gesicht, welches mich nett ansah.
>>Camille<<, flüsterte und nahm seine Hand. Er half mir hoch und lächelte.
>>Bist du ein Vampyr?<<, fragte ich leise und bedacht darauf, die Stimme nicht neugierig oder aufdringlich klingen zu lassen.
>>Ja, das bin ich<<, lachte Steve und stellte sich ganz nah vor mich. Ich schluckte nervös und senkte den Blick. Etwas zu sagen traute ich mich nicht, vor allem dann, als er die Hand unter mein Kinn schob und mein Gesicht musterte. Mit einer schnellen Bewegung drückte er mich so an die Wand, das ich nicht mehr flüchten konnte und roch an meinem Haar.
>>Was hast du vor?<<, fragte ich, obwohl ich es ganz genau wusste. Er lachte ganz kurz auf und dann fühlte ich seinen kalten Atem an meinem Hals.
>>Es war gewiss kein Witz<<, sagte er fast flüsternd und leckte kurz über meine Haut. Angewidert zuckte ich zusammen und versuchte mich zu fassen - ich schaffte es. Mit aller Kraft stieß ich ihn von mir und rannte den neu gewonnen Freiraum entlang. Mein Herzschlag, welcher immer schneller wurde, durchzuckte meinen ganzen Körper und ich fürchtete, Steve könnte ihn hören, so laut war er. Raus hier, kreischte eine Stimme in meinem Kopf. Als ich durch den Eingang lief, war ich erschrocken von dem Zustand des Cirque Platzes. Viele Zelte brannten, viele waren schlimm zugerichtet. Nur ein paar sind verschont geblieben. Mr. Tall stand inmitten den Chaos neben Evra und fluchte.
>>Evra.<<, ich formte das Wort nur mit dem Mund. Grade als ich zu ihm rennen wollte, packte mich Steve und zog mich wieder in das Zelt. Ich schlug um mich, aber der Vampyr hatte einen zu starken Griff. Er stellte mich in die Mitte des Raumes, das warf er mich zu Boden. Ich drückte die Hände an meinen Hals, um ihn vor Steve zu verdecken, doch er schnippte sie einfach beiseite.
>>Ich wollte es ja erst schmerzlos machen, aber jetzt…<<, fauchte er und setzte mich auf und sich daneben. Dann sah er mich noch einmal finster an und rammte seine Zähne in meinen Hals. Darren hatte mir zwar irgendwas mit einem Schnitt in die Schulter erzählt, aber das hier war genauso wie in einem Vampirfilm. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper, ich erzitterte bei jedem Schluck den der Vampyr nahm und der Schock vertuschte meinen Schmerz. Einzig und allein der in meinem Kopf blieb. Meine Kraft, sowohl als auch mein Widerstand verschwanden wie ein Stückchen Butter auf einer heißen Pfanne. Das wars wohl mit Camille. Ich hätte fast daran geglaubt, als Steve plötzlich weggestoßen wurde. Erschrocken blickte ich mich um und sah Darren, der sich auf Steve stürzte und Evra, der zu mir eilte.
>>Dieser widerliche Kerl<<, knurrte er und ballte die Hand zur Faust. >>Was hat er dir getan?<<
Ich schüttelte mich kurz und realisierte, das ich nicht sterben musste. Und das Evra lebte.
>>Nun ja, er hat mir seinen Speichel an den Hals gedrückt und mich fast umgebracht. Ansonsten ist alles okay, und bei dir?<<
>>Cam, du musst nicht so tun als wärst du tapfer.<<
Ich gab einen abweisenden laut von mir und stach mit meinem Finger in seinen Bauch.
>>Und du musst nicht so tun als ob dich das mit dem Speichel nicht aufregt<<
Evra sah mich komisch an, und als Steve an ihm vorbei flog, sagte er: >>Ja, aber wir sollten hier raus<<
Ich grinste über meinen kleinen Triumph, stimmte ihm aber zu und so beeilten wir uns nach draußen zu kommen. Der Platz sah noch schlimmer aus, als er es vorhin getan hatte, jedoch waren die Vampyre verschwunden. Ein paar Freaks saßen zusammen und weinten, andere starrten wiederum entsetzt auf ihre zerstörten Zelte. Mr. Tall redete kopfschüttelnd mit Crepsley und gestikulierte dabei stark - so wie man es eben tat, wenn man wütend war.
