Ausflug mit Hindernissen
Heute war das beste Wetter seit Wochen, die Sonne tat uns endlich den Gefallen und schien mit ihrer ganzen Pracht. Dafür, dass schon Frühsommer war hatte sie uns die ganze Zeit im Stich gelassen. Ich war mit meinen beiden neuen Freundinnen heute schon den ganzen Tag unterwegs.
„ Sina, komm schon, wir müssen unseren Bus noch bekommen“, scheuchte mich meine Freundin Marga, die auch meine direkte Nachbarin war, weiter. Ich hatte die besonders schöne Aussicht über die Stadt genossen, auf die wir zuwanderten. Tanja, die dritte im Bunde, rollte mit ihren großen braunen Augen.
„Wir haben noch endlos Zeit, Marga, hetz` uns nicht so“. Tanja hatte immer die Ruhe weg. Sie ließ sich auch nicht gerne antreiben. Der Ausflug war der erste den wir gemeinsam unternommen haben. Vor einem halben Jahr hatte ich mein altes Leben hinter mir gelassen und war umgezogen. Es war nicht einfach gewesen, aber die Erinnerung schmerzte nun nicht mehr so stark wie am Anfang.
Meine Ehe war nach fast fünfzehn Jahren in die Brüche gegangen. Um den ganzen Stress zu entkommen, hatte ich ein Stellenangebot angenommen, dass fast 400 km von meiner alten Heimat entfernt war.
Neue Umgebung, neue Arbeit, neue Freunde. Das war für mich zurzeit das beste Motto. Ich hatte dabei auch wirklich noch Glück. Durch Zufall traf ich Marga und Tanja, die schon ewig befreundet waren, und sie nahmen mich sofort in ihrer Mitte auf. Wir ergänzten uns auch perfekt. Marga war die Unternehmungslustige, bei ihr musste immer was am Laufen sein. Tanja war der Gegenpol, sie war die Besonnene, die alles durchplante. Und ich, Sina, ich musste mir meinen Platz noch erobern, momentan war ich nur der Mitläufer.
Wir waren schon fast am Stadtrand angekommen, die Zeit verging unheimlich schnell, besonders wenn man mit den beiden Grazien unterwegs war. Sie hatten immer was zu erzählen und ich wurde komplett über unser Dorfleben informiert. Ohne Rücksicht, dass ich eigentlich von den nicht mal tausend Einwohner meiner neuen Heimat, keine Handvoll persönlich kannte. Man sah sich vielleicht mal beim Bäcker oder auf der Straße, aber da ich normalerweise den ganzen Tag bei der Arbeit war, bekam ich im Großen und Ganzen nicht unbedingt viel vom Dorftratsch mit.
Wir hatten nicht weit zu fahren. Der Bus brachte uns von hier, der nächst größeren Stadt, in einer halben Stunde in unser Dorf. Meine beiden Damen wollten mir unbedingt die Gegend zeigen und hatten beschlossen, dass wir einen ordentlichen Spaziergang Rund um die Stadt machen müssten, dass was bei dem tollen Wetter auch eine sehr gute Entscheidung war.
Wir bogen gerade von unserem Wanderweg auf einen normalen Fußweg ein, als ich ein donnerndes Geräusch vernahm. Im ersten Moment erinnerte es mich an eine Straßenbahn, aber eine Bahnlinie in der Nähe konnte ich nicht ausmachen. Ich ortete den Lärm aus der Richtung, aus der wir gerade gekommen waren und blickte mich um. Mit einem lauten Aufschrei veranlasste ich, dass Marga und Tanja einen Satz auf die Seite machten. Das war keine Sekunde zu früh. Im vollen Galopp raste ein Pferd an uns vorbei Richtung Stadt. Wir drei starrten uns nur entsetzt an. Keiner brachte ein Wort heraus. Mein Herz war kurz vor dem Herausspringen.
„Das war knapp“, stöhnte Marga auf. „Ich wusste gar nicht das Pferde so schnell sein können,… und so groß“.
Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, Marga war sichtlich blass und machte noch ein total erschrockenes Gesicht. Tanja erging es nicht anderst. Aber das Pferd war nach meinem Ermessen normal, das einzige was mir sofort auffiel, es war ohne Reiter unterwegs.
„Ich denke, es ist ausgebüchst. Es war herrenlos unterwegs. Der Besitzer wird sich auch freuen, sobald es wieder im Stall steht.“
„Das ist mir auf die Schnelle nicht aufgefallen“, ließ Tanja vermerken. „Ich war nur beschäftigt aus dem Weg zu springen, damit ich nicht über den Haufen getrappelt werde.“
Nach diesem kleinen Schock machten wir uns weiter Richtung Stadt. Die Bushaltestelle war laut Tanja nicht mehr allzu weit weg, und ich war dankbar drum, meine Füße waren die lange Wanderung nicht gewohnt.
„Scheiße, Achtung!“ Margas Warnung brachte mich dazu wieder auf unseren Weg zu schauen und ich traute meinen Augen nicht. Das Pferd kam zurück. Hinter ihm sah ich einen Mann mit einem Stock wedeln, der das Tier mit Sicherheit nicht gerade zur Vernunft bringen konnte. Ich blickte mich kurz um, wir hatten keine Chance von dem Weg runterzukommen. Rechts und links waren Zäune von Gartenanlagen angebracht und die Breite unseres Durchgangs entsprach keine drei Meter. Das war nicht unbedingt viel, wenn ein durchgedrehter Gaul auf dich zurast.
„Bleibt dicht zusammen stehen und hebt eure Hände hoch“, gab ich kurzentschlossen den Befehl. Wir standen wie bei einer Tanzaufführung im Kreis, schauten uns an und hielten über Kopf unsere Hände fest. Ich hatte mal gelesen, dass ein Pferd einem Hindernis ausweicht und normalerweise nicht über irgendwas drüber springt, geschweige es über den Haufen rennt. Ich hoffte wir waren als Hindernis nicht zu übersehen, wie wir an der Seite dieser schmalen Straße standen und das närrische Tier wusste, was es zu tun hatte.
„Oh mein Gott, … oh mein Gott“, jammerte Tanja leise vor sich hin. Ich spürte, dass sie mit der Situation doch leicht überfordert war.
„Es ist gleich vorbei“, versuchte ich sie zu trösten und lauschte auf die klingenden Hufen auf dem Asphalt. Merkwürdiger Weise, war das Geklapper der Hufeisen nicht mehr so laut zu hören. Direkt hinter mir hörte ich plötzlich das Schnauben und spürte den Atem des Pferdes im Genick. Okay, das war nicht der Plan gewesen. Das Ross sollte eigentlich weiterlaufen und zu seinem Stall zurückkehren.
Vorsichtig löste ich mich aus der Umklammerung der Hände, die meine zwei Freundinnen ganz starr fest hielten und drehte mich ganz langsam um. >Nur das Tier nicht erschrecken<, das war mein einziger Gedankengang. Bei Umgang mit Lebewesen, insbesondere mit Tieren war immer Vorsicht geboten. Ich hatte großen Respekt vor ihnen, besonders vor denen, die eindeutig größer wie ich waren.
Das Pferd schien darin keine Probleme zu sehen. Es stand vor mir und beäugte mich von oben herab, als hätte es endlich das Gefunden, was es gesucht hatte. Langsam hob es den Kopf und schnaubte mich erneut an.
„Ich glaub´ du hast einen neuen Verehrer“, hörte ich ein leicht hysterisches Gekicher aus meinem Rücken. Das konnte doch nur von Marga kommen! Ich warf ihr einen grimmigen Blick zu. Wie konnte sie sich nur über mich lustig machen?
Genauso langsam, wie das Ross sich mir zugewandt hatte, hob ich meine Hand und stellte den ersten Kontakt zwischen uns her. Es ließ sich anstandslos von mir streicheln und liebkosen. Da stand ich nun und hatte ein Pferd vor mir und wusste nicht was ich mit ihm anfangen sollte. Meine Erfahrung mit diesen Tieren beruhte sich auf einpaar Stunden Reitunterricht in meiner Kindheit und ich hatte für mich damals entschieden, dass ein Schoßhund die richtige Größe als Tier für mich wäre.
Nun begutachtete ich meine neue Errungenschaft erst einmal genau. Es war ein sehr schöner Hengst und seine Farbe war nicht genau zu definieren, weiß mit schwarzen und rotbrauen Flecken, also richtig schön bunt. Ich konnte ihm nicht über den Rücken schauen, also war er ziemlich groß, da ich mit meinem 1,60 nicht zu den Größten gehörte.
Entschlossen packte ich die Zügel vom Pferd, damit es nicht wieder fortlaufen konnte und schaute die Straße hoch und runter, ob irgendjemand als Hilfe in Aussicht wäre. Aber wie es auch jedesmal war, keiner fühlte sich zuständig und jeder rannte nur seinen eigenen Interessen hinterher.
„Du wir müssen weiter, der Bus fährt in einigen Minuten ab, wir verpassen ihn noch“, erinnerte mich Tanja an unser eigentliches Vorhaben. Was sollte ich tun? Ich konnte dem Gaul doch nicht einfach einen Klaps geben und alleine nach Hause schicken? Allerdings wusste ich ja auch nicht wo sein Zuhause war. Normalerweise, wie war das, ein Tier findet immer zu seinem Stall zurück?
„Geht ihr zwei nur, ich versuche den Besitzer zu finden. Es muss doch jemand geben, der weiß, wer hier in der Umgebung einen Reitstall besitzt? Ich komme schon irgendwie nach Hause, es ist ja nicht weit.“ So scheuchte ich diesesmal meine zwei weiter, damit sie noch den Bus nach Hause zu ihren Familien erreichten. Bei mir war es nicht so dringend, es wartete niemand auf mich. Erleichtert machten sie sich auf den Weg, auch sie waren froh der Verantwortung für das zugelaufene Tier enthoben zu sein.
Kurz bevor sie außer Hörweite waren rief mir Marga noch zu „Wir telefonieren noch.“ Und schon bogen sie Richtung Hauptstraße ab und ich war mit meinem neuen Freund alleine.
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Alleine, weit und breit niemand, den man um Hilfe bitten konnte.
„Also Süßer, was machen wir nur, du weist hoffentlich den Weg. Ohne deine Hilfe bin ich wirklich aufgeschmissen“, sprach ich sanft und leise auf meinen Gefährten ein. Wie ein Hund an der Leine versuchte ich ihn auf den Weg, aus dem wir gekommen waren zu ziehen. Aber mein neuer Freund schien seinen eigenen Kopf zu haben. So zutraulich er auch zu mir war, er wusste genau wo es lang ging. Er drückte mich mit seinem Körper an die Mauer und ich konnte keinen Schritt mehr nach vorne machen. Leise auf ihn einreden, versuchte ich ihn von mir wegzuschieben. Aber keine Chance, ich war regelrecht eingeklemmt. Die einzige Möglichkeit war noch auf seinen Rücken zu klettern.
Das war aber kein guter Gedanke. Ich war nicht die Mutigste und hatte wirklich endlos Respekt vor der Größe und Höhe eines Pferdes. Aber anscheinend hatte ich keine Wahl.
„Also gut Schecke, ich probiere es. Aber falls du mich abwirfst sind wir geschiedene Leute“, drohte ich ihm gleich an. Ich benutzte die Mauer als Aufsteighilfe, das war nicht einmal die dümmste Idee. Mein neuer Kumpel war wirklich einer von der hohen Sorte und nur mit den Steigbügeln hätte ich schon Schwierigkeiten bekommen. Sobald ich im Sattel saß ging es auch schon los. Ohne dass ich ein Befehl oder Startkommando sagen konnte, marschierte der Hengst in der Richtung weiter, die ich auch genommen hätte.
Bis wir endgültig den Fußweg aus der Stadt hinter uns hatten, war ich schon Einigermasen an den Rhythmus von meinem Gefährten gewohnt. Ich konnte mich fast entspannt die Gegend anschauen, in der er mich entführte. Langsam steigerte er das Tempo. Mir war es ein Rätsel wo er mit mir hinwollte. Wir hatten den Weg schon verlassen, den ich mit meinen Freundinnen heute Mittag benutzt hatte und ritten quer Feld ein.
„Langsam Schecke, ich rutsch noch runter, so geübt bin ich nicht“, versuchte ich meine Geschwindigkeit zu reduzieren. Aber so einfach war es leider nicht. Ich könnte mich schon ohrfeigen, dass ich die Steigbügel nicht meiner Größe angepasst hatte. Das gab endlos Muskelkater ich musste meine Schenkel fest an den Sattel pressen, dass ich nicht wie ein Pingpongball hin und her hüpfte. Wir waren schon eine halbe Stunde unterwegs, als er sein Tempo endlich wieder zügelte und ich mich wieder besser auf die Landschaft konzentrieren konnte. Er steuerte auf einen kleinen Wald zu und ich betete, dass er nicht vorhatte mich dadurch zu tragen. Mit tiefhängenden Ästen würde ich meine Probleme bekommen.
Abrupt hielt mein Begleiter inne und ich wäre um ein Haar vorne an seinem Hals entlang nach unten gerutscht. Zum Glück saß ich auf einem richtigen Westernsattel, so dass mich der Vorderaufbau des Sattels vor einem rasanten Abgang bewahrte.
„Was jetzt Schecke, Endstation? Mitten im Nirgendwo?“ Ich versuchte mir gerade ein Reim darauf zu machen, warum der Ritt zu Ende war, als ich am Kopf meines Reittiers vorbei jemanden auf dem Boden liegen sah.
„Ach du liebes Bisschen“, murmelte ich vor mich hin und bemühte mich vom Rücken des Pferdes zu gelangen. Reichte es nicht, dass ich mich um ein entlaufenes Tier kümmerte, musste ich jetzt auch noch einen Verletzten versorgen? Der Tag hatte doch so gut angefangen!! Nicht ganz so elegant wie die meisten Reiter, rutschte ich an der Seite des Schecken von seinem Rücken. Ich trat vorsichtig auf den Fremden Mann zu, der irgendwie verrenkt auf dem Boden lag, halb an einen Baumstamm gelehnt.
„Hallo,… hallo“, den Versuch den Unbekannten anzusprechen schlug fehl. Er schien bewusstlos zu sein. >Mist<, sehr produktive Gedanken schossen mir nicht gerade durch mein Hirn. Was blieb mir übrig als erste Hilfe zu leisten. Ich versuchte mich krampfhaft an etwas zu erinnern, was ich vor Jahren in einem Erste-Hilfekurs gelernt hatte. Keine Chance ich musste einfach improvisieren.
Ich überzeugte mich davon, dass keine größeren Verletzungen zu sehen waren. Eine Blutung am Kopf schien die einzig größere Wunde zu sein. Momentan war sie zum Stillstand gekommen und das Blut war schon geronnen und leicht angetrocknet. Für mich sah es aus, als wäre es schon ein Weilchen her, dass der Unfall passiert war.
„Hee, Großer, geh´ mal ein Schritt zur Seite, damit ich besser an deinen Herrn rankomme.“ Mit einem kleinen Stüber drückte ich den Schecken zur Seite, der seine Nase ganz dicht über dem Gesicht des Verletzten hin und her bewegte. Als wollte er sich versichern, dass der Unbekannte noch lebte.
Ich musste den Mann irgendwie zur Besinnung bringen um näheres über seinen Zustand herauszufinden. Die moderne Technik brachte mich auch nicht weiter. Mit meinem Handy einen Notruf absetzten konnte ich vergessen. Ich wusste nicht einmal wo ich war, geschweige eine Wegbeschreibung abgeben.
Also Punkt eins, den Verletzten wieder zum Bewusstsein bringen und dabei herausfinden, wohin wir uns auf den Weg machen sollten. Etwas Kaltes sollte ich beibringen. Wasser wäre optimal, zu Not auch feuchtes Gras? Ich war sehr erfinderisch wenn es um praktische Dinge ging. Zum Glück war ich kein Stadtkind und konnte mich in der Natur etwas orientieren. Das Gras, dass einige Meter von mir höher Wuchs könnte einen Hinweis auf einen Bach oder Wasserlauf sein. Ich brauchte ja nicht viel, nur meine Taschentücher müsste ich feucht machen können.
Das war wirklich einer der leichtesten Übungen gewesen. Ich hatte wirklich in unmittelbarer Nähe ein kleines Rinnsal gefunden. Mit meinen feuchten Tüchern bemühte ich mich erst einmal das Blut aus dem Gesicht des Verwundeten zu wischen. Dabei versuchte ich zwar vorsichtig, aber bestimmt ihn wieder wach zu bekommen.
„Hallo Fremder, können Sie mich hören? … Kommen Sie ich brauche Ihre Unterstützung!“ Ich kam mir vor wie ein Geisterbeschwörer, der Sinnlos auf irgendjemanden einsprach. Der Typ bewegte sich immer noch nicht. Einerseits war ich zumindest froh, dass er noch schnaufte und ich nicht noch einen Toten am Bein hatte.
„Schecke, ich hab´ schlechte Nachricht für dich. Dein Herr und Gebieter hast du komplett ausgeknockt, als du ihn abgeschmissen hast.“ In meiner puren Verzweiflung suchte ich tatsächlich das Gespräch mit einem Pferd. Es gab mir Antwort, wirklich! Es stand wieder direkt neben mir und schnaubte mich an… Ich hab´s bloß nicht verstanden.
Der Schecke schien aber mich zu verstehen. Er beugte seinen Kopf wieder zu dem Verletzten und stubste ihn mit seinen Nüstern an und blies ihm lautstark ins Ohr. Auch eine Möglichkeit, angebrüllt von einem Pferd!
Oh mein Gott!! Es hatte geholfen der Mann bewegte sich und hob die Hand an den Kopf des Pferdes. Perplex beobachtete ich, wie weit das Tier es schaffte den Verwundeten aus seiner Bewusstlosigkeit herauszuholen. Er schnaubte noch einpaar mal lautstark und schüttelte dabei den Kopf.
Langsam schlug der Mann seine Augen auf und tastete weiter nach seinem Pferd. Ich machte einen Schritt auf die Beiden zu und kniete mich zu dem Verletzten auf den Boden. Ich wollte ihm helfen sich etwas aufrechter hinzusetzen, damit er einen besseren Überblick hatte.
„Hallo Mister“, sprach ich ihn leise an, damit er sich nicht erschreckte als ich nach ihm fasste. „Wie geht es Ihnen? … Können Sie mich verstehen? … Wie heißen Sie?“ Manchmal fragte ich mich wirklich warum man sich mit Kranke unterhalten sollte. Ich rechnete nicht damit eine Antwort zu bekommen. War es nur, dass man seine eigene Stimme hörte um sich selbst zu beruhigen? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man nach einer Ohnmacht geistig folgen konnte, wenn man unzählige Fragen gestellt bekommt. Mir blieb leider nichts anderes übrig als diesem Verhaltensklischee Folge zu leisten und ihn auch noch doof anzulächeln.
Aber, es half. Er schaute mich an. Aus seiner Mine sprach die pure Überraschung. Als hätte er jemand anderst erwartet. Ich grinste noch ein bisschen breiter und hoffte, dass ich meinen Hab-vertrauen-Gesichtsausdruck drauf hatte. Aber ich denke nicht, dass ein Mann vor einer zierlichen Frau von gerade mal 55 Kilo Angst hatte.
„Können Sie mir etwas helfen?“ fragte ich ihn aufs Neue. „Ich möchte Ihren Namen wissen und wo sie wohnen.“
Nach einem Zögern bekam ich dann eine Antwort. „Joes…“, flüsterte er. Mehr war im ersten Moment nicht drin. Ich überlegte gerade ob es angebracht wäre in Panik auszubrechen, wenn er mir wieder in die Bewusstlosigkeit absackte. Ich war mir immer noch nicht schlüssig, was ich mit ihm tun konnte. Die Sonne würde bald untergehen. Ich wusste beim besten Willen nicht wo ich war und sein Pferd würde mich bestimmt nicht ohne ihn irgendwohin bringen.
„Joe, hören Sie mir gut zu, ich brauche Ihre Hilfe. Können Sie aufs Pferd steigen? Sie müssen mich etwas unterstütze. Nur der Schecke kann Sie hier wegbringen.“ Wieder brauchte er einen langen Augenblick bis ich eine Antwort bekam.
„Jumper findet den Weg. …. brauche Hilfe zum Aufsteigen“. Ich sah ihm an, dass sogar diese paar Worte eine große Anstrengung für ihn waren. Wie sollte er jemals auf den Rücken des Pferdes gelangen?
„Also Jumper, mein Junge“ sprach ich auf den Hengst ein, der seinen Kopf direkt mir zu wandte. „Wir zwei, müssen das jetzt hinkriegen. Joe wird froh sein, wenn er alleine auf seinen Füssen stehen kann ohne umzukippen. Kannst du vielleicht einpaar Kunststückchen, die du mir erzählen kannst?“ In meiner Verzweiflung sprach ich mit dem Tier, als wäre es ein Gesprächspartner, der mit Antworten könnte. Aber es war eh keiner da, der mir zuhören konnte. Joe zählte nicht, er konnte seine eigenen Gedanken nicht richtig forcieren und hörte meinem Geplapper bestimmt nicht zu.
Wie auf Kommando kniete Jumper vor uns nieder. Ich werde nie mehr sagen, Tiere verstehen unsere Sprache nicht. Ich konnte es nicht glauben, Jumper machte sich klein, und die Möglichkeit Joe auf seinen Rücken zu bekommen war gar nicht mehr so abwegig.
„Auf Joe, kommen Sie etwas hoch. Ich helfe Ihnen auf die Beine. Jumper hat sich niedergekniet. Sie müssen nur noch auf den Sattel klettern.“ Mit gutem Zureden versuchte ich Joe auf die Füße zu stellen, damit er sich in den Sattel ziehen konnte. Nach fünf Minuten hatte ich ihn endlich soweit, dass er einiger Masen gerade in Position saß. Das weitere musste ich nun Jumper überlassen. Wie er aus der Kniebeuge wieder aufrichten wollte war mir ein Rätsel. Aber das war das Problem von Jumper. Meine Aufgabe war es darauf zu achten, dass Joe nicht aus dem Sattel rutschte.
„Joe halten Sie sich fest. Es wird jetzt gleich etwas holprig zugehen. … Hören Sie mir zu?“ Unentwegt sprach ich auf ihn ein um ihn bei Bewusstsein zu halten. Falls er abstürzen würde, waren wir soweit wie am Anfang oder noch schlimmer, ein zweiter Versuch würde seine Kräfte übersteigen, die Kräfte aller. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Hengst es noch einmal schaffen sollte, aus dieser Position auf seine Beine zu kommen.
„Ich höre Sie. … halte mich fest.“ Mehr wie ein Flüstern konnte ich Joe nicht ab wringen. Er war wirklich schwer angeschlagen. Sobald die Rettungsaktion vorüber war benötigte er ein paar Tage Bettruhe.
Jumper hatte wirklich Talent. Er brachte es fertig sich wieder hochzustemmen ohne Joe dabei abzuwerfen. Ich ging um ihn herum und lobte ihn für seine Kraft und tätschelte ihm ausgiebig seinen Kopf. Das erste Hindernis war geschafft. Jetzt mussten wir uns nur noch auf den Heimweg machen.
„Also Süßer, du weist jetzt hoffentlich dein Nachhauseweg. Ich kann dir nur folgen. Du trägst alleine die Verantwortung“, sprach ich sachte auf ihn ein. Seine Zügel in die Hand nehmend wollte ich mich in Bewegung setzten, als ich im Blickwinkel sah, dass Joe in sich zusammensackte.
>Oh Mann, nicht schon wieder> mein Aufstöhnen brachte rein gar nichts. Ich fasste Joe schnell am Schenkel, damit er mir nicht vom Rücken stürzte und unser Bemühen umsonst gewesen wäre.
„Jumper, du hast ein schweres Problem. Joe schafft es nicht, sich alleine im Sattel zu halten. Ich müsste auch noch irgendwie mit rauf.“ Meine Gedanken laut aussprechend überlegte ich, wie ich es Bewerkstelligen sollte auf das Pferd aufzusteigen. Das war schon schwierig genug ohne dass Joe ein Teil des Platzes beanspruchte.
Unser Glück war, dass wir am Waldrand waren und dort genügend Baumstämme herumlagen. Ich konnte einen ausmachen, der für mein Vorhaben genau richtig war. Der Stamm hatte die beste Schräglage, damit ich auf ihm entlang balancieren konnte und Jumper sich daneben platzieren konnte, damit ich ohne Problem zu Joe in den Sattel kam. Die einzige Sorge war nur, in der Zwischenzeit nicht Joe von seinem Platz zu stossen.
Ich stellte fest, das Pferd und ich waren schon ein eingespieltes Team. Ich hatte noch nie in meinem Leben es mit so einem intelligenten und vorsichtigen Reittier zu tun gehabt. Vielleicht hätte ich mich dann doch entschieden, meine Reitkünste zu verbessern. Meine Erinnerungen in meiner Kindheit waren fast traumatisch. Ich war damals heilfroh, als der Reitkurs zu Ende war und ich nie mehr auf ein so bockiges Pony sitzen musste.
Ich hatte mich vor Joe gesetzt und ließ seinen Oberkörper gegen mich lehnen. Seine Arme legte ich um meine Taille, damit ich spüren konnte, falls er in irgendeine Schräglage käme bevor er abrutschte. Durch den Westernsattel konnte ich vorne nicht weg und war so gut eingeklemmt um selber nicht vom Pferd zu fallen.
„Auf Jumper, macht dich auf den Weg“, und gab ihm mit einem leichten Schlag auf den Hals Bescheid, dass er starten konnte. Ich betete, dass es nicht zu weit wäre. Ich wusste nicht wie lange der Schecke das Gewicht von zwei Personen tragen konnte. Ich war nicht scharf drauf, dass ich das Tier auch noch auf dem Gewissen hatte. Ich glaube Joe wäre da nicht so glücklich drüber.
Der Nachmittag war fast um. Ich konnte die Sonne kurz vor dem Horizont erkennen. Ich hatte kein Zeitgefühl. Mein Handy aus der Hosentasche zu puhlen und auf die Uhr zu schauen, war mir zu Riskant. Mir vielen meine beiden Freundinnen wieder ein, denen ich versprochen hatte mich zu melden. Ich hoffte nur, dass sie noch keine Vermisstenanzeige aufgegeben hatten. Kleiner Scherz! Aber ich wusste Marga wartete auf einen Anruf von mir.
Jumper lief im Schritttempo zügig voran. Er schien unendlich Energie zu haben. Ich war froh, dass er nicht auf die Idee kam mit uns in Trapp zu verfallen. Joes Kopf hätte das wahrscheinlich nicht verkraftet. Ab und zu versuchte ich ihn anzusprechen, damit er mir nicht in eine tiefe Bewusstlosigkeit abdriftete. Ich bekam dann aber immer nur einen Brummton als Antwort oder seine Umklammerung wurde etwas fester und ich spürte, dass er sich bewusst bei mir festhielt. Damit war ich eigentlich schon zufrieden.
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Ich konnte es kaum fassen, als wir um ein kleines Wäldchen herumritten, sah ich ein Bauernhaus. Es war mehr ein Hof oder ein Gut. Je näher wir kamen umso größer erschien es mir. Es war mit einer hohen Mauer umzäunt und der Eingang war wie bei einer spanischen Hazienda. Es sah in der untergehenden Sonne einfach klasse aus. Nicht was ich in meinem Heimatland erwartet hätte. Mehr konnte ich momentan nicht erfassen, da ich mich wieder um meinen Mitreiter kümmern musste.
Joe stöhnte hinter mir ein Schmerzlaut und machte mir umgehend bewusst, dass ich nicht zum Vergnügen hier war.
„Wir haben es gleich geschafft. Joe, Sie müssen nur noch einpaar Minuten durchhalten. Sie bekommen sofort Hilfe“, versuchte ich ihn aufzumuntern. Jumper hatte anscheinend auch schon seinen Stall gerochen und stampfte zielstrebig auf ihn zu.
„Stopp, Jumper. Halt an. Wir passen nicht durch die Tür.“ Ich konnte den Hengst gerade noch davon abhalten, weiter durch die Stalltür zu laufen. Wir wären wie bei einer Slapstickkomödie einfach vom Türrahmen nach hinten weggefegt worden. So standen wir jetzt zwischen Tür und Angel und ich überlegte gerade wie ich am geschicktesten aus meiner Sitzposition wieder rauskäme, als ich Stimmen vernahm.
„Hallooo …. halloo. … Ich könnte Hilfe gebrauchen“, mit lauter Stimme machte ich auf mich aufmerksam. Das Gemurmel wurde immer lauter und ich spürte, dass Jumper irgendwie nervös wurde.
„Guter Junge, Jumper. Was ist los? … Was passt dir nicht?“ besänftigend sprach ich auf meinen neuen Freund ein und hoffte, dass er die Unruhe, die in tänzeln ließ wieder ablegte. Kurzentschlossen löste ich die Umklammerung von Joe und schwang mein Bein vorne über Jumpers Hals und rutschte unprofimäßig auf den Boden. Elegant sah anderst aus, aber ich hatte jetzt andere Probleme wie perfektes Absitzen zu trainieren. Ich nahm die Zügel vom Hengst und legte ihm meine Hand seitlich an den Kopf, damit er mich spüren konnte. Sofort wurde er ruhiger und blieb wieder still stehen.
Kaum hatte ich Jumper wieder beruhigt, traten zwei Männer in mein Blickfeld. Sie blitzen mich wütend an. „ Was machen Sie mit dem Hengst? Nehmen Sie ihre Hände weg! Sie vergreifen sich an unser Eigentum!“ Ich war zu überrascht um auf diese Anschuldigungen sofort zu reagieren.
„Ich verstehe das Problem nicht“, gab ich ihnen zur Antwort.
„Das Pferd ist von unseren Stall, also behaupten Sie nicht, Sie wissen nicht um was es geht!“ wurde ich ein zweitesmal angepflaumt.
Da die Männer immer noch im Stall vor Jumper standen, hatten sie keinen Blick auf Joe, der zusammengekrümmt auf seinem Rücken lag.
>Gott laß Abend werden< betete ich vor mich hin. Wie konnte ´Mann` nur auf die Idee kommen, dass ich ein Pferd stehlen will, und dann ausgerechnet wieder Richtung Stall zurückführte?
