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Flittern will gelernt sein

Jetzt war es vorbei. Ich schaute dem Wagen mit gemischten Gefühlen hinterher. Ich hätte es ihnen am liebsten gleich getan, einfach ins Auto und weg. Leider konnte ich mich nicht so aus der Affäre ziehen, meine Abwesenheit würde auffallen.
Trotzdem hatte ich jetzt Tränen in den Augen. Noch nie waren wir in den letzten 20 Jahren getrennt gewesen, noch nie. Ich wünschte ihr, dass sie ihre übereile Entscheidung nie bereuen würde. Ich fühlte mich das erste Mal richtig einsam, die Versuchung einfach wegzugehen war groß, sie war Übermasen groß.
Ich war leider nicht schnell genug mit meiner Überlegung. Hinter mir erschien einer der Gäste, ich hatte mir den Namen nicht gemerkt, schließlich waren es einige denen ich heute auf die Schnelle vorgestellt wurde.
„Kommen Sie, der Eröffnungstanz wartet, und Sie müssen ja mit das Brautpaar vertreten.“ Ja, so war es wohl, meine Tochter hat mich einfach zurückgelassen, mich den Löwen zum Fraß vorgeworfen, zumindest fühlte ich mich so. Ich verübelte es ihr aber nicht mal so sehr. Ihr jetziger Ehemann hatte seine Familie irgendwie vergessen vorzustellen, sie hatten sich auch erst vor einem halben Jahr kennengelernt.
Es war Liebe auf den ersten Blick, bei beiden. Ich wusste am ersten Morgen nach ihrem kennenlernen schon Bescheid. Meine Tochter Lilly und ich hatten keine Geheimnisse voreinander. Sie stellte mir Felix auch gleich nach ihrem ersten richtigen Date vor, und er gehörte dann gleich zu unserer kleinen Familie, vom ersten Tag an, unsere kleine Familie, ich Emy und Lilly.
Aus meinen Erinnerungen gerissen, drehte ich mich um und folgte dem adrett aussehenden Mann im Smoking zurück in den großen Empfangssaal. Es sollte nur eine kleine Hochzeit im Familienkreis werden, aber Felix Familie sah das nicht ganz so. Es waren an die 50 Gäste anwesend von der Seite des Bräutigams, und von der Seite der Braut war es ganz übersichtlich, nur ich, ich alleine.
Er nahm mich charmant an der Tür am Arm und führte mich auf die Tanzfläche, anscheinend war er mir als Partner zugeteilt worden, nachdem Lilly´s Schwiegereltern festgestellt hatten, dass ich ohne Begleitung da war. Ich war keine gute Tänzerin, hatte selten Gelegenheit dazu gehabt. Die Standardtänze bekam ich gerade so mal hin, ohne über meine Füße zu stolpern. Nach den ersten paar Schritten merkte ich schon, mein Partner war darin ein Profi, wir glitten übers Parkett, als würden wir das tagtäglich tun. Er zog mich bei der nächsten Drehung etwas näher, und flüsterte mir ins Ohr, „Viktor…“, ich schaute ihn verwirrt ins Gesicht, er grinste anscheinend über mein Unverständnis, „Mein Name ist Viktor, ich bin der jüngste Bruder des Brautvaters.“ > Aha, also einer der engeren Familienmitglieder < dachte ich mir gleich, sollte ich mir vielleicht doch merken, zumindest als Tanzpartner.
„Emy…, die Mutter der Braut“, stellte ich mich dann nochmals vor, ich wusste nicht, ob wir uns heute schon irgendwann begegnet waren. Zu viel Smalltalk kamen wir während des Tanzens nicht, dafür reichte meine Puste nicht aus. Nach der dritten Runde brauchte ich eine Pause und ließ mich an die Bar begleiten, um eine Erfrischung zu holen. Einfache Getränke gab es anscheinend gar nicht, ein Glas Champagner war noch das einzige mit wenig Alkohol. Also nippte ich vorsichtig an meinem Glas, denn ich wusste, viel vertrug ich nicht.
Viktor hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mich die ganze Zeit zu unterhalten, er erklärte mir noch einmal die verschiedenen Leute, die mehr oder weniger aufgetakelt am Empfang teilnahmen. Seine passenden oder unpassenden Kommentare zu fast jeder Person ließ meine Einsamkeit vergessen, ich amüsierte mich blendend.
Die hochnäsigen, teilweise arroganten Blicke, die sie mir zuwarfen ignorierte ich so gut es ging. Ich wusste, ich war eigentlich nicht die Liga, mit denen die sich abgaben. Deshalb wollten Felix und Lilly auch eine kleine Trauung und keine Highsociety Party veranstalten.
Felix Eltern kamen dann auf uns zu, stimmt ich hatte noch kein Wort mit ihnen gesprochen, eine Begrüßung kann man ja nicht als Unterhaltung werten. „Wie ich sehe, hat mein Bruder sich Ihrer erbarmt“, kam es von Werner von Heyden als Begrüßung entgegen. > Mein Gott, was ist das für ein arroganter Arsch<, schießt es mir in den Kopf, kein Wunder warum Felix uns seine Eltern nie Vorstellen wollte. Ich wandte mich direkt an Viktor, „Ich hoffe doch, dass ich Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch genommen habe, da das Brautpaar durch ihre nicht bewilligte Hochzeitsplanung schon vertrieben wurde, werde ich mich jetzt auch verabschieden.“ drehte mich um und ging mit erhobenem Kopf Richtung Ausgang. Im Blickwinkel sah ich den hochroten Kopf von von Heyden und seiner Frau. Das gab mir ein richtig gutes Gefühl, schließlich bin ich keine kleine Angestellte von ihm, die er vor versammelter Mannschaft abfertigen konnte.
Draußen holte mich Victor ein. Er entschuldigte sich bei mir für das Verhalten seines Bruders und bat mich wieder zurück zu kommen.
„Warum sollte ich, dieser arroganter Schnösel, ich wollte die Hochzeit genauso wenig, ich lasse mich nicht noch einmal so anmachen.“ Viktor konnte sich über meinen Wutausbruch nur amüsieren. Er brach in schallendes Gelächter aus. Ich schaute ihn nur fragend an, was war daran so witzig?
„Schon allein der Gesichtsausdruck von Werner ist´s wert, ich glaube es hat noch nie jemand gewagt ihn so zu ignorieren. Auf, kommen Sie, wir sind jetzt Verbündete, ich bin nicht mehr allein das schwarze Schaf der Familie.“ Er schaute mich spitzbübisch an, als hätte er noch einen Hintergedanken.
„Ich gehöre zum Glück nicht zu dieser Familie“, musste ich doch gleich anmerken, mich schüttelte es gleich bei diesem Gedanken. Sie waren alle so oberflächlich und eingebildet, nicht eine Eigenschaft, die ich mit ihnen teilen wollte.
„Zu welcher Familie dann?“ kam gleich die nächste Frage.
„Nur ich und Lilly, natürlich auch Felix und der Rest kann mir gestohlen bleiben.“
„Könnte ich auch einen Aufnahmeantrag zur Familie beantragen?“ fragte Viktor schalkhaft. Ich fand ihn echt süß, wie er versuchte mich aufzumuntern.
„Tja, das ist aber nicht so leicht, man muss einen Eignungstest bestehen.“ konterte ich gleich schlagfertig.
„Kein Problem, ich werde mich sehr anstrengen um ihn zu bestehen. Was wäre meine erste Aufgabe?“ wollte Viktor wissbegierig hören.
Ich überlegte kurz, „Mmh… mal sehen, Sie müssten mich heute heil aus dieser Party bringen, falls wir wieder zurück gehen.“
„Na wunderbar, das werde ich mit Bravour lösen.“ und hakte sich gleich bei mir unter, um mich zurück zum Fest zu bringen.
Wir gesellten uns wieder auf die Tanzfläche, und drehten unsere Runden als wäre nichts gewesen. Viktor strahlte übers ganze Gesicht, als hätte heute den Hauptpreis mit mir gezogen und kein lästiges Anhängsel. Das steigerte mein Selbstbewusstsein enorm und ich nahm mir vor, dass ich mich nicht unterkriegen lassen werde.
Wir legten dann wieder eine Pause an der Bar ein. Viktor holte zwei Gläser für uns und erhob sein Glas, „Ein Tost auf das abwesende Brautpaar“, rief er laut in die Runde und stieß mit mir an. Jeder war nun gezwungen auf das Brautpaar anzustoßen, ich konnte es mir nicht verkneifen zu den Bräutigameltern rüber zusehen.
Die Gesichter waren es wirklich wert, noch mal auf der Party zu erscheinen. Als hätten sie auf eine saure Zitrone gebissen, es konnte eigentlich jeder sehen, dass sie mit dem Verhalten des Brautpaares nicht einverstanden waren. Ich freute mich nur für beide, dass sie diesem Theater aus dem Weg gegangen sind.
Viktor zog mich etwas zur Seite und meinte, „ So wir haben es jetzt fast geschafft, bis auf eins, als angehendes Familienmitglied müssen wir noch Brüderschaft trinken.“ Er stieß noch einmal mit mir an und meinte dann, „Auf Ex“ und trank seinen Champagner auf einmal aus, ich machte es ihm nach. Dann zog er mich in den Arm und gab mir rechts und links einen Kuss auf die Wange. Ich tat es ihm gleich, so hatte er seinen ersten Auftrag vom Eignungstest erfüllt.
Das Fest war zu Ende, die Gäste verabschiedeten sich. Ich hatte das Gefühl, dass das die längsten zwei Stunden meines Lebens gewesen waren. Ich wollte mich gerade von Viktor verabschieden, als sein Bruder mit Gemahlin auf uns zu traten. „Ich habe ein Tisch reserviert im Palais, ich würde mich freuen, wenn Sie uns heute Abend Gesellschaft leisten würden.“ kam es unerwartet von Werner von Heyden. Seine Frau versuchte auch ein freundliches Lächeln auf zusetzen. >Hört dieser Tag den gar nicht mehr auf? < Ich fühlte mich einfach überrumpelt. Wäre es sehr unhöflich einfach zu sagen >Nee, danke keine Lust!< Mir fiel beim besten Willen keine Ausrede ein, ich konnte nicht mal sagen, zu Hause wartet jemand, … es wurde Zeit sich ein Haustier zuzulegen. Also gab ich mich geschlagen und ließ mich von Viktor mitziehen.
Zum Glück fuhren wir wenigsten getrennt, dass hieß die von Heydens und ich mit Viktor. So konnte ich hoffentlich später Viktor überreden mich früher nach Hause zu bringen.
Das Palais, war natürlich das vornehmste Restaurant der ganzen Stadt, vielleicht vom ganzen Bezirk. Das Essen war nicht schlecht, aber die Häppchen, die zu den verschiedenen Gängen gereicht wurden machten nicht mal mich satt, und ich bin kein großer Esser. Dafür gab es immer genügend Wein zu jedem Gang.
Der Smalltalk am Tisch hielt sich in Grenzen, die meiste Zeit