>>Du musst in ein Krankenhaus. Wegen deinem Kopf und dem Blutverlust<<, sagte Evra zu mir. Ich nickte. >>Aber wenigstens kann ich noch gehen<<
Evra zog mich zu Mr. Tall und mischte sich in das Gespräch.
>>Evra, was willst du? Wir sind beschäftigt<<
>>Camille muss ins Krankenhaus. Steve hat an ihr rumgeknabbert.<<
Crepsley stellte sich vor mich und fasste an meinen Hals. Mit zwei Bewegungen hatte er die Wunde untersucht und sagte: >>Wir rufen ein Taxi. Die Kleine braucht es dringend<<

Ich lag in dem weißen Krankenhausbett und spielte mit der Fernbedienung des Fernsehers herum. Der Sonnenschein fiel durch das Fenster und beleuchtete den Tropf, indem sich Blut für mich befand. Dem Arzt hatten wir erzählt, das ich auf eine Steakgabel gefallen war, die mich zu Boden streckte. Er hatte uns nur zögernd geglaubt, ich musste ja immerhin ziemlich ungünstig gefallen sein, um ein Steakmesser in den Hals zu bekommen. Ganz allein begann ich eine Melodie vor mich herzusingen und dachte über Crepsleys Worte nach. Er hatte davon geredet, das wir uns rächen müssten. Das er mich nicht rächen wollte, weil es übertrieben wäre, aber diese Sache hatte es nötig. Was ich davon hielt, war mir nicht wirklich klar, immerhin hatte ich bislang nicht so viel mit der ganzen Sache zutun. Aber jetzt musste ich mir große Gedanken darüber machen.
Die Türklinke wurde nach unten gedrückt und Evra trat ganz langsam ein.
>>Meine Rettung vor der Langeweile<<, lachte ich und sah zu, wie er sich einen Stuhl schnappte und sich neben mein Bett setzte.
>>Hallo Cam.<<
Ich lächelte fröhlich und tippte auf Evras Bein.
>>Weiß du Idiot eigentlich, was du mir damit<< ich deutete auf meine Stirn >>angetan hast?<<
Er verdrehte die Augen. >>Nein, keine Ahnung<<
>>Du hast mich perplex gemacht.<<
Evra lachte leise auf und sah auf den Tropf, während er redete.
>>Genauso, wie ich mich selbst… aber wir wissen beide, das das nichts werden kann<<
Ich zog eine Augenbraue in die Höhe.
>>Wie meinst du das?<<
>>Sieh mich an.<<
Ich seufzte und schlug gegen seinen Oberarm. Dann lehnte ich mich zu ihm nach vorne und drückte meine Lippen auf seine. Zuerst erschrak er, aber dann erwiderte er den Kuss und ich merkte, wie er sich entspannte. Wie lange es gedauert hatte bis die Krankenschwester hereinkam, wusste ich nicht. Verlegen rückte ich bis zur Bettkante an der Wand und lächelte der Schwester zu.
>>Ah, der Junge aus dem Theater. Kamst wohl noch nicht dazu dich abzuschminken, was?<<, sagte sie zu Evra und sah ihn mit Lachfältchen im Gesicht an.
>>Nein, ich habe mir zu viele Sorgen um Camille gemacht, als das ich mich hätte umziehen können.<<
Die Frau im weißen Kleidchen nickte und fummelte an einem Zettel herum, ehe sie mich fragte: >>Hast du heute Schwindelanfälle oder sonstiges erlitten?<<
Ich schüttelte den Kopf und dankte im Stillen dem guten Schmerzmittel, das mir der Arzt gegeben hatte. Nur noch einen Tag zur Beobachtung musste ich hier bleiben, dann könnte ich zum Cirque - oder eher seinen Überresten - zurückkehren.
Nachdem die Schwester wieder gegangen war, grinste ich dem Schlangenjungen so stark an, das er wegschauen musste.
>>Na schön, du hast dich dafür entschieden<<, sagte er und zeigte auf sich selbst.