„Ich bräuchte dringend Hilfe, also sobald Sie mit Ihren Hirnlosen Anschuldigungen fertig sind, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie Joe vom Pferd holen würden, ohne das er auf dem Boden aufschlägt.“ Meine Stimme hatte sich bei jedem Wort in der Lautstärke gesteigert. Ich war mächtig sauer und hatte nach diesem anstrengenden Nachmittag keine Lust mir bescheuerte Verdächtigungen an den Kopf werfen zu lassen.
Kaum hatte ich meinen Satz beendet hörte ich auch schon hinter mir eine hysterische Frauenstimme, die nach einem Mann rief. „Marty, schnell bewegt dich sofort hierher. Josef ist wieder da!“ Ich drehte mich abrupt um und konnte Joe gerade noch auffangen, als er sich vom Sattel gleiten ließ. Auffangen war vielleicht zu viel gesagt. Einer der Stallburschen sprintete an mir vorbei und wir griffen gleichzeitig zu, als Joe den Halt verlor. Mich setzte es dabei unsanft auf mein Hinterteil und ich stöhnte laut auf. Ich hatte mit Sicherheit bald drei Stunden auf Jumper verbracht, dass mein Allerwertester mit jetzt schon übel nahm. Morgen konnte ich bestimmt nicht einmal mehr auf einem Stuhl sitzen.
„Ach du Scheiße“, fluchte der Retter und hielt inzwischen das ganze Gewicht von Joe. „Was ist denn mit dir passiert?“
Ich hatte mich wieder hochgerappelt und teilte der Runde, die nun um uns versammelt war, meinen Stand der Dinge mit.
„Joe hat vermutlich eine Gehirnerschütterung und zwar keine leichte. Seit ich ihn gefunden habe war er kaum bei Bewusstsein.“ Endlich meinen Verpflichtungen als Erst-Helfer enthoben, hoffte ich, dass ich meine Schuldigkeit gegenüber dem Verletzten getan hatte.
„Was ist passiert? ... Wo haben Sie ihn gefunden? … Wie schwer ist er verletzt?“ Die Frau löcherte mich sofort mit etlichen Fragen, die ich eigentlich gar nicht beantworten konnte. Ich war ja auch nur durch Zufall in diese ganze Situation rein geschlittert, bzw. rein geritten.
„Tut mir leid, ich kann Ihnen die ganzen Fragen gar nicht beantworten. Jumper hat mich aufgegabelt und Joe haben wir dann unterwegs aufgelesen und hier her gebracht. Das ist die Kurzversion.“, teilte ich meinen Zuhörern mit. „Sie sollten vielleicht dringend einen Arzt anrufen, denn Joe hat eine Kopfverletzung, die man behandeln muss.“
Wie auf ein Stichwort setzten sich alle in Bewegung und gingen Richtung Hauptgebäude, den Verletzten in der Mitte von den Männern vorsichtig getragen. Schlagartig war ich mit Jumper alleine.
„Na, mein Guter“, sprach ich wie üblich schon mit dem Pferd, „Du hast dir auf jeden Fall eine Belohnung verdient. Komm mit, ich werde für die was zu essen organisieren. Du kennst dich doch mit Sicherheit in deiner Unterkunft aus.“ So marschierten wir zwei in den Stall hinein und ich überließ Jumper wieder die Führung in seiner Behausung. War auch relativ einfach zu finden. Jedes Pferd hatte seine eigene Box mit Namensschild versehen und so war Jumpers Schlafstätte nicht zu verfehlen.
Ich hatte dann wenigstens noch so viel Kraft, um den Hengst von seinem schweren Sattel zu befreien. Da ich nichts anderes finden konnte, legte ich sein ganzes Geschirr und Sattelzeug einfach über einen Querbalken, der in meiner Brusthöhe an einer Wand entlang lief. Wasser war kein Problem, dass hatte er in seiner Box als Selbstversorger. Mit dem Futter war es schon kritischer, ich wusste eigentlich nicht in welcher Menge ihm was zu stand. Aber viel falsch konnte ich nicht machen. Also warf ich ihm einen Arm voll Heu in die Ecke und hoffte es war richtig so.
Ich hatte irgendwie ein Problem damit, Jumper jetzt so alleine zu lassen. Gut er war kein Haustier, aber ich hatte durch unser Abendteuer eine Beziehung zu ihm aufgebaut und wollte mich noch nicht von ihm verabschieden.
So in Gedanken versunken, merkte ich nicht, dass einer der Stallburschen wieder aufgetaucht war. Er erschreckte mich fast zu Tode. Jumper ging es auch nicht anderst. Er machte einen Satz nach hinten, aber wahrscheinlich mehr, weil ich einen erschrockenen Laut von mir gegeben hatte.
„Gehen Sie ganz langsam aus der Box. Mit Jumper ist nicht zu spaßen. Er lässt normalerweise keinen an sich ran.“ Ich sah den Typen ganz erstaunt an. Jumper und aggressiv? War der sicher, dass wir dasselbe Pferd meinten? Obwohl, Jumper wackelte schon wieder nervös mit den Ohren. Ich konnte es aber nicht glauben, dass er mir etwas antun würde. Ohne auf die warnenden Worte des Stallburschen zu hören, ging ich auf Jumper zu und streichelte ihn, wie schon den ganzen Mittag am Kopf und an seinen samtigen Nüstern. Es schien ihm zu gefallen, denn er reagierte nicht anderst als ich es erwartet hätte.
„Ich weiß nicht, aber wir zwei haben keine Probleme miteinander“, teilte ich dem Burschen mit. Seufzend wendete ich mich trotzdem von Jumper ab, denn ich musste mich langsam auf den Nachhauseweg machen.
„Ich soll Sie eigentlich nur holen, die Familie möchte mit Ihnen sprechen. Der Arzt müsste auch jeden Moment kommen und Sie sollten ihm auch Bericht erstatten.“ So wurde ich von dem jungen Mann zum Haupthaus geführt und lernte die Familie von Joe kennen.
„Ich bin Martin Major, und das ist meine Familie.“ So wurde mir nacheinander die ganze Truppe vorgestellt, die sich kurz vorher auf dem Hof versammelt hatten. Seine Frau Mary, ihr Bruder Jim und der Stallbursche Kevin. Joe, bzw. Josef war der Bruder von Martin. Die Männer waren alle groß und kräftig, man sah ihnen an, dass sie den ganzen Tag draußen bei der Arbeit waren. Die Frau war mehr ein mütterlicher Typ und schien auch die traditionellen Hausarbeiten zu machen.
„Ich wäre dafür, dass wir uns jetzt erst einmal Stärken. Das Essen steht schon auf dem Tisch. Sie bleiben auf jedenfall hier und sind herzlich eingeladen.“ Ich wurde freundlich, aber bestimmend von der Hausherrin am Arm zu einem großen Tisch im Esszimmer geführt und konnte mich eigentlich gar nicht gegen die Einladung zur Wehr setzen. Nachdem mir die tollen Essensdüfte in die Nase stiegen hatte ich auch keine Bedenken mehr. Mein Magen erinnerte mich lautstark daran, dass er schon eine ganze Weile nichts mehr zum Verarbeiten bekommen hatte. Mir war es natürlich total peinlich, dass alle im Raum mitbekommen hatten, wie verfressen sich das angehört hatte. Sie lachten alle, die komplette Runde und das Eis war gebrochen. Jeder schwatzte durcheinander und wollte von mir tausend Dinge wissen.
„Gut, gut, ich gebe mich geschlagen. Sobald ich meinem Magen was zur Versöhnung angeboten habe, und er nicht mehr so unverschämt Aufmerksamkeit auf sich zieht, erzähle ich Ihnen die ganze Geschichte.“ Jeder war mit diesem Vorschlag zufrieden und wir konnten uns dem Essen zuwenden.
Es wurde eine gemütliche Mahlzeit. Es hatte was von einer Großfamilie, wie früher, als die Essenszeit noch eine richtige Zusammenkunft war. Es beindruckte mich. Ich hatte selbst nicht viele Familienangehörige, geschweige eine Familie die sich regelmäßig traf.
Wir hatten gerade das Essen beendet und wollten zum gemütlichen Teil übergehen, als der Doktor eintraf. Er unterhielt sich kurz mit mir und wurde dann von Martin Major zum Patienten geführt.
Ich erzählte währenddessen meine Anekdote mit Jumper und wie er mich entführt hatte. So im Nachhinein war meine Geschichte doch sehr unterhaltsam und witzig. Vor allem mein blindes Vertrauen zu einem unbekannten Pferd, ließ meine Zuhörer des Öfteren mal ungläubig mit dem Kopf schütteln. Man muss seinem Bauchgefühl vertrauen, und so war ich nun mal. Jumper hatte mich ausgesucht und ich wollte ihm dann helfen.
„Sina, würden Sie bitte nocheinmal mit zu Josef kommen? Er hat nach Ihnen gefragt.“ Martin kam von seiner Krankenvisite mit dem Doktor zurück, den er schon zur Tür bekleidet hatte.
„Was hat der Arzt für eine Diagnose gestellt?“ fragte ich beim Hausherrn nach. Es war nicht die reine Neugierde, nein, ich wollte wirklich wissen, welche Verletzungen sich Joe zugezogen hatte.
„Der Ritt zurück hat ihn doch hoffentlich nicht mehr zugesetzt?“ Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, dass sein Bruder womöglich mehr zu Schaden gekommen war durch meine unprofessionelle Hilfe.
„Nein, machen Sie sich darüber mal keine Sorgen. Josef ist hart im Nehmen. Einpaar Tage Bettruhe und er ist wieder hergestellt. Wir müssen nur heute Nacht kontrollieren, dass er sich nicht übergibt.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Das mit der Übelkeit konnte man in Griff bekommen.
Martin hatte mich in der Zwischenzeit eine Etagen nach oben geführt. Er klopfte leise an eine Zimmertür und zog mich dann einfach mit hinein. Mir war das eigentlich gar nicht geheuer. Ich kannte heute Mittag nicht einer dieser Personen im ganzen Haus und nun machte ich Krankenbesuch bei jemanden, den ich heute vielleicht das Leben gerettet hatte. Nöö, … so schlimm wäre es bestimmt nicht geworden. Trotzdem fühlte ich mich unsicher.
„He Kleiner, ich habe Dir jemanden mitgebracht. Streng´ Dich bitte nicht an, der Doc hat Dir absolute Bettruhe verordnet.“ Kaum hatte Martin ausgesprochen verließ er auch schon den Raum und wir waren alleine. Gut wir waren heute schon länger alleine gewesen, aber nicht als Joe bei Bewusstsein war. Ich hatte mehr mit seinem Pferd geredet als mit ihm. Ich wusste nicht was ich sagen sollte.
„Hi,… mein Name ist Sina Silver. … wir haben uns ein Pferd geteilt.“ Wie blöd ist das denn >… wir haben uns ein Pferd geteilt<. Ich wusste bei mir würde nichts Gescheites heraus kommen. Ich war einfach immer nervös in Gegenwart von gutaussehenden Männern.
Und er war eindeutig gutaussehend. Im ersten Augenblick hatte ich nicht so genau darauf geachtet, da ich heilfroh war, dass er am Leben war. Aber nachdem ich sein Blut aus dem Gesicht gewischt hatte, sind mir seine männlichen Züge sofort ins Auge gefallen. Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig. Seine blonden Haare hingen im noch wirr um den Kopf, aber seine Augen hatten jetzt einen klareren Blick als am Nachmittag. Sie waren wunderschön, blau, mitternachtsblau und wurden von langen Wimpern umrahmt.
Ich sollte langsam wieder auf die Erde zurückkommen und ihm nicht irgendwelche schmachtende Blicke zuwerfen. Ich brauchte keinen Mann mehr. Ich war meine große Liebe erst losgeworden, er hatte mich nach Strich und Faden betrogen. Das wollte ich mir nie, … nie mehr antun.
„Hi, Sina Silver. Ich bin Josef Major.“ Er streckte mir seine Hand entgegen und zog mich auf die Bettkante. Für einen Kranken, der heute schon halb im Koma lag, hatte er noch eine enorme Kraft.
„Ich möchte mich nocheinmal bei Ihnen persönlich bedanken, dass sie mich gerettet haben.“ Seine Stimme war eindeutig besser als noch vor wenigen Stunden. Sie war tief und löste eine Gänsehaut bei mir aus. Ich konnte es nicht fassen. Dieser Mann machte mich nervös. Ich konnte es noch nicht einschätzen, ob es im positiven Sinne war.
„Keine Ursache…“, ich musste mich konzentrieren, dass ich nicht anfing zu stottern. „Ich hatte ja keine andere Wahl.“ Über seinen verständnislosen Blick musste ich dann doch lachen.
„Jumper hatte mir keine Wahl gelassen. Nach meiner Entführung musste ich Sie mitnehmen, sonst hätte er mich in der Wildnis vielleicht alleine zurück gelassen.“
Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht, als ich sein Pferd erwähnte. Er sah eindeutig schon besser aus als am Nachmittag. Ich sollte mich langsam verabschieden, ich musste mir noch ein Taxi organisieren, dass mich nach Hause brachte. Marga viel mir auch noch siedend heiß ein. Ich hatte ihr versprochen noch anzurufen.
„Ich wünsche Ihnen eine gute und schnelle Genesung Joe. Sie können wirklich Stolz auf Ihren Hengst sein. Er hat Ihnen vielleicht sogar das Leben gerettet. Ich muss mich jetzt verabschieden und auf den Heimweg machen. Ich bin schon den ganzen Tag auf den Beinen und brauche eine Erholung.“ Mit einem aufmunterten Lächeln wollte ich meine Hand aus seiner befreien, die er immer noch umfasst hatte.
„Oh, tut mir leid, Sie werden zu Hause mit Sicherheit schon erwartet!“ sagte er mit bedauernder Stimme, hielt meine Hand aber immer noch fest umschlossen. Machte er sich Sorgen um meine Familie? Ich konnte seine Stimmung nicht richtig einschätzen.
„Nein, machen Sie sich keine Gedanken darüber. Ich habe nicht einmal eine Katze, die mich vermissen könnte.“ Ich wollte, dass er sich nicht seinen geschundenen Kopf darüber zerbrach, dass ich noch so spät unterwegs war.
„Gut, dann bleiben Sie doch einfach hier. Wir haben Gästezimmer, da können Sie übernachten. Ich sag sofort Mary Bescheid.“ Ich konnte nicht einmal zu einer Erwiderung ansetzen, als er an einem Telefon herumdrückte und sofort jemanden am Ohr hatte.
„Sina bleibt über Nacht. … Ja, kein Problem. … Danke!“ Verflixt so wollte ich das eigentlich gar nicht. Ich überlegte mir gerade eine plausible Ausrede um aus der ganzen Situation wieder herauszukommen, als es an der Tür klopfte und sofort aufgerissen wurde.
„Das freut mich aber sehr Sina. Kommen Sie mit, ich zeig Ihnen Ihr Zimmer, es ist nicht weit weg.“ Also an Gastfreundschaft mangelte es hier im Haus nicht. Mary hatte mich schon wieder freudenstrahlend am Arm gepackt und mich aus dem Zimmer gezogen. Die prodestierenden Rufe ihres Schwagers ignorierte sie.
„Du kannst mir doch nicht meine Krankenschwester klauen… Hee, … das geht doch nicht!“
„Männer, die sind ja immer so empfindlich“, war ihr ganzer Kommentar zu Joes Gejammere. Ich musste grinsen, die Frau lebte mit vier Kerlen unter einem Dach, das war wirklich Höchstleistung.
„Ich finde es wirklich klasse, dass Sie hier bleiben. Es wäre doch sehr spät geworden bis Sie nach Hause gekommen wären. So bleibt uns noch ein bisschen Zeit, ich bekomme nicht viel Frauenbesuch.“
Sie schien sich tatsächlich mehr darüber zu freuen wie ich. Na ja, was soll´s. Ich gab mich geschlagen. Bis ich hier weggekommen wäre, hätten noch Stunden umgehen können. So konnte ich morgen ganz gemütlich meine Heimfahrt planen.
„Danke nochmals für das Angebot, Mary. Ich möchte Ihnen aber wirklich keine Umstände machen. Mit einem Taxi wäre ich doch ruckzuck daheim.“ Ein letzter halbherziger Versuch, doch noch die Kurve zu kriegen. Mary ließ sich aber nicht darauf ein. Auch dass ich ohne Kleider zum Wechseln unterwegs wäre, ließ sie nicht gelten. Aber wer nimmt schon auf eine harmlose Wanderung eine Reisetasche mit? Ich nicht.
„Ich bring Ihnen was. Hier ist Ihr Zimmer und das Bad ist neben an. Falls Sie noch Gesellschaft benötigen, wir sind alle eine Etage tiefer im Wohnzimmer, nicht zu verfehlen. Fühlen Sie sich wie Zuhause.“
Somit entließ sie mich und ich konnte mich endlich frisch machen. Ich wusste gar nicht wie toll so eine heiße Dusche nach so einem anstrengenden Tag war. Ich genoss sie ausgiebig. Nach dem Abtrocknen stand ich nun nur mit dem Handtuch um mich geschlungen da und wollte eigentlich nicht so recht in meine miefigen Kleider wieder einsteigen. Meine Unterwäsche konnte ich leicht auswaschen, das war kein Problem. Die würde bis morgen früh auch wieder getrocknet sein. Vielleicht konnte mir Mary ein T-shirt von sich leihen. Sie war größer und stabiler wie ich, also passte es auf jeden Fall.
An der Tür hing ein Bademantel. Den würde ich mir für heute Abend ausleihen. Ich würde das Zimmer eh nicht mehr verlassen. Jetzt viel mir erst auf, dass das Badezimmer zwei Türen hatte. Durch die eine war ich gekommen, die andere gehörte bestimmt ins Nachbarzimmer. Wem das wohl gehörte? Ich kuschelte mich in den weichen Bademantel und stellte nur fest, er war mir eindeutig zu groß. Er roch sehr angenehm. Er roch auf alle Fälle nach Mann. Dann bekam ich die Erleuchtung. Wir sind nicht allzu weit gegangen. Nur den Gang hinunter, quasi in die nächste Tür neben Joe. Ich teilte mit ihm das Bad. Toll! Ich sollte mir ganz dringend angewöhnen beide Türen abzuschließen, wenn ich nicht eine unfreiwillige Peepshow abliefern wollte.
Für heute war es genug. Ich ging in mein Zimmer zurück und führte noch ein kurzes Telefonat mit Marga. Nur um mein Gewissen zu beruhigen, ihr den versprochenen Anruf auch zu gewähren. Sie war natürlich nicht so leicht wieder abzuwimmeln. Nach einer langen Viertelstunde konnte ich dann wieder auflegen.
Mary musste in der Zwischenzeit in meinem Zimmer gewesen sein, denn auf meinem Bett fand ich zwei frische T-shirts vor. Eins hatte sie bestimmt als Nachthemd vorgesehen. Das war mir gerade recht. Mehr hatte ich zu Hause auch nicht zum Schlafen an. Es war schon nach zweiundzwanzig Uhr und ich war am Eindösen. Ich wollte gerade mein Nachtlicht ausschalten, als ich ein Poltern aus dem Bad hörte. Es hörte heute nicht mehr auf! Was hatte ich den verbrochen? Ich schmiss mir den Bademantel über mein spärliches Nachtkleid und machte mich auf den Weg nachzuschauen.
Überraschen konnte es mich eigentlich nicht mehr. Als ich die Verbindungstür zum Bad öffnete, sah ich Joe auf dem Boden liegen. Warum konnte er nicht in seinem Bett bleiben, wie ihm befohlen worden war? Ich konnte es nicht fassen!
„Joe, wie geht es Ihnen? Hören Sie mich?“ Ich hatte eindeutig ein Déja-vu. Sachte schüttelte ich ihn an den Schultern und versuchte ihn etwas aufzurichten.
„Mir geht es gut.“ Gut!! Über diese Aussage könnte man sich streiten.
„Also ist es normal, dass Sie auf dem kalten Badezimmerboden schlafen?“, fragte ich sarkastisch nach. Ein Macho wie es im Buche stand.
Mit vereinten Kräften schafften wir es dann zurück zum Bett.
„Ich hole Mary oder Martin“, teilte ich ihm mit und war im Begriff mich vom Bett abzuwenden.
„Mir geht es doch nicht so gut. Bitte … lassen Sie mich alleine. Mein Kopf ist kurz vorm Zerspringen. Mir ist total schwindelig.“ Oha, … war das eine diskrete Aufforderung, dass er Hilfe benötigte. Ich schaute mich auf seinem Nachtisch um. Der Arzt hatte doch mit Sicherheit Pillen gegen die Schmerzen dagelassen. Ja!
„Hier Joe, Schmerztabletten. Nehmen Sie eine, dann geht es Ihnen gleich wieder viel besser.“ Aus mir wird doch noch mal eine perfekte Krankenschwester. Ich hatte dass alles bestens im Griff. Joe kam meiner Aufforderung nach und legte sich wieder anstandslos hin. Das einzige was er anscheinend unbedingt brauchte war Körperkontakt. Er hielt meine Hand fest umklammert, sodass ich mich nicht entfernen konnte. Da er ein großes Bett hatte, konnte ich mich Einigermasen bequem auf die Matratze setzen und ihm die Privilegien eines Patienten gewähren. Ich ließ ihn nicht alleine bis er eingeschlafen war.
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Ich hatte tief und fest geschlafen. Langsam kam ich aus dem Schlafmodus wieder zu mir. Ich fühlte mich träge und noch so halb im Traum gefangen. Gefangen war wohl das richtige Wort. Als ich mich strecken wollte, spürte ich, dass meine Beine keinen großen Spielraum hatten. Mein Gehirn kam langsam wieder in Gang. Mir fiel der gestrige Tag wieder ein. Ja, der war wahrlich aufregend gewesen. Es brauchte einpaar Minuten bis ich ihn noch einmal komplett vor meinem geistigen Auge abgespult hatte. Das letzte was ich noch wusste war, der erneute Absturz von Joe und das es mir gelang ihn ins Bett zu bringen. Ja, dann war nicht mehr viel passiert. Genau, ich riss meine Augen auf. Verdammt wo war ich, ich bin doch nicht…?
Jetzt versuchte ich mich doch energischer aus meiner unbeweglichen Lage zu befreien. Ich lag bei Joe im Bett!!! Mist! Wie konnte ich mich daraus befreien? Der Bademantel hatte sich um meine Beine gewickelt und ich hatte so gut wie keine Bewegungsfreiheit um aus dem Bett zu kriechen ohne das Joe es bemerkte. Anscheinend war es das aber nicht alleine. Ich war richtig festgekeilt. Joe hatte sich an mich gedrückt und einen Arm um meine Taille gelegt. Das konnte nur noch peinlich werden, stellte ich mit einem Seufzer fest. Bis jetzt hatte ich noch nie - mit Betonung auf nie - mit einem anderen Mann als meinem Ex in einem Bett geschlafen.
Trotzdem versuchte ich mich so vorsichtig wie es ging, aus der unfreiwilligen Umarmung zu schlängeln. Ich drehte mich auf den Rücken und versuchte so meine Beine von dem vielen Frotteestoff des Bademantels zu entwirren. Ich hatte es auch fast geschafft. Aber nur fast. Als ich Joes Arm vorsichtig zu ihm hinüber legen wollte, merkte ich einen latenten Widerstand. Meine Augen schielten sofort in sein Gesicht. Er schaute mir direkt in die Augen. Okay, Versuch gescheitert unbemerkt aus dem Bett zu flüchten.
„Guten Morgen. Du wirst mir doch nicht deine Gesellschaft verwehren?“ Ah, japp! Genau das war das was ich hören wollte!! Nein, nicht wirklich!
„Dir auch einen guten Morgen.“ Was sollte ich sonst drauf erwidern? War man mit einem Mann per `Du´ sobald man eine Nacht gemeinsam in einem Bett verbracht hatte? Ich hatte keine Erfahrung damit. Meine Kenntnisse mit Männerbekanntschaften in der Richtung war ziemlich begrenzt.
„Wie geht es Dir heute?“ Das war zumindest eine unverfängliche Frage. Keiner konnte mir vorwerfen, dass mir sein Zustand egal sei.
Joe wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ohne Vorwarnung die Tür aufgerissen wurde und eine aufgeregte Mary ins Zimmer stürmte.
„Josef,… Josef, … Sina ist verschwun… . Oh!“ Sie unterbrach stotternd ihre Ausführung als sie zu uns aufs Bett sah. Dann wurde sie vor lauter Verlegenheit rot. Ich konnte mit ihr mit Sicherheit mithalten. Mir schoss die Röte genauso ins Gesicht als sie uns beide im Bett ertappte. Konnte es eigentlich noch schlimmer kommen? Reichte es nicht, dass ich mich vor Joe blamierte und in seinen Armen aufgewacht war. Nein!! Es kam noch besser. Durch Marys panischen Rufe kam auch noch ihr Mann, Martin angestürmt und rannte ins Zimmer ohne anzuklopfen. Gut die Tür stand sperrangelweit offen, aber ich kam mir inzwischen vor wie im Zoo. Jeder kam und klotzte uns an.
„Es ist alles in Ordnung. Mir geht es dank meiner Krankenschwester auch wieder gut“, versuchte Joe die peinliche Situation zu entschärfen. Ich wäre am liebsten in ein Mäuseloch verschwunden und nie mehr aufgetaucht. Was musste die Familie jetzt von mir denken? Dass ich mich einem schwer kranken Mann an den Hals warf. Okay, das war leicht übertrieben, Joe war nicht schwer krank. Aber es sah dennoch danach aus.
„Ich geh mich dann mal anziehen“, teilte ich den Anwesenden mit und machte mich zügig auf den Weg in mein Zimmer. Ein Vorteil hatte es, mein Bett war unbenutzt und Mary sparte sich somit eine Komplettreinigung wegen einer Nacht. Mit einer Katzenwäsche musste ich mich heute Morgen begnügen. Aber was soll´s. Ich musste eh die Kleidung von gestern wieder anziehen und die roch eindeutig nach Pferd.
Ich hatte mir vorgenommen, bevor ich die Ranch verlasse, musste ich unbedingt nocheinmal bei Jumper vorbei schauen. Ihn würde ich doch fast vermissen. Er war ein großer, starker Kerl, wie sein Herr. Falsche Gedankenrichtung! Nein, ich wollte ihn auf alle Fälle noch einmal in seinem Stall besuchen.
Leise schlich ich mich in das Erdgeschoss und überlegte ob ich ein großer Feigling wäre, wenn ich mich ohne Verabschiedung einfach davon machte. Ich könnte mir telefonisch ein Taxi bestellen und direkt vor der Ranch einsteigen. Das könnte wirklich klappen. Aber wie das Leben so spielt, diese Chance wurde gleich zunichte gemacht.
Mary passte mich an der Eßzimmertür ab, an der ich vorbei musste um nach draußen zu gelangen.
„Kommen Sie Sina, ich hab´ Frühstück gemacht. Ich wollte Sie eigentlich holen, als ich Sie vermisste.“
Mir blieb wirklich nichts erspart. Musste ich mich jetzt der Familie stellen, die mit Sicherheit über mein peinliches Erwachen Bescheid wusste. Ein Trost blieb, ich würde sie nie mehr wiedersehen. Nach dem ich diese Ranch verlassen hatte, würde mich nichts mehr zurück ziehen. Also konnte es mir doch eigentlich auch egal sein, was sie über mich dachten? Ich beschloss für mich: Brust raus, Bauch rein und eine straffe Haltung. Schließlich hatte ich ja nicht wirklich was verbrochen.
Es roch super lecker nach Kaffee. Mein Bauch grummelte schon wieder vor lauter Vorfreude vor sich hin. Also genoss ich einfach dieses tolle Frühstück und machte mir keine Gedanken mehr. Alle Männer trafen nach und nach am Frühstücktisch ein. Jeder begrüßte mich ohne ein falsches Grinsen oder eine Anspielung. Hatten Mary und Martin über ihre morgendliche Entdeckung geschwiegen? Das fand ich doch ausgesprochen sympathisch.
Martin kam dann auch noch, aber nicht allein. Er brachte Joe mit, der mit großem „Hallo“ am Tisch empfangen wurde. Er setzte sich wie selbstverständlich neben mich und Martin auf meine andere Seite. Mit so vielen Männern um mich herum, wurde ich leicht nervös. Mary schaute mich an und grinste.
„So geht es mir jeden Tag. Deshalb hatte ich mich auch gestern so über weiblichen Besuch gefreut. Nichts gegen `Mann´, aber zuviel kann man auch nicht immer ertragen.“
„Ich muss mich auch nochmals bei Ihnen bedanken. Sie haben bei Josef die Nachtwache übernommen, und wir haben Sie heute Morgen zu Tode erschreckt. Es war wirklich nicht unsere Absicht“, kam es zerknirscht vom Hausherrn. Ich war perplex. Wie konnte es zu dieser Theorie kommen? Was hatte Joe ihnen erzählt? Anscheinend hatte er doch einen dickeren Schädel und wusste ganz genau was gestern noch passiert war. Auch dass er sich aus dem Bett gewagt hatte, sein Gleichgewichtssinn war bestimmt noch nicht im Lot.
„Äh, … ja, ist alles in Ordnung. War kein Problem.“ Ich hatte ja auch keine Schwierigkeiten, ich war ja eingeschlafen und hatte tatsächlich gut geschlafen.
Joe langte zu, man könnte annehmen, er hätte Tage nichts mehr zu essen bekommen. Ich war immer noch mit meinem ersten Brötchen beschäftigt, da war er bestimmt schon bei seinem Dritten. Ob das wohl gut ging? Aber er war erwachsen und ich nicht seine Mutter, die ihn umsorgen musste.
„Ich gehe nach dem Frühstück in den Stall, Jumper versorgen“, meldete sich Joe unerwartet zu Wort.
„Was?“, fragte ich ungläubig. „Nein“, kam es zur selben Zeit mit einem Befehlston neben mir. Mein Kopf ruckte rum und ich sah Martin ins Gesicht. Die Stimmung schlug augenblicklich um.
„Du bewegst dich nicht aus dem Haus! Und das ist keine bitte!“ Wenn Blicke töten könnten hätte es mich von beiden Seiten erwischt. Martin fixierte Joe mit festem Blick und er stand ihm in nichts nach und ich saß dazwischen.
