„Wenn die Drachen zur Sonne sprechen, wird die Welt ihr Gesicht nicht verschließen können.“
Malia betrachtete die schwere Perlenkette, die ihren Hals zierte. An jedem Geburtstag schenkte ihre Mutter ihr eine weitere Perle in der Farbe des jeweiligen Steindrachen. Je nach Stärke des Drachen waren die Perlen nicht nur andersfarbig sondern auch unterschiedlich beschaffen. So bestand die Perle des Jadedrachens natürlich aus Jade oder die des Basaltdrachen aus dem dunklen Gestein, welches hoch im Norden in den Mienen abgebaut wurde. Am schönsten fand Malia ihre Geburtsperle. Obwohl ihr Geburtsdrache einer der schwächsten und jüngsten im Gefüge der Neun war und die Perle dem entsprechend klein, überstrahlte sie die anderen regelrecht. Der blaue rautenförmige Saphir schien fast aus sich heraus zu leuchten wenn sich das Licht in seinem Inneren brach. Langsam ließ die Drachenprinzessin die 17 Perlen durch ihre Finger gleiten. Schon bald sollte sie die 18te und damit letzte Perle auf das Band ziehen.
Mit dem 18ten Geburtstag würde nicht nur die Kette komplettiert sein, sondern auch ihre Ausbildung zur Königin. Seit ihrem siebten Lebensjahr hatte Malia viele Privatlehrer gehabt, die sie in allen relevanten Dingen wie Diplomatie, Politik und Algebra unterrichtet hatten. Sehr zum Missfallen ihrer Mutter hatte sich Malia bei jeder Gelegenheit davon geschlichen und sich im Stall um ihren Wallach Chalzedon gekümmert anstatt am Unterricht teilzunehmen. Trotzdem waren ihre Lehrer immer mit ihren Leistungen zufrieden gewesen. Schon in vier Tagen würde ihre Mutter sie als Erbin der Krone vorstellen, als jene Erbin, die ihr Land in eine großartige Zukunft unter der weisen Leitung der Neun Steindrachen führen würde so wie Königin Marianna es all die Jahre getan hatte.
Plötzlich schien die Kette Malia fast zu erwürgen so schwer wurde die Last der Perlen um ihren Hals. Wenn sie doch nur wirklich mit den Drachen reden könnte. Wenn sie doch nur zu ihr sprechen oder sich wenigstens zeigen würden. Aber die Drachen waren nicht da. Solange sich Malia erinnern konnte hatte sie die Steindrachen gesucht. Stunden, Tage, wochenlang hatte Malia meditiert, aber nie einen einzigen gesehen. Sie hatte gefastet, gebetet, war in alle Tempel der Neun gepilgert, aber die Drachen blieben verschwunden. Als Malia 12 Jahre alt war, hatte sie Marianna einmal gefragt wann sie die Drachengeister zum ersten Mal gesehen habe, doch diese hatte ihre Tochter nur verwirrt angesehen und gemeint sie seien immer da gewesen so lange sie sich erinnern könne. Noch vier Tage und Malia würde sich der Wahrheit stellen müssen. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken herunter. Wie würde die Königin reagieren, wenn sie erfuhr, dass ihre Tochter keine Drachen hörte. Dass sie trotz des deutlichen Drachenmals auf ihrer Schulter noch keinen Drachen auch nur gesehen hatte.
Malia legte die Kette in ihre Schachtel zurück. Sie drehte sich traurig ihrem Zimmer zu und öffnete das Fenster in Richtung Hof. Als sich die Sonne am Horizont zeigte, stand sie auf ihrem Balkon und sah hinunter auf die kleine Stadt, die das Innere des Schlosshofes ausfüllte. Die Händler mit ihren Karren waren fast fertig mit dem Aufbau ihrer Stände, die Viehhändler hatten die Gatter aufgebaut um ihre Tiere in der Mitte des Marktes zu präsentieren. Der Bäckerjunge verkaufte die ofenfrischen Brötchen an die ersten Besucher, die in der Ruhe der Morgenstunde die besten Waren erwerben wollten. Unter ihnen war sicher auch Fanjo, ihr privater Koch. Jeden Tag ging er auf den Markt um die frischesten Sachen für Malia auftischen zu können. Fanjo war schon so lange in ihren Diensten so lange sie auf der Welt war. Sein Sohn Christopher war im gleichen Alter wie Malia und so hatten die beiden in ihrer Jugend sehr viel Zeit miteinander, unter Fanjos strengen Blicken, verbracht.
Christopher war die Person die aus Malias Sicht einem Freund am nächsten kam. Er war der einzige Mensch den sie kannte der Malia selbst sah und nicht die Drachenprinzessin. Doch nachdem er vor einem halben Jahr zur Armee berufen worden war, hatte Malia niemanden mehr mit dem sie über ihre Sorgen und Gedanken reden konnte. Christopher war der einzige Mensch der wusste, dass sie keinen Kontakt zu den Drachen aufnehmen konnte. Jetzt wo er weg war erdrückte sie die Last des Geheimnisses mit jedem Tag mehr.