>>Weißt du, mir erscheint die ganze Sache wie eine Folge von einer billigen Krankenhausserie. Und ich meine nicht Scrubs!<<
Evra zog die Stirn kraus und blickte an die Decke. Er knabberte auf seiner Unterlippe herum und zuckte zusammen, als ich ihn in den Bauch piekste.
>>Ach komm schon, reagiere!<<, meinte ich und staunte nicht schlecht, als er mich umarmte.
>>Wow, wieso denn das jetzt?<<, fragte ich schnell.
Evra schwieg und verharrte in seiner Position, bis er sich losriss und mich mit tränennassen Augen ansah.
>>Evra? Was ist los?<<, flüsterte ich verblüfft und lies ihn meine Hand nehmen.
>>Camille, ist dir überhaupt klar, das du beinahe gestorben wärst? Der Arzt hat gesagt, das du fast blutleer warst!<<
>>Ist mir komischerweise nicht so wirklich aufgefallen… aber warum weinst du? Ich verstehe grade gar nichts<<
Der Junge schüttelte den Kopf und warf den Blick aus dem Fenster.
>>Du hast mir gezeigt, wie normal ich doch eigentlich bin. Außerdem… mag ich dich und was hätte ich getan wenn dieser Vampyr dich getötet hätte?<<
Ich setzte einen vorwurfsvollen Gesichtsausdruck auf und zwang ihn mit Schnipsen dazu, mich anzusehen.
>>Das kommt von dem, der während einer Attacke nach draußen geht und mich verwirrt alleine lässt. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie ich mich…<<
Ich wurde von der sich öffnenden Tür unterbrochen, wandte jedoch nicht den Blick von Evra. Er blinzelte ein paar Mal, dann fuhr er sich mit der Hand durch die Augen und legte mir eine Hand auf die Schulter.
>>Camille!<<, rief jemand und ich lies den Kopf entsetzt zur Tür schnellen.
>>Was suchst du hier, Mom?<<, fragte ich, noch ehe der Fluchtreflex die Überhand nahm.


Camille Truska?

>>Evra, lass mich los!<<, rief ich und zappelte wie ein Tier in der Falle. Umso mehr ich zappelte, desto stärker hielt er mich fest.
>>Komm schon Cam, das ist doch lächerlich<<, meinte Evra. Meine Mutter blieb ruhig und beobachtete mit einem Lächeln meinen Fluchtversuch. Ich gab einen wütenden Laut von mir und stellte mich normal hin, sodass Evra zwei Schritte von mir ging. Er war aber immer noch darauf bedacht, in meiner Nähe zu bleiben, also konnte ich einen Abgang durchs Fenster - es war ja nur ein Meter - streichen.
>>Na schön<<, ich seufzte >>was willst du von mir?<<
Die Frau, die mich “aufgezogen” hatte, wandte sich an ihre Tasche und begann darin zu wühlen. Eine Weile lang sahen wir ihr nur zu, doch irgendwann wurde es mir zu blöd und ich warf trotzig den Kopf in den Nacken.
>>Ah, das ist es<<, flüsterte meine Mutter und zog einen Stapel Papiere aus ihrer Tasche.
>>Das sind deine Geburtsformulare. Wir haben dich adoptiert und ich denke, das du vielleicht zu deiner richtig Mom zurück willst.<<
Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. Komischerweise interessierten mich die Worte dieser Frau nicht.
>>Sag mir wie sie hießt und ich werde ein paar Worte mit ihr wechseln<<
Evra nickte meiner Mutter freundlich zu und zog mich zur Seite.
>>Sie hat dir grade gesagt, das du adoptiert wurdest, und dich interessiert das ganze nicht?<<
Ich schüttelte den Kopf und blickte wieder zu meiner Mutter.
>>Hier bitte<<, die Frau drückte mir die Zettel in die Hand und machte sich auf den Weg zur Tür.
Dann sagte sie: >>Deiner Mutter heißt Frau Truska und falls du alles mit ihr geklärt hast, sag mir einfach wie es finanziell weitergeht. Ich habe immer noch die alte Telefonnummer<< und verschwand nach draußen.