„Du kannst mir keine Befehle erteilen! Ich werde mich um Jumper kümmern!“ Okay, ich war mitten in einen Familienstreit geraten. Martin benahm sich gerade wie ein Obermacho und Joe ließ sich nicht bevormunden. Ich dachte jeden Moment explodieren beide und es gib eine Schlägerei am Tisch. Der Rest schien sich aber gar nicht darum zu kümmern. Jeder aß weiter als würde niemand sich gerade ankeifen. Bei Martin war die Beherrschung am Ende. Ich wartete wirklich drauf, dass er aufsprang und Joe eigenhändig ins Bett zurückverfrachtete.
„Stopp!!“ Mein Herz hatte sich verflüchtigt. Die Männer hatten schon eine gewisse Lautstärke an den Tag gelegt, aber die sanfte Mary hatte mich kurz vor dem Herzstillstand gebracht. Um ihren Ausspruch zu unterstreichen hatte sie gleichzeitig auf den Tisch gehauen. Es war totenstille. Keiner, niemand sprach mehr ein Wort.
„Martin, du begleitest Joe zu Jumper. Einer der Jungs kann ihn dann versorgen. Und du Joe geht’s anschließend ohne Genörgele zurück in dein Bett und bewegst dich nicht mehr hinaus!“ Das war eine eindeutige Ansage. Keiner getraute sich was dagegen zu sagen. Jetzt wusste ich wer die Hosen in der Familie anhatte. Mein Respekt! Als ich mich im Kreis umsah, die geschockten Gesichter der Männer sah, musste ich mich beherrschen nicht kerzengerade hinaus zu lachen. Ich denke so oft musste Mary das Machtwort nicht ergreifen, aber sobald sie es tat, spurten alle.
„Mary, ich hätte eine Bitte an Sie. Könnten Sie mir ein Taxi rufen? Ich möchte mich dann auch von Ihnen verabschieden. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.“ Mein Versuch sie Stimmung wieder auf Normalstand zu bringen klappte recht gut. Die Männer waren von der geladenen Atmosphäre abgelenkt und widmeten sich wieder ihrem Frühstück.
„Sina, meine Liebe, Sie werden uns doch noch nicht verlassen wollen? Heute ist Sonntag, und der Tag zum Ausruhen. Genießen Sie ihn doch bei uns. Ich werde Sie auch gerne später nach Hause fahren.“ Das war ja ein liebgemeintes Angebot, aber ich wollte mich hier eigentlich nicht häuslich niederlassen. Natürlich war es schon verlockend, den sonnigen Tag in der Natur auf einer Ranch zu verbringen. Aber andererseits störte ich ihren gewohnten Tagesablauf bestimmt. Sie hatten einen Arbeiter weniger und auf einer Farm gab es ja kein Wochenende. Die Tiere wollten, wie jeden Tag auch ihr Futter und den Auslauf.
„Ich möchte Sie nicht mit meiner Anwesenheit belasten. Ich denke, Sie haben mehr wie genug zu tun und wollen sich nicht noch um einen zusätzlichen Gast kümmern.“
Da ergriff Joe neben mir meine Hand und hielt sie fest. Es schien langsam eine störende Angewohnheit von ihm zu sein, mich bei jeder Gelegenheit festzuhalten.
„Sina bitte, du störst mit Sicherheit nicht. Wenn du mich gestern nicht gefunden hättest, müssten alle mich heute den ganzen Tag suchen. … So gesehen, hast du ihnen sogar eine Menge Arbeit erspart.“
Also eins musste man wirklich lassen, Joe konnte schon ein Charmeur sein. Auf so eine Idee, ich hätte eine Arbeitsersparnis gebracht wäre auch keiner gekommen. Gestern wurde ich noch als Dieb begrüßt. Ach ja, wir wollten ja das leidige Thema unserer ersten Begegnung eigentlich vergessen. Joe hatte es auch bestimmt nicht mitbekommen, dass ich als Pferderäuber betitelt worden war.
„Ja, also gut“, gab ich mich geschlagen. Joe schaute mich mit seinen blauen Augen so bittend an, ich konnte es ihm irgendwie nicht abschlagen. Als ich meine Blicke wieder von ihm lösen konnte, schalt ich mich selbst als dumme Pute. Dieser Mann litt an dem Rettersyndrom. Ganz eindeutig. Es konnte unmöglich sein, dass er ernsthaft meine Anwesenheit wollte. Er kannte mich doch gar nicht. Ich war eine Wildfremde für ihn und er behandelte mich, als könnte er ohne meine Anwesenheit nicht mehr leben, bzw. gesund werden.
„Aber heute Nachmittag muss ich nach Hause.“ Diese Entscheidung ließ ich mir nicht wieder abschwatzen.
Nachdem das Frühstück beendet war, half ich Mary beim Abräumen. Ich wollte ihr wirklich nicht noch mehr Arbeit aufhalsen. Obwohl, sie stritt es lachend ab. Schließlich wäre ein Teller mehr auf dem Tisch mit Sicherheit keine Überstunden wert. Als wir dann soweit fertig waren, waren wir auch beim ` Du´ angelangt. Sie war ausgesprochen nett und erzählte mir einige kleine Anekdoten über die Familie.
Die Männer hatten sich auf den Weg in den Stall gemacht und versorgten die Tiere. Ich wollte doch unbedingt Jumper sehen und entschuldigte mich bei Mary und folgte ihnen. Martin begleitete Joe und versuchte ihn zu stützen. Ich bemerkte, dass sein Ego das nicht zulassen konnte. Wer wollte schon als Schwächling dastehen? Ich musste nur meinen Kopf schütteln. Eigentlich hätte ich gestern ein Bild machen sollen, als er mehr Tod als Lebend auf dem Pferd gehangen hatte. Dann wäre er wohl nicht so machomäßig unterwegs gewesen.
Die Fütterung der Pferde war soweit schon abgeschlossen. Ich sah, dass in den Boxen die Tiere alle schon am Fressen waren. Ich ging den Gang ganz durch, da ich wusste, Jumpers Box war die letzte in der Reihe. Martin und Joe standen auch davor und schauten interessiert in den Stall. Joe stützte sich an der Tür ab, anscheinend war seine Stärke doch noch nicht komplett zurückgekehrt, wie er erwartet hatte.
„Hey, Jumper, mein Großer“, hörte ich Joes stimme auf sein Pferd einreden. „Es ist alles in Ordnung. Sei schön brav. Jim bringt dir nur dein Futter.“ Dem Gestampfe nach war das Tier aber nicht mit seinem Pfleger einverstanden. Er wirkte ausgesprochen nervös. Ich konnte es alleine an seinem Schnaupen erkennen, dass ihm irgendwas nicht passte.
Ich drückte mich zwischen Martin und Joe in die Box, damit ich einen besseren Einblick hatte. Kaum bemerkte Martin mich, griff er sich schon meinen Arm und wollte mich wieder aus dem Raum ziehen. Ich stemmte mich aber gegen seine Kraft und blieb.
„Was passt Jumper nicht?“ Gut mir war gestern schon aufgefallen, dass er mit den anderen Ranchbewohner nicht so harmonierte. Er war sichtlich aggressiver. Als wollte er die Anwesenheit der vielen Menschen nicht.
„Jumper braucht sehr lange, bis er jemanden an sich ran lässt. Er wurde misshandelt und vertraut eigentlich nur mir“, klärte mich Joe auf. „Keiner wagt sich alleine in seine Box. Er hat sie schon öfters in Trümmer gelegt, wenn er in Rage war.“
Jetzt konnte ich mir auch die Besorgnis der Stallburschen erklären. Kein Wunder, dass er mich gestern aus Jumpers Reichweite holen wollte.
„Guten Morgen Jumper“, begrüßte ich das Ross. Ohne Unterlass zuckten seine Ohren unruhig hin und her. Als wollte er rundum abchecken, dass ihm niemand zu nahe trat. Ganz vorsichtig bewegte ich mich auf ihn zu. Meine Hand hielt ich leicht vor seine Nase, damit er meinen Geruch erkennen konnte. Martin bemerkte zu spät, was ich vorhatte und konnte mich nicht mehr ohne eine hastige Bewegung zurück zerren.
„Sind Sie wahnsinnig, Sina. Sie können nicht einfach…“ wurde ich von hinten angeschnauzt.
Joe war zu schwach um mir hinterher zu gehen. Er beobachtete stillschweigend aus seiner Position meine Aktion mit seinem Hengst.
Leise auf Jumper einredend, machte ich mit meinem Vorhaben weiter. Jim stand wie erstarrt in der vorderen Ecke und hatte einen riesigen Berg mit Heu auf den Arm. Aus seiner Reaktion schloss ich, dass er mit Jumper schon schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Seine Augen surrten unruhig hin und her und ließen das Tier keine Sekunde unbeaufsichtigt.
„Vielleicht ist die Box einfach zu klein“, mutmaßte ich. Gut, zurzeit befanden sich vier Personen und ein Pferd darin. Große Bewegungsfreiheit hatten wir wirklich nicht. Aber ich konnte schlecht den Vorschlag bringen, sie sollten alle raus und mich mit Jumper alleine lassen. Wahrscheinlich hätten mich alle ausgelacht. Sie sahen in ihm ein kleines oder sogar ein größeres Monster. Ich hatte Vertrauen zu ihm. Schließlich hatte er sich ja gestern für mich entschieden und ich wollte es ihm auch beweisen, dass eine schlechte Erfahrung nicht fürs ganze Leben gelten musste.
Jumper schüttelte kräftig mit seinem großen Kopf und stieg kurz auf seine Hinterbeine. Ich blieb sofort stehen. Schließlich wollte ich mich nicht treten lassen. Immer noch mit ihm sprechend legte ich meine Hand, wie auch gestern schon, einfach seitlich an seinen Kopf und streichelte ihn sanft. Fast augenblicklich wurde er ruhiger. Ich dehnte meine Bewegung aus und streichelte seine weichen Nüstern, damit er mein Geruch endgültig in der Nase hatte und mich erkennen konnte. Es half, wie auch immer, es half.
Jumper hörte auf nervöse auf der Stelle zu treten und bog sogar bereitwillig seinen Kopf weiter nach unten.
„Na, mein Schöner. Das gefällt dir. Du willst nur einpaar Streicheleinheiten.“ Mehr Unsinn von mir gebend, flüsterte ich weiter auf ihn ein. Hoffentlich bekommen die anderen nicht so viel mit, was ich dem Tier hin erzählte. Aber Hauptsache war es, dass Jumper sich beruhigte und nicht versuchte seinen Stall kurz und klein zu schlagen.
„Wie machst du das bloß?“ Ich hörte aus Martins Stimme Bewunderung heraus. Es freute mich sehr, anscheinend hatten sie mir nicht wirklich zugetraut, dass ich mit Jumper umgehen könnte. Aber meine Geschichte war ja nicht erfunden. Jumper hatte mich ausgesucht am gestrigen Tag. Seine Urinstinkte wussten einfach, dass ich ein tierlieber Mensch bin und keinem etwas zuleide tun wollte.
„Du bist wirklich klasse“, kam es auch von Joe. Er hatte gestern durch sein Blackout auch nicht allzuviel mitbekommen. Jim fand anscheinend auch, dass ich meine Sache hervorragend machte und überließ mir die weitere Fütterung von Jumper. Sein Vertrauen zu dem Hengst schien nicht besonders tief zu sein.
„Ist das alles was dein Pferd zu fressen bekommt?“ Mir erschien es nicht genug. Vor allem Kraftfutter hätte ich ihm noch gegönnt, schließlich hatte er einen anstrengenden Tag hinter sich und konnte eine Sonderration mit Sicherheit verkraften.
„Du kannst ihm noch Hafer bringen, dass lagern wir hinter der grünen Tür“, gab mir Joe gleich die Anweisung. Als ich an ihm vorbeischritt, bemerkte ich, dass er Schweißperlen auf der Stirn hatte.
„Du solltest dich auf den Weg in dein Zimmer machen, bevor du hier zusammen brichst. Ich versorge Jumper noch fertig. Du hast Mary versprochen ohne Widerrede ins Bett zu gehen.“ Meine Aufforderung war wie ein Stichwort für Martin. Er schnappte sich Joe einfach an der Hüfte und schob seinen Arm über seine Schulter. So konnte er ihn einfacher stützen und wieder zum Haus zurück führen.
Unter Anleitung von Jim versorgte ich den Hengst fertig und führte ihn auch dann noch zur Koppel hinaus. Hier konnte er sich mit den anderen Pferden den Tag über vergnügen. Es war herrlich ihnen zu zuschauen, wie sie über die Wiese tobten. Jim klärte mich ein wenig über die Pferderassen auf. Sie züchteten eine besondere Rasse, die hauptsächlich in Australien vorkommt, Brumby. Jumper stach mit seiner besonderen Farbkombination hervor. Die anderen waren alle in verschiedenen Brauntönen.
„Jumper ist unser Sorgenkind. Josef brachte ihn aus dem Urlaub mit, er war total verwahrlost. Er hat eine schreckliche Geschichte hinter sich. Aber Josef liebt seinen Araberpinto über alles.“ Das brauchte er mir nicht zu erzählen, die emotionale Verbindung war nicht zu übersehen. Ich ging dann auch zurück, da der Morgen schon wieder fast vorbei war. Ich schaute bei Mary in der Küche vorbei, die ihre tägliche Aufgabe, für Essen der Männer zu sorgen, vorbildlich nachkam. Sie wurstelte eifrig vor sich hin und es duftete schon wieder köstlich. Wir kamen ins Gespräch und Mary versuchte mich etwas über meine privaten Verhältnisse auszufragen. Ich wollte aber in der Richtung nichts erzählen und blockte etwas barsch ab.
„Tut mir leid, wenn ich dir zu neugierig bin“, entschuldigte sich Mary gleich reuevoll. „Aber du hast von dir noch gar nichts erzählt. Ich weiß noch nicht einmal ob du vergeben oder sogar verheiratet bist!“ Sie ließ einfach nicht locker. Aber ich hatte ja eigentlich nichts zu verbergen. Nur die Erinnerung schmerzte immer noch.
„Weder noch“, gab ich ihr ausweichend zur Antwort. Das musste genügen, mehr wollte ich nicht raus lassen. „Wie geht es eigentlich Joe? Hat er sich tatsächlich gleich ins Bett gelegt?“ Mit einer Gegenfragte versuchte ich von mir abzulenken.
„Warum nennst du ihn eigentlich immer Joe?“ fragte mich Mary neugierig. Ihr viel wirklich alles auf. Es war aber keine Lüge, die anderen nannten ihn bei seinem vollen Namen.
„Äh, … er hat sich so vorgestellt, als ich ihn gefunden habe“, teilte ich ihr mit. „Vielleicht habe ich ihn auch nicht richtig verstanden, er war nicht besonders ansprechbar. Du weißt ja wie das ist. …“
„Nee, … wie denn?“
„Ich war nur froh, dass er lebte und außer seinen Namen und Jumpers hatte er eigentlich nichts gesprochen. Ich wollte nur, dass er nicht tiefer in die Bewusstlosigkeit abdriftete und sprach ihn deshalb immer mit seinem Namen an. Irgendwie habe ich mich daran gewöhnt und sollte ihn doch mit seinen richtigen Namen ansprechen.“
„Mach dir mal darüber keinen Kopf. Wen´s ihn stören würde, hätte er schon was gesagt. Das kannst du mir glauben.“ Es war aber schon seltsam, dass ich die einzige war, die ihn so ansprach, so vertraut.
Zum Mittagessen waren wieder alle am großen Tisch versammelt. Ich kam mir schon wie ein Mitglied der Familie vor. Martin verteilte weitere Aufgaben, die zu erledigen waren und jeder gab seinen Bericht ab, was er am Morgen schon geleistet hatte. Ich stelle dabei fest, dass mein Berufsleben viel geregelter ablief. Ich hatte meine festen Arbeitszeiten und auch meine freien Wochenenden. Auf einer Ranch oder auch Bauernhof, egal in welcher Sparte, sobald Tiere mit im Spiel waren, hatte man keine freie Zeit mehr. Schließlich konnte man denen nicht mitteilen: >Wochenende erst ab Montag gibt es wieder was zu futtern<.
Joe sah schon deutlich besser aus. Man konnte ihm jede Stunde ansehen, die er sich ausruhte. Mit einigen Tagen Bettruhe war er mit Sicherheit wieder hergestellt.
„Hast du noch etwas schlafen können?“ Ich versuchte etwas Smalltalk zu machen, da ich ja Arbeitstechnisch nichts geleistet hatte und mit den anderen nicht mit schwätzen konnte.
„Ja, es hatte mich doch mehr angestrengt nach draußen zu gehen, als ich vermutet hatte. Aber bis morgen bin ich wieder einsatzfähig.“
Ich rollte nur mit den Augen bei dieser Aussage. Aber darüber müsste ich mir keine Sorgen machen, das lag nicht mehr in meinem Bereich.
„Glaub´ mir, wenn ich deine Starrköpfigkeit vorausgesehen hätte, wäre mein erstes Handeln gewesen, ein Foto von dir zu machen, als du ohnmächtig auf dem Boden lagst.“
Joe verzog nur abwertend sein Gesicht, er wollte es anscheinend wirklich nicht wahrhaben, dass er ziemlich hart gestürzt war. Wie genau es dazu gekommen war, wusste er nicht einmal. Nur das sie vorher einen rasanten Galopp hingelegt hatten.
„Falls du weiterhin meine Krankenschwester machst, bleibe ich freiwillig im Bett, solange du willst“, ließ er mich dann mit einem schelmischen Lächeln wissen. Dieser Mann war unmöglich. Sein Lächeln machte mich ganz verlegen. Ich konnte es nicht fassen, dass er immerzu versuchte mich anzubaggern. Aber ich war einfach der Meinung, er war zu hart mit dem Kopf aufgeschlagen, er konnte dass nicht mit seinem vollem Bewusstsein meinen.
„Gut, ich bringe dich nach dem Essen in dein Zimmer, und du ruhst dich bis zur nächsten Mahlzeit wieder aus. Ich muss mich leider dann verabschieden. Wenn ich noch weiter mit Marys leckerem Essen konfrontiert werde, brauche ich demnächst größere Kleider.“
„Das wäre noch die Beste Idee, je mehr von dir da ist, um so mehr habe ich von dir.“ Himmel, konnte man mit Joe keine unverfänglichere Themen finden. Immer musste er es ins zweideutige abrutschen lassen. Ich wusste selber, dass für meine Größe mein Gewicht gerade noch an der Grenze war, um nicht als Hungerhaken angesehen zu werden. Aber auch das hatte mit meiner Vergangenheit zu tun. Ich hatte zu schnell zu viel abgenommen, ohne dass ich es wollte. Gut andere Frauen würden mich vielleicht darum beneiden, aber ich fand es schon immer schlimm, wenn die hageren Models über den Laufsteg schritten und sich dabei noch superschön vorkamen. Nein, ich arbeitete schon daran das mein weiblichen Rundungen nicht zu sehr verkümmerten, aber es war nicht einfach.
„Habe ich was falsch gesagt?“ fragte mich Joe sorgenvoll. Wahrscheinlich hatte er es meiner Mine angesehen, dass es einen wunden Punkt bei mir getroffen hatte. Die Geliebte meines Ex war um einiges besser beisammen als ich. Die allgemeine Ansicht, Männer wollten nur Superschlanke war wahrscheinlich auch aus der Luft gegriffen. Ich konnte da nicht mithalten, wie gesagt, ich war in Bearbeitung einer meiner vielen Probleme.
„Nein, nein … es ist schon in Ordnung, nur eine nicht so gute Erinnerung.“ Mehr gab ich nicht zur Antwort.
Das Essen war schon eine Weile beendet und ich half Mary noch geschwind beim Abräumen. Dann entschuldigte ich mich, „Ich habe Joe versprochen ihn noch in sein Zimmer zu begleiten, damit er sich auch ordnungsgemäß ausruht.“
Joe wartete im Esszimmer auf mich, damit ich mein Versprechen auch einhielt. Er fasste mich am Arm und führte mich die Treppe nach oben. Das Haus war schön eingerichtet. Der Stil entsprach der spanischen Epoche, die Möbel waren dunkel, rustikal gehalten. Die Wände erstrahlten in warmen Farben, von weichem Weiß bis zum dezenten Orange. Es machte einen gemütlichen Eindruck.
In seinem Zimmer angekommen, machte Joe sich gleich fertig fürs Bett. Er zog seine Jeans aus. Mich machte es verlegen, dass er ohne Scheu sich einfach vor mir auszog. Gut, seinen Körper musste er nicht verstecken. Er sah durchtrainiert aus. Aber das waren die Männer hier auf dem Hof bestimmt alle. Er hatte eine Boxershorts an, die seine muskulösen Schenkel noch mehr betonten. Ich konnte meinen Blick fast nicht von ihm abwenden. Seine Rückenansicht ließ mich wirklich fast anfangen zu sabbern.
>Hallo Kleinhirn, beweg das Gefühlzentrum wieder in die richtige Richtung<. Ich wollte mich nicht in einen Mann vergucken, schon gar nicht in einen Schönling, auf gar keinen Fall. Joe lag inzwischen schon wieder gemütlich auf seiner Matratze und fixierte mich mit seinem Blick.
„So mein Lieber, du kurierst dich ganz schnell aus, als deine Krankenschwester befehle ich dir das“, versuchte ich scherzhaft meine Verlegenheit zu überspielen. „Jumper verlässt sich drauf, dass du bald wieder einsatzfähig bist.“
„So schnell kannst du mich aber nicht verlassen, Sina. Bitte setzte dich noch etwas zu mir“, mit treudoofen Blick versuchte er mich an sein Bett zu locken. Es war auf jedenfall keine gute Idee. Seine Nähe verunsicherte mich extrem. Wie konnte ich umgehend aus dem Zimmer marschieren, ohne dass es nach Flucht aussah? Ich wollte mich nicht mehr so nahe an ihn ran wagen.
„Wir hatten es doch heute Morgen schon abgeklärt, dass ich nach Hause gehe Joe. Du wirst mir doch nicht weiß machen wollen, dass deine Familie dich nicht genügend umsorgt? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“ Ich blieb hart und bewegte mich aus meiner Position vor dem Fenster nicht weg. Demonstrativ drehte ich ihm den Rücken zu und schaute mir die Aussicht an. Er hatte genau den Blick über die Pferdekoppel und konnte die Tiere beobachten. So versunken in den Ausblick bekam ich nicht mit, dass Joe sein Bett wieder verlassen hatte und jetzt hinter mir stand. Erst sein Atem in meinem Nacken ließ mich seine unmittelbare Nähe erahnen.
„Warum bist du so abweisend?“, flüsterte er mir ins Ohr. Ein kalter Schauer rieselte meinen Rücken hinunter. Gefühle, die ich schon ewig nicht mehr hatte. Was war nur los mit mir? Ich wollte das nicht. Ich wurde immer nervöser.
„Das hat nichts mit dir zu tun“, versuchte ich immer noch aus der Situation raus zu kommen. Ich drehte mich um, damit Joe sich ein Stück von mir entfernen musste. Aber irgendwie ging mein Plan nicht auf. Jeder normal Sterbliche würde doch einpaar Schritte zurücktreten und einem eine private Zone zugestatten. Bei Joe schien das nicht zum üblichen Verhalten zu gehören. Er stand genauso dicht vor mir wie er hinter mir war. Leider konnte ich keinen Schritt mehr ausweichen. Hinter mir war nun das große Fenster, es ging nicht weiter.
Er legte seine Hand ganz sachte auf meine Wange und streichelte mit seinem Daumen über mein Gesicht. So vorsichtig, als berührte er was ganz zerbrechliches. Ich war komplett erstarrt und schaute ihm nur in seine wunderschönen blauen Augen. Sie waren wieder dunkel und funkelten mich an, ganz vorsichtig näherte er sein Gesicht. Da er über einen Kopf größer war als ich, musste er sich doch relativ weit herunterbeugen und deshalb einen Schritt zurück machen. Es traf mich wie der Blitz. Seine weichen Lippen schmiegten sich auf meine. Ich bekam wie einen elektrischen Stoß, alles bitzelte in mir. Nicht nur meine Lippen, die er sachte berührte, nein, es setzte sich über den ganzen Körper fort. Mein Herz begann zu schlagen, als hätte ich einen hundert Meter Sprint hinter mir.
Ich musste fort, sofort. Kaum hatte ich die Chance aus seiner Reichweite zu kommen, lief ich los. Jetzt konnte mich nichts mehr aufhalten. Ich konnte mich nicht auf eine Affäre einlassen. Mein Herz war noch nicht widerstandsfähig genug, das es ein weiteres Massaker überstehen konnte. Und ich war für ihn bestimmt nur eine von vielen und mein Herz begann sich gerade langsam zu erholen.
Ich flitzte zu Mary in die Küche und bat sie mich umgehend nach Hause zu bringen. Sie schaute mich zwar sehr überrascht an, weil ich so atemlos bei ihr erschienen war, fragte aber nicht nach. Ich hätte mir ja auch ein Taxi rufen können, wollte aber der Wartezeit aus dem Weg gehen. Bei genauerer Überlegung stellte ich fest, ich wusste nicht einmal die Adresse der Ranch, das wäre auf alle Fälle ein Problem geworden.
Wie versprochen fuhr sie mich direkt nach Hause. Wir brauchten gar nicht mal so lange. Eine halbe Stunde und ich konnte unser Ortsschild lesen. Dankbar versuchte ich ihr einzureden, mich gleich aussteigen zu lassen. Auch die Begründung ich bräuchte einen kleinen Spaziergang, ließ sie nicht gelten. Ich hatte nur den schwerwiegenden Verdacht, sie wollte unbedingt meine Adresse erfahren. Warum auch immer! Wahrscheinlich würden wir uns nicht mehr sehen, höchstens zufällig in der Stadt, aber das war eher unwahrscheinlich. Trotzdem steckte sie mir eine Visitenkarte von der Ranch zu.
„Falls du mal wieder Lust bekommst eine Runde auf Jumper zu reiten“, ließ sie mich mit einem breiten Grinsen wissen. Kaum war sie mit ihrem großen Jeep wieder weitergefahren, ging die Tür meiner Nachbarin auf. Marga, wie konnte es anderst sein. Sie hatte mit Sicherheit schon auf mich gewartet.
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Ich hatte keine Chance ihr zu entkommen. Sie bestand darauf, mir eine Tasse Kaffee zu machen und forderte einen genauen Bericht meiner letzten 24 Stunden. Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal. In Kurzvision berichtete ich ihr mein Abenteuer. Sie fand meine Geschichte natürlich klasse und wollte wissen, wann ich meine nächste Verabredung mit Joe hatte.
„Gar nicht, ich kann zur Zeit keine Männer gebrauchten“, teilte ich ihr bestimmt mit, nicht dass sie auf die bescheuerte Idee kam mich verkuppeln zu wollen.
Das einzige was ich jetzt noch wollte, war mein Zuhause, meine Couch, ganz für mich alleine. Davon konnte mich auch keiner mehr abbringen, sogar mein Telefon schaltete ich ab. Nur noch relaxen, Beine hoch und einpaar Stunden ausruhen bevor das Wochenende komplett rum war und der Arbeitsalltag mich wieder einholte.
Ich konnte mich tatsächlich an meinen normalen Arbeitstagen fast erholen. Wenn ich an mein chaotisches Wochenende zurück dachte, war ich zurzeit abends immer richtig relaxt. Meine beiden Freundinnen wollten natürlich unseren Ausflug so schnell wie möglich wiederholen. Sie fanden unser Mädelstag super und überlegten ernsthaft, es wirklich als festen Bestandteil der Wochenplanung einzubeziehen. Ich konnte sie davon überzeugen, dass alle 14 Tage es schon reichen würde. Schließlich hatte beide Familie - zum Glück - und die wollten an den Wochenenden auch nicht zu kurz kommen. Mir machte mein momentanes Sololeben eigentlich gar nichts aus. Keine Verpflichtung zu haben, hatte auch was!
Freitagabend, ich hatte es mir gerade gemütlich gemacht und war noch leicht unschlüssig, welches Fernsehprogramm ich mir reinziehen sollte, klingelte es überraschend an meiner Wohnungstür. Ich überlegte kurz. Mein Date mit Marga und Tanja hatte ich erst morgen Mittag. Aber, es konnte eigentlich außer meine Nachbarin kaum jemand anderst sein. Ich kannte wirklich noch niemand, den ich sonst uneingeladen an meiner Haustür vermuten konnte.
Nach dem zweiten Klingeln entschloss ich mich doch schweren Herzens mein gemütliches Sofa zu verlassen. Von draußen konnte man leider die Beleuchtung meiner Wohnung erkennen und ich konnte mit der Ausrede >niemand zu Hause< nicht unbedingt durchkommen.
Schwungvoll riss ich die Tür auf und wollte Marga schon zurechtweisen, als mir im bildlichen Sinne quasi die Spucke wegblieb. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Vor mir stand Mary.
„Ich störe dich doch nicht?“, fragte sie mich etwas zögerlich, und trat trotzdem einen Schritt auf mich zu. Ich war viel zu überrascht, um sie überhaupt zu begrüßen. Also mit ihr hätte ich wirklich nicht gerechnet.
„Guten Abend“, begrüßte ich sie dann doch förmlich. „Ich hatte nicht mit Besuch gerechnet. … Komm doch herein.“ Das war alles nur reine Höflichkeitsfloskel. Mein Hirn konnte gar nicht verarbeiten, was gerade geschah. Ich wusste doch, dass es keine gute Idee war, mich von ihr nach Hause bringen zu lassen. Was wollte sie hier. Gut wir hatten uns auf Anhieb verstanden und waren uns gleich sympathisch gewesen. Aber … eine Freundschaft? Ich brauchte eigentlich immer etwas länger, um ein richtiges Vertrauensverhältnis aufzubauen, 12 Stunden waren da ein bisschen knapp.
„Schön dich wiederzusehen. Ich komme doch nicht ungelegen?“ Das war schon das zweite Mal, dass sie indirekt nach meinem Terminplan fragte. Wahrscheinlich wollte sie nur abchecken, ob ich alleine daheim war.