Vor zwei Tagen als ihre Mutter ein großes Bankett zu ihren Ehren gegeben hatte, als Malia dort oben auf der Kanzel auf all die Menschen hinunter geblickt hatte, die so viel Hoffnung und Glauben in sie steckten, hatte sie einen folgenschweren Entschluss getroffen. Malia wusste sie würde ihre Mutter damit verletzen und enttäuschen, aber noch mehr würde sie sie demütigen wenn sie so weiter machte wie bisher und sich mit diesem Geheimnis auf den Thron setzte. Sollte doch besser ihre Schwester, die liebreizende Janine den Thron erben. Sie konnte die Drachen sehen und sprach oft stundenlang mit ihnen. Sie war die richtige, nicht Malia! Nach einem letzten Blick in ihr Zimmer schwang sich die junge Prinzessin über die Brüstung......
Das Reh spitzte die Ohren und lauschte unruhig in den Wald hinein. Arvid spannte die Sehne seines Bogens so stark er konnte und zielte auf den kleinen Punkt unterhalb der Schulter, wo das Herz des scheuen Tieres saß. Arvid liebte die Jagd. Die Abgeschiedenheit der Wälder, die Verbundenheit mit der Natur und allem um ihn herum wenn er stundenlang am Rand einer Lichtung wartete, dass ein Tier sich an die Wasserstelle traute, die er so sorgfältig beobachtete. Die Anspannung wenn dann endlich die Beute erschien und er auf den perfekten Moment wartete, alle Nerven und Muskeln bis zum äußersten gespannt um sein Ziel nicht zu verfehlen.
Das Krächzen eines Falken ließ das Reh in den Himmel blicken und so sah es nicht, wie der Pfeil auf ihn zuflog und den nahen Tod verkündete. Als es zu Boden sank, stand der junge Mann schon bei ihm und erlöste es durch einen geübten Schnitt seines treuen Jagdmessers. Eine knappe Stunde später hatte Arvid das Reh gehäutet und, in transportfähige Stücke zerteilt, in seinem Rucksack verstaut. Die Sonne stand noch hoch am Himmel und so genehmigte er sich ein Bad im nahe gelegenen See bevor er nach Hause ging. Er kam oft an die heißen Quellen von Narmoor um sich nach einem erfolgreichen Tag zu erholen. Es war sein eigenes kleines Paradies, das niemand außer ihm kannte. Ein Ort der Ruhe und Entspannung wo er die Seele baumeln lassen konnte.
Doch diesmal war alles anders. Es war jemand hier gewesen, das konnte er erkennen. Am linken Ufer des Sees waren Hufspuren im tiefen Schlamm zu sehen. Der Abstand der einzelnen Abdrücke zeugte davon, dass es der Reiter sehr eilig gehabt hatte wenn er sein Pferd in dieser unwirtlichen Gegend so angetrieben hatte. Das Pferd musste erst kürzlich besohlt worden sein, denn die Abdrücke der Hufeisen zeigten noch deutlich das Muster der Nägel. Die Spuren waren sehr gleichmäßig, was Arvid davon überzeugte, dass das Pferd sehr gut trainiert war, was für ein Armeepferd sprechen würde. Doch was sollte die Armee in diesem Wald zumal so alleine ohne Kompanie. Beunruhigt folgte Arvid den Spuren bis zum Lauerbach einem kleinen Bächlein, welches aus den Revallbergen hinunter floss. Hier musste der Reiter durch das Wasser geritten sein um seine Spuren zu verwischen, schlussfolgerte Arvid als er keine weiteren Spuren fand und lief das Ufer des Baches entlang bis er an einer Böschung einen verlassenen Lagerplatz fand.
Wenn das ein Soldat war, wurde er entweder nicht verfolgt oder hatte keine Ahnung wie man Verfolger abschüttelte. Er hatte zwar kein Feuer gemacht, aber das ganze Ufer war platt getreten an einem Baum fand er die Haare eines Pferdes, es lagen sogar Blätter zu einem Stapel sortiert in einer Ecke. Sollte das etwa ein Bett sein? So nass wie die Blätter waren, musste man völlig durchnässt sein wenn man darauf am nächsten Morgen erwachte. Jetzt sah er auch am Waldrand die Äste. Sie waren eindeutig gegeneinander gerieben worden. Also vielleicht doch kein Soldat sondern eher ein verirrter Adliger der sich bei der königlichen Jagd letzte Woche verlaufen hatte, auf jeden Fall jemand der eher Hilfe brauchte als eine Bedrohung darstellte.
Arvid überlegte nicht lange. Eine Chance wie diese ergab sich nicht oft. Wenn er den Adligen finden würde, würde dieser sicher gut für seine Rettung zahlen. Der Winter hatte schon früh begonnen und würde dieses Jahr sicher besonders kalt werden. Deshalb war kaum Wild in den Bergen geblieben, so dass es noch schwieriger als sonst werden würde genügend Essen zu finden wenn die Erträge der Felder aufgebraucht waren. Ein kleiner Goldsegen würde sicher helfen, wenn nicht sogar etwas Gold dafür reichen würde endlich das Dach des Bauernhofes neu zu decken. Als die Dunkelheit über das Tal herein brach waren die Spuren immer schlechter zu erkennen, so entschloss sich Arvid die Suche lieber am nächsten Tag fortzusetzen und vorerst nach Hause zurück zu kehren.