Ich lächelte ihr gespielt hinterher, doch als der Nachklang ihrer Stimme in meinem Kopf tobte, zuckte ich entsetzt zusammen.
>>Hat sie tatsächlich Truska gesagt?<<, fragte ich Evra und blätterte rasch durch die Unterlagen. Und da stand tatsächlich Truska - nur den Vornamen konnte ich nicht entziffern. Bei der Adresse stand die des Cirques.
>>Wie geht denn das? Ist Madame Truska nicht zu jung, um ein sechzehnjähriges Kind zu haben?<<, säuselte ich während ich die Worte auf dem Zettel las.

>>Da ist sie<<, meinte Evra und deutete auf die schwarzhaarige Frau, die mit einem Schwamm über die Fassade eines Zeltes wischte und überprüfte, ob es unter dem Schwarzen noch in Ordnung war. Ich holte tief Luft und ging mit zitternden Beinen zu ihr herüber, aber als ich mich leise räusperte reagierte sie nicht. Erst als ich sie antippte, drehte sie sich um.
>>Ah, hallo Camille<<, sagte sie sanft und ich erklärte mich verrückt, während ich sie fragte: >>Haben sie ihre Tochter zur Adoption freigegeben?<<
Madame Truska zuckte zusammen und nach einer kurzen Denkpause verschränkte sie die Arme.
>>Wieso?<<
Ein wenig hilfesuchend lies ich den Blick umherschweifen und fasste in die Tasche, welche ich geschultert hatte. Die Formulare zog ich heraus und hielt sie meiner vermeintlichen Mutter vor das Gesicht. Wortlos nahm sie sie mir ab und begann zu lesen. Man konnte ihrem Gesicht so viele Gefühle ablesen, doch nur eines war nicht dabei. Zorn.
>>Du bist also…<<, flüsterte Madame Truska und legte ihre Hand an die Stirn.
>>Natürlich wie konnte ich nur so dumm sein?<<, flüsterte sie zu sich selbst, noch ehe sie mich umarmte.


Wasser

>>Crepsley ist mein Vater?!?<<
Ich schluckte schwer und lies mich an die Wand hinter mir fallen. So langsam kam ich nicht mehr mit. Wie lange mussten Madame… meine Mom und Crepsley schon zusammen sein, um ein Kind zu haben? Wieso wollte sie mich nicht? Und vor allem: Vampir + Freak = Fischli? Ergab die Welt überhaupt noch Sinn? Darren schien ebenfalls ein wenig geschockt zu sein; seine Oberlippe zuckte leicht und er starrte an die Decke.
>>Ja, du kannst mir ruhig glauben… wir erzählen es ihm wenn er wach wird. Ich freu mich schon auf sein Gesicht!<<
Es geht so… >>Ich auch<<, log ich mit übertriebener Stimme und steckte die Hände in die Taschen meines blauen Sweatshirts. Meine Mutter, deren wirklicher Name klugerweise nicht Madame Truska sondern Faith war, stemmte die Hände in die Hüfte und sah mich erst strafend, dann glücklich an.
>>Die Mutterrolle ist wie geschaffen für mich, was meint ihr?<<, fragte sie mit einem strahlenden Grinsen im Gesicht. Ich nickte. Mit ihr als Mutter könnte ich wenigstens im Cirque bleiben - außerdem erschien sie mir sehr sympathisch. Auch Crepsley war nicht grade schlecht… nur ein wenig untot.
>>Das ist sie<<, lachte ich. Meine Mutter hatte mir erzählt, das ich nur zur Adoption freigegeben wurde, weil alle sich darum sorgten ob zwei Leute wie Crepsley und sie mich erziehen könnten. Meine Antwort darauf war, das ich keine Antwort hatte.
>>Wisst ihr beiden eigentlich, was mir schon die ganze Zeit im Kopf hängt?<<, fragte Darren.
Ich zuckte mit den Schultern.
>>Ob sich Camille einen Bart wachsen lassen kann!<<
Instinktiv hielt ich mir die Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf. Aber da der Halbvampir mich so sehr angefleht hatte, versuchte ich es - ohne Erfolg.