„Nein, nicht wirklich“, ließ sie ich jetzt wissen. So unhöflich wollte ich doch nicht sein und sie vor die Tür setzten. Meine Verabredung mit dem Fernseher war eh nicht besonders vielversprechend gewesen.
„Ich hatte es mir gerade gemütlich gemacht“, sprach ich und deutete gleichzeitig auf meinen Gammellook. Ich führte Mary in mein Wohnzimmer und bat sie, sich zu setzten.
„Möchtest du auch ein Glas Wein, ich wollte mir gerade was holen“, bot ich ihr einen Drink an. „Du kannst natürlich auch etwas anderes haben.“ Danach zählte ich einpaar Getränke auf, die ich noch im Haus hatte.
„Nee, … ein Glas Wein ist in Ordnung“, teilte sie mir mit und ließ sich auf den Sessel nieder.
„Wie komme ich zu der Ehre deines Besuchs? Damit hätte ich um die Uhrzeit am wenigsten gerechnet.“ Um meinen schlechten gastgeberischen Empfang etwas auszugleichen, versuchte ich besonders nett zu sein. Ich konnte mir noch immer keinen Reim darauf machen, warum sie mich besuchte. Ich stellte noch ein wenig Knabbergebäck auf den Tisch und sah sie erwartungsvoll an. Schließlich war sie zu mir gekommen und konnte langsam mit einer Erklärung rausrücken.
„Du wunderst dich vielleicht, dass ich so überraschend bei dir aufkreuze. Aber ich hatte keine Telefonnummer, und konnte sie auch über die Auskunft nicht herausbekommen.“ Okay, das war mal der Anfang, warum sie so plötzlich vor der Tür stand. Das mit der Telefonnummer war Absicht, ich hatte eine Geheimnummer die ich nur in Notfällen herausgab, genauso wie meine Handynummer. Das hatte alles mit meinem früheren Leben zu tun.
„Was gibt´s so dringendes?“ Mir viel immer noch kein Grund ein, warum sie abends bei mir auftauchte. Ich wusste, sie hatte unter Tag einiges zu tun, aber extra mit dem Auto herzufahren, dass musste schon wichtig sein.
Sie druckste unbeholfen herum, als wollte sie mit der Sprache nicht herausrücken.
„Ich wollte, … wir wollten, …“, dann fing sie in ihrer Tasche an zu suchen. Mary überreichte mir einen Umschlag. Jetzt war ich doch neugierig. Besonders eine so schüchterne Mary zu erleben, die vier Männer fest im Griff hatte, machte mich sehr neugierig.
„Bitte, lese das! Es ist einfacher als eine Erklärung.“
Da ließ ich mich nicht zweimal bitten. Ich machte den Umschlag auf und hatte eine Einladung in der Hand. Am Sonntag war eine große Einweihungsparty auf der Ranch geplant. Und ich war persönlich eingeladen.
„Wie komme ich zu dieser Ehre?“ So gut befreundet waren wir doch nicht, dass ich mich dazu auserkoren sah, bei einer privaten Party eingeladen zu werden?
„Wir wohnen seit fast einem Jahr jetzt auf dem Gestüt und hatten noch wenig Zeit fürs Gesellschaftsleben. Du bist einige der Wenigen, die es zu uns auf die Ranch geschafft haben, also gehörst du quasi zu den Vip´s.“ Mit einem verschmitzten Lächeln versuchte sie meine Zustimmung zu erreichen.
Sie hatte es wirklich drauf. Natürlich fühlte ich mich geschmeichelt. Vielleicht konnte aus unserer Bekanntschaft doch etwas mehr werden.
„Hey, außerdem musst du noch meine Tochter kennen lernen. Sie ist in einem Internat und kommt zu diesem besonderen Anlass auch nach Hause.“
Mary hatte ein Kind? Das hatte sie mir nicht erzählt. Na ja, unsere Gesprächsthemen hatten sich mehr ums allgemeine gedreht. Über persönliche Dinge hatten wir nicht geredet.
„Ja, ich freue mich deine Tochter kennen zu lernen. Da hast du wenigstens noch eine Stützte in deinem Männerhaushalt!“
„Ja!“, stimmte sie mir strahlend zu, „Leider ist sie nicht so oft zu Hause wie ich es gern hätte …“
„Wie sieht es mit der Kleiderordnung aus?“ Ich wollte dort nicht overdressed auftauchen.
„Der Empfang ist erst abends, aber ein „Kleines Schwarzes“ reicht völlig aus. Ich rechne aber fest mit dir schon am frühen Nachmittag. Es kommen verschiedene Pferdehändler und auch Züchter. Ich könnte eine weibliche Unterstützung brauchen.“ Soviel zu meinem Vip-Status.
„Was erwartest du von mir? Ich kann mit Sicherheit eure Gäste nicht fachlich beraten. Ich bin froh, dass ich ein Pony von einem Pferd unterscheiden kann.“ Ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht ließ mich erahnen, dass sie eine ganz andere Aufgabe in ihrem Hinterkopf für mich hatte.
„Du musst wirklich nichts machen, nur Anwesenheit ist Pflicht. Bitte versprich mir das!!“ Sie schaute mich so hoffnungsvoll und erwartungsvoll an, ich konnte es ihr nicht abschlagen. Und was hatte ich auch zu verlieren, ich hatte nichts vor und das Wetter versprach auch an diesem Wochenende wieder schön zu werden.
Wir plauschten noch eine Weile über alles Mögliche und kurz vor 22 Uhr verabschiedete sich Mary von mir. Wir hatten wirklich einen guten Draht zueinander und der Abend war ruck zuck verflogen.
Ich machte mich auch fertig für die Nacht und räumte noch den Tisch ab. Die Einladung laß ich mir nocheinmal genau durch, sie war richtig profimäßig aufgesetzt. Unterschrieben war sie von Martin und Josef Major. Joe, an ihn hatte ich gar nicht mehr gedacht. Das war leicht übertrieben. Ich hatte mich gezwungen nicht mehr an ihn zu denken. Ich wollte mich nicht mehr an seine letzte Begegnung erinnern. Meine Gefühle waren viel zu sehr aufgewühlt, sobald ich mir gestattete an ihn zu denken, den Kuss, den er mir geraubt hatte.
Es war doch nicht so eine gute Idee diese Einladung zu zustimmen. Ich sollte mich von ihm fern halten, ich wollte keinen Mann in mein Leben lassen. Was sollte ich machen, Mary absagen und ihr eine fadenscheinige Ausrede liefern. Nein, so ein Feigling war ich nun doch nicht. Sie wollte weibliche Unterstützung haben, in einer Welt voller Männer. Ich konnte sie eigentlich verstehen.
Samstag, Mädelstag! Wir hatten schon vorher geplant in der Stadt einen Einkaufsbummel zu machen. Jetzt brachte er auch für mich Sinn. Ich sollte mir für meine Einladung unbedingt ein „Kleines Schwarzes“ zulegen. Mein Kleiderschrank gab sowas nicht her. Früher…, früher war ich kaum auf Partys unterwegs gewesen, ich hatte sowas nicht gebraucht.
Meine zwei Damen waren natürlich hellauf begeistert, als sie von meiner Einladung hörten. Am liebsten wären sie auch mitgekommen. So hatte ich eine fachliche Beratung, die fast schon zuviel war. Zumindest wurden wir fündig und ich hatte für Sonntagabend ein schickes Outfit zusammen gestellt. Mit einem riesigen Eisbecher beendeten wir unsere Shoppingtour. Das war mit das Beste vom Tage.
Den Abend genoss ich dann alleine auf meinem Sofa, fast alleine. Ich hatte mir noch ein Buch von meinem Lieblingsautor gegönnt, auf das ich mich schon freute.
Es hatte eindeutig Vorteile, wenn man auf niemanden mehr Rücksicht nehmen musste. Sonntagmorgen, ich konnte lange schlafen und mir dann nach dem Frühstück ein entspannendes Bad gönnen. Keiner drängelte oder drangsalierte, keiner der einen zur Eile antrieb.
Ich genoss es wirklich ohne Hektik meine Zeit einzuteilen. Obwohl, so ein kleiner Freund an meiner Seite wäre auch nicht schlecht. Ich sollte mir das wirklich mal durch den Kopf gehen lassen. Jumper hatte mich daran erinnert, dass es doch auch sehr viel Spaß mit ihm gemacht hatte. Seine Aufmerksamkeit war auch sehr schön gewesen. Aber so ein großes `Haustier´ kam natürlich nicht in Frage, mehr etwas, dass sich bei mir auf den Schoß kuscheln konnte.
Es wurde doch langsam Zeit, dass ich mich fertig machte. Ich beschloss mir meine Jeans und Bluse anzuziehen, da ich auf jeden Fall noch meinen großen Freund im Stall besuchen wollte. Auf ihn freute ich mich richtig, alleine deshalb lohnte sich der Ausflug schon. Meine Abendgarderobe nahm ich in einer Extratasche mit, schließlich wollte ich nicht so den ganzen Mittag durch die Gegend stöckeln.
Nach fast einer Stunde Fahrzeit hatte ich es endlich geschafft. Ein Navi machte nur dann Sinn, wenn es alle Straßen, auch die neuen, eingespeichert hatte. Leider war die Ranch mehr an besseren Feldwegen gelegen, so fand mein Wegweiser es recht lustig mich zweimal in die verkehrte Richtung zu lotsen. Zum Glück war ich doch recht früh losgefahren und die längere Anfahrtszeit machte das wieder wett.
Kaum hatte ich mein Wagen geparkt, wurde ich auch schon stürmisch begrüßt. Mary eilte mir aus dem Hauptgebäude entgegen und fiel mir in den Arm.
„Klasse, dass du schon da bist. Komm gleich rein, ich stelle dir meine Tochter Lissy vor.“ Überschwänglich zog sie mich am Arm Richtung Haus. Ich war es wirklich nicht gewohnt, so engen Körperkontakt zu haben, auch wenn wir uns sympathisch waren. Trotzdem bemühte ich mich, ihr mein Unbehagen nicht zu zeigen. Lissy stand im Esszimmer und richtete noch einige Besteckteile auf dem Tisch zurecht. Sie wurde von ihrer Mutter sofort zu uns hergerufen.
„Lissy, Schatz, schau, das ist Sina! Sie hat deinen Onkel gerettet!“ Um Himmelswillen, mit welcher verdrehten Darstellung wurde ich hier vorgestellt? Ich fand es doch mehr als leicht übertrieben.
„Hey Lissy, schön dich kennen zu lernen“, begrüßte ich das Mädchen. Sie war 17 und sehr hübsch. Das Aussehen hatte sie von ihrer Mutter, rote Haare und grüne Augen, nur ihre Figur war noch nicht so weiblich ausgeprägt.
„Sie sind der Held des Tages“, lachte sie mich an, als sie mir die Hand schüttelte.
„Du kannst ruhig Sina zu mir sagen“, bot ich ihr gleich das du an. Sie hatte dieselbe herzliche Art ihrer Mutter. So plauderten wir Damen eine ganze Weile, in der wir nebenher den Tisch für den Kaffee fertig richteten.
Als hätte jemand den Gong geschlagen, stürmten die Herren der Ranch das Esszimmer, es war Kaffeezeit angesagt. Ich wurde von jedem wie eine alte Bekannte begrüßt mit einem Handschlag. Auch Joe kreuzte auf und gab mir die Hand. Er zog mich vorsichtig in seinem Arm und drückte mich leicht an sich. Es hätte mir schon klar sein müssen, dass er mich nicht auf dieselbe Weise begrüßte wie der Rest.
„Ich freue mich, dass du mich besuchst“, flüsterte er in mein Ohr. Was hatte Mary ihm den erzählt? Das ich nur wegen ihm die Einladung gefolgt war? Ich musste unbedingt die Sache klarstellen. Schließlich wollte ich nicht, dass er sich falsche Hoffnungen machte.
Kaum saßen wir alle am Tisch, begann das übliche Gespräch über Pferde, Ranch und dem heutigen Empfang. Ich hatte keine Gelegenheit mit Joe einpaar Sätze privat auszutauschen. So sah ich mich nur um, und ließ die ganze Atmosphäre auf mich wirken.
Sie waren wie eine Großfamilie und mich hatten sie anscheinend mit aufgenommen. Mary strahlte übers ganze Gesicht. Martin saß neben ihr und unterhielt sich mit Joe. Dazwischen hatte ich meinen Platz. Dann kam Kevin, der sich angeregt mit Lissy unterhielt. Sie hing an seinen Lippen um kein Wort sich entgehen zu lassen. Mein Bauchgefühl sagte mir, da war mehr im Spiel als nur Interesse. Die Runde vervollständigte Jim, der neben seiner Schwester Mary saß, auch sie waren in einem Gespräch vertieft.
Es war gerade mal eine halbe Stunde um, als ich einen Wagen vorfahren hörte. Anscheinend war das traute Familienleben für heute beendet. Die ersten Gäste trafen ein und die Hausherren machten sich sogleich auf den Weg um sie zu empfangen. Uns Frauen blieb dann nur den Tisch neu zu richten, damit die nächsten sich hier mit Kaffee und Kuchen stärken konnten.
„Danke für deine Hilfe, Sina. Aber du brauchst das wirklich nicht zu tun. Ich habe dir doch gesagt, du stehst auf der Gästeliste und kannst dich genauso verhalten.“ Mary schubste mich mehr oder weniger einfach aus der Küche. War mir auch recht, jetzt konnte ich eh nicht mehr viel helfen. Ich wollte außerdem unbedingt bei Jumper vorbeischauen, bevor mir die Zeit vielleicht nicht mehr reichte.
Da keiner der Männer mehr in Sichtweite war, machte ich mich zuerst auf den Weg in den Stall. Ich wollte hier nachschauen, ob die Pferde vielleicht schon von der Koppel zurück waren. Aber es war alles sehr ruhig. Kein geschnaube oder ähnliche Geräusche waren zu hören. So machte ich mich weiter und ging durch den Hinterausgang hinaus, der Richtung der Felder lag. Da sah ich auch schon die Gruppe von Männern, die sich am Zaun die Pferde betrachteten.
Es war schon ein wunderschönes Bild, wie die Tiere über die Wiese galoppierten. Vorneweg war Jumper, er führte die Truppe anscheinend an. Grüßend ging ich an den Pferdehändler vorbei, es waren vier neue Gesichter dabei, und lehnte mich einpaar Meter weiter auch gegen die Umzäunung und schaute dem Spiel der Pferde weiter zu. Es waren keine fünf Minuten vergangen, als ich neben mir eine Bewegung spürte. Einer der Fremden war zu mir getreten.
„Das sind wunderbare Tiere. Suchen Sie sich auch einen Zuchthengst aus?“ Anscheinend nahm der Mann an, ich betreibe auch ein Gestüt. Ich musste grinsen, denn mein Outfit hatte den Typen auf die falsche Spur gelenkt, Jeans und Bluse schien für heute Nachmittag doch der richtige Riecher gewesen zu sein.
„Nein, ich besuche nur einen Freund“, klärte ich die Verhältnisse auf.
„Oh, ich verstehe. Ich bin Wolfgang von Thysen“, stellte er sich ganz Gentlemanlike vor. Er nahm meine Hand und gab mir ganz vornehm einen Kuss darauf. Wow, wie spießig war das denn?
„Sina Silver“, stellte ich mich ebenso vor. „Nett Sie kennen zu lernen.“ Verdächtig lange hielt er immer noch meine Hand in seiner und schaute mich sehr abschätzig dabei an. Ich überlegte gerade, ob ich irgendwas in meinem Gesicht hätte oder mich anderweit verkleckert, als eine weitere Person hinter mich trat.
„Herr von Thysen, Sie haben schon Frau Silver kennen gelernt?“ Schnell entzog ich meine Hand aus der von Wolfgang von Thysen. Es schien mir irgendwie unangebracht, dass Joe uns so erwischt hatte, warum auch immer.
„Ja, Herr Major, wir haben uns schon bekanntgemacht. Ihre Freundin ist sehr adrett. …“
„Ich bin nicht seine Freundin“, stellte ich gleich mal diese falsche Vermutung klar. Ich weiß zwar nicht welche Blicke über mein Kopf ausgetauscht wurde, da Joe immer noch hinter meinem Rücken stand, aber über Herrn Thysens Mine strahlte nun ein breites Lächeln.
Ich fühlte mich gerade nicht besonders, wie die Maus, um die sich zwei Kater stritten. Um mich abzulenken, stellte ich mich wieder direkt an den Zaun und beobachtete weiter die Tiere. Die beiden Männer taten das gleiche, obwohl Joe wieder sehr besitzergreifend hinter mir stand, als wollte er mich vor den Blicken der anderen abschirmen.
Plötzlich ertönte ein lauter, schriller Pfiff hinter mir. Alles schaute zu uns rüber. Auch die Pferde auf der Koppel hoben ihre Köpfe. Der einzige der eine Reaktion zeigte, war Jumper. Er sprang im vollen Galopp auf uns zu. Ich machte einen Schritt zurück, mir war das doch nicht ganz geheuer, wie er auf uns zuraste. Leider war meine Ausweichmöglichkeit nicht besonders groß. Ich presste mich dabei direkt an den muskulösen Körper von Joe. Der nutzte das natürlich sofort aus und legte seinen Arm um mich.
„Wolltest du nicht Jumper besuchen?“ fragte er mich scheinheilig. Er wusste genau, was für eine Wirkung Jumper hatte, wenn er auf andere zu rannte. Ich befreite mich sofort und brachte soweit es ging wieder einen Abstand zwischen uns. Jumper war auch schon da und hatte rechtzeitig abgebremst. Er stand direkt vor uns und schnaubte nervös durch die Nüstern.
„Hey, Süßer“, sprach ich ihn an. „Schon lange nicht mehr gesehen. Erinnerst du dich noch?“ Ich hob wie beim letzten Mal langsam meine Hand und ließ ihn daran riechen. Er rieb seinen Kopf bereitwillig an meiner Handfläche. Also hatte er mich wiedererkannt, zumindest faste ich es so auf.
„Kann ich zu ihm rein?“ fragte ich bei Joe nach. Ich wusste ja nicht, ob Joe davon begeistert wäre, wenn ich mit seinem Hengst schmuste.
„Tu dir keinen Zwang an, ich weiß doch, dass ihr euch vertragt.“ Das war wahrscheinlich leicht übertrieben. Ich tat seinem geliebten Pferd mit Sicherheit nichts, aber ob er sich in seiner Gewalt hatte? Hier im Freien würde mir nicht passieren. Wenn Jumper irgendwas nicht passte, konnte er sich jederzeit umdrehen und davon marschieren.
Also quetschte ich mich zwischen zwei Querlatten hindurch und stand in der Koppel drei Schritte von Jumper entfernt. Wolfgang von Thysen hatte uns die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen. Anscheinend fand er es faszinierend, dass ein Pferd auf Ruf horchte wie ein Hund und angetrabt kam. Mit einem großen Schritt war er nun direkt an den Zaun und vor Jumper getreten, da ja ich den Platz freigemacht hatte. Ohne sich mit dem Hengst vertraut zu machen, griff er einfach darüber und wollte Jumper anfassen. Der fand das gar nicht so toll. Wie schon erwartet, machte er einen nervösen Satz nach hinten und tänzelte ungeduldig herum.
„Was hat das Tier den nur?“ fragt der `erfahrene´ Pferdezüchter erstaunt.
„Sina, bleib weg!“ bekam ich die strikte Anweisung von Joe. Aber wie konnte ich das. Jumper war von den Fremden irritiert und wollte eigentlich gar nicht mehr angefasst werden, zumindest nicht von Unbekannten.
Leise sprechend ging ich mit kleinen Schritten auf ihn zu. Das Gemurmel um uns herum hatte zum Glück aufgehört, so konnte Jumper sich nun auf mich konzentrieren. Er schüttelte weiterhin nervös mit seinem Kopf, aber er blieb zumindest stehen und wich nicht vor mir zurück. Endlich konnte ich ihm an den Kopf fassen und sanft streicheln. Erst seine Seite, dann an den weichen Nüstern entlang. Es schien ihm zu gefallen. Er presste sich regelrecht in meine Hand. Ich war nur noch glücklich, ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man merkt, dass das Vertrauen zurück gegeben wird.
So stand ich wie schon einmal, einen Arm um seinen Hals geschlungen und mit der anderen sachte den Kopf streichelnd bei Jumper und sprach unsinnige Liebkosungen auf ihn ein.
„Wow, das haben Sie ja gut im Griff“. Wolfgang von Thysen und die anderen Besucher standen an der Umzäunung und beobachteten mich. Jetzt verstand ich auch Jumper warum er nervös geworden war. So angestarrt zu werden war auch nicht mein Ding. Ich führte in an seinem Halfter einpaar Meter weiter, damit ich mit ihm alleine stand. Ich wollte auch nicht, dass er von den Fremden wieder betatscht wurde. Joe war mir außerhalb gefolgt und wir standen uns jetzt direkt gegenüber. Sein Gesichtsausdruck war nicht so erfreulich wie die der anderen.
„Was war an meiner Anweisung unklar?“ schnauzte er mich an. „Du brauchst hier niemand etwas zu beweisen!“ Gott, ich wusste gar nicht was ich falsch gemacht hatte! Es war nichts passiert, warum regte er sich so auf?
„Danke für deine Hilfe!“ meinte ich dann nur ironisch. Okay, eigentlich wollte ich mich nicht mit ihm streiten. „Soll ich Jumper gleich in den Stall führen, oder bleiben die Pferde noch eine Weile auf der Weide?“ Das Beste war einfach über seine miese Laune hinwegzusehen. Ansonsten hätte ich wahrscheinlich meine Sachen gepackt und wäre nach Hause gefahren, aber diese Option ließ ich mir noch offen.
„Nein, gib ihn mir ich hole gleich die anderen auch von der Koppel und bringe sie in den Stall.“ Kaum hatte Joe ausgesprochen, war er auch schon neben mir und Jumper auf der Wiese. Mit einem eleganten Satz war er auf dem Pferderücken und ritt ohne Sattel auf die Herde zu. Jetzt verschlug es mir ersteinmal die Sprache. Er sah aus wie ein Gott. Er ritt, als wäre er mit dem Pferdekörper verschmolzen. Es sah einfach prächtig, sexy und vollkommen aus.
Ich stand da und beobachtete das Geschehen. Er griff sich die Leitstute und führte sie zum Ausgang, den Martin und einer der anderen schon für ihn geöffnet hatten. Ohne das einer versuchte Auszubüchsen, schritten die Pferde in Reih und Glied hinter Jumper her und liefen in den Stall.
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Ich machte mich auf den Weg ins Haus, nachdem alle wieder in den Stall verschwunden waren. Wahrscheinlich wurden die Pferde jetzt aus der Nähe begutachtet und noch einige wichtige Fachgespräche geführt.
Ich meldete mich bei Mary zurück, die mit Lissy und Kevin die unteren Räume noch fertig dekoriert hatten. Das Esszimmer hatten sie mit dem Wohnzimmer in einen großen Raum verwandelt. Die Verbindungstüren waren geöffnet und so erschien es als einheitlicher Saal. Mary hatte mir erzählt, dass eine Cateringfirma für das Essen heute Abend zuständig wäre und sie so keine Arbeit damit hatte. Die Lösung fand ich super und so hatte Mary auch etwas von der Party und musste sich nicht auch noch um das leibliche Wohl der Gäste kümmern.
„Könnte ich mich nocheinmal irgendwo frisch machen?“ Ich erzählte in Kurzversion, was sich auf der Koppel abgespielt hatte und erwähnte auch Joes seltsames Verhalten.
„Sei ihm nicht böse, er meint es nicht so“, versuchte Mary ihn natürlich in Schutz zu nehmen. „Er hat sich wahrscheinlich wirklich Sorgen um dich gemacht, den Jumper lässt keinen an sich ran. Es war ein halbes Drama, als Joe noch nicht fit genug war, um ihn zu versorgen.“ Also gut, ich wollte darüber hinwegsehen, schließlich sollte ich mich geschmeichelt fühlen, dass er um mich besorgt ist.
„Wie sieht es aus, kann ich nochmals duschen gehen, meinen innigen Kontakt zu Jumper hat mich doch mehr nach Stall riechen lassen wie ich es beabsichtig hatte.“ Meine vorsichtige Ausdrucksweise, dass ich nach Pferd stank, brachte Mary zum Lachen.
„Meine Gästezimmer sind heute alle belegt, würde es dir was ausmachen, kurz bei Josef unter die Dusche zu stehen? Die Jungs sind draußen noch eine Weile beschäftigt.“ Was sollte ich machen? Ich schüttelte also den Kopf, den ich wollte Mary auch keine Umstände bereiten. Wenn ich mich beeilte, war ich ja auch in Null-komma-nichts fertig und könnte Mary dann unten noch etwas Gesellschaft leisten.
Zielstrebig machte ich mich auf den Weg zu Joes Reich. Meine Kleider richtete ich mir vorsorglich aufs Bett, damit ich anschließend nur hineinschlüpfen musste. Die Dusche tat gut, obwohl ich morgens schon ein ausgiebiges Bad hatte. Ich genoss das warme Wasser, das an mir hinab rieselte. Die Dusche hatte ich das letzte Mal schon bewundert. Sie war wie eine Schnecke gebaut, man ging einmal im Kringel und war dann in der Mitte vor einer großen Brauseanlage.
Ich war gerade damit beschäftigt mein Shampoo wieder aus den Haaren zu bekommen, als ich mich beobachtet fühlte. Da es etwas ungeschickt ist, mit seifigem Gesicht die Augen zu öffnen, versuchte ich es erst gar nicht. Leider ließ das Krippeln nicht nach. Ich konnte direkt spüren, dass ich nicht mehr alleine war.
„Wer ist hier?“, fragte ich einfach ins Blaue hinein, hoffend, dass ich keine Antwort erhalten würde. Hatte ich die blöde Tür nicht abgeschlossen? Die zum Nachbarzimmer auf jeden Fall.
„Ich finde das eine schöne Überraschung, wenn eine Wassernixe unter meiner Dusche steht“, kam auch prompt die Antwort. Meine Absicht, mich von Joe fern zu halten, fiel buchstäblich ins Wasser. Schlimmer konnte es doch eigentlich gar nicht mehr kommen. Entsetzt riss ich meine Augen dann doch auf und schloss sie nach einen kurzen Augenblick wieder. Er stand nackt, Splitterfaser nackt vor mir. Das wollte ich nun eigentlich nicht sehen, obwohl, der kurze Augenblick hatte eigentlich schon gereicht um mir seinen Adoniskörper zu zeigen. Er musste ihn wirklich nicht verbergen. Meine Gedanken sollten sich eigentlich nicht um die nackte Tatsache drehen, dass sein Körper anbetungswürdig war.
Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich genauso nackt unter der Dusche stand. Ja, halloo, … natürlich dusche ich ohne Kleider. Ich drehte mich schnell um, um wenigstens ein Teil meiner Blöße abzuwenden.
„Könntest du nicht anstandshalber warten, bis ich fertig bin?“ Sich jetzt anzukeifen, wegen Privatsphäre und meiner Schamhaftigkeit fand ich lächerlich. Mein roter Kopf war ihm mit Sicherheit schon aufgefallen. Also versuchte ich mich cool zu geben.
„Mich stört es nicht, dass du meine Dusche benutzt, solange es dich nicht stört!“ Blödmann, natürlich konnte ich schlecht sagen, er darf seine Dusche nicht benutzen. Zum Glück war ich fertig und konnte sofort gehen. Leider war der Weg nach draußen von Joe blockiert und ich musste mich an ihm vorbei drücken. Als wäre es eine Aufforderung gewesen, schlag er seine Arme um mich und hielt mich fest. Seine Augen fixierten mich mit diesem leidenschaftlichen Blick, den er das letztemal schon drauf hatte.
„Bitte, einen kleinen Kuss“, stöhnte er mir mehr ins Ohr, als dass er noch vernünftig sprechen konnte. Seine Gefühle für mich konnte er wirklich schlecht verbergen, gut er stand nackt vor mir. Und dass was ich nicht sah, spürte ich an meinem Bauch, eindeutig. Ein kleiner Kuss, konnte ich dazu nein sagen? Wir waren erwachsene Leute, wir konnten mit unseren Gefühlen umgehen!
Wie doof war ich denn? Manchmal war ich wirklich naiv. Meine Unerfahrenheit hinsichtlich Männer machte sich sofort bemerkbar. Natürlich war das kein kleiner Kuss, zumindest nicht in meinen Augen. Joe legte seine ganzen Gefühle hinein. Er war sanft, zärtlich und gleichzeitig voller Leidenschaft. Das Krippeln in meinem Bauch nahm schlagartig über Hand. Mir wurde fast schwindelig. So ein Gefühl hatte ich bei meinem Exmann noch nie gehabt. Oder der war einfach ein schlechter Küsser.
Nach gefühlten Stunden ließ er von mir ab, ohne dabei aber seine Hände unter Kontrolle zu halten. Ich wusste, so leicht kam ich aus dieser Situation nicht mehr raus, wenn ich mich jetzt nicht schnell genug entfernte. Auch meine Schmetterlinge im Bauch schlugen Saltos, aber ich wollte mich nicht darauf einlassen. Noch hatte meine Vernunft eine klitzekleine Oberhand.
Mit einer eleganten Bewegung drehte ich uns so, dass Joe unter dem Brausestrahl stand. Ein Griff an die Wärmeregelung und ich machte einen Schritt zurück. Ein lautstarkes Fluchen zeigte mir, dass ich mit meiner Aktion Erfolg hatte. Obwohl mir eine kalte Dusche jetzt auch gut getan hätte. Zumindest meine Gedanken wären dann etwas abgekühlt worden. Lachend brachte ich mich in Sicherheit. Tja, wer mit dem Feuer spielte, muss damit rechnen, dass zum Löschen nicht immer das erwünschte genommen wurde.
So schnell war ich noch nie in meine Kleider geschlüpft. Ich wollte es wirklich nicht darauf anlegen, dass ich von Joe nocheinmal ertappt wurde. Außerdem war ich mir auch nicht mehr ganz so sicher, dass ich bei einer weiteren Attacke von ihm, mich noch einmal aus der Affäre ziehen konnte. Er sah einfach zum Anbeißen aus, mit und ohne Kleider!