Ontus Marten war erst seit drei Wochen offizieller Stallmeister nachdem sein Meister gestorben war. Manche munkelten er habe dabei nachgeholfen, aber niemand sagte das Meister Marten ins Gesicht. Ontus Marten war ein Ex-Soldat der vor 15 Jahren in der Armee gedient hatte und nach einem „unglücklichen Unfall“ seines Kompanieleiters unehrenhaft aus der Armee geworfen worden war. Seit dem trauerte er der Armee hinterher und drangsalierte alle unter ihm wie er es schon immer in der Armee getan hatte. Heute Abend hatte er sich vorgenommen seinen Geldbeutel etwas aufzufüllen. In letzter Zeit war die Höhe der Bestechungszahlungen deutlich gestiegen, die er zahlen musste um sein kleines Geheimnis in den Tiefen des Schlosses zu schützen.
Jetzt saßen zwei junge Pferdeknechte vor ihm und ihr Sold der nächsten zwei Monate lag vor ihnen auf dem Tisch. Seine Trumpfkarte steckte in seinem Ärmel und wartete auf ihren Einsatz. Es lief alles bestens! Gerade wollte er sein übliches Ablenkungsmanöver starten als die Stalltür geöffnet wurde. Er sah wie eine kleine Person in Richtung der Pferde rannte. Einen kleinen Moment zögerte er, doch dann rannte er dem Dieb hinterher. Man konnte über ihn vielleicht sagen, dass er ein Mörder und ein Betrüger war, aber ein Verlierer war er nicht. Was er beschützen sollte, das kam nicht weg so lange er im Dienst war und allein das sicherte ihm die Stellung die er jetzt inne hatte.
Der Dieb rannte direkt zu Chalzedon. Zu seiner Überraschung war das Pferd der Prinzessin gesattelt. Leichtfüßig glitt der Dieb in den Sattel des edlen Rosses und ritt schnurstracks zum hinteren Ausgang des Stalls. Ontus rannte zu einer der Boxen und versuchte sich auf das Pferd zu schwingen, er war oft genug ohne Sattel geritten. Er würde den Dieb noch einholen. Doch er hatte die Rechnung ohne Artus gemacht. Artus dem Hengst des Königs, der sich von niemanden auch nur berühren lassen wollte der ihm nicht persönlich vom König vorgestellt worden war. Artus bockte auf und warf Marten ab, der direkt in einen Haufen Pferdeäpfel fiel. Das schallende Gelächter am anderen Ende des Stalls machte ihn noch viel wütender. Er versuchte aufzustehen um nur noch einmal in demselben Haufen auszurutschen. Wutschnaubend stützte sich Ontus auf die Tür zu Artus' Box, der sofort nach seiner Hand schnappte.
Als er endlich stand war das Gelächter vom Spieltisch verschwunden und mit ihm auch der Sold der beiden Pferdeknechte. Das konnte doch nicht wahr sein... Zwei Niederlagen an einem Tag konnte Mann wie Ontus Marten nicht auf sich sitzen lassen. Er stürmte zu seiner Schrotflinte die er immer hinter einem Sack in der Scheune versteckt hatte. Der Dieb war verschwunden... umso länger der Stallmeister in die Nacht starrte des so wütender wurde er. Dann würde er den beiden Pferdeknechten eben zeigen was passierte wenn man sich über ihn lustig machte. Außerdem würde dann niemand wissen was geschehen war. Die Prinzessin würde die nächsten vier Tage nicht auf Chalzedon reiten, weil sie in ihrer Übergangszeit der Steindrachen ihr Zimmer nicht verlassen würde um ihren eigenen Vertrag mit den Steindrachen auszuhandeln. Bis sie wieder da war würde er genug andere mit der Überwachung der Ställe betraut haben die dann bestraft werden würden wenn das Pferd der Prinzessin fort war. Entschlossen machte er sich auf den Weg in Richtung Schloss.
Mit einem zufriedenen Lächeln verließ Ontus Marten die Gemächer der Angestellten. Die Schrotflinte wog er vergnügt in der Hand. Es fehlten genau zwei Patronen....
Chalzedon flog über den Schlosshof. Die Geschwindigkeit des Wallachs in Verbindung mit dem kalten Wind drückte die Luft aus Malias Lungen. Trotzdem presste sie ihre Schenkel in die Seiten ihres Pferdes um es zu einem noch höheren Tempo anzutreiben. Malia bog am Lagerhaus der Fischhändler nach links um Chalzedon am Ufer des kleinen Sees entlang traben zu lassen. Als kleines Mädchen hatte sie oft auf diesem Weg verbotene Ausritte in den nahe gelegenen Wald gemacht. Doch diesmal war es kein Ausritt, diesmal würde sie nicht zurückkehren.
Als Chalzedon die Grenze des Waldes erreichte, drosselte Malia ihn sanft. Ein letzter Blick auf die vertrauten Türme des Schlosses, ihres Heims, entlockte ihr ein leises Schluchzen. Doch sie verweilte nicht lange sondern wandte sich ihrer neuen Zukunft zu, wie diese auch immer aussehen würde. Als die ersten Sonnenstrahlen durch die Blätter der Bäume wie kleine Sterne auf dem Waldboden tanzten, war das Zuhause ihrer Kindheit schon vollkommen aus ihrer Sichtweite verschwunden.