>>Pressen, Cam, pressen!<<, rief Darren und lachte, doch ich spannte meinen Körper weiterhin an.
>>Komm schon, lass es sein. Wir müssen den Cirque wieder herrichten<<, meinte meine Mutter. Ich nickte, aber grade, als ich aufgeben wollte, flog der Wasserstrahl im hohen Bogen durch den Raum. Erschrocken warf ich mich auf den Boden und sah zu, wie er mitten in dem Gesicht des Halbvampirs landete.
>>Wow<<, hauchte ich, während eine Wassersäule sich vor mir auftat. Sie drehte sich wie ein kleiner Tornado und sog die Teile der kaputten Zelte ein, welche auf dem Boden gelegen hatten. Das laute Rauschen von Wellen war zu hören, doch woher es kam konnte ich genau so wenig sagen, wie woher das ganze Wasser kam.
>>Camille, machst du das etwa?<<, rief meine Mutter durch den Lärm hindurch und ich merkte, dass meine Hand zu kribbeln begann. Ein einziger Blick auf sie genügte, um mich zu verblüffen; zwei kleine, schwungvolle und rankenähnliche Linien zogen sich am Rand der Handfläche entlang. Die Schuppen waren wieder erschienen, und ein sanft maritimer Geruch stieg in meine Nase.
>>Ich weiß nicht!<<, brüllte ich zurück. Schritte von mehreren Leuten ließen den Boden erzittern und hinter dem Wirbel konnte ich Mr. Tall sehen, der angeregt mit jemanden redete.
>>Evra1!<<, rief ich nach Mr. Talls Gesprächpartner, der mich jedoch nicht hörte. Darren kam zu mir gerannt und lehnte sich sichtlich gegen die Kraft des Tornados an.
>>Cam!<<, meinte er und zog mich auf die Beine. >>Hör auf damit!<<
Ich zuckte mit den Achseln und rief verwirrt: >>Wie denn?<<
Aber dann fiel mir ein Leuchten an meiner Hand auf, und ich hob sie an. Es waren die Linien die ein cyanblaues Licht ausströmten und leichte Wellen in die Luft schmolzen. Mit meinem Finger fuhr ich die Striche nach. Als dann der Wirbel schwächer wurde, verstand ich erst, das ich wirklich mit ihm zu tun hatte.
>>Darren…<<, flüsterte ich, streckte die nicht leuchtende Hand nach ihm aus und wies ihn auf die Linien an. Mit einem heftigen Ruck wurden sie größer und liefen zu einer Fläche zusammen, die meine ganze Handfläche bedeckte. Das Licht schimmerte stärker und verteilte sich so schnell wie Gift. Wie gebannt sah ich ihm zu, doch als das Blau bis zu meinem Ellbogen reichte, reagierte ich.
>>Gott!<<, brummte ich laut. In den Augenwinkeln sah ich Mr. Tall, der mit Corma, Evra und meiner Mutter angelaufen kam, doch es war mir egal. Viel mehr war ich auf das Leuchten fixiert, welches sich wie in einem Horrorfilm auf meinem Körper verteilte. Ich blendete die Stimmen der anderen aus, und so drangen sie nur noch wie durch einen Schleier an mein Ohr.
>>Sie wird doch nicht….<<, vernahm ich Darren, da wurde mir auch schon schwarz vor Augen…


>>Oha!<<, ich sprang regelrecht aus dem Bett und landete unbequem auf dem Fußboden.
>>Camille!<< Mehrere Leute seufzten erleichtert auf, und ehe ich mich versah wurde ich von einem nach den anderen in die Arme geschlossen. Mom, Darren, Dad und Mr. Tall - obwohl der mir nur die Hand schüttelte.
Evra war nirgends zu sehen. Die Gesichter der Personen verrieten eine Menge über ihre Gefühle - sie waren aufgeregt, fröhlich… und zugleich auch traurig.
Ich schüttelte den Kopf um die Gedanken zu ordnen und stellte mir erst einmal einen imaginären Verlauf her. Da war zuerst das Krankenhaus, dann meine Mutter Truska und zum Schluss… ach ja! Mein Arm!