Ich wollte gerade aus der Tür schlüpfen, als Joe das Badezimmer verließ. Nur mit einem Handtuch um die Hüfte geschlungen steuerte er mich schon wieder an.
„Nein, mein Lieber, du solltest dich fertig machen, und deine unanständigen Gedanken unter Kontrolle halten.“
Mit einem breiten Grinsen machte ich mich auf den Weg nach unten. Ich wusste, dass ich sexy aussah, zumindest hatten meine Modeberater es mir sehr deutlich gesagt. Das Kleid war eigentlich ganz schlicht geschnitten, passte sich aber meiner Körperform perfekt an, als wäre es nur für mich gemacht worden. Auch der Ausschnitt hatte die richtige Form um meine Weiblichkeit zu betonen, nicht zu viel und nicht zu wenig wurde gezeigt.
Mary hatte sich inzwischen auch schon zurecht gemacht und sah richtig elegant aus. Ihre normale Alltagskleidung bestand hauptsächlich aus Jeans und Hemdblusen, sodass sie es auch genoss, als was Eleganteres anzuziehen.
„Hey, du siehst klasse aus“, wurde ich begrüßt. „Wahrscheinlich muss ich einen Bodyguard für dich engagieren, sonst fallen die männlichen Gäste über dich her.“ Mary schmeichelte meinem Ego ganz gewaltig. Bei Marga und Tanja war es fast normal, dass sie mich immer aufbauen wollten, aber Mary wusste von meinem Vorleben noch nichts. Umso mehr freute ich mich über ihr Kompliment.
„Du machst mich ganz verlegen. Aber ich muss deine Kleiderwahl auch bewundern, es steht dir perfekt“, gab ich ihre Schmeichelei zurück.
Das abendliche Diner wurde hochgelobt, nicht nur das Essen war Erstklassik. Die Mühe und Arbeit, die sie alle in die Ranch investiert hatten wurde sichtlich belohnt. Aus einigen Gesprächen, die ich am Rand mitbekam, wurden sehr intensive Geschäftsverhandlungen geführt. Nicht jeder der Gäste war alleine gekommen, zwei hatten ihre Ehefrauen mitgebracht und Mary und ich machten Smalltalk mit ihnen. Es sollte sich niemand langweilen oder sogar überflüssig vorkommen.
Gegen Mitternacht wollte ich mich endlich auf den Weg nach Hause machen. Morgen begann mein Arbeitstag und ich bräuchte vorher noch einpaar Stunden Schlaf. Joe hatte mit seinen Geschäftsfreunden den ganzen Abend zu tun gehabt, und außer beim Essen, bei dem er wie selbstverständlich neben mir saß, keine Möglichkeit gefunden mit mir sich noch privat zu unterhalten. Unser kurzes Intermezzo unter der Dusche stand noch immer ungeklärt zwischen uns.
„Mary, ich gehe! Richtest du bitte allen liebe Grüße aus, ich will sie nicht in ihren Gesprächen unterbrechen.“ Mit meiner Jacke über dem Arm, stand ich bei ihr und nahm sie kurz zur Verabschiedung in den Arm.
„Melde dich bitte bei mir, ich möchte nicht noch einmal solange warten, bis du uns besuchst, Sina. Bitte!“ Ich nickte ihr kurz zu und machte mich auf den Weg zu meinem Auto. Ich hatte die Haustür noch nicht erreicht, als ich von hinten ausgebremst wurde. Wolfgang von Thysen hatte seinen Arm um meine Taille gelegt und hinderte mich so daran weiterzulaufen.
„Sie wollen doch nicht ohne Verabschiedung einfach so gehen?“ Ich war total überrumpelt, mit welcher arroganter Art, er sich mir genähert hatte.
„Nehmen .. Sie .. Ihre .. Hände .. weg!!“ Wo waren wir denn? War ich Freiwild? Ich konnte mich nicht erinnern, irgendjemand gestattet zu haben mich einfach zu begrabschen.
„Ach kommen Sie, Sie wollen doch heute mit Sicherheit nicht alleine nach Hause gehen?“ Wieviel Eitelkeit schadet einem Mann, bis sein Kleinhirn komplett verblödete? Meinte er, nur weil er einen Adelstitel trug, vielen alle Frauen ihm vor die Füße? Ich hatte schon den ganzen Abend das unangenehme Gefühl, dass er mich mit seinen Blicken auszog.
Ich war kurz darauf meine Beherrschung zu verlieren. Wie weit konnte ich gehen? Ihm eine mitten ins Gesicht zu knallen, war ganz oben in meiner Priorität. Aber die potenziellen Kunden von der Ranch zu vermöbeln war wahrscheinlich ziemlich geschäftsschädigend.
Als er mit einen Kuss aufzwingen wollte war, meine Überlegung sofort entschieden. Soweit war ich niemanden was schuldig, dass ich mich so berühren lassen musste. Mein Retter war aber schon herbeigeeilt. Bevor ich richtig ausholen konnte, fand ich mich in den Armen von Joe wieder.
„Die Lady geht alleine nach Hause“, kam es bestimmend von ihm. Gleichzeitig hatte er von Thysen einen kräftigen Schups gegeben, dass er an die Wand hinter sich prallte. Anscheinend hatte er den letzten Satz noch mitbekommen und meine Zwangslage gesehen. Ach Gott, wie romantisch! Trotz meiner blankliegenden Nerven, kam mir die Situation leicht kitschig vor.
Mein Ritter in leuchtender Rüstung eilte der holden Magd zur Hilfe. Ich drückte mein Gesicht an Joes Brust, damit er mein hysterisches Gekicher nicht mitbekam. Ich sagte doch, meine Nerven waren überstrapaziert, ich war müde und mein geistiger Zustand gab dann nicht mehr viel her.
„Alles in Ordnung?“ fragte mich mein Beschützer, der nur mitgekommen hatte, dass ich an seiner Brust bebte. „Herr Thysen, Sie gehen jetzt besser. Falls Sie noch geschäftliche Interessen mit uns haben, melden Sie sich telefonisch!“ Das war ein eindeutiger Rausschmiss! Ich verharrte noch einige Minuten bei Joe, weil ich meinem Möchtegern-Verehrer nicht mehr ins Gesicht schauen wollte.
Als die Haustür zuklappte, löste ich mich auch von Joes Umarmung.
„Danke für deine Hilfe. … Ich weiß nicht was heute mit der Männerwelt los ist.“ Mit einem ironischen Blick bedachte ich Joe. „Jeder fühlt sich verpflichtet, mir unaufgefordert Zärtlichkeit zu schenken.“ Ich schaute ihm direkt in die Augen. Er wusste auf was ich ihn ansprach. Auch er hatte mich in der Dusche einfach überrascht. Mit reuevollem Blick senkte er seine Augen.
„Tut mir leid. … aber eigentlich nicht!“, nahm er seine Entschuldigung gleich wieder zurück. Ich musste tief Luft holen. Was kam jetzt? Er bereute es nicht mich halb überfallen zu haben?
„Du bist eine sehr attraktive Frau, Sina. Und nicht nur ich möchte dich am liebsten nicht mehr aus meinen Armen lassen. … Alle Männer haben dich mit begehrlichen Augen angesehen. … Den ganzen Tag schon. … Es macht mich verrückt, wenn du nicht in meiner Reichweite bist.“ Wow! Was war das denn? Eine Liebeserklärung? Wir hatten jetzt, … mal kurz überlegen …, nicht mal drei ganze Tage zusammen verbracht, und davon war er einen ohnmächtig. Wie kann man da schon von Liebe sprechen?
„Also, ich … ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll“, stotterte ich vor mich hin, „ Wir kennen uns doch kaum …“. Gut ich hatte inzwischen schon mehr von ihm gesehen und gespürt wie sonst in den letzten zwei Jahren von einem Mann. Schlechtes Kapitel von meinem Eheleben! Aber gleich von großer Liebe reden? Ich war ein gebranntes Kind, so schnell konnte mich keiner mehr überzeugen.
„Nochmals danke für deine Hilfe, ich fahre jetzt besser heim!“ Entschlossen machte ich mich nun endgültig auf den Nachhauseweg. Da ich in der Dunkelheit meinen Weg wieder neu finden musste, brauchte ich auch dementsprechend lang. Ich fühlte mich wie erschlagen und ließ mich nur noch in mein Bett sinken.
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Die Arbeitswoche glich dem wie letztes Mal, ich konnte es fast als erholsam betiteln. Abends machte ich es mir im Wohnzimmer gemütlich und relaxte ausgiebig. Seltsamer Weise fand ich meine ruhiges Heim bis Ende der Woche fast als erdrückend. Ich sollte mich doch wirklich langsam um einen Mitbewohner kümmern. Das mit einer kleinen Schmusekatze fand ich immer besser. Am Wochenende könnte ich doch im Tierheim vorbeischauen und mir einen kleinen heimatlosen Streuner meine Wohnung teilen.
Dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ich machte mich im Internet schlau, wo das nächste Tierheim lag. Das Sinnvollste erschien mir in die nächste Kreisstadt zu fahren. Hier war die Auswahl an herrenlosen Tieren bestimmt ziemlich groß. Das Stadtleben war für manche Tierbesitzer nicht einfach und so endete doch manch gutgemeinte Initiative der Familienvergrößerung nicht besonders menschlich.
Am Samstagmorgen machte ich mich dann auch gleich auf den Weg. Es waren schon einige Kilometer, die ich zurücklegen musste. Aber eine Stunde Fahrzeit nahm ich gerne in Kauf. Da ich mir die Adresse in mein Navi eingespeichert hatte, war das Ausfinden der Anlage auch kein Problem. Es war ein neues Tierheim und lag außerhalb am Stadtrand. So störte es auch niemand, falls es mal lauter zuging.
Ich wurde freundlich empfangen. Als ich mein Anliegen vortrug, wurde ich sogleich ins Büro zum Leiter des Tierheims gebracht. Er stellte sich mit Herr Wogner vor und ich bekam einen informativen Vortrag über seine Ansicht der Tierhilfe. Ich war schon beeindruckt über sein Engagement, dass er hier absolut mit einfließen ließ. Er kümmerte sich auf jeden Fall um das Wohlergehen seiner Schützlinge und darin lagen auch die Prioritäten.
„Also Frau Silver, ich wollte Sie nicht abschrecken, und freue mich natürlich, dass Sie sich einen Hausgenossen zulegen wollen, aber Tiere sind keine Spielzeuge, die man nach fünf Minuten wieder in die Ecke stellen kann.“
„Ich habe dafür volles Verständnis“, stimmte ich ihm zu, und war eigentlich mehr beeindruckt darüber, dass er nicht jedem ein neues Haustier aufs Auge drücken wollte, nur damit er sein Haus etwas leerer bekam. Wie üblich, waren die Tierheime fast immer überbelegt.
„Ich denke aber, da ich auf dem Land wohne, hat ein Kater oder Kätzchen bei mir doch eine sehr gute Lebensqualität.“ Ich konnte mir gut vorstellen, dass nach einer gewissen Eingewöhnungsphase, meine zukünftige Katze, auch Ausgang bekam.
„Das freut mich zu hören“, stimmte mir Herr Wogner zu. „Kommen Sie mit, ich führe Sie in unserer Anlage etwas herum.“
Die Einrichtung war nicht klein. Es gab Außengehege, die auch größere Tiere den Aufenthalt ermöglichten. Sogar für die Hunde hatten sie genügend große Zwinger bereit, dass auch bei gewisser dominanter Abneigung die Tiere nicht gezwungen waren in einem Käfig zu leben. Es tat mir in der Seele leid, als ich die, doch sehr viele Hunde hier, eingesperrt sah. Aber ich konnte mir keinen zulegen. Da ich den ganzen Tag berufstätig war, konnte ich das keinem Hund antun, alleine in der Wohnung auszuharren.
Das Katzengehege war im Innenbereich. Hier gab es anscheinend keine getrennten Käfige. Es sah wie ein großes Spielzimmer aus, wie für kleine Kinder. Überall lagen Bälle, Stoffmäuse und andere beschäftigungsträchtige Teile herum. Viele ließen sich gar nicht stören und lümmelten weiter auf ihren Liegeplätzen.
Ein bunter Wollknäul kam auf mich zugesprungen und regte sofort meine Aufmerksamkeit. Sie war noch recht jung, dass sah ich auch als Laie gleich. Ich hatte mir eigentlich keine Gedanken darüber gemacht, wie alt mein Hausgenosse sein sollte. Aber ein Katzenbaby? Ich hatte keine Zeit mich am Anfang sehr intensiv mit ihm zu befassen. Wochenende, zwei Tage, das war nicht unbedingt die beste Voraussetzung.
Ich setzte mich hinunter und schmuste mit dem süßen Kerlchen. Kurze Zeit danach bekamen wir Gesellschaft. Eine weiter Katze hatte zutrauen gefasst und schmiegte sich an meine Beine. Die Zwei schnurrten und brummten um die Wette, als wollten sie sich gegenseitig ausstechen. Ich musste lachen, es war total süß, wie sie um meine Zuneigung buhlten und jeder sich von seiner Sonnenseite zeigen wollte.
„Ich sehe schon, Sie sind heiß begehrt“, hörte ich Herr Wogner schmunzelt sagen. „Wie wäre es, wenn Sie beide nehmen? Dann fühlen sich die Tiere nicht so einsam, wenn Sie nicht zu Hause sind!“
„Hm, … eigentlich haben Recht. Die Kleine hat mich sofort im Sturm erobert, sie erinnert mich an einen Freund mit ihrem bunten Fell.“ Die ältere Katze hatte aber auch eine besondere Ausstrahlung. Sie war nicht so bunt gefleckt, sondern hatte ein buntes getigertes Muster, auf jeden Fall auch außergewöhnlich.
„Das Beste ist aber, sie lieben Streicheleinheiten. Das ist mir am wichtigsten.“ So war es abgemacht. Ich hatte statt ein, zwei neue Mitbewohner und konnte mein Glück noch gar nicht richtig fassen.
„Kommen Sie, wir erledigen die Formalitäten und dann können Sie ihre neuen Familienmitglieder gleich mitnehmen.“ Herr Wogner war wirklich von der schnellen Truppe. Mir schossen noch unzählige Fragen im Kopf herum, die ich auch ziemlich gleich loswerden wollte, als wir das Gebäude verließen, und uns wieder auf den Weg in den Bürotrakt machten.
Plötzlich hörten wir ein Tumult ausbrechen, dass von hinten, den abgezäumten Stallanlagen kam. Von der Beschreibung von Herrn Wogner wusste ich, dass auch manchmal Esel oder ähnlich große Tiere hier abgegeben wurden, die dann auf einer Weide hinter dem Arsenal der Haustiere lag, untergebracht wurden. Mit großen Schritten machte sich Herr Wogner sofort auf den Weg, ich folgte ihm und er klärte mich über das Gehörte auf.
„Uns wurde Anfang der Woche ein Hengst gebracht, der auf freiem Gelände aufgegriffen wurde. Er ist sehr aggressiv und lässt niemand in seine Nähe. Wenn er sich die nächste Zeit nicht ändert, haben wir keine große Möglichkeit, ihn weiter hier zu behalten. >Das arme Tier<, schoss mir sofort in meine Gedanken, sie werden es doch nicht am Ende … . Nein, soweit wollte ich mich eigentlich nicht in die Probleme anderer hineinziehen lassen. Ich sollte damit zufrieden sein, dass ich zumindest zwei Kätzchen ein neues Zuhause geben konnte. Ich konnte von Glück sagen, dass ich nicht den Platz und das Geld hatte, sonst wäre mein privater Zoo wahrscheinlich auch schon riesen groß.
Was ich dann sah, schockierte mich ohne Ende. Zwei Pfleger hatten ein Pferd, mehr oder weniger in der Zange. Einer hatte ein Lasso über den Hals des Tieres gezogen und ein anderer Stand mit einem Stock bereit um das Tier zu bändigen. Ich konnte meinen Blick überhaupt nicht von dem Stock abwenden. Er wollte doch nicht ernsthaft auf das Pferd einschlagen.
Noch im Laufen brüllte ich laut „Stopp“! Natürlich hatte ich hier nichts zu sagen, überhaupt nichts. Aber dass sah mir nicht unbedingt nach professioneller Tierpfleger aus. Auch Herr Wogner hatte sich keine Zeit gelassen ganz an der Koppel anzukommen und rief schon kurz nach mir „Was soll das werden?“
Der Hengst nutzte seine Chance, als die beiden Pfleger abgelenkt waren und riss sich los. Mit lautem Gewieher stieg es auf seine Hinterläufe. Mein Gott, das sah mehr als Gefährlich aus. Wenn die beiden Männer sich nicht aus dem Weg machten, waren sie gleich zu Brei verarbeitet.
„Achtung!“, rief ich ihnen zu und sie flüchteten sofort auf den Lattenzaun. Hier hatten wir uns inzwischen auch eingefunden und musterten nun eingehend die Situation.
„Mist! … Verfluchte Schweinerei … .“
„Genug Mann …“ unterbrach Herr Wogner die Schimpftirade des einen Pflegers, der sich an der Hand verletzt hatte. Anscheinend war ihm das Seil aus den Händen gerutscht und hatte eine Schürfwunde hinterlassen.
„Das ist auch der reinste Teufel“, fluchte er trotzdem weiter.
Ich schaute mir inzwischen das Tier genauer an, das sich einige Schritte weiter in Sicherheit gebracht hatte. Das Seil hing ihm zwischen den Vorderfüßen hinunter und es schüttelte immer noch nervös mit dem Kopf. >Nein, das kann nicht sein<, war mein erster Anflug von Gedanken in meinem Hirn. Das Pferd sah schmutzig und dreckig aus, die Grundfarbe konnte man nur erahnen. Es konnte nicht sein, es gab mit Sicherheit noch andere Pferde mit dieser Maserung.
„Warum ist das Tier so verdreckt?“ fragte ich bei den Männern nach. Ich sprach keinen direkt an, mir war egal von wem ich eine Antwort erhielt.
„Es lässt niemanden in die Nähe, geschweige sich anfassen. Wir hatten noch nicht die Möglichkeit, es zu bürsten oder wenigsten es Einigermasen von dem feuchten Dreck zu befreien“, gab mir der eine Pfleger freiwillig Auskunft.
„Seit wann ist es hier?“ Ich musste es unbedingt genau wissen.
„Montagnacht. Da wurde ich spät abends noch angerufen ob ich ein Tier entgegennehmen könnte“ klärte mich Herr Wogner auf.
„Jumper“, rief ich leise und kletterte über die Umzäunung. Ich war mir jetzt doch so gut wie sicher. Ich hatte ihn Sonntag das letzte Mal gesehen, gesund und munter, aber dennoch …
„Sie können da nicht rein, der macht sie platt“, warnte mich Herr Wogner und versuchte mich zurück zu halten. Ohne eine Reaktion auf die Männer zu zeigen machte ich mit meinem Vorhaben weiter.
„Jumper … Süßer … komm her …“, schmeichelte ich weiter und machte langsame Schritte auf ihn zu. Der Hengst wackelte wieder nervös mit seinen Ohren, als er mich auf sich zukommen sah. Ich versuchte mich zu Erinnern, wie ich ihn das letzte Mal ruhig bekommen hatte. Reiner Instinkt! Ich musste mich vollkommen auf ihn einlassen und seine Reaktion abschätzen.
„Komm schon ich bin´s …“, immer weiter auf ihn einredend arbeitete ich mich sachte auf ihn zu. Ein Schritt vor ihm blieb ich stehen und hielt ihm meine Hand zum Riechen vor die Nase. Er drückte seine Nüstern dagegen und mir fiel ein Stein vom Herz, ein ganzer Felsblock, er hatte mich wieder erkannt.
„Mein Gott Großer, was ist denn mit dir passiert? Du siehst schlimm aus, richtig furchtbar.“ Ohne meine Streicheleinheiten zu unterbrechen, machte ich sein Lasso um den Hals weg, dabei stellte ich fest, dass er einige Abschürfungen hatte. Ein Zorn überkam mich. Wie konnten sie ihm das nur antun? Am liebsten wäre ich hinausgestürmt und hätte diese Blödmänner richtig gehend vermöbelt. Aber ich wollte Jumper nicht alleine lassen, was weiß ich wie er sich fühlte, ohne Joe. Ohne Joe! Shit, wie kam er überhaupt in diese Situation. Hatte er seinen Reiter wieder verloren? Ich musste mich dringend darum kümmern!
„Hallo Frau Silver!“ Ah ja, ich hatte die anderen hinter mir komplett ausgeblendet und mich auf Jumper konzentriert. Ich drehte mich, dabei immer darauf achtend, dass ich den Körperkontakt mit Jumper nicht verlor.
„Ja?“ Ich wollte den Hengst nicht dazu zwingen, sich seinen Peinigern zu nähern.
„Wie haben Sie das gemacht? Wir konnten ihn nicht bändigen! Er war sowas von wild. Seit er sich nach dem ersten Tag ausgeruht hatte, versuchte er nur mit aller Gewalt hier herauszukommen.“
Ich schaute Herrn Wogner erstaunt an. Natürlich, Jumper versuchte die ganze Zeit nach Hause zu kommen, aber keiner ließ ihn frei, logischer Weise.
„Ja, ich kenne ihn. Aber nicht so verwahrlost. Ich muss sofort seinen Besitzer anrufen, der macht sich bestimmt große Sorgen.“
Herr Wogner stimmte mir sofort zu. „Sie hat uns ein Engel geschickt, Frau Silver. Sie glauben gar nicht was für eine große Last Sie uns abnehmen. Wir hätten bald wirklich keinen anderen Ausweg mehr gewusst …“ Den Ende des Satzes ließ er in der Luft hängen, zum Glück. Ich wollte nicht wissen, was er geplant hatte.
Ich beorderte einen der Pfleger zu meinem Auto und ließ mir meine Handtasche bringen. Darin hatte ich zum Glück die Visitenkarte der Ranch. Ich musste auch nicht lange warten, bis jemand abnahm.
„Hallo Mary, Sina am Apparat“, begrüßte ich meine Freundin. Sie freute sich wie immer überschwänglich mich zu hören und ich musste ihren Redefluss nach einigen Minuten unterbrechen. „Ich habe einen bestimmten Grund, warum ich anrufe. Vermisst ihr was?“ Das Schweigen, und das anschließende Gestottere, es war göttlich. Ich wäre ihr am liebsten von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden. Als ich ihr dann mitteilte, dass ich einen Freund von mir gefunden hatte, hörte das Indianergebrüll mit Sicherheit auch die anderen, die in meiner unmittelbaren Umgebung standen.
Ich grinste vor mich hin, es war schön ihre Freudenausbrüche mit zu erleben. Es knackte einpaar Mal verdächtig in meinem Handy, dass ich schon Angst hatte, die Verbindung wäre zusammengebrochen, als ich wieder angesprochen wurde.
„Wer ist da? … Hallo! …“ Mary hatte das Telefon weiter gereicht, und ich hatte einer der Jungs am Ohr.
„Joe? …“, vermutete ich ins Blaue hinein. „Ich habe hier jemand im Arm, den du wahrscheinlich ziemlich vermisst!“
„Sina, bist du´s wirklich?“ war seine erste Reaktion. „Sag´ mir, dass du mich nicht verscheißerst!“
„Ich hab´ Jumper gefunden! Und es geht ihm Weitgehends gut. Soweit ich es beurteilen kann.“ Ich hatte das Gefühl, er wäre am liebsten durch die Leitung gekrochen, damit er nur schnell genug hier sein konnte. Nachdem ich ihm vergewissert hatte, dass alles wirklich im grünen Bereich war, gab ich ihm einfachhalber Herr Wogner ans Telefon und die beiden konnten die weiteren Dinge klären.
Jumper hatte sich von mir nicht mehr wegbewegt. Sogar als ich zum Zaun zurückgegangen war wegen dem Telefonat, war er mir wie ein Hund gefolgt. Jetzt stubste er mich von hinten um meine Aufmerksamkeit wieder zu erlangen.
„Könnte ich was zum Putzen und Striegeln bekommen?“ fragte ich höfflich bei den Pflegern nach, die mich immer noch mit großen Augen anstarrten. Ich wollte Joe den ersten Schock mit dem sehr, sehr verdreckten Jumper ersparen. Zumindest die Vorreinigung konnte ich noch übernehmen. Ich rechnete nicht vor zwei Stunden mit ihm. Schließlich hatte ich mit meinem Auto schon eine Stunde gebraucht, mit Anhänger und auch noch ein Stück weiter, das könnte sogar mit zwei Stunden knapp werden. Somit verbrachte ich den Samstagvormittag mit Tierpflege. Da hierbei meine Erfahrungswerte auch nicht besonders weitreichend waren, dauerte es auch eine gewisse Zeit, bis ich Einigermasen mit meiner Arbeit zufrieden war. Auf Hilfe musste ich leide verzichten, auch wenn es mir von diverser Seite angeboten wurde. Aber inzwischen kannte ich meinen Hengst gut genug, um ihn keinen Fremden aufzudrücken.
Ich räumte gerade die Putzutensilien in den Eimer zurück um ihn dann hinter die Umzäunung zu platzieren, als ich ein nervöses Zucken durch Jumpers Körper laufen sah. Kurz darauf hörte ich einen vertrauten Pfiff und niemand konnte ihn mehr aufhalten. Die kurze Strecke als Anlauf, und der Hengst setzte sich über das Hindernis hinweg. Ohne auf die Schreckensrufe der anderen zu reagieren, galoppierte er unbeirrt in seiner eingeschlagene Richtung weiter, direkt auf den Innenhof zu. So schnell ich konnte, rannte ich dem Pferd hinterher.
Es war einfach nur schön. Die Wiedersehensfreude der beiden war eindeutig. Keiner konnte bestreiten, dass sie sehr gut miteinander vertraut waren. Kaum war die erste innige Begrüßung beendet, checkte Joe seinen Hengst nach Verletzungen ab. An seiner zufriedenen Miene konnte ich erkennen, dass Jumper nur äußerlich so mitgenommen ausgesehen hatte.
Kraftvoll schwang er sich ohne Sattel auf seinen Rücken und kam auf mich zugetrabt. Ich konnte mich mal wieder nicht sattsehen. Es sah einfach perfekt aus, als hätte er in seinem Leben nie was anderes gemacht, als auf einem Pferderücken verbracht. Direkt neben mir hielt er an.
„Komm“, war das einzige was er zu mir sagte und zog mich mit auf den Pferderücken, als wäre ich ein Fliegengewicht. Bis ich mich richtig umsah, hatte es wirklich geschafft, mich vor sich auf Jumper zu ziehen. Geistesgegenwärtig hatte ich meinen Fuß über den Kopf des Hengstes geschwungen und saß jetzt direkt vor Joe. Mit einem Arm um meine Taille und die andere in Jumpers Mähne gekrallt, gab er dem Pferd mit den Fersen den Befehl los zu traben.
„Ich glaub´, das ist keine gute Idee“, stöhnte ich unsicher zu Joe. Ich war froh nicht vom Pferd zu fallen, wenn ich einen richtigen Sattel unter dem Hintern hatte, aber ganz ohne?
„Glaubst du, ich lasse mein liebstes Stück fallen?“, lachte er mir leise ins Ohr. Okay, wenn er sicher war mich auch noch fest halten zu können und gleichzeitig sich auf den Rücken auszubalancieren? Ohne sich weiter um meinen Protest zu kümmern, ritt er Richtung Wiese davon. Jumper schien es auch zu genießen, endlich wieder in Bewegung zu sein. Wir ritten nur eine kurze Runde und machten uns dann zurück zum Tierheim.
Es war ein schönes Gefühl, die gleichmäßige Bewegung vom Pferd, und vor allem Joe, der sich eng an mich presste. Ich hatte tatsächlich nach den ersten paar Meter keine Angst mehr. Die Sicherheit, die Joe ausstrahlte hatte sich auf mich übertragen.
Wir wurden schon auf dem Hof erwartet. Martin hatte Joe begleitet und sich in der Zwischenzeit mit Herrn Wogner unterhalten. Der ihm auch die näheren Umstände erklären konnte, wo Jumper aufgegriffen wurde.
„Es ist alles in Ordnung“, teilte Joe seinem Bruder nochmals mit. „Jumper hat keine Schwierigkeiten beim Laufen.“ Mit elegantem Schwung sprang er vom hohen Ross herunter. Bei mir würde das wahrscheinlich nicht so ablaufen. Mit einer Hand an der Mähne festgekrallt überlegte mich mir gerade wie ich meinen Abgang bewältigen könnte. Aber da sah ich schon Joe, der erwartungsvoll seine Hände ausgebreitet hatte, als wollte er mich auffangen.
„Komm schon, ich hab´ doch gesagt, ich laß dich nicht fallen“, forderte er mich ein zweitesmal heute schon auf, ihm zu vertrauen. Mein Bein wieder schwungvoll über Jumpers Kopf schwingend, ließ ich mich einfach an seiner Schulter runterrutschen.
Kräftige Arme fingen mich auf und hielten mich fest. Als meinen Kopf in den Nacken legte, um Joe zu bitten mich loszulassen, wurde mein Mund mit einem zärtlichen Kuss versiegelt. Mein Herz begann wild zu rasen. Ich wollte mich eigentlich wehren, aber ich schaffte es nicht. Meine Gefühle gingen mit mir durch und ließ mein Hirn einfach abschalten. Ich klammerte mich an ihm fest und erwiderte den Kuss. Erst das Räuspern von Martin holte uns zurück.
„Wir sollten los, die anderen erwarten uns schon. Ich habe den Schreibkram mit Herrn Wogner schon geklärt“, scheucht Martin Joe zur Eile an. Klar, auf einer Ranch gab es immer sehr viel zu tun und ihnen fehlte schon ein halber Tag.
„Kommst du zu Abendessen vorbei?“, lud mich Joe spontan ein. Ich war eigentlich überrumpelt mit diesem Angebot. Einerseits hatte ich für heute Abend noch keine Pläne.
„Ich werde mit Mary telefonieren“, teilte ich ihm als Antwort mit. So hatte ich zumindest noch eine kleine Bedenkzeit und musste mich nicht sofort entscheiden. Jumper war ruck zuck in den Pferdetransporter verstaut und die Männer fuhren sogleich davon. Ich winkte ihnen noch hinterher.
„So, jetzt können wir wieder zur Tagesordnung zurück“, stellte Herr Wogner erfreut fest. „Dank Ihnen hat es ein Happy End gegeben und der glückliche Besitzer dieses treuen Tieres war auch sehr großzügig.“ Das konnte ich mir gut vorstellen. Auch ein städtisches Tierheim war auf Spenden angewiesen und jedem dankbar, der seinen Obolus dazu beisteuerte.
Ach ja, meine neuen Hauskatzen wollte ich auch noch mitnehmen. Durch die Aufregung wegen Jumper ist das ziemlich in den Hintergrund getreten. Wir machten uns erneut auf den Weg ins Büro um die Formalitäten zu erledigen. Auch ich hatte für meine neuen Mitbewohner einen gewissen Preis zu bezahlen. Aber das machte ich gerne. Schließlich verstand ich die Denkweise des Systems. Wer einen Preis für eine Errungenschaft bezahlt, achtet auch mehr darauf. Bekommst man was für umsonst, ist es in manchen Augen auch nichts wert. Bei Haustieren ein unmoralisches Unterfang.
Glücklich machten wir drei uns dann auf die Heimreise. Ich wollte noch in einem Tierhandel anhalten, um meinen neuen Haustiere auch einen gewissen Komfort zu bieten: Katzenkorb, Schlafstätte, Kratzbaum, Futternapf, tausend Dinge fielen mir dazu ein. Das wichtigste war auf jeden Fall etwas Futter. Gut ausgerüstet machten wir uns nun endgültige auf die letzte Etappe nach Hause.
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Es war früher Nachmittag, als wir dann ankamen. Ich freute mich schon auf eine Tasse Kaffee, ich hatte seit dem Frühstück nichts mehr zu mir genommen und brauchte das ganz dringend. Meine Kätzchen ließ ich im Wohnzimmer aus ihrer Reiseschachtel herauskrabbeln, die auch ganz neugierig ihr neues Zuhause erkundeten. Ängstlich schienen beide nicht zu sein, jede Ecke mussten sie genau inspizieren und ihr Wissensdurst stillen. Mit einem Auge hatte ich sie immer in Beobachtung. Schließlich wollte ich, dass sie sich gleich wohl fühlten.
Ich konnte mir ein lautes Lachen nicht verkneifen, als ich das Duo dabei erwischte, wie sie einen meiner Schuhe genau beäugten. Die Kleine hatte sich ins Innere vorgewagt, und der Größere inspizierte auf das genauste meine Schuhsenkel. Ich beschloss spontan sie Homes und Watson zu nennen. Sie kamen mir in den Sinn, als ich ihre gründlichen Untersuchungsarbeiten sah, wie ein paar Detektive.
Ich gönnte mir gerade eine zweite Kaffeepause, als mein Telefon meine Aufmerksamkeit verlangte. Mir fiel sofort mein Versprechen an Joe ein, dass ich mich nocheinmal melden wollte. Das sollte ich auf alle Fälle danach erledigen. Aber mir blieb der Anruf erspart. Mary war in der Leitung und wollte jetzt definitiv von mir eine Zusage für den heutigen Abend haben. Ich war mir noch unschlüssig. Schließlich hatte ich die zwei Neulinge um mich rum und wollte sie nicht gleich alleine lassen.
Aber als ich sah, dass sie sich gemütlich in ihren Katzenkorb nebeneinander gekuschelt hatten, hatte ich keine Bedenken mehr und sagte Mary dankend zu. Ihre Freude war wie immer überschwänglich und ich sollte so früh wie möglich erscheinen. Die Endscheidung, beide Kater mitzunehmen, war im Nachhinein sehr weise. So hatte ich kein schlechtes Gewissen, dass ich sie alleine ließ. Sie vertrugen sich prächtig und hatten Gesellschaft. Ich fühlte ihre Futterstation nochmals auf mit Trockenfutter und gab ihnen noch ein paar Streicheleinheiten.
Es wurde Zeit mich fertig zu machen. Schließlich musste ich auch noch eine gute Strecke zurücklegen. Aber, wie es manchmal so im Leben ist, auch bei perfekter Zeiteinteilung stellt man irgendwann fest, man kommt zu spät. Es fing schon an dunkel zu werden, als ich es endlich schaffte zu starten. Ich stöhnte innerlich auf. Eigentlich wollte ich in der Dunkelheit nicht durch die Felder fahren, ich hatte letztes Mal schon Schwierigkeiten, und das war mitten unterm Tag gewesen.
Hoch konzentriert versuchte ich mich in der Dämmerung zurechtzufinden, nachdem ich die offizielle Landstraßen verlasse hatte. Mein Navi konnte mich diesesmal nicht in irre Führen, ich hatte mir die falsche Abzweigung genau gemerkt, zumal eine große Tanne an der Kreuzung stand. Was mich aber leicht irritierte, es parkte ein Auto nicht weit den Feldweg hinein. Wer war so spät abends noch mitten in der Natur unterwegs?
Ich war gut, ich hatte es geschafft. Sogar im Dunkeln hatte ich nicht solange gebraucht wie bei meinem ersten Besuch. Ich war richtig stolz auf mich. So war mein Zuspätkommen noch im angemessenen Rahmen. Mein erster Gedanke galt auch gleich Jumper, konnte ich ihn noch vor dem Essen besuchen? Ich wollte nur kurz reinschauen, wie es ihm ging, nach seinem Ausbruch oder was-auch-immer er angestellt hatte.
Leider war im Stall alles Stockdunkel. Ich parkte meinen Wagen nicht weit vom Haupthaus entfernt und überlegte mir gerade, ob ich nicht einer der Familienmitglieder dazu animieren könnte mich zu begleiten. In dem Moment, als ich die Lichter meines Autos ausmachte, sah ich einen Schatten Richtung Stall zulaufen. >Oh, super, das passt perfekt<, schoss es mir durch den Kopf. Da ist noch jemand beschäftigt bei den Tieren und ich hatte doch die Möglichkeit meinen Lieblingshengst zu begrüßen.
Ich machte die Stalltür weit auf, da sie nur angelehnt war. Außer der Notbeleuchtung war nichts an. Komisch, hatte ich mich doch getäuscht und es war niemand hier? Auch egal, beschloss ich. Jetzt war ich schon mal im Stall, dann konnte ich Jumper auch kurz `Hallo´ sagen.
Durch die Lichtquelle war es wenigstens nicht stockdunkel und ich konnte den Gang entlang sehen, ohne über meine eigenen Füße zu stolpern. Die Tiere erschienen mir etwas unruhig. Von Jumper war ich es gewohnt, er ließ niemand gerne an sich ran, aber der Rest? Wahrscheinlich machte ich sie nervös, schließlich war ich auch nicht täglich hier und hatte mit der übrigen Herde eigentlich nichts zu tun.
Da hörte ich auch schon ein Gepolter aus der letzten Box. War ja klar! Ich wollte gerade meine Stimme erheben und mich Jumper zum Erkennen zu geben, als ich ein derbes Fluchen vernahm. Ich hatte mich anscheinend doch nicht getäuscht. Wer stiefelte im Dunkeln im Stall herum? Und dann auch noch bei meinem Hengst, äh … Freund? Ich war mir eigentlich sicher, dass es nicht Joe war, den ich vernommen hatte.
„Hallo! … Wer ist da? …“, auf mich aufmerksam machend, setzte ich meinen Weg zum Stallende fort. Dann brach die Hölle los. Jumper wieherte mit einer Lautstärke, die mich mehr an einen Elefanten erinnerte. War es Schmerz oder Zorn, ich konnte es nicht definieren. Nur dass er völlig außer sich war. Ich hörte ihn mit aller Kraft gegen die Boxenwand treten und ich rannte los. Mein einziger Gedanke war, ich muss seine Tür aufmachen, damit er mehr Bewegungsraum hat oder das er einfach raus kam. Schließlich wollte ich nicht, dass er sich seine Knochen brach und bei dem Getöse war alles möglich.
Ein Schmerzensschrei erinnerte mich daran, dass dort irgendwo auch noch ein menschliches Wesen sein musste. Das war mir aber nicht so wichtig. Es konnte nichts Gescheites dabei herauskommen, wenn man im Dunkeln durch Stallungen schlich. Jeder hier auf der Ranch wusste, dass mit Jumper nicht gut Kirschen essen war und niemand würde es in der Nacht mit ihm aufnehmen wollen.
Schwungvoll riss ich an der Boxentür und schob sie zur Seite, um geistesgegenwärtig gleich hinter der Tür in Deckung zu gehen. Ich hatte nicht einmal eine Chance die Situation richtig zu erfassen. Der Hengst stürmte an mir vorbei immer noch aufs höchste Erregt und wieherte lautstark. Ich drehte mich um und verfolgte ihn mit meinen Blicken. Hoffentlich rannte er nicht gegen die Außentür. Es waren nur Minuten vergangen, seit ich hier eingetroffen war und es herrschte ein Riesenchaos.
Mitten in der Überlegung, ob ich Jumper verfolgen oder doch lieber nach dem Verletzten sehen sollte, wurde ich grob von hinten gepackt.
„Was soll das?“, versuchte ich mich zur Wehr zu setzten. Ich hatte nicht einmal die leiseste Ahnung, wer sich an mir vergriff. Mit einem wüsten Gefluche und „Halts Maul“, wurde ich schmerzvoll nach vorne gestoßen. Um nicht zu stürzen, machte ich ein paar große Schritte um den Schwung auszugleichen.
Der Tumult hatte sich auch fast gelegt, nur die Pferde in den Boxen bewegten sich noch unruhig hin und her. Keiner hatte Jumpers Temperament und versuchte auszubrechen. Der war inzwischen ins Freie gelaufen und hatte sich zum Glück in Sicherheit gebracht. Ich konnte mir noch immer keinen Reim darauf machen, was dieser Mistkerl bei ihm im Stall gesucht hatte. Aber darauf sollte ich relativ schnell eine Antwort erhalten. Mit meinen Augen suchte ich mir gerade in meiner Reichweite irgendeine Waffe zur Verteidigung, als Martin und Jim in den Stall stürmten.
So abrupt wie sie aufgetaucht waren, so schnell hielten sie auch in ihrem Schritt inne, als sie mich mit dem Fremden im Gang sahen.
„Sina, alles klar?“, wurde ich gleich besorgt von Martin gefragt. Ich nickte nur mit dem Kopf. Im gleichen Moment spürte ich einen harten Gegenstand an meiner Schulter. Oh, oh …, das war nicht gut. Ich wusste nicht, ob die beiden vor mir die Bedrohung sahen. Meine einzige Idee, die ich sofort umsetzte war, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Ich ging keinen Schritt mehr weiter. Der Kerl rammte mir natürlich die Waffe demonstrativ in den Rücken. Ich biss die Zähne zusammen, damit ich nicht laut aufschrie, ich war nicht besonders tapfer.
„Geht aus dem Weg, sonst passiert was“, blaffte der Typ die Männer an. Ich fühlte mich wie im Wilden Westen. So richtig taffe Cowboys, die sich am liebsten sofort duelliert hätten, nur stand ich zwischendrin. Der letzte Schlagabtausch, den ich von Martin erlebt hatte, verhieß nichts Gutes. Ich wusste, er würde sich nicht geschlagen geben und sich von einem Kleinkriminellen nicht ins Bockshorn jagen lassen.
Mein Hirn arbeitete in Höchstform, mir musste unbedingt was einfallen, damit es keine Verwundete oder noch schlimmer, Tode gab. Leider wurde es noch schlimmer. Joe kam hereingestürzt und wollte sich wahrscheinlich informieren, was im Stall los war, da niemand mehr auf dem Hof erschien. Auch er hielt mitten im Lauf inne und schaute erschrocken auf die Szene was sich bot.
„Nimm deine dreckigen Hände von ihr weg“, knurrte er nur und sah aus, als würde er jeden Moment auf meinen Angreifer losgehen. Das verschärfte die Situation noch um einiges. Die Anspannung im Raum konnte man jetzt fast schon sehen. Ich stöhnte innerlich auf und betete, dass doch keiner sich jetzt Hirnlos als Held aufspielen wollte.
Martin legte seine Hand besorgt auf Joes Schulter, dass schien aber nichts zu nützen. Mit einem wütenden Murren schüttelte er sie ab. Er kam mir vor wie Jumper, wenn er ungeduldig seinen Kopf schüttelte und schnaubte. Wenn wir nicht mitten in einem Drama gewesen wären, hätte ich lauthals gelacht. Aber so versuchte ich zumindest mein Grinsen zu unterdrücken, als mir der Vergleich in den Kopf schoss.
Die einzigen die jetzt noch fehlten waren Mary und Kevin, dann wären wir für die Party komplett. Die waren hoffentlich so schlau und hatten die Polizei gerufen. Aber konnten sie wissen, was hier geboten war? Wahrscheinlich nicht! Wenn sie Jumpers Fluchtversucht nicht mitbekommen hatten, würden sie uns vielleicht erst in einer viertel oder halben Stunde vermissen. Bis dahin könnte allesmögliche schon geschehen sein. Ich sollte mir dringends ein Ablenkungsmanöver einfallen lassen.
Ich verlagerte mein Gewicht auf die Seite, die von der Waffe abgewandt war. Konnte ich mit einem gezielten Kick gegen die Kniescheibe zu Fall bringen? Ein Versuch war es wert, aber mehr wie einer hatte ich eh nicht. Nur was mit der Kanone in der Zwischenzeit alles passieren konnte, das war ein Risikofaktor. Von meiner Position konnte ich sie nicht erreichen, geschweige sie nach oben oder unten wegschlagen.
Ich kam gerade zu dem Endschluss, dass meine Überlegungen, hin oder her sehr waghalsig waren, als meine Aufmerksamkeit in eine ganz andere Richtung gelenkt wurde. Ein leichter Durchzug streifte meine Wange, konnte es sein, dass sich jemand von der Hintertür anschlich? Sie war an meiner Rückseite, leicht rechts und man musste durch die zwei mittleren Boxen gehen um hier in den Gang zu kommen. Hatten wir eine Chance, dass Kevin uns zur Hilfe eilte, oder bekam der Gangster noch Verstärkung.
Martin und Joe begannen laut mit einem Streitgespräch.
„Jetzt ist Schluss, ich laß mir nicht von seinem Hergelaufenen bedrohen!“
„Joe sei vernünftig, solange Sina in seiner Gewalt ist, kannst du gar nichts machen!“
„Dieser Feigling, muss sich hinter einer Frau verstecken, wenn er Manns genug wäre, würden wir das Regeln wie Männer, vor der Tür!“
Die Stimmen wurden immer lauter und die beiden schrien sich fast an. Ich hatte inzwischen die Luft angehalten. War der Punkt jetzt erreicht, an dem alles eskalierte? Der Kerl hinter mir wurde immer nervöser. Ich spürte es an seinen Zuckungen, die immer unkontrollierter wurden.
Dann passierte alles zu gleicher Zeit. Ich drehte mich halb um und versuchte die Hand mit der Pistole nach unten wegzuschlagen. Ein „Sina geh´ zu Seite“, bekam ich nur am Rande mit. Im selben Moment hörte ich einen lauten Schlag und bekam einen Stoß der mich nach vorne warf. Noch im Fallen versuchte ich mich aus der Schusslinie zu bringen, nur weg von der Pistole oder das der Kerl auf mich drauf stürzte. Mein Bedarf an mutigen Einsätzen hatte ich für heute eigentlich schon erfüllt.
Aber schon ertönte ein lauter Knall durch den Stall. Die Pferde gaben ihrerseits ihren Unmut noch dazu und stampften mehr als unruhig in ihren Stallungen herum. Ein brennender Schmerz traf mich an meinem Bein noch bevor ich den Boden berührte. >Mist<, schimpfte ich innerlich vor mich hin. Meine Attacke war Erfolglos geblieben, zumindest was die Pistole betrifft. Aber es fiel kein weiterer Schuss mehr. Ich sah nur ein Knäul mit Armen und Beinen, die von mehr als einer Person stammen musste, die sich neben mir auf dem Boden wälzte.
Ich robbte, mein verletztes Bein hinter mir herziehend, soweit weg wie ich konnte. Die ganze Szene spielte sich in Sekunden ab, mir kam es wie eine Ewigkeit vor, als mich einpaar kräftige Arme vom Boden hochzerrten.
„Sina, wie geht es dir? Komm du bist in Sicherheit!“, Martin hatte mich mit einem Ruck von dem Kampfgeschehen entfernt und stellte mich neben der Stalltür wieder auf dem Boden ab, um den anderen zur Hilfe zu eilen.
In dem Moment, als ich mein verwundetes Bein belastete, schoss mir ein furchtbarer Schmerz den Fuß hinauf. Viel mehr bekam ich auch nicht mehr mit, mit einem lauten stöhnen wurde mir schwarz vor den Augen.
Lange konnte meine Bewusstlosigkeit nicht angehalten haben. Sobald das Gewicht nicht mehr auf meinem Bein lastete, wurde der Schmerz erträglich und ich konnte mein Gehirn wieder dazu zwingen, seine Aktivitäten aufzunehmen. Trotzdem war ich überrascht, dass ich nicht mehr auf dem Stallboden lag, sondern von starken Armen getragen wurde.
„Sie muss sofort ins Krankenhaus. Sie hat viel Blut verloren.“ Joes besorgte Stimme drang in mein Unterbewusstsein ein und brachte mich vollends zur Besinnung.
„Nein, kein Krankenhaus!“, versuchte ich zumindest selbstsicher anzuordnen. Aber es klang selbst in meinen Ohren nicht sehr kräftig.
„Hey, Süße, du bist angeschossen worden, du musst ins Krankenhaus“, setzte sich Joe über meine Endscheidung hinweg.
„Es geht nicht …“, stammelte ich mehr vor mich hin, als ich eine logische Erklärung abgeben konnte. Homes und Watson warteten auf mich zu Hause, sie konnten mich nicht ins Krankenhaus fahren, ich musste definitiv Heim.
Als mich Joe vorsichtig ins Haus trug und mich auf einem Stuhl absetzte, konnte ich zum ersten Mal das Ausmaß meiner Verletzung begutachten. Meine Jeans waren komplett mit Blut eingesaut, auf jeden Fall die rechte Seite. Am Oberschenkel hatte ich ein großes Loch und ich wollte eigentlich gar nicht wissen wie es drunter aussah. Mary kam schon mit Verbandszeug angerannt um mir einen provisorischen Druckverband anzulegen um die Blutung zu stillen. Als ich das viele Blut sah, schwindelte es mich schon wieder. Okay, vielleicht war Krankenhaus doch kein Fehler und schon kippte ich wieder weg.
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Mein nächstes Erwachen war auf einer Seite etwas angenehmer, aber ich war alleine. Ich lag in einem Bett. In einem schmalen Bett. >Oh, verdammt<, ich lag doch im Krankenhaus. Vorsichtig tastete ich mich am Bett entlang. Mein Kopf war nicht mehr schwindelig und ich konnte ihn drehen und mich etwas umsehen. Es war nur eine Nachtlicht an, aber die Klingel für die Krankenschwester hatten sie mir griffbereit hingelegt, den ich auch sofort nutzte.
Kaum eine Minute später kam auch schon ein Pfleger herein und fragte nach meinen Wünschen.
„Bin ich schwer verletzt?“, war meine erste und dringendste Frage.
„Nein, … nein, Sie brauche sich keine Sorge zu machen. Es war ein glatter Durchschuss und zum Glück keine Arterie verletzt!“, versuchte mich der Pfleger zu beruhigen.
„Gut, dann kann ich ja nach Hause!“, mit seiner Aussage war ich vollkommen zufrieden und mir brauchte jetzt niemand mehr zu erzählen, es wäre eine Notwendigkeit hier zu bleiben. Gleichzeitig setzte ich mich im Bett auf und machte Anstalten mich zu erheben.
„Äh, … halt, so schnell geht das aber nicht.“ Der Pfleger sprang fast auf das Bett zu und wollte mich wieder zum Hinlegen bewegen. So leicht gab ich mich aber nicht geschlagen. Natürlich merkte ich, dass mir doch noch schwindelig war, als ich mich aufsetzte, aber das gab sich doch hoffentlich gleich.
„Sie müssen das morgen mit dem Chefarzt abklären, ich kann Sie nicht gehen lassen“, versuchte er sich aus der Bredouille zu reden. Ich wollte nach Hause, unbedingt. Mein Familienzuwachs würde wahrscheinlich schon die Krise bekommen. Sie waren ganz allein in einer fremden, großen Wohnung. Das war alles nicht so geplant gewesen.
„Hallo, störe ich?“ Wie konnte es anderst sein, immer im unpassenden Moment war Joe in der Nähe. Gut, dass war jetzt ungerecht, aber ich wollte ihn jetzt nicht da haben. Zumal mir bewusst wurde, dass ich außer dem Krankenhaushemdchen nichts an hatte. Mit einem Seufzen legte ich mich ergeben zurück und deckte mich zu. Vor dem Pfleger hatte mich meine leichte Bekleidung nicht gestört, aber vor Joe wollte ich nicht so herumsitzen.
„Ich muss nach Hause“, jammerte ich ihm nun die Ohren voll. Schließlich hatte ich es ihm schon gesagt, bevor er mich hierher verfrachtete.
Der Pfleger sah den Ankömmling als willkommene Entschuldigung, sich aus meinem Zimmer zu verdrücken.
„Sina, sei vernünftig. Du kannst nicht weg. Morgen muss dir der Doktor erst mal erklären, was sie alles an dir gemacht haben.“ Das hörte sich schon nicht mehr so cool an wie vorhin. Mir ging es doch gut. Solange ich mich zu Hause auf mein Sofa legen konnte, klappte das schon.
„Wie spät ist es denn eigentlich?“ Ich hatte kein Zeitgefühl mehr.
„Zwei Uhr nachts“, klärte mich Joe bereitwillig auf. Er hatte sich inzwischen zu mir aufs Bett gesetzt und meine Hand genommen. Es war ein schönes Gefühl, nicht mehr alleine zu sein.
„Warum bist du eigentlich noch hier?“ Mit meiner Frage wollte ich ihn eigentlich nicht vertreiben, ich war doch ganz froh, dass ich Gesellschaft hatte.
Sanft strich er über meine einzelnen Finger und schaute etwas verlegen in mein Gesicht.
„Ich wollte dich nicht so einsam hier zurücklassen. Und nach dem du in der Notaufnahme warst, kam auch noch die Polizei. Das ist bei Schusswunden so üblich, so konnte ich sie aufklären. Den Rest wird Martin regeln. Jetzt schlaf dich erst einmal aus und morgen früh, bzw. heute früh sehen wir dann weiter.“
Es war ein total ungewohntes Empfinden, dass sich jemand Sorgen um mich machte. Sogar seine vorsichtigen Streicheleinheiten drückten nur sehr viel Rücksicht aus. Anscheinend hatte er wirklich Angst, dass ich zerbrechen könnte. Er wusste ja nicht, was ich schon alles hinter mir hatte. Trotzdem fand ich es richtig süß von ihm.
„Joe, ich habe eine Bitte an dich.“ Es war natürlich nicht gerade einfach für mich. Aber ich musste jemanden in mein Haus schicken und er war da.
„Alles was du willst, Sina.“
„Es ist mir etwas peinlich“, redete ich immer noch um den heißen Brei herum, „aber du könntest vielleicht Mary bitten, mir einpaar Anziehsachen ins Krankenhaus zu bringen. Meine Handtasche liegt im Auto.“
„Gar kein Problem.“
„Und noch etwas. … Homes und Watson, meine beiden Katerchen müssten versorgt werden. … Ich hab´ sie heute erst vom Tierheim geholt.“
„Homes und Watson?“ Ein breites Grinsen ging über sein Gesicht. „Ja, klar. Kein Problem. Das krieg ich alles hin. Jetzt schlaf schön, damit du später auch wieder fit bist.“
Vorsichtig beugte er sich noch über mich und gab mir einen keuschen Gute-Nacht-Kuss auf meine Lippen. Wieder überkamen mich die unglaublichsten Emotionen, sogar im Krankenhausbett. Ich hätte mich am liebsten an ihm festgekrallt und nicht mehr losgelassen. Meine Schmetterlinge im Bauch machten sich schon wieder selbstständig. Aber hier und jetzt war sowieso nicht der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt. Ich musste mich noch von dem letzten Abend erholen und das möglichst schnell.
Die tägliche Routine im Krankenhaus ließ ich im Halbschlaf über mich ergehen. Erst zum Frühstück war ich Einigermasen wach. Ich konnte es kaum erwarten, bis die Visite kam und ich genaueres über meine Verletzung erfahren konnte. Das einzig größere Problem schien mein Blutverlust zu sein, denn hatten sie aber mit Transfusionen ausgeglichen. So war außer eine sehr schmerzhafte Wunde an meinem Oberschenkel, nichts Lebensgefährliches mit mir passiert.
„Ja, wunderbar“, teilte ich dem Arzt freudenstrahlend mit, „dann spricht auch nichts dagegen, dass ich mich auf den Heimweg mache.“
„Natürlich können Sie noch nicht nach Hause“ verneinte der Stationsarzt mein Anliegen. „Das Bein muss geschont werden, es ist eine tiefe Wunde und braucht seine Zeit um zu verheilen.“
>Mist verdammter!< fluchte ich innerlich, wie konnte ich den Doktor nur davon überzeugen, dass ich fit genug war, mich zu Hause aufs Sofa zu legen?
„Ich kann mich genauso gut zu Hause mein Bein hochlegen“, fing ich wieder an, leider schienen meine Argumente nicht besonders wirkungsvoll zu sein.
„Haben Sie jemand, der Sie versorgen kann?“
Das war genau die Frage, die ich ihm nicht ehrlich beantwortet konnte. Aber was machte schon eine Notlüge aus? Ich musste einfach nach Hause!
„Ja! …“, gab ich ihm eine verzögerte Antwort, selbst in meinen Ohren klang sie nicht wahr, aber war es nicht letztendlich mein Problem?
„Heute auf jeden Fall noch nicht“, war seine Entscheidung, „Morgen schauen wir uns ihre Wunde noch mal an und beschließen dann das weitere Vorgehen.“ Mit einem lauten Stöhnen ließ ich mich wieder auf mein Bett zurück sinken. Der Arzt ließ sich nicht in seiner Diagnose reinreden, aber ich konnte auch stur sein.
„Gut, spätestens morgen“, stimmte ich zu. Es gab noch andere Optionen, schließlich war es hier ein freies Land und niemand konnte mich zwingen in der Klink zu bleiben.
Der Tag zog sich wie Kaugummi. Der einzige Lichtblick war mein Besuch am Nachmittag. Mary und Joe kamen vorbei und unterhielten mich mit den Ereignissen von der Ranch. Die Polizei hatte den Einbrecher festgenommen, und somit eine Lawine ins Rollen gebracht. Der hatte gleich zugegeben, im Auftrag gehandelt zu haben, im Auftrag von Wolfgang von Thysen.
Warum war ich eigentlich nicht erstaunt? Wahrscheinlich weil mir der Typ schon von Anfang an unsympathisch gewesen war. Alleine seine Anmache und dann der Abend, an dem er mich stark bedrängt hatte.
Jumper hatte die nächtliche Aktion auch gut überstanden. Besser wahrscheinlich als manch anderer. Er war mit einem Beruhigungsmittel leicht betäubt gewesen, um ihn zu entführen und nach seiner Flucht aus dem Stall, hatte er sich in einer ruhigen Ecke verkrochen. Am nächsten Morgen war er schon wieder fit und keine bleibenden Schäden davon getragen.
„Was machen meine beiden Katerchen?“, das war auch noch einer der wichtigen Punkte aus meinem Fragekatalog, den ich an Joe hatte. Ich wollte gar nicht wissen, wie einsam sie sich fühlen mussten.
„Ich glaube sie haben sich gut eingelebt“, gab mir Mary anstatt Antwort. „Sie sind sowas von knuffig, man könnte sie den ganzen Tag nur streicheln.“
Also hatten sie sich doch etwas Zeit genommen, als sie bei mir in der Wohnung waren. Aber auch eine ganze Stunde war nichts, wenn ein Tag 24 besaß und die armen Dinger den Rest alleine verbringen mussten. Morgen, morgen hatte ich mir fest vorgenommen, werde ich auf alle Fälle meinen Heimweg antreten.
„Könnte mich morgen jemand nach Hause fahren?“fragte ich gleich vorsorglich bei den beiden nach. Den Ausdruck ihrer Gesichter zu schließen, waren sie nicht besonders überzeugt, dass ich große Chancen auf eine Entlassung hätte.
„Du hast ja unsere Telefonnummer, und kannst dich melden, falls du einen Chauffeur brauchst“, bekam ich doch zögernd eine Antwort. Als sich mein Besuch dann verabschiedet hatte, fieberte ich regelrecht dem nächsten Tag entgegen.
Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Bis endlich gegen Mittag die Visite durch und klar war, dass mein Bein sich auf der Weg der Besserung befand, lagen meine Nerven blank. Die Diskussion mit dem Stationsarzt erwies sich genauso stressig. Erst als ich ihm klipp und klar erklärte, dass es mich eigentlich nicht wirklich interessierte, und ich auf jeden Fall nach Hause gehen würde, gab er nach und erklärte sich bereit, die Entlassungspapiere noch fertig zu machen.
Meine Stimmung hob sich schlagartig. Kaum waren die Ärzte draußen, machte ich mich humpelnd auf den Weg um mich ausgehfertig anzuziehen. Auch meinen Fahrdienst informierte ich dann umgehend. Schließlich wollte ich so schnell wie möglich wieder in meine gewohnte Umgebung.
Eine Stunde später saß ich doch relativ erschöpft bei Mary im Auto. Freudenstrahlend hatte sie mich abgeholt und mich in den Jeep gehievt. Um mein Bein zu schonen hat mir das Krankenhaus noch einpaar Krücken ausgeliehen. So ausgerüstet konnte ich doch eigentlich gut zurechtkommen! Voller Vorfreude endlich wieder in meinen eigenen vier Wänden zu hausen, bekam ich erst mit, dass Mary in die falsche Richtung abbog, als ich nur noch Feld und Wiese zu sehen bekam.
„Ääh, … du fährst verkehrt“, informierte ich sie überrascht.
„Nein, wie kommst du drauf? Das ist schon der richtige Weg.“
„Aber doch nicht zu mir? …. Ich muss unbedingt nach Hause!“ Mir schwante übles.
„Dein Wagen steht doch noch bei uns…“, kam etwas lahm die Antwort. Ach ja stimmte! Aber Auto fahren?! Das konnte ich mit Sicherheit noch nicht. Aber vielleicht fuhrt sie mich ja mit meinem eigenen Auto nach Hause und ließ sich dann abholen! Das war überaus vorsorglich gedacht. Soviel Rücksichtnahme hätte ich gar nicht von ihnen verlangt. Zufrieden über meinen Gedankengang kuschelte ich mich bequem in den Autositz hinein.
Keine zehn Minuten später waren wir auf der Ranch. Mit lautem Hupen machte Mary unsere Ankunft publik. Ich war gerade dabei mich vorsichtig aus dem Auto gleiten zu lassen, als Joe auch schon hilfsbereit vor mit stand und mich einfach hoch hob.
„Oh, … nett. Aber ich muss mit meinen Krücken trainieren, schließlich muss ich zu Hause auch alleine zurecht kommen“, versuchte ich meinen übervorsorglichen Helfer aus den Armen zu entkommen. Wie konnte es auch anderst sein, er reagierte auf meine Andeutung in keinster Weise.
„Hier ist zu Uneben, du kannst nicht mit diesen Stöcken hier rumbalancieren.“ Ich hasste es, wenn ich wie ein kleines, unfähiges Kind behandelt wurde. Ohne zu überlegen, gab ich ihm einen kräftigen Stoß auf seinen Oberarm.
„Hey, verdammt, willst du dass ich dich fallen lasse?“
„Nein, ich will sofort mit meinen eigenen Füssen laufen!“, schnauzte ich ihn an. Ohne sich weiter um meinen Protest zu kümmern schritt er weiter auf das Haus zu und ließ mich erst am Eingang vorsichtig an sich hinuntergleiten. Seine Nähe war mir schon wieder viel zu intensiv. Und dann dieses Machogehabe. Ich wollte keinen mehr, der über mich bestimmte. Leider konnte ich ohne meine Gehhilfen keinen eleganten Abgang vorführen. Ich stand an der Wand gelehnt, bis Mary mir meine Krücken aus dem Wagen hinterher getragen hatte.
„Danke dir, besonders fürs Abholen“, wandte ich mich an Mary und ignorierte Joe vollkommen. Ich wusste nicht, warum ich bei ihm immer so empfindlich reagierte.
„Komm, ich habe den Kaffeetisch hingerichtet, die anderen kommen bestimmt auch gleich“, forderte sie mich auf ihr ins Haus zu folgen. Leichter gesagt als getan. Ich hatte den dreh noch nicht heraus, wie ich mich am besten abstützte ohne meinen demolierten Fuß zu sehr zu belasten. So dauerte es auch um einiges länger bis ich den beiden gefolgt war.
„…. noch nicht gesagt?“ hörte ich nur noch den Rest von Joes Frage. Da beide augenblicklich still wurden als ich mich durch die Tür bugsierte, war mir klar, dass sie über mich gesprochen hatten.
„Was ist los?“ Ich wollte natürlich sofort wissen, was sie mir verheimlicht hatten.
„Na ja“, druckste Mary rum. „Ich weiß, du wolltest unbedingt nach Hause. Aber … ich, wir haben die Verantwortung übernommen, als wir dich aus dem Krankenhaus abgeholt haben. Du musst hier bleiben.“
Mir blieb ersteinmal die Sprache weg. Wie konnten sie über meinen Kopf hinweg entscheiden, was für mich gut oder schlecht ist? Mein Innerstes brodelte vor Zorn. Nur aus reiner Höflichkeit meiner neuen Freunde gegenüber beherrschte ich meine Schimpftriade, die ich am liebsten Ausgestoßen hätte.
Vor lauter Wut verhedderte ich mich mit meinen Krücken und wäre beinahe gestürzt. Mit einem Ausfallschritt konnte ich mich gerade noch auffangen. Der Schmerz schoss mit einer ungeahnten Heftigkeit in meinem Bein hoch, dass ich lauthals einen Fluch ausstieß. Mit zusammen gebissenen Zähnen humpelte ich die letzten Schritte zum Tisch und ließ mich auf einen Stuhl nieder. Joes Hilfsangebot hatte ich komplett ignoriert. Keiner brauchte mich jetzt anzufassen, geschweige mich zu bemitleiden. Auf der anderen Seite wurde mir aber auch klar, man war wirklich hilflos, ein Krüppel. Sobald ich mich von irgendwo erhob, hatte ich keine Hände mehr frei und konnte nichts transportieren. Das hieß im Klartext, ich konnte mir nichts zum Trinken oder Essen holen. Das war eindeutig ein Problem.
Mary und Joe hatten mich nur schweigend beobachtet. An meinem Minenspiel hatten sie wahrscheinlich erkannt, dass ich mit mir rang. Letztendlich siegte die Vernunft. Ich konnte mich die ersten paar Tage wirklich nicht alleine versorgen. Also schluckte ich meinen Ärger hinunter und gab nach.
„Wie habt ihr euch das Vorgestellt?“ Meine Frage ließ Mary erleichtert aufseufzen.
„Du bist hier wirklich herzlich willkommen. Schließlich tragen wir auch ein Teil der Verantwortung an deiner Verletzung, die du dir hier zugezogen hast.“ Auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen. Tja, ich könnte jetzt gehässig sein und mein Machtmonopol voll ausnutzen …
„Red´ keinen Schwachsinn“, blockte ich ihre eigenen Schuldzuweisung ab. „Keiner von euch hatte den Eindringling aufgefordert mir ins Bein zu schießen. Trotzdem vielen Dank für eure Fürsorge.“
Wie auf Kommando ließ sich Joe neben mir auf den Stuhl nieder und erfasste meine Hand. Er konnte es einfach nicht lassen und suchte meine Nähe wie ein Bodyguard.
„Wir haben noch eine kleine Überraschung für dich“, strahlte er mich von der Seite an. „Eigentlich zwei …“ Mit einem verschmitzten Lächeln deutete er mit dem Kopf Richtung Wohnzimmer. Mary hatte einer der Türen aufgemacht und ich konnte genau auf den Sessel sehen. Darin lagen, ich konnte es nicht glauben, meine beiden Katerchen, dicht aneinander gekuschelt und schliefen.
„Wie …, wo …“, stotterte ich vor mich hin.
„Wir nahmen sie Sonntag einfachhalber gleich mit her“, berichtete mir Joe. „Hier kommt es auf ein, zwei Tiere mehr oder weniger nicht an.“ Jetzt viel ich ihm doch dankbar um den Hals. Mit einem überschwänglichen Kuss auf die Wange wollte ich meine Dankbarkeit Ausdruck verleihen. Als hätte er es geahnt, drehte Joe in dem Moment den Kopf und ich presste meine Lippen direkt auf seinen Mund. Er nutzte die Gelegenheit natürlich aus und erwiderte mit Begeisterung meinen Gefühlsausbruch, nur das der Kuss um einiges intimer ausfiel.
„Hey, ihr Turteltauben“, wurden wir lautstark von den ankommenden Familienmitglieder unterbrochen. Hochrot im Gesicht wandte ich mich von Joe ab. Ich wusste, dass ihm die Bezeichnung gefallen hat, mir war sie nicht geheuer, ganz und gar nicht. Schließlich waren wir kein Paar, zumindest in meinen Augen nicht. Auch wenn ich meine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle brachte sobald er in meine Nähe kam. Ich musste mich dringends damit in nächster Zeit auseinander setzten, unbedingt.
„So, die Familie mal wieder komplett“, wurde ich von Martin begrüßt. Ich nickte ihm freundlich zu und konnte immer noch kein Wort reden. Ich wusste es, sie hatten mich in ihrem Kreis aufgenommen und zählten mich schon als Familienmitglied. Ich musste mich ganz dringend mit Joe auseinandersetzen, erste Priorität.
„Hey alle miteinander“, begrüßte ich dann doch die ganze Truppe und blickt sie reihum an. Die Kaffeepause wurde recht kurz gehalten und die Jungs machten sich alle wieder an die Arbeit auf der Ranch, auch Joe hatte noch einiges zu erledigen. So verbrachte ich den Nachmittag mit Mary und meinen beiden Schmusetiger, die sichtlich erfreut waren, als sie nach dem Erwachen meine Wenigkeit entdeckten.
Der Tag war anstrengend obwohl ich eigentlich nichts machen musste. Mein Bein begann zu schmerzen und ich wollte mich nur noch hinlegen, am liebsten in ein gemütliches, weiches Bett. Mary offerierte mir das Gästezimmer, das ich schon einmal zur Verfügung hatte. Dankbar nahm ich es an und machte mich humpelnd mit den Krücken auf den Weg nach oben. Ich stand noch am Treppenansatz und überlegte mir, wie ich es am geschicktesten Anfangen könnte ohne das meine Verletzung sich nachteilig bemerkbar machte, als ich schwungvoll vom Boden gerissen wurde.
Mein entsetzter Aufschrei wurde durch ein lautes Lachen übertönt.
„Jetzt kannst du mir nicht mehr so einfach davon springen“, hauchte mir eine tiefe Stimme ins Ohr. Mir stellten sich die ganzen Härchen am Körper auf, sogar die am Fußzehen, wenn ich welche dort hätte. Joe hatte mich mal wieder eingefangen und trug mich mit einer Leichtigkeit als wäre ich ein Fliegengewicht die Stufen in den ersten Stock. Es war echt nicht einfach seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen, wenn man dermaßen manipuliert wurde. Nicht alleine, dass er mich fest an seinen muskulösen Oberkörper presste, nein, er musste mit seinen Lippen auch noch meinen Kopf liebkosen und ganz sachte kleine Küsse auf meinem Haar verteilen.
„Laß das Bitte“, versuchte ich ihn davon abzubringen mir meine Selbstbeherrschung abspenstig zu machen. „Ich brauch ersteinmal eine ausgiebige Dusche, die ich zwei Tage nicht gesehen habe.“
„Hmm, … du riechst aber trotzdem lecker. … Aber das mit der Dusche bekommen wir auch noch hin“, willigte Joe sofort ein.
„Ääh, … so war das nicht gemeint“, stotterte ich rum und versuchte gleich die Fronten zu klären. „Ich gehe duschen und zwar alleine. Klar!!“
Inzwischen waren wir in meinem Zimmer angekommen und Joe setzte mich auf meinem Bett ab. So konnte ich ihm endlich ins Gesicht sehen und ihm nochmals mit meinem Blick verdeutlichen, dass es keine, wirkliche keine Chance für ihn gab sich mit mir unter der Dusche zu vergnügen.
„Joe, ich bin echt KO. Ich muss zugeben, dass es doch anstrengender war als ich dachte. Ich möchte mich nur noch waschen und dann in einen erholsamen Schlaf sinken.“ Im Krankenhaus war das für mich nicht unbedingt möglich gewesen. Die Betten hatten etwas mit einem Knast gemeinsam, sie waren ausgesprochen hart und schmal.
„Natürlich habe ich nur dein Wohl im Auge und möchte nicht, dass du dir schaden zufügst. Auf jeden Fall werden keine Türen verriegelt. … Da gehe ich keinen Kompromiss ein.“ Seine anfänglich besorgten Worte unterstrich er zum Schluss mit einer eindrucksvollen Geste. Mir war schon klar gewesen, dass meine Gesundheit ihm wichtig war. Natürlich hatte ich auch so viel Vertrauen zu ihm, dass ich keine Tür abschloss, zumindest, wenn ich noch nicht vollständig intakt war. Mir kam dann auch die Nacht wieder in den Sinn, als ich ihn zusammengebrochen auf den Fliesen im Bad fand. Da hatte er auch Glück gehabt, dass ich ungehindert eintreten konnte.
„Geht in Ordnung Doc“, gab ich meine Zustimmung. „Keine verschlossenen Türen.“ Ich wartete darauf, dass er mein Zimmer verließ, damit ich mich endlich ausziehen und mein Schlafshirt mit ins Bad nehmen konnte. Auf dem Bett war es doch um einiges einfacher, da ich mich einigermaßen bequem hin und her rollen konnte beim Ausziehen.
Joe machte aber keine Anstalten mich alleine zu lassen. Er hatte sich auf den einzigen Stuhl im Raum gesetzt und starrte zu mir herüber.
„Was? Willst du nicht endlich verschwinden und mir meine Privatsphäre gönnen?“ Ich musste mir auf die Lippen beißen um ihm nicht noch einige Gemeinheiten an den Kopf zu werfen. Schließlich ging mir noch das Wort Spanner und Notgeil durch meine Gehirnwindungen. Zu meiner Entschuldigung muss ich noch anmerken, ich war müde, hatte wieder Schmerzen und sehnte mich nach meinem Bett, und das möglichst frisch geduscht. Das alles war nur möglich sobald er aus meinem Schlafgemach endlich raus war.
„Ich kann dir schon behilflich sein“, versuchte er meine Nähe solange wie möglich noch auszunützen.
„Mach und verschwinde, und das heute noch“, fuhr ich ihn an. Ich konnte mich jetzt einfach nicht mehr beherrschen.
„Ich gebe dir zwanzig Minuten, dann bin ich wieder hier und kontrolliere nach, dass du im Bett liegst“ stieß er mit hartem Ton hervor und ging ohne einen weiteren Gruß aus dem Zimmer.
>Ups!<, war ich doch etwas zu grob gewesen? So wütend hatte ich ihn mir gegenüber noch nicht erlebt. Aber ich hatte wenigstens Erfolg. Er hatte sich verkrümelt.
Zügig zog ich mich aus und suchte mir aus meiner Reisetasche meine Klamotten. Im Bad sah ich mir meinen Verband etwas genauer an. Er war schon etwas blutgetränkt. Konnte ich ihn einfach wegmachen und ohne duschen. Mist, jetzt könnte ich eine zweite Meinung gut gebrauchen. Ich hatte vom Krankenhaus kein Verbandsmaterial mitbekommen und dadurch dass ich nicht zuhause war, wusste ich auch nicht wo ich hier was beibringen konnte. Ich entschloss mich, einfach mit etwas Plastik alles so gut wie es ging abzudichten und unter die Dusche zu gehen. Morgen konnte ich mir immer noch den Kopf darüber zerbrechen.
Ich hatte mir gerade mein Schlafshirt über den Kopf gezogen, als ich es an meiner Zimmertür klopfen hörte. Kaum hatte ich ein lautes „Herein“ gerufen, wurde die Tür auch schon schwungvoll geöffnet. Joe trat ohne Kommentar herein und steuerte auf mich zu. Ich war gerade aus dem Bad herausgetreten und machte mich Richtung Bett auf. Das ging durch meine Behinderung natürlich nicht so schnell wie ich gewollt hätte, da ich auch noch ohne Gehhilfe unterwegs war.
Ich verbiss mir einen Kommentar, als ich mal wieder den Boden unter meinen Füßen verlor. Joe schien sich wirklich für meinen persönlichen Pfleger zu halten, der mich andauernd kontrollieren musste. Mit wenigen Schritten wurde ich ins Bett verfrachtet. Leider rutschte mein Nachthemd fast bis zu meinen Oberschenkel hinauf und legte meinen Verband frei.
„So geht das nicht“, wurde ich unfreundlich angefahren. Ich schaute nur verwirrt aus der Wäsche. Was passte ihm den schon wieder nicht? War meine Bekleidung nicht fein genug? Oder nicht warm?
„Was geht nicht?“, fragte ich dann doch nach, als ich mir keinen Reim auf seine Aussage machen konnte und er aus dem Zimmer stürzte. Auch Recht, dachte ich mir und zog mich noch ein Stück ins Bett hinein um mich dann einfach erschöpft hinzu legen. Ich war wirklich total am Arsch, kaputt und zu nichts mehr zu gebrauchen. Meine Augen waren schon nicht mehr bereit, sich der Tatsache zu stellen, dass mein Zimmer noch taghell erleuchtet war und ich mich eigentlich nochmals aufraffen sollte um diese Schlossbeleuchtung auszuschalten, als meine Zimmertür erneut aufgerissen wurde. Joe kam gefolgt von Mary in mein Zimmer und trug einen Verbandskoffer mit.
Jetzt hatte ich doch ein schlechtes Gewissen, dass ich Joe so einige männliche Schwächen unterstellt habe. Seine Sorge um mich war wirklich nicht mehr zu übersehen.
„Dein Verband muss erneuert werden“, teilte mir Mary auch sogleich mit und schob mir mein Nachthemd noch etwas höher um besser an meinen Verband dran zu kommen. Mir war es aber irgendwie peinlich, dass sie alle so besorgt um mich waren und ich mich so launisch benahm.
Ich hatte mich eigentlich immer als tapfer eingestuft, jemand der nicht bei jeder Kleinigkeit anfängt herum zu heulen. Aber mir standen schon die Schweißperlen an der Stirn, bis Mary mit ihrer Arbeit fertig war. Entweder hatten die Schmerzmittel aus dem Krankenhaus jetzt endgültig ihre Wirkung verloren oder ich war eine Mimose geworden.
Joe hatte sich zu mir ans Kopfende vom Bett gesetzt und tapfer meine Hand gehalten, die ich ihm wahrscheinlich zu Brei gequetscht hatte. Aber immerhin konnte ich mich soweit beherrschen und keine Schmerzenslaute über meine Lippen entweichen lassen.
„Danke“, hauchte ich mehr oder weniger in den Raum und wollte nur noch meine Augen schließen. Ich merkte gar nicht, dass ich nun diejenige war, die sich krampfhaft an Joes Hand festklammerte.
„Hier nimm“, wurde ich sanft aufgefordert und spürte eine Hand an meinen Lippen. Automatisch öffnete ich den Mund und spürte eine Tablette auf meiner Zunge. Sofort wurde ein Glas Wasser an meine Lippen gesetzt und ich spülte mit einem großen Schluck das ganze hinunter. Jetzt konnte mich nichts mehr halten. ich kuschelte mich in mein weiches Bett und wollte nur noch schlafen.
Die Nacht verbrachte ich in wohlverdienter Ruhe. Nicht ein einziges Mal wurde ich wach. Im Halbschlaf genoss ich die angenehme Wärme meines Nests und drückte mich noch etwas fester an mein Heizkissen. Okay, es war Sommer, ich hatte kein Heizkissen im Bett, nicht einmal im Winter. Langsam wurde mein Geist etwas wacher und ich tastete mich sachte voran an meiner Wärmequelle. Schlagartig wurde mir klar, dass ich nicht alleine in meinem Bett lag. Ich musste meine Augen nicht öffnen um zu wissen, wer sich zu mir ins Bett gelegt hatte.
Vorsichtig versuchte ich mich von Joe weg zu drehen und meinen Kopf von seiner Brust zu ziehen. Ich hatte ihn doch tatsächlich als Kissen benutzt und mich ganz fest an ihn ran gekuschelt. Ich konnte nur noch über mich selbst den Kopf schütteln. Kein Wunder brachte ich mich immer in Verlegenheit, sobald ich in seiner Nähe war. Anscheinend ließ ich im Schlaf meine ganzen Hemmungen fallen und suchte innigen Kontakt zu Joe.
Wie konnte es auch anderst sein, Joe hatte meine Reaktion bemerkt und lag wach neben mir. Sachte gab er mir einen Kuss auf die Stirn und flüsterte mir ins Ohr, „Wie geht´s dir heute?“.
„Mmh, … ganz gut zur Zeit“, brummte ich nach reiflicher Überlegung nachdem ich mein Bein vorsichtig gestreckt und gedehnt hatte. Für ihn schien das aber eine andere Bedeutung zu signalisieren. Sachte spürte ich seine Finger an meiner Seite nach unten zu fahren, immer weiter bis sie an meinem Oberschenkel Halt machten.
Eine Welle der Erregung machte sich breit, über meinen ganzen Rücken, die sich immer weiter nach unten ausbreitete. Mein Gesicht wurde in der Zwischenzeit mit lauter kleinen Küsschen bedeckt, die sich immer weiter meinen Lippen näherten. >Oh mein Gott<, was machte er mit mir. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Auch meine Hände hatten sich inzwischen selbständig gemacht und erkundeten Joes Adoniskörper. Seine Brustmuskeln waren weich und hart zu gleich. Ich konnte einfach nicht anderst als zärtlich darüber zu streichen.
Als seine Lippen meinen Mund eroberten, war es um meinen Verstand geschehen. Es regierte nur noch das Gefühl, dass ich die ganze Zeit versucht hatte zu unterdrücken. Wir fielen regelrecht übereinander her, wie Teenager, die nur auf ihr Vergnügen aus waren. Und genauso war es! Wir waren beide heiß aufeinander und liebten uns ohne Rücksicht. Als wir erschöpft aneinander gekuschelt in meinem zerwühlten Bett lagen, kam die Ernüchterung schlagartig zurück. Ich hatte genau das getan, was ich eigentlich nie mehr wollte, ich hatte mich verliebt, hoffnungslos verliebt.
„Mist“, dachte ich laut und sagte es auch noch vor mich hin. Joe reagierte natürlich sofort, „Was ist los? Bereust du es etwa?“
Konnte ich ihm mit einem ehrlichem `Ja´ sein Glückgefühl zerstören? Er konnte eigentlich nichts für mein chaotisches Gefühlsleben. Er wusste nichts von meiner Vergangenheit, meiner schweren Enttäuschung. Aber ich wollte jetzt darüber mit ihm nicht reden, niemals wollte ich mich eigentlich daran erinnern. Mir kam ein ganz anderer Gedanke!
„Wir sind wirklich wie die Teenager“, gab ich ihm eine Antwort. „Keiner hat an Verhütung gedacht!“ Das wäre jetzt noch der Oberhammer, eine heiße Nummer, und das mit Spätfolgen! Ich sinnierte noch über meine Erkenntnis, als ich Joes Reaktion spürte. Sachte streichelte er über meinen flachen Bauch hinweg und hauchte mir ganz zarte Küsschen darauf.
„Das wäre noch das Beste Finale“, kam begeistert aus seinem Mund. Ich war total perplex. Normalerweise rennen Männer wie die Hasen sobald sie was von Kinder und Verantwortung mitbekommen. Joe gehörte anscheinend nicht zur normalen Truppe. Er grinste mich schelmisch an und weitete seine zärtlichen Streicheleinheiten großzügig aus. Wenn er so weiter machte, war die Gefahr wirklich da, dass aus unserem einmaligen Erlebnis noch Folgen entstehen könnten.
„Du bist unmöglich“, stöhnte ich zwischen zwei Küssen hervor. Seinen gierigen Händen konnte ich nicht ausweichen, die sich schon wieder den Weg in meine erogenen Zonen bahnten. Noch einmal in den Himmel und zurück, und wir langen beide erschlafft auf der Matratze. Dicht beieinander fielen wir nocheinmal in einen erholsamen Schlaf.
Mit lautem Klopfen wurden wir dann geweckt.
„Aufstehen, du Faulpelz“, wurde ich stürmisch von Mary begrüßt, die sogleich ins Zimmer stürzte ohne meine Antwort abzuwarten. Wie schon einmal blieb sie wie angewurzelt mitten im Raum stehen, als sie mehr als eine Person im Bett vorfand.
„Tut mir leid“, stotterte sie aus Verlegenheit und machte sich sofort auf den Rückzug. Dieses Mal hatte sie wenigstens nicht so laut gebrüllt, dass der Rest vom Haus sich bei mir einfand.
„Wir kommen gleich“, ließ sich Joe hinter meinem Rücken vernehmen. Ihn schien das keinen Moment aus der Fassung zu bringen, dass wir mal wieder zusammen erwischt worden waren und zwar eindeutig.
„Bis dann“, verabschiedete sich Mary und machte die Tür von außen zu. Mit einem Seufzen erhob ich mich dann endgültig aus dem gemütlichen Bett und machte mich mühsam auf den Weg ins Bad. Mein Bein hatte die Bettakrobatik zum Glück gut überlebt und keine weiteren Blutspuren auf dem frischen Verband hinterlassen.
Mit Joes Unterstützung waren wir auch relativ schnell für unser Frühstück bereit. Das Handling mit meinen Ersatzfüßen ging auch immer besser und ich schaffte es doch ohne weitere Schmerzattacken in das untere Stockwerk zu gelangen. Nach einem ausgiebigen Frühstück musste sich Joe an seine Arbeit machen und ich verbrachte den Tag mit Mary und meinen Süßen, die sich hier wirklich schon heimisch fühlten.
Auch ich konnte mich an die Gesellschaft von Mary ohne große Probleme gewöhnen. Sie umsorgte mich, dass es mir schon fast peinlich war. Nicht ein Mal musste ich sie um was bitten, sie pflegte mich tausendmal besser wie im Krankenhaus. Durch meinen `Unfall´ hatte ich jetzt einige Tage Sonderurlaub und meldete mich nur an meiner Arbeitsstätte, dass ich noch am Leben war und sich keiner Sorgen machen brauchte. Auch meinen beiden Freundinnen gab ich Bescheid, die sich daraufhin auch gleich zu einem Krankenbesuch einluden.
Mary fand es ganz toll, endlich einen Grund, um einen ausgiebigen Frauennachtmittag zu organisieren. Sie wurde es anscheinend kein bisschen leid den ganzen Tag in der Küche zu stehen und für Gott und Welt irgendwas zu kochen und zu backen. So wurden Marga und Tanja herzlichst aufgenommen und konnten die Gastfreundschaft der Ranch mit eigenen Augen erleben.
„Kein Wunder, dass du dich zu Hause nicht mehr blicken lässt“, war Margas neidischer Kommentar. Beide waren von der Ranch total begeistert gewesen und konnten ihre bewunderten Blicke nicht einstellen, die sie immer wieder durch das große Panoramafenster im Wohnzimmer gleiten ließen.
Mary hatte es sich nicht nehmen lassen und meine beiden Freundinnen eine kurze Besichtigungstour durchs Haus gegönnt, da sie die mehr als neugierigen Blicke von Marga und Tanja gesehen hatte.
„Tja, ihr habt meine perfekten Krankenpfleger noch nicht erlebt …“, gab ich meinen ehrlichen Grund eigentlich zu. Mary versorgte mich mit dem leiblichen Wohl und der Rest machte Joe. Er umsorgte mich wie ein kleines Kind und achtete darauf, dass ich meine Kräfte ja nicht überschätze und half mir stets in die zweite Etage. Runter hatte ich es ja schon Einigermasen im Griff , obwohl ich anschließend immer eine fünf Minütige Pause brauchte.
Als wenn er meine Gedanken lesen könnte, erschien Joe an der Wohnzimmertür und begrüßte meine Gäste. Nachdem er sich vorgestellt hatte und sich wie üblicherweise neben mir auf den Stuhl platzierte, bekam ich noch einen kleinen Begrüßungskuss auf die Wange. Das erstaunte Gesicht von Marga war schon sehenswert. Ihr klappte quasi die Kinnlade nach unten und starrte mich mit großen Augen an. Tanja musste sie erst anstumpen, damit sie ihre Fassung wieder gewann.
„Alles in Ordnung?“, fragte Joe, dem es natürlich auch aufgefallen war und sich keinen Reim auf ihren Gesichtsausdruck machen konnte. Ich wusste schon was kommen würde, hoffentlich erst wenn wir wieder alleine waren. Ich wollte vor Joe nicht meine Beziehung diskutieren, an die ich eigentlich noch immer nicht so recht glaubte.
„Du bringst halt jedes Frauenherz aus dem Takt“, schmunzelte ich und warf meinem Liebhaber?! einen verführerischen Blick zu. Der ließ sich auch sofort ablenken und widmete mir wieder seine volle Aufmerksamkeit. Nach einer kurzen Kaffeepause musste sich Joe wieder an die Arbeit machen und verabschiedete sich mit einem kurzen Gruß von der Damenrunde.
„Jetzt möchte ich aber etwas genaueres Erfahren“, forderte mich meine neugierige Freundin auf.
Auch Tanja konnte sich nicht mehr zurückhalten. „Auf deine Erklärung bin ich echt gespannt.“
Was wollten sie eigentlich von mir hören? Ich hatte mich Hals-über-Kopf verliebt und konnte es selbst noch nicht richtig glauben. Erst jetzt, als meine beiden Freundinnen mich mit mehr als neugierigen Blicken fixierten, wurde mir meine Position hier im Haus erst richtig bewusst. Ich hatte mich wieder einmal in eine Abhängige Lage gebracht, psychisch wie physisch. Genau das wollte ich eigentlich nie mehr.
„Die Majors wollten mir als Gutmachung nur die perfekte Pflege zukommen lassen, nachdem ich mir hier die Verletzung zugezogen habe“, wich ich ihren fragenden Blicken aus. Mir war schlagartig Bewusst geworden, dass ich meine Unabhängigkeit nie wieder hergeben wollte, nie wieder für einen Mann.
Tanja überlegte laut, „ Vielleicht sollte ich mich von den Stufen stürzen und mir eine kleine Verstauchung zulegen, so eine besondere Krankenpflege würde ich mir auch mal gerne gönnen.“
Wir mussten alle über ihre kleine Ausführung lachen und die seltsame Stimmung, die in mir aufzukommen drohte verschwand wieder.
„Tja, auch die beste Zeit hier wird einmal zu Ende gehen. Ich bin schon fast eine Woche hier und werde mich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, in meine eigene vier Wände zurück zu kehren.“ Das war die einfachste Lösung. Dieser spontane Entschluss, Abstand zu gewinnen und mein Hirn mal wieder einzusetzen und nicht nur meine Libido, ja genau, dass war mein Plan.
„Das hat doch aber noch Zeit, Sina. Wir pflegen dich doch gerne!“, widersprach Mary meiner Aussage und schaute mich regelrecht entsetzt an.
„Ich freue mich ja, dass du meiner Gesellschaft nicht überdrüssig wirst, aber ich habe immer noch mein eigenes Zuhause, in dem ich auch doch noch mal vorbei schauen sollte“, wiegelte ich ihren Versuch ab, mich zum Bleiben zu überreden. Ein größerer Kampf stand mir noch mit Joe bevor, dass wusste ich genau.
Meine Mädels verabschiedeten sich nach kurzer Zeit sehr herzlich von uns mit dem Versprechen von mir, mich umgehend zu melden, sobald ich zu Hause wieder eingetrudelt wäre.
Ich bereitete mich seelisch und moralisch auf meine Diskussion mit Joe vor. Mit Mary hatte ich mich zwischenzeitlich geeinigt, mir die Entscheidung zu überlassen, wann ich Joe informieren wollte. Ich konnte mir nur zu deutlich vorstellen, dass sie liebend gerne meine Heimreise sabotierte. Ich hatte ihr aber strengstens verboten, Joe vorzuwarnen.
So verbrachten wir die übliche Familienzeit, das Abendessen, recht schweigsam. Man konnte es Mary direkt ansehen, dass ihr irgendwas gegen den Strich ging. Ich versuchte zumindest mit meinen Tischnaschbarn Smalltalk zu machen. Aber auch Joe bemerkte die gedrückte Stimmung und versuchte mich mehrfach auszuhorchen. Ich wollte nicht vor der versammelten Mannschaft unseren privaten Disput anfangen und schwieg also tapfer weiter.
Sobald es möglich war verzog ich mich in mein Zimmer und machte mich fertig für die Nacht. Trotz dem Nichtstun, war ich abends immer erschöpft und stellte fest, dass man doch einiges an Kraftaufwand brauchte um sich dem täglichen Leben zu stellen. Es war für mich trotzdem entschieden, ich musste wieder in mein eigenes Leben zurück. Hier war ich wie in einer anderen Welt, umsorgt und mit Familie. Mein Herz würde es nicht verkraften, wenn ich eine weitere Familie verlieren würde, nicht nach der kurzen Zeit.
Kaum hatte ich es mir im Bett gemütlich gemacht, klopfte es auch schon an meiner Tür. Mein „Herein“, war kaum ausgesprochen, stand Joe auch schon im Raum und kam mit schnellen Schritten auf mich zu.
Seiner leidenschaftlichen Umarmung konnte ich im Bett nicht rechtzeitig ausweichen. So hatte ich unsere Besprechung nicht geplant. Ich wusste genau, wenn ich ihn nicht sofort aus meiner Nähe verscheuchte, wurde aus der Aussprache eine wilde Knutscherei mit Folgen. Das hatten wir ja schon einmal erlebt und nur die Rücksichtnahme auf meine Verletzung hatten ihn in den letzten paar Tage auf Abstand gehalten.
„Mmh, …. Joe“, murmelte ich zwischen zwei Küssen und versuchte ihn von mir wegzudrücken. Seine Arme gaben nur widerwillig meinem Druck nach und er setzte sich aufrecht hin, damit er mir in die Augen schauen konnte.
„…. Wir müssen reden“, fing ich an.
„ … Wirklich?!“ fragte er mit tiefer, rauer Stimme und beugte sich schon wieder vor um mein Gesicht mit seinen heißen Küssen zu erobern.
Meine Schmetterlinge im Bauch wuchsen schon wieder zu einem riesigen Schwarm an, als sein Mund sich fordernd auf meine Lippen legte. Verdammt, so konnte das nichts werden.
„… Bitte!...“, stöhnte ich mit meiner ganzen Selbstbeherrschung. Ich konnte mich selbst nicht verstehen, warum ließ ich es nicht einfach zu? Mit beiden Händen an seinem Gesicht, schob ich ihn entschlossen ein Stück von mir weg.
„Erst reden, …“, ich ließ absichtlich die Option für das Weitere offen, schließlich wusste ich nicht, wie er auf meine Abreise reagieren würde. Meine Ausführung war kurz und bündig. Seine auch. Wie vorausgesehen war er wütend, mehr als wütend.
Ich konnte damit nicht besonders gut umgehen. Hatte ich nicht das Recht auf mein eigenes Leben, meine Entscheidung? Mein Blutdruck stieg auch gewaltig in die Höhe.
„Ich bin nicht dein Eigentum“, fauchte ich ihn an, nachdem er kategorisch einfach abgelehnt hatte mich gehen zu lassen.
Die zugeschlagene Tür war seine ganze Reaktion auf meinen Zornausbruch. Nicht schon wieder! Mein Exgatte neigte zu Jähzorn und es kam öfters wie einmal vor, dass er sich gewaltsam entladen hatte. Es ging nicht nur Inventar zu Bruch.
Die Erinnerung an meine Vergangenheit ließ mich heftig erzittern. Warum ich? Zog ich es magisch an? Immer die Falschen? Meine Entscheidung stand unumstößlich fest, morgen früh würde ich meine Sachen packen und endgültig meine Heimreise antreten.
Ich hatte mich in den Schlaf geweint, nicht sehr tapfer. Aber gegen seine Gefühle ist man nun manchmal doch machtlos. Ein Teil wollte nicht weg, aber mein Selbsterhaltungstrieb war auf Flucht programmiert. Ich war definitiv noch nicht für eine weitere Beziehung stark genug.
Meine Gedanken am nächsten Morgen waren im Halbschlaf schon wieder auf den gestrigen Abend fixiert. Ich kuschelte mich in mein weiches Bett und wollte mich eigentlich nicht der Realität stellen.
Als mein Körper an die Seite eines zweiten gezogen wurde, machte ich mich automatisch ganz steif, war sofort hellwach und ging auf Abwehrhaltung.
„Tut mir leid“, kam ein zärtliches Flüstern an mein Ohr. Das genügte mir nicht, was um Gotteswillen machte er in meinem Bett, ohne Einladung? Hatte er jemals eine Einladung? Blöde Frage!
Joe drehte mich langsam auf den Rücken, da er bemerkte, dass ich immer noch stocksteif neben ihm lag und schaute mir direkt ins Gesicht.
„Bitte, verzeih mir! … Ich wollte mich gestern noch bei dir Entschuldigen … Du hast aber schon geschlafen. … Ich konnte dich nicht alleine lassen, nachdem ich gesehen hatte, dass du geweint hast, … wegen mir?!“, kam die Frage stockend aus seinem Mund. Er sah ehrlich betrübt aus. Konnte ich ihm glauben, konnte ich mir vertrauen? Meinem Gefühl?
Seine Augen verfolgten jeden meiner Gefühlsregungen, die sich in meinem Gesicht wiederspiegelten. Ich war hin und her gerissen zwischen meinem Herz, das wohlgemerkt laut „Ja!!“ schrie und meiner Vernunft, die ganz fett auf „Vorsicht!!“ plädierte.
Ganz sachte hauchte er mir einen Kuss auf die Stirn und fuhr fort mit seiner Erklärung. „Am liebsten würde ich dich nicht mehr aus meinen Armen lassen, aber da du ja verletzt bist, … wie soll ich es erklären. Es macht mir eine Heidenangst, dich alleine in einem Haus zu wissen, ohne dass du Hilfe hast.“ Ohne dass ihm bewusst wurde, hatte er angefangen meinen Arm zu streicheln und fuhr zärtlich auf und ab.
Ich starrte ihn nur an. Seine Sorge schien von Herzen zu kommen und anscheinend war er es gewohnt, dass seine Anordnungen befolgt wurden. Nun ja, das konnte er auf seiner Ranch machen, mit seinen Tieren und seinen Angestellten. Bei mir funktionierte es auf jeden Fall nicht. Ich war mein eigener Herr und würde mich nie, nie mehr bevormunden lassen.
„Mir ist schon klar, dass wir uns noch nicht lange kennen, aber trotzdem …“, sprach er weiter. „ … mir wäre es wichtig zu wissen, dass du gut Versorgt bist. Hier ist der optimale Platz dafür.“
Okay, seine Beweggründe wusste ich jetzt, konnte ich mit seinem Wutausbruch klar kommen. Ich wusste es wirklich nicht und mir wurde, nicht zum Erstenmal, bewusst, dass ich es nicht gewohnt war, dass jemand sich Gedanken und Sorgen wegen mir machte.
Er beobachtete mich weiterhin mit liebevollem Blick und wartete auf meine Antwort. Mein Kampf war noch nicht entschieden, ich war in einer Zwickmühle. Wie sollte ich mich entscheiden?
„Deine Entschuldigung ist angekommen“, antwortete ich mit fester Stimme. „Aber meine Abreise steht fest. Ich bin gerne in deiner Gesellschaft, aber unsere Bekanntschaft ist wirklich noch zu kurz, um irgendwelche Forderungen zu stellen“, machte ich ihm unmissverständlich klar.
Anstatt einer Antwort bekam ich einen federleichten Kuss auf die Lippen gedrückt. Ich konnte mich gerade noch beherrschen, ihn nicht fest an mich zu ziehen und seinen Mund mit meiner Zunge zu erobern. Seine Gegenwart machte mich fast Willenlos. Wie konnte ein männliches Wesen nur so gut riechen und schmecken.
Nachdem jetzt die Fronten geklärt waren, konnte ich mich wieder komplett entspannen und hätte nichts dagegen gehabt, mich noch näher an seinen warmen Körper zu schmiegen. Mit meiner Zunge fuhr ich noch einmal meine Lippen ab, um seinen Geschmack aufzunehmen. Mein Lustzentrum war wirklich in höchster Aufregung sobald er in meiner Nähe war.
Joes Ausdruck in den Augen war das reinste Flammenmeer. Er wollte mich genauso. Aber seine Selbstbeherrschung war diesemal größer als meine, und er verließ schwungvoll das Bett mit dem Kommentar, „Meine Liebe, du brauchst deine Kraft heute noch für ganz andere Dinge!“
Was war das? Die Strafe, dass ich nicht seinen Befehlen gehorchte. Mist, ein bisschen wilde Küsserei hätte ich gerne in Kauf genommen.
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Nach dem Frühstück humpelte ich zu meinem Auto, mit dem ich tatsächlich vorhatte nach Hause zu fahren. Eine heiße Diskussion am Frühstückstisch hatte ich mit Erfolg beendet, indem ich einfach alle Argumente ignorierte. Joe durfte mir noch beim Beladen meiner Taschen helfen und auch meine beiden Stubentiger sicher im Auto unterbringen. Dann machte ich mich langsam auf den Weg. Langsam war die richtige Ausdrucksweise. Mein Glück war, dass auf dem gesamten Feldweg mir niemand in die Quere kam und ich mich an die Belastung meines verletzten Beines gewöhnen konnte.
Nach gefühlten Stunden kam ich endlich in meinem Domizil an. Wie verabredet meldete ich mich bei Mary, um ihre Nerven zu beruhigen, dass ich gesund – zumindest nicht schlimmer – und munter mein Ziel erreicht hatte.
Kurz darauf ließ sich auch schon Marga bei mir blicken. Sie erbot sich zugleich meinen Kühlschrank zu füllen und den notwendigen Großeinkauf für eine Person zu tätigen. Dankbar nahm ich an. Ich hatte wirklich gute und hilfsbereite Freunde gefunden.
Für Heute hatte ich wirklich genug, ich musste mich erstmal ausgiebig ausruhen. Meine beiden Mitbewohner ließen sich nicht stören und inspizierten die Zimmer wieder von neuem. Auf der Couch im Wohnzimmer hatte ich es mir gemütlich gemacht und mein defektes Bein hoch gelegt. So konnte man es aushalten, ich wollte niemand zur Last fallen und war doch froh, wieder in den eigenen vier Wänden zu sein.
Natürlich ging alles etwas langsamer. Aber ich konnte schon mein Bein recht gut wieder belasten, nur wenn ich länger auf den Füßen war stützte ich mich noch mit einer Krücke ab. Es funktionierte besser als ich erwartet hätte. Jeden Tag ging es besser, durch meine Selbständigkeit war ich gefordert und musste meine Muskeln trainieren und konnte nicht nur faul auf der Haut liegen und mich bedienen lassen. Meine Entscheidung war auf jeden Fall richtig gewesen.
Eine Woche hatte ich noch um richtig fit zu werden. Der Arztbesuch am Montagmorgen brachte gute Ergebnisse und alle waren mit dem Verlauf der Heilung zufrieden. Die einzige Auflage die ich mit nach Hause nahm war: schonen, schonen, schonen. Es kam immer auf den Blickwinkel an. Ich entschloss mich auf meinen Körper zu hören und selbst zu entscheiden, ab wann ich mich schonen musste.
Mit Mary und Joe war ich mich nur telefonisch in Kontakt getreten. Sie mussten doch auch mal froh sein, wenn ihr gewohnter Tagesablauf mal wieder Einzug hielt?! Ich hatte auf alle Fälle mit dem Alleinsein noch keine Probleme, ich genoss es momentan noch sehr.
Am späten Nachmittag klingelte es an meiner Tür. Überrascht auf einen nicht angekündigten Besucher, konnte es eigentlich nur Marga oder Tanja sein. Ich humpelte mal wieder ohne Gehhilfe an die Tür und machte sie mit freudiger Erwartung auf einen Kaffeeklatsch auf.
Tja, Kinder verbietet man das Öffnen der Haustür ohne sich vorher zu vergewissern wer vor der Tür steht. Dass hätte ich mir auch mal zu Herzen nehmen sollen. Mein Schock war so groß, dass ich im ersten Augenblick nicht reagieren konnte und dann war es zu spät. Hartmut, mein Exmann stand an der Tür und nutzte meine Sprachlosigkeit um gleich einen Schritt in meine Wohnung zu machen.
„Nett, dass du mich rein lässt“, sprach er und schob mich auch schon weiter in den Flur zurück. Sein Gesichtsausdruck sprach schon wieder Bände und mir lief einer kalter Schauer über den Rücken. >Das durfte doch nicht wahr sein>, meine Gedanken liefen schon Amok alleine bei seiner Gegenwart.
„Raus hier“, war alles was ich raus brachte. Eigentlich hätte ich sofort losschreien sollen. Die Panik hatte mich gelähmt. Ich konnte nicht verhindern, dass er der Wohnungstür einen Schubs gab und mich einfach weiter ins Wohnzimmer trieb. Er ignorierte meinen Rauswurf komplett.
Tausend Gedanken jagten durch meine Hirnwindungen. Die einzigen, die vor meinem inneren Auge hängen blieb, war unsere letzte Begegnung: die brutale Schläge, denen ich nicht mehr ausweichen konnte und mich Schlussendlich ins Krankenhaus brachten.
„Was willst du?“ mehr brachte ich nicht über die Lippen.
„Was wohl, deine Unterschrift“, knurrte er mich an und fixierte mich mit einem bösen Grinsen.
Mein Hirn versuchte gerade eine logische Antwort auf seine Forderung zu finden. Ich konnte mir aber keinen Reim darauf machen und musste mich wohl oder übel mit ihm auseinandersetzen.
„Sprich nicht in Rätseln, sondern sag mir klipp und klar was du von mir willst!“ Ich versuchte meiner Stimme so viel Festigkeit zu geben wie möglich, keine Angst zeigen war oberste Priorität.
Sein Aufflackern in den Augen zeigte mir, dass er über mein neues Selbstbewusstsein doch überrascht war. Seine Mine wurde wieder bedrohlich in der Hoffnung mich einzuschüchtern. Ich wappnete mich innerlich auf einen verbalen Angriff und blieb standhaft, keinen Schritt würde ich mehr zurück weichen.
„Deine Unterschrift brauche ich auf dem Dokument wegen der Unterhaltszahlung.“
>Aha, daher wehte der Wind> ging mir ein Licht auf. Er gönnte mir die paar Groschen nicht, die er mir für eine fünfzehnjährige Ehe zu zahlen hatte. Dabei war es wirklich nicht viel, schließlich verdiente er als studierter Architekt und ich hatte meinen eigenen Job.
„Du hast das Haus behalten, und es war so ausgemacht bei der Scheidung, mein Ausgleich dafür“, erinnerte ich ihn an das gerichtliche Urteil. Ohne auf meinen Einwand zu reagieren hielt er mir einen mehrseitigen Brief vor das Gesicht. Um meinen guten Willen zu zeigen, nahm ich es ihm aus der Hand und setzte mich auf mein Sofa. Einerseits um ihm zu demonstrieren, dass ich mir die Zeit nahm, alles genau durchzulesen und andererseits begann auch mein Bein zu schmerzen.
Wie ich vorausgeahnt hatte, war es nur ein hinterlistiger Versuch, sich um seine vereinbarte Zahlung zu drücken. Das Schreiben war von seinem Anwalt aufgesetzt worden und somit mit Sicherheit hieb und stichfest, sobald ich meine Zustimmung dafür gab.
„Nein!“ Meine Aussage kam bestimmend und fest. Ich hatte das Recht auf das Geld und ich würde mich nicht überrumpeln lassen, nur damit er in Saus und Braus leben konnte und ich mir mein Leben vom Mund absparen musste. Keine Chance! Er hatte mir genug angetan. Normalerweise hätte er nicht einmal in meine Nähe kommen dürfen, laut Gerichtsbeschluss lag eine einstweilige Verfügung vor.
Ich hätte eigentlich damit rechnen müssen. Wie konnte ich annehmen, dass man mit ihm vernünftig reden konnte? Ich war doch sowas von naiv! Ich hätte mich selber ohrfeigen können. Seine widerwärtigen Worte, die er mir an den Kopf schmiss, will ich gar nicht wiederholen. Wie konnte er die Menschen in seinem Umfeld nur so täuschen. Die meisten in unserem alten Bekanntenkreis konnten es gar nicht fassen, dass ich mich von Hartmut trennte, so von ´heute auf morgen`. Er war nach außen hin immer freundlich und nett, aber wenn ihm etwas gegen den Strich ging ….
„Du kannst dich über meinen Anwalt mit mir in Verbindung setzten“, versuchte ich zum letzten Mal unsere Auseinandersetzung zu beenden, dabei hievte ich mich umständlich aus meinem Sitz hoch. Ich wollte nur noch dass er mein Heim, mein Zuhause verließ. Mit zielstrebigen Schritten versuchte ich die Wohnungstür zu erreichen und meinem ungebeten Gast aus meinem Heim zu verweisen. Natürlich sah das mit meinem hinkenden Bein nicht so forsch aus wie ich es gern gehabt hätte.
Die Hälfte der Strecke hatte ich zurückgelegt, als in Hartmut wieder Leben kam. Er erfasste mich von hinten und drückte mich grob an die Wand im Flur.
„So nicht du Flittchen“, schrie er mich an und drohte mir mit erhobener Faust mit Schläge. Meine alte Panik kam zurück, gnadenlos. Mein Herz raste und ich konnte fast keine Luft mehr atmen.
„Nein, lass mich los“, versuchte ich mich zu wehren. Aber es kam nur noch ein Gestammel heraus. Mir rauschte schon das Blut in den Ohren und ich fühlte mich einer Ohnmacht nahte. Wo war mein ganzer Mut hin, meine Selbstsicherheit? Ich hörte nur noch das Toben und schreien Hartmuts an meinen Ohren und flehte innerlich er würde endlich verschwinden, von hier und meinem Leben. Ich wusste, ich würde es nicht mehr lange aushalten und bei den nächsten Gewaltaktionen alles tun um meine Ruhe wieder zu haben. Mein Frieden, der jetzt ein halbes Jahr angehalten hatte.
Plötzlich war der Druck auf meinem Körper weg, der Schmerz, der mich regelrecht an die Wand genagelt hatte. Ich sackte zu Boden und blieb benommen liegen. Der Tumult um mich herum ließ aber nicht nach. Ich hörte Hartmut immer noch brüllen und vernahm dumpfe Schläge, wie bei einem Kampf.
Kaum waren einige Minuten ruhen eingekehrt oder waren es nur Sekunden, spürte ich eine Hand auf meinem Gesicht. Erschrocken wich ich zurück und schrie ein lautes „Nein“. Meine Augen hatte ich in dem Moment aufgerissen und nur einen Schatten vor mir bemerkt, der sich neben mich gekniet hatte. Fort war mein einzigster Gedanke den mein benebeltes Gehirn noch zustande brachte. Mit meinem funktionierenden Bein und mit meinen Händen versuchte ich mich außer Reichweite zu ziehen.
Ich hatte keine Chance. Zwei starke Arme hielten mich fest. Erst das wiederholte Rufen meines Namens ließ mich wieder in die Gegenwart kommen.
„Sina, Liebes, schau mich an. Sina!“ Jetzt erst realisierte ich, nicht Hartmut kauerte vor mir, sondern Joe schaute mich mit seinen dunklen Augen an. Ohne eine Sekunde zu zögern klammerte ich mich an ihm fest. Meine Rettung, mein Ritter mit der weißen Rüstung.
Behutsam zog Joe mich vom Boden hoch und legte mich auf meinem Sofa ab. Dann hörte ich ein lautes Stöhnen und Gejammere, dann war Ruhe. Nachdem ich die Eingangstür ins Schloss fallen hörte, kam Joe zu mir zurück ins Zimmer.
„Was ist passiert?“ Gleichzeitig fragten wir uns gegenseitig nach dem Stand der Dinge. Trotz meinem Horrorerlebnis musste ich doch grinsen, dass mir aber gleich verging, als ich in Joes ernstes Gesicht sah.
„Mir geht es gut“, beteuerte ich ihm sofort, damit er seinen Beschützermodus wieder runterfahren konnte. Einpaar blaue Flecken auf meinem Rücken war die einzigste Blessur, die ich mir mit größter Wahrscheinlichkeit eingefangen hatte.
„Wer war das?“ war gleich seine nächste Frage. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, da konnte ich ihm meine Vergangenheit nicht mehr verschweigen.
„Mein Exmann, der wollte mich zwingen ein Dokument zu unterschreiben“, gab ich ihm vorweg eine Erklärung ab. „Aber, ich erzähle dir am besten die ganze Geschichte.“ Joe hatte sich in der Zwischenzeit zu mir auf die Couch gesetzt und seine Arme um mich gelegt.
„Was hast du mit Hartmut gemacht?“ Die Antwort interessierte mich noch brennend, nachdem ich nicht mehr viel mitbekommen hatte.
„Ich habe dich vermisst und wollte nach dir sehen. Als ich gerade an deiner Wohnungstür klingeln wollte, hörte ich wüstes Geschimpfe. Der Eingang war nicht abgeschlossen, sondern nur angelehnt und so konnte ich jedes dieser widerlichen Worte verstehen, dass er dir an den Kopf warf. Schon allein dafür hätte er eine Tracht Prügel verdient. Anschließend habe ich ihn einfach aus dem Haus geworfen“, schloss er seine Ausführung.
Ich begann Joe aus meinem früheren Leben zu erzählen, auch die schmerzlichen Erinnerungen, nicht nur das körperliche Leid, auch die Demütigungen, die ich zum Schluss ertragen musste. Es kam wieder in mir hoch, die ganze Panik und ich saß wieder zitternd auf dem Sofa. Joe ließ mich aber nicht los und streichelte mir beruhigend über meinen Rücken. Es tat so gut. Das Gefühl umsorgt zu werden war immer noch neu für mich.
Die Erschöpfung schlug erbarmungslos zu. Joes gleichmäßiger Herzschlag, den ich direkt an meiner Wange spürte, gaben mir das Gefühl der Sicherheit und ich ließ meinen Körper einfach die Entspannung genießen.
„Ich bleibe bei dir, Sina“, vernahm ich Joes beruhigende Stimme an meinem Kopf. Heute hatte ich keine Einwände. Mir war alles Recht, solange er mich in seiner beschützenden Umarmung fest hielt. Irgendwann musste ich in seinen Armen eingeschlafen sein, nur ganz Entfernt nahm ich wahr, dass ich in mein Bett gebracht wurde.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich so richtig erholt. Ein warmer Körper schmiegte sich ganz fest an mich und ein Arm lag über meiner Taille. Ich kuschelte mich noch fester an Joe, der die Nacht bei mir geblieben war. Es fühlte sich so gut an, wenn man nicht alleine im Bett aufwachte. NEIN ! Das war der falsche Gedankengang! Ich wollte doch keine neue Beziehung. Die Folgen der letzten hatte ich immer noch nicht komplett ausgestanden, nachdem was gestern passiert war.
Mein Körper schien dass aber wenig zu interessieren. Obwohl ich mit meinem Geist haderte, drückte sich mein Rücken noch etwas fester an Joes muskulöse Brust. Er strahlte so viel Geborgenheit aus, die ich richtig in mich aufsaugte. Ich versuchte mich so wenig wie möglich zu bewegen, um Joe nicht aus seinem Schlaf zu reißen. Mit geschlossenen Augen ließ ich mich auf einer Welle der Behaglichkeit davon tragen und döste vor mich hin.
Zärtliche Küsse auf meinen Nacken holten mich aus meiner Trägheit in die Wirklichkeit zurück. Still genoss ich diese vorsichtigen Berührungen, die mir kleine Schauer den Rücken hinunter jagten. Als sich Joes Hand streichelnd zu meinen Brüsten vorarbeiteten, stellte ich erstaunt fest, dass ich außer meiner Unterwäsche nichts mehr anhatte. Störte es mich? Kurz schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass er mal wieder ohne zu fragen, mich mit seiner Liebe überfiel. Nein! Keine Einwände entschied mein Gefühlszentrum im Hirn. Ich war schon so weit von seinen Liebkosungen gefangen, dass ich mich hingebungsvoll an ihn drückte.
Meine Hände tasteten sich an Joes Körper entlang bis ich seinen Kopf in meine Richtung ziehen konnte, um ihm einen zärtlichen Guten-Morgen-Kuss geben zu können. Die Leidenschaft überrollte uns. Aus dem vorsichtigen betasten wurde ein stürmischer, intensiver Kuss. Unsere Zungen wanderten jeweils bei dem anderen an den Lippen und im Mund entlang und entfachten so ein Feuer, das wir nur noch mit ganzem Körpereinsatz stillen konnten. Es war unumgänglich, wir hatten wilden, leidenschaftlichen Sex.
Ich konnte es nicht mehr leugnen, mein Körper hatte es schon viel früher gewusst: ich hatte mich hoffnungslos in Joe verliebt. Seine Nähe, seine Zärtlichkeit, seine Liebe und Fürsorge, ich konnte nicht mehr ohne ihn sein. Es schmerzte mich schon der Gedanke, dass er mich später verlassen musste, um sich seiner Arbeit auf der Ranch zu widmen.
Umso gieriger nahm ich seine Leidenschaft entgegen. Ich genoss jede Sekunde, die er mich mit seinen Händen streichelte und liebkoste. Aber auch die schönsten Momente gehen einmal vorüber. So mussten auch wir uns irgendwann aus unserem Liebesnest erheben und uns dem Alltag stellen.
Meine Mitbewohner sorgten dafür, dass es um einiges schneller ging. Zu zweit überfielen sie uns im Bett und wollten ihren Teil an Streicheleinheiten haben. Frühstück war angesagt und ich machte mich auf in die Küche um die wilde Bande zu versorgen.
Als wir unser Frühstück beendet hatten, wurde Joes Gesichtsausdruck total ernst.
„Wir müssen wegen gestern unbedingt noch einmal reden. Ich möchte dich nicht ohne Schutz hier zurück lassen.“ Widerwillig musste ich ihm zustimmen, dass ich mich in meinen eigenen vier Wänden nicht mehr sicher fühlte. Hartmut wusste jetzt wo ich wohnte und konnte jederzeit zurück kehren und mir Ärger machen. Sein Überfall hatte mir vor Augen geführt, dass meine mentale Selbstsicherheit gegen pure Gewalt nichts nützte. Ich war hilflos. Es würde noch einige Zeit brauchen, bis ich fähig war mich auch körperlich gegen ihn zur Wehr zu setzten.
„Was soll ich tun? Polizeischutz beantragen?“ Schon allein der Gedanke, dass das ganze Szenario vor meiner Scheidung noch einmal über mich ergehen lassen musste, verursachte mir Herzrasen. Nicht einmal, als der Typ mich mit der Pistole bedroht hatte, war ich mir so schutzlos vorgekommen.
„Das einfachste wäre, du kommst mit mir zurück zur Ranch. . . . Bitte überleg´s dir.“
Ich sah es seinem Blick an, dass er mich am liebsten über die Schulter geschmissen hätte um mich sofort in Sicherheit zu bringen. Es kostete ihn große Überwindung meine Antwort abzuwarten, auch auf die Gefahr hin, dass ich ablehnte.
Ich war hin und her gerissen. Einerseits wollte ich meine neuerworbene Freiheit nicht so einfach wieder aufgeben und mich von einem Mann abhängig machen. Andererseits war mir schon klar, dass ich alleine in einem Haus viel zu unsicher war. Ich musste mich mit der Polizei und meinem Scheidungsanwalt auseinandersetzten, damit die meinem Ex einen Riegel vorschoben. Ich stöhnte innerlich auf und wäre am liebsten bis ans Ende der Welt geflüchtet um meine Ruhe zu haben.
„Danke. Deine Fürsorge weiß ich echt zu schätzen. Aber ich muss noch einige Dinge erledigen, bevor ich hier meine Zelte abbrechen kann.“
Sein lautes Aufatmen war mir Antwort genug. Er hatte wohl nicht mit meiner Vernunft gerechnet und sich auf eine lange Diskussion eingestellt. So erklärte ich ihm genau, was ich heute noch zu Regeln hatte, unter anderem auch noch eine Anzeige bei der Polizei, bei der ich ihn als Zeuge brauchte. Wir kamen überein, dass ich nicht alleine bleiben sollte. Joe gab auf der Ranch Bescheid und reservierte den ganzen Tag für mich und meine privaten Angelegenheiten.
So geschah es, dass ich wieder auf unbestimmte Zeit auf der Ranch einzog. Meine zwei Kater fühlten sich dort schon mehr Zuhause wie bei mir auf dem Dorf. Ich gönnte es ihnen aber von ganzem Herzen. Mary nahm es natürlich mit Begeisterung auf, einen neuen Mitbewohner zu haben.
Ich konnte mich eigentlich auch nicht beschweren. Die ganze Familie freute sich auf meine Rückkehr. Sie gliederten mich in ihren Tagesablauf ein, als wäre es schon immer so. Besonders Joe konnte sein Grinsen nicht abstellen.
Den einzigen Punkt, den ich nicht nach gab, war mein Schlafzimmer. Ich wusste, Joe hoffte jeden Tag darauf, dass ich in sein Schlafgemach umsiedelte. Dazu war ich aber nicht bereit. Auch wenn wir uns fast jede Nacht das Bett teilten (nur um uns zu wärmen!!!), war ich noch nicht für eine engere Beziehung bereit.
Tag der Veröffentlichung: 08.10.2011
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