Das Gewicht des kleinen Geldbeutels unter ihrer Weste machte ihr nur zu bewusst, dass sie jetzt auf sich alleine gestellt war. Das Gold was Malia all die Jahre in ihrem Zimmer aufbewahrt hatte als Mitgift für ihre Hochzeit, war der einzige Begleiter den sie von nun an hatte. Sie hatte bei ihrer Flucht natürlich nicht viel mitnehmen können und so hoffte sie, dass das Gold wenigstens einige Zeit reichen würde um sie über Wasser zu halten bis sie Arden erreichte und dort einen Job auf einer der Farmen gefunden hatte. Neben dem Geld und einer warmen Wolldecke füllten die zwei Satteltaschen von Chalzedon vor allem Lebensmittel die Malia kurz vor der Flucht aus der Küche mitgehen lassen hatte. Nur ihr Lieblingskleid, ein dunkelgrünes eng anliegendes Seidenkleid, was ihre Mutter ihr nähen lassen hatte, weil es so schön zu ihren Augen passte, hatte sie nicht zurück lassen können. Zusammen mit dem kleinen Holzdrachen, den ihr Vater nach einer seiner Reisen mitgebracht hatte, lag es auf dem Grund der rechten Satteltasche.
Drei Tage ritt Malia unaufhörlich der Sonne entgegen. Nachts ruhte sie auf dem kalten Waldboden in ihre Decke gehüllt und aß morgens was sie aus dem Schloss mitgenommen hatte. Aber so langsam gingen ihre Vorräte zur Neige. Malia wusste wenn sie nicht bald eine Dorf oder eine Stadt fand, würde sie verhungern, denn hier draußen in der Wildnis half alles Geld der Welt nicht, wenn man nicht wusste wie man sich selbst etwas zu Essen besorgte.
Am Morgen des fünften Tages erwachte Malia mit steifen Gliedern aus einem unruhigen Schlaf. Ihre Decke war vom Morgentau ganz klamm. Malia hatte vor zwei Tagen einen kleinen Fluss entdeckt, dem sie seitdem folgte in der Hoffnung endlich auf Menschen zu treffen. Chalzedon war schon völlig erschöpft vom hohen Tempo was sie an den Tag legte doch Malia hatte Angst langsamer zu reiten. Die Kälte fraß sich mehr und mehr in jeden Teil ihres Körpers. Wenn sie doch wenigstens wüsste wie man ein Feuer machte um sich daran ein wenig zu wärmen. Aber so sehr sie auch Stöcke aneinander rieb, sie rauchten nicht einmal. Langsam überkam sie die Gewissheit, dass sie hier draußen sterben könnte. Ganz auf sich allein gestellt war sie dem Wald und dem Wetter ausgeliefert. Als sie die Verzweiflung zu übermannen drohte, schwang sich Malia auf ihren Wallach und stemmt ihm die Schenkel in die Seiten. Sie wandte dem Fluss den Rücken zu und ritt wieder der Sonne entgegen. Noch war sie nicht erfroren! Noch war sie nicht verhungert! Vielleicht wartete hinter dem nächsten Baum oder dem nächsten Berg ein Dorf auf sie.
Die Sonne stand hoch am Himmel als Malia den Rauch sah. Zwischen den Bäumen konnte sie unregelmäßige Rauchschwaden erkennen die in den frühen Nachmittagshimmel aufstiegen. Acht Tage war ihre Flucht aus dem Schloss her. Der Winter hatte nun endgültig Einzug gehalten und der gefrorene Boden schien über Nacht Malias komplette Körperwärme entzogen zu haben. Auch die letzten Herbstblätter, die sie unter ihre Decke gestapelt hatte, hatten es kaum vermocht Malia vor der eisigen Kälte zu schützen. Ihre Vorräte waren verbraucht oder verschimmelt, so dass die Beeren die sie ab und zu fand seit Tagen ihre einzige Nahrungsquelle waren. Doch das war alles vergessen als eine weitere Rauchwolke in den Himmel aufstieg. Chalzedon spürte die Vorfreude seiner Besitzerin und beschleunigte sein Trab von ganz allein. Sie hatte es geschafft, die Erleichterung ließ ihr Herz in der Brust auf und ab hüpfen. Jetzt würde alles gut werden...
Doch ihre Freude war nicht von langer Dauer. Als sie die Ursache des Rauchs erkannte, machte sich unendliche Verzweiflung in ihr breit. Der Rauch war kein Rauch sondern Dampf und dieser kam von den heißen Quellen die sie schon vor Tagen entlang geritten war. Sie war im Kreis geritten... Malia hielt am Ufer der Quellen. Sie hatte keine Kraft mehr weiter zu reiten. Sie ließ sich von Chalzedons Rücken gleiten und ging erschöpft zum warmen Wasser. Steif stieg sie aus ihrer verdreckten Hose und der Bluse und legte sie auf einen Baumstumpf. Sie stellte die mitgenommenen Stiefel daneben und ging ins Wasser. Als das warme Nass Malia umschloss, hörte langsam das Zittern auf welches ihren Körper seit langem befallen hatte. Zum ersten Mal seit Tagen fror Malia nicht mehr.
Mit der Wärme kehrten auch ihre Lebensgeister zurück. Auch der Hunger verschwand für einen kleinen Moment und Malia schöpfte wieder Hoffnung. Vielleicht könnte sie von den Quellen in eine andere Richtung reiten als das letzte Mal. Am Ufer hatte sie auch wieder ein paar Wilde Himbeeren gesehen, die sie über den heutigen Tag bringen würden. Im Licht der Nachmittagssonne umgeben vom warmen Wasser der Quellen schloss Malia ihre Augen und schlief ein...
Als Malia erwachte war es dunkel. Erschrocken kletterte sie aus dem Wasser und schlüpfte widerwillig in ihre ausgekühlte Kleidung. Als sie Chalzedon etwas Wasser gab, zuckte Malia zusammen als sie den Zustand des Wallachs sah. Sie war so schnell geritten so viele Tage lang und hatte über ihre eigene Erschöpfung ganz ihr Pferd vergessen. Chalzedon war am ganzen Körper von einer massiven Dreckschicht überzogen. Der Hengst war völlig erschöpft und schien selbst nach so langer Pause noch am ganzen Körper zu schwitzen. Malia griff sich ein Büschel Gras und begann Chalzedon abzureiben. Als sie fertig war führte sie ihn zu dem letzten Fleck Gras den sie in Ufernähe gesehen hatte, der nicht ganz braun geworden war und ließ ihn ein wenig weiden. Ermattet ließ sich Malia neben Chalzedon an einen Baumstumpf gelehnt niedersinken. Ihre Augen fielen wie von selbst zu und sie glitt das zweite Mal innerhalb weniger Stunden in einen unruhigen Schlaf.
Die vier Tage die Marianna ihre Tochter nicht hatte sehen können waren zäh dahin geflossen. Sie hatte sich kaum auf die Bittsteller und Händler konzentrieren können die wie jeden Tag ihre Audienzen besuchten. Mit jeder Stunde, die ihre Tochter alleine in ihrem Zimmer meditierte, wuchs Mariannas Anspannung und so stürzte sie sich auf die Vorbereitungen für Malias Geburtstagsfeier um sich von der inneren Unruhe abzulenken, die sie befallen hatte. Als es so weit war Malia für die Zeremonie abzuholen, die sie zur Frau und zur Erbin des Drachenthrons erklären würde, eilte die Drachenkönigin höchst selbst die Flure entlang um ihre Tochter abzuholen.
Marianna konnte sich noch zu gut an ihre Übergangszeit erinnern. Es war ein warmer Augusttag gewesen, als ihr Esther ihre Kammerzofe das Essen ans Bettende gestellt hatte und die Tür hinter sich verschloss. Marianna hatte sich mitten auf den großen Futon in ihrem Schlafzimmer gesetzt und meditiert. Nicht mal drei Wimpernschläge später war sie im Geist auf jener Steininsel im Himmel angekommen wo sie sich seit ihrer Kindheit mit den Drachen getroffen hatte. Ein Drache nach dem anderen war zu ihr gekommen und hatte ihr eine Aufgabe gestellt. Als sie alle Aufgaben zu ihrer Zufriedenheit erfüllt hatte, hatten sie ihren Preis genannt. Ein harter Preis über den sie mit niemanden reden durfte und auch bis heute nicht gesprochen hatte. Doch Marianna hatte nicht lange überlegt und ihn akzeptiert. Anschließend waren die Drachengeister in sie eingedrungen und dann in den Boden versunken. Jeder Drache hatte auf diese Weise einen kleinen Faden Magie hinterlassen der Marianna mit dem Planeten verband. Es war ein erhabenes Gefühl gewesen das erste Mal den Herzschlag der ganzen Welt zu spüren. Jede Miene jeden Vulkan jeden Fluss der Magie, der unter der Oberfläche wie Wasser in kleinen Strömen entlang floss und sich an manchen Orten zu kleinen Magieseen sammelte. Einer dieser Seen war unter Emarin, der Magierstadt so dass sie nun besser verstand warum diese so weit weg von aller Zivilisation mitten in den Bergen gelegen war. Die restlichen Tage hatten die Drachen ihr gezeigt wie sie magische Ströme leiten konnte um die Natur zu kontrollieren. Es waren sehr anstrengende Tage gewesen in denen Marianna nur ein einziges Mal aus der Geistwelt zurückgekehrt war um ein wenig zu essen und zu trinken. Die Drachen waren freundlich aber bestimmt gewesen und hatten sie immer wieder Flüsse umleiten, Erdrutsche auslösen und verhindern oder magische Ströme in die Seen umlenken lassen. Sie war völlig erschöpft gewesen als die Drachen Marianna am letzten Tag endgültig verlassen hatten. Als letztes hatten sie ihr erklärt wie sie auch als erwachsene Frau jederzeit Kontakt zu ihnen aufnehmen könnte und dann waren die Drachen in der Dunkelheit, die sich über die Steininsel gelegt hatte, verschwunden. So sehr Marianna sich auch bemüht hatte, hatte sie diese Insel nicht mehr aufrecht erhalten können sondern war aus der Meditation direkt in einen tiefen erholsamen Schlaf gefallen bis ihre Mutter sie zur Zeremonie abgeholt hatte.
Von der anschließenden Feier hatte Marianna kaum etwas mitbekommen. Das Festmahl hatte sie kaum angerührt. Überhaupt hatte sie in den ganzen Tagen kaum etwas zu sich nehmen können. Deshalb hatte es sie auch nicht gewundert weshalb jeden Tag das Essen unangerührt vor Malias Tür stehen geblieben war. Je näher die Drachenkönigin den Gemächern ihrer Tochter kam, um so mehr wuchs ihre Aufregung. Wie es Malia wohl ging? Was war wohl der Preis den ihre Tochter den Steindrachen zahlte? Natürlich wusste Marianna, dass sie das niemals erfahren würde, da Malia sicher genau so wenig darüber reden durfte wie sie selbst, aber sie würde wenigstens erfahren wie schwer der Preis gewesen war und ob ihre Ausbildung gereicht hatte um überhaupt die Aufgaben der Drachen zu meistern um den Preis genannt zu bekommen.
Als die Sonne am vierten Tage der Übergangszeit im Horizont versank, öffnete Marianna mit einem kleinen goldenen mit Saphiren geschmückten Schlüssel die Kette, die Malias Gemächer die letzten Tage versiegelt hatte. Die Drachenkönigin betrat als Erste gefolgt von ihren Zofen und Dienern Malias kleines Vorzimmer. So sah sie auch als Erste die offene Balkontür, die sanft im Wind gegen den Rahmen schlug. Marianna spürte einen Schlag tief in ihrer Magengrube. Es war so ein furchtbarer Schmerz, dass sie sich erlaubte sich auf den leeren Futon zu setzen der in Malias Schlafzimmer stand. Mit einer kurzen Handbewegung schickte sie alle Bediensteten aus den Gemächern und lies sich in die Kissen sinken. "Eine Tochter werden wir dir nehmen, eine Tochter werden wir dir geben...!", hallte die Stimme vom Bernsteindrachen wie ein schrecklicher Fluch in ihrem Kopf. Marianna hatte gewusst das dieser Tag kommen würde. Die Steindrachen hatten ihr klar gesagt, dass sie diesen Preis zu akzeptieren hatte wenn sie die nächste Drachenkönigin sein wollte. Mit ihren noch nicht ganz 18 Jahren hatte Marianna damals geglaubt ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Sie würde ja nur die Tochter tauschen. Doch hier im stillen Zimmer, umgeben von den Dingen die einer Tochter gehörten die sie nicht mehr hatte, wurde ihr die ganze Tragweite dieses Handels bewusst.
Als Marianna sich etwas gefangen hatte, begann sie mit dem geheimen Gesang der Drachen. Sie rief alle neun Steindrachen an zu kommen. Und zu ihrer Überraschung waren sie alle sofort bei ihr. Marianna wusste sie konnte nicht verlangen, dass die Steindrachen ihr halfen ihre Tochter zurück zu bekommen, so fragte sie nur: "Warum? Warum Malia?" Die Drachen antworteten nicht. Sie legten sich nur um die schlanke Gestalt der Königin und spendeten Marianna auf ihre stille beständige Art etwas Trost.
Arvid brach früh am Morgen auf um die Verfolgung des Verirrten aufzunehmen. Er war den ganzen letzten Tag den Spuren gefolgt und hatte zu seiner Freude festgestellt, dass sie sich seinem Heimatdorf näherten, so dass er eine kleine Rast über Nacht zu Hause eingeschoben hatte. Arvid war sich sicher, dass er den Reiter heute finden würde, er kannte den Wald nahe dem Dorf wie seine Westentasche. Als er bei den Quellen vorbei lief entschloss er sich ein kleines Bad zu nehmen bevor er seine Suche fortsetzen würde.
Aus Reiner Gewohnheit betrachtete Arvid die Bäume und das Ufer auf der Suche nach Wild. An die Quellen verirrte sich nie ein Tier. Das Wasser war zu warm um es zu trinken und das des nahen Baches war deutlich frischer. Arvids Augen blieben an einem Pferd hängen, welches friedlich am Ufer stand und graste. Er betrachtete das Pferd neugierig, kroch dann langsam aus dem Wasser und kleidete sich an. Natürlich gab es hier oben in den Bergen wilde Pferde, doch diese kamen nicht zu den Quellen, liefen nur in Herden übers Land und vor allem waren sie nicht gesattelt.
Vorsichtig näherte er Stelle wo das Tier stand aus Richtung Wald. Vielleicht war das Pferd seinem Reiter davon gelaufen. Das würde auch erklären warum es im Kreis gelaufen war und damit wieder an den heißen Quellen. Trotzdem blieb Arvid auf der Hut. Lieber einmal zu vorsichtig als offen in eine Falle zu rennen oder auch nur in das Messer eines verängstigten Adligen der ihn für einen Wolf oder ähnliches hielt. Als er sich dem Pferd behutsam näherte, staunte er wie ruhig, sauber und gepflegt es aussah. Nach den Spuren der letzten zwei Tage hatte er erwartet, dass der Wallach eher ausgemergelt und erschöpft an einen Baum gebunden wäre stattdessen graste es friedlich und sein Fell schimmerte in der Morgensonne in einem dunklen Braun während der Schweif gelegentlich nach den Insekten schlug die sich auf seinem Fell niederzulassen versuchten.
Der Wallach war aber nicht alleine. Direkt neben ihm lag an einen Baumstumpf gelehnt eine kleine Gestalt. Arvid konnte nicht viel erkennen also schlich er sich näher heran. Das war sicher der offensichtlich tief schlafende Besitzer. Mitten in der Wildnis so ungeschützt zu rasten war gefährlich. Arvid entschloss sich dem Lebensmüden eine Lektion zu erteilen. Er stellte sich gerade so außer Reichweite jedweder Waffen direkt vor das Kleiderbündel was sich im regelmäßigen Rhythmus des Atems hob und senkte.
"Guten Morgen" brüllte er laut. Arvid konnte gerade eben noch ausweichen bevor ihn das Messer ins Bein geschnitten hätte. Wäre er näher gewesen wäre es sicher böse ausgegangen. Erschrocken wich er noch zwei Schritte vor dem Angreifer zurück. Instinktiv griff er nach seinem Jagdmesser und suchte einen stabilen Stand auf dem Waldboden. Er verlagerte das Gewicht und wartete auf den nächsten Angriff. "Wer seid ihr und was wollt ihr hier?" fragte die Gestalt, die sich nachdem sie sich ihrer Decke entledigt hatte als kleine drahtige Frau heraus gestellt hatte, eiskalt. "Ich will euch abholen." Wut schlug ihm entgegen. "Niemand holt mich 'ab'" fuhr sie ihn an. "Ich werde niemals zurück gehen!" Arvid grinste, wie er erhofft hatte war sie eine Adlige, die sich verlaufen hatte. "Wieso? Ist die Wildnis nicht ein bisschen zu hart für euer zartes Gemüt? Geht doch wieder in euer Schloss zurück da könnt ihr schlafen wo und wann immer ihr wollt." einen kleinen Moment konnte er ihre Angst durchscheinen sehen doch dann gewann erneut die Wut. "Ich wohne in keinem Schloss" verteidigte sie sich lahm. "Ihr haltet es vielleicht nicht für ein Schloss aber für das einfach Volk ist sogar eure Gartenlaube ein Schloss." "Ich werde nicht mitkommen damit ihr euch euer eigenes Schloss von der Belohnung holen könnt!" fauchte sie ihn an "Niemals".
Es war schon seit einer Weile kein einziges Wort gefallen während sie sich gegenseitig musterten als die Adlige ihre Stimme wiederfand "Was wollt ihr von mir?" fragte sie misstrauisch. "Ihr solltet euch nicht fragen was ich von euch will sondern was ihr von mir wollt. Wenn ich euch nicht verfolgt hätte wärt ihr in spätestens drei Tagen tot." "Wäre ich nicht!" erwiderte sie trotzig. "Außerdem was meint ihr mit ihr seid mir gefolgt?" "Nun eure Spuren waren so offensichtlich dass ich nicht umhin kam zu vermuten dass ihr nicht all zu oft im Wald herum lauft, da dachte ich mir ich könnte euch behilflich sein." "Ich komme sehr gut alleine zu Recht!" "Das sehe ich!" erwiderte Arvid zunehmend genervt.
Selbst diese hochwohlgeborene Dame musste doch erkennen wie schlecht ihre Lage war. Ihre Augen funkelten ihn unaufhörlich an während sie ihr Messer, ein Jagdmesser wie Arvid zu seiner Überraschung erkannte, weiterhin perfekt ausbalanciert in der linken hielt. "Nun seid doch mal vernünftig Mylady," begann er zögerlich. "Ihr seid hungrig, halb erfroren und in den letzten Tagen die ganze Zeit im Kreis geritten. Ihr brauche Hilfe!" meinte er besänftigend. "Meine Hilfe! Die ich euch gerne gewähren würde, gegen einen kleinen Obolus natürlich." Bei der Erwähnung einer Bezahlung schien sich die Frau etwas zu entspannen. Adlige waren so komisch wirkte man gierig gewann man ihr Vertrauen weil das kannten sie ja. Arvid entspannte sich und steckte sein Jagdmesser zurück in seine Scheide. "Arvid!" Er verbeugte sich leicht und ging einen Schritt auf die junge Frau zu. "Freut mich eure Bekanntschaft zu machen."
Arvid brach früh am Morgen auf um die Verfolgung des Verirrten aufzunehmen. Er war den ganzen letzten Tag den Spuren gefolgt und hatte zu seiner Freude festgestellt, dass sie sich seinem Heimatdorf näherten, so dass er über Nacht eine kleine Rast zu Hause eingeschoben hatte. Arvid war sich sicher, dass er den Reiter heute finden würde, er kannte den Wald nahe dem Dorf wie seine Westentasche. Als er bei den Quellen vorbei lief entschloss er sich ein kleines Bad zu nehmen bevor er seine Suche fortsetzen würde.
Aus Reiner Gewohnheit betrachtete Arvid die Bäume und das Ufer auf der Suche nach Wild. An die Quellen verirrte sich nie ein Tier. Das Wasser war zu warm um es zu trinken und das des nahen Baches war deutlich frischer. Arvids Augen blieben an einem Pferd hängen, welches friedlich am Ufer stand und graste. Er betrachtete es neugierig und kroch dann langsam aus dem Wasser. Er zog sich schnell seine Hose an und warf sich das Hemd über. Natürlich gab es hier oben in den Bergen wilde Pferde, doch diese kamen nicht zu den Quellen, liefen nur in Herden übers Land und vor allem waren sie nicht gesattelt.
Vorsichtig umrundete er die Stelle wo das Tier graste und näherte sich ihm durch den Wald der ihm bessere Deckung bot. Vielleicht war das Pferd seinem Reiter davon gelaufen. Das würde auch erklären warum es im Kreis gelaufen und wieder an den heißen Quellen war. Trotzdem blieb Arvid auf der Hut. Lieber einmal zu vorsichtig als offen in eine Falle zu rennen oder auch nur in das Messer eines verängstigten Adligen der ihn für einen Wolf oder ähnliches hielt. Als er sich dem Pferd behutsam näherte, staunte er wie ruhig, sauber und gepflegt es aussah. Nach den Spuren der letzten zwei Tage hatte er erwartet, dass der Wallach eher ausgemergelt und erschöpft an einen Baum gebunden wäre stattdessen graste es friedlich und sein Fell schimmerte in der Morgensonne in einem dunklen Braun während der Schweif gelegentlich nach den letzten Insekten des Herbstes schlug die sich auf seinem Fell niederzulassen versuchten.
Doch der Wallach war nicht allein. Direkt neben ihm lag an einen Baumstumpf gelehnt eine kleine Gestalt. Arvid konnte nicht viel erkennen also schlich er sich näher heran. Das war sicher der offensichtlich tief schlafende Besitzer. Mitten in der Wildnis so ungeschützt zu rasten war gefährlich. Arvid entschloss sich dem Lebensmüden eine Lektion zu erteilen. Er stellte sich gerade so außer Reichweite jedweder Waffen direkt vor das Kleiderbündel was sich im regelmäßigen Rhythmus des Atems hob und senkte.
"Guten Morgen" brüllte er laut. Arvid konnte gerade eben noch ausweichen bevor ihn das Messer ins Bein geschnitten hätte. Hätte er nicht seinen Sicherheitsabstand eingehalten und durch die Jagd so schnelle Reflexe hätte er jetzt ein Messer in seinem rechten Oberschenkel. Erschrocken wich er noch zwei Schritte vor dem Angreifer zurück. Instinktiv griff er nach seinem Jagdmesser und suchte einen stabilen Stand auf dem Waldboden. Er verlagerte das Gewicht und wartete auf den nächsten Angriff. "Wer seid ihr und was wollt ihr hier?" fragte die Gestalt, die sich, nachdem sie sich ihrer Decke entledigt hatte, als kleine drahtige Frau herausstellte, eiskalt. "Ich will euch abholen." erwiderte Arvid einladend. Wut schlug ihm entgegen. "Niemand holt mich 'ab'" fuhr sie ihn an. "Ich werde niemals zurück gehen!" Arvid grinste, wie er erhofft hatte war sie eine Adlige, die sich verlaufen hatte. "Wieso? Ist die Wildnis nicht ein bisschen zu hart für euer zartes Gemüt? Geht doch wieder in euer Schloss zurück da könnt ihr schlafen wo und wann immer ihr wollt." einen kleinen Moment konnte er ihre Angst durchscheinen sehen doch dann gewann erneut die Wut. "Ich wohne in keinem Schloss" verteidigte sie sich lahm. "Ihr haltet es vielleicht nicht für ein Schloss aber für das einfach Volk ist sogar eure Gartenlaube ein Schloss." "Ich werde nicht mitkommen damit ihr euch euer eigenes Schloss von der Belohnung holen könnt!" fauchte sie ihn an "Niemals".
Es war schon seit einer Weile kein einziges Wort gefallen während sie sich gegenseitig musterten als die Adlige ihre Stimme wiederfand "Was wollt ihr von mir?" fragte sie misstrauisch. "Ihr solltet euch nicht fragen was ich von euch will sondern was ihr von mir wollt. Wenn ich euch nicht verfolgt hätte wärt ihr in spätestens drei Tagen tot." "Wäre ich nicht!" erwiderte sie trotzig. "Außerdem was meint ihr mit ihr seid mir gefolgt?" "Nun eure Spuren waren so offensichtlich dass ich nicht umhin kam zu vermuten dass ihr nicht all zu oft im Wald herum lauft, da dachte ich mir ich könnte euch behilflich sein." "Ich komme sehr gut alleine zu Recht!" "Das sehe ich!" erwiderte Arvid zunehmend genervt.
Selbst diese hochwohlgeborene Dame musste doch erkennen wie schlecht ihre Lage war. Ihre Augen funkelten ihn unaufhörlich an während sie ihr Messer, ein Jagdmesser wie Arvid zu seiner Überraschung erkannte, weiterhin perfekt ausbalanciert in der linken hielt. "Nun seid doch mal vernünftig Mylady," begann er zögerlich. "Ihr seid hungrig, halb erfroren und in den letzten Tagen die ganze Zeit im Kreis geritten. Ihr brauche Hilfe!" meinte er besänftigend. "Meine Hilfe! Die ich euch gerne gewähren würde, gegen einen kleinen Obolus natürlich." Bei der Erwähnung einer Bezahlung schien sich die Frau etwas zu entspannen. Adlige waren so komisch wirkte man gierig gewann man ihr Vertrauen weil das etwas war was sie aus ihrer Welt kannten. Arvid entspannte sich und steckte sein Jagdmesser zurück in seine Scheide. "Arvid!" Er verbeugte sich leicht und ging einen Schritt auf die junge Frau zu. "Freut mich eure Bekanntschaft zu machen."
Tag der Veröffentlichung: 02.03.2013
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