Instinktiv schob ich den Ärmel meines Pullovers hoch und beäugte meinen Arm - da war nichts.
>>Ruft Evra<<, lachte Darren und zog mich hoch. Er stemmte die Hände in die Hüfte und lächelte mich an.
>>Du hast uns allen einen verdammten Schrecken eingejagt, weißt du das? Drei Tage lang hast du da gelegen und nicht einmal eine Wimper bewegt<<
Ich zuckte zusammen. >>Drei Tage?<<, fragte ich schnell. Prüfend sah ich den Halbvampir an und seufzte.
>>Und was habe ich alles verpennt?<<, flüsterte ich. Meine Mutter musste lachen, nachdem sie meine Frage gehört hatte.
>>Ich habe gedacht, du würdest als erstes etwas über deine Fähigkeiten hören wollen. Mit so etwas simplen hatte ich nicht gerechnet.<<
>>Tja<< Ich grinste sie an. >>Ich bin eben unberechenbar<<
Crepsley lachte trocken und schüttelte den Kopf.
>>Wenn du unberechenbar bist<<, brummte er >>woher weiß ich dann, das du Evra gleich…<<
Sobald sein Name gefallen war, trat der Schlangenjunge auch schon ein. Sein Blick war müde, doch als er mich erblicke rannte er wie neugeboren los. Ein glücklicher Laut - wahrscheinlich sollte es mein Name sein - drang aus Evras Mund und schon wirbelte er mich durch die Luft.
Ich hatte das Gefühl, als müsse ich mich übergeben, verdeckte dies aber mit Freude. Einen sanften Kuss drückte auf Evras Lippen und spürte, wie ich begann zu strahlen.
>>…das du Evra gleich um den Hals fallen wirst<<, beendete mein Vater seinen Satz und als ich mich umdrehte, nickte er mir freundlich zu.

Es war eigentlich wie immer für mich mit den anderen zu essen, aber dieses Mal starrten mich alle an. Darüber wunderte ich mich - immerhin war dies ein Zirkus für Freaks, der vor kurzen von bösen Vampyren zu Trümmern geschlagen wurde. Ein Mädchen, das eine sonderbare Fähigkeit erlangt und in Ohnmacht fällt, musste doch weniger interessant sein.
Mr. Tall beobachtete mich den ganzen Abend; sein Blick bohrte sich in meinen Rücken und ich fühlte mich äußerst unwohl. Truska hatte mir berichtet, das Evra jeden Tag über mich gewacht hatte. Er hatte so lange Wache gehalten, bis beschlossen wurde in ihn aus meinem Zimmer zu bringen und ihn schlafen zu lassen. Natürlich hatte er protestiert, aber letztendlich hatte die Müdigkeit gesiegt und er war schon auf dem Weg zu seinem Schlafplatz ungekippt. Und, tja, kurz nach seiner Aktion war ich aufgewacht. Ironie des Schicksals.
Während ich mir ein Würstchen in den Mund schob, dachte ich nach. Wieso hatte mein Körper begonnen zu leuchten, und vor allem, wie konnte ich das Wasser beeinflussen? Ich fühlte das ich die Wassersäule herbeigerufen hatte, mir kam nur keine logische Erklärung dafür, wie ich das geschafft hatte.
Aber selbst wenn es viele der Zirkusleute studieren wollten, ging es doch nicht nur um mich. Die Vampyre hatten eine gerechte Strafe dafür verdient, das sie den Cirque angegriffen hatten. Während ich in meinem… meinem Koma hatte, war Steve noch einmal aufgetaucht. Darren war außer sich vor Wut und hatte seinen ehemaligen Freund beleidigt, was auf einen angedrohten Kampf herausgelaufen war.
So wie Steve war, nahm er das Angebot an und machte sich lachend davon. Am sonderbarsten jedoch war das, was er gebrüllt hatte.
>>Passt auf eure Lyria auf<<
Keiner hatte eine Ahnung davon, was er damit meinte. Auch was eine Lyria war, wusste niemand - abgesehen von Mr. Tall. Doch der meinte, er dürfe es nicht verraten.
Woher hätte ich denn wissen sollen, das ausgerechnet ich das verfluchte Wesen war?

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 10.06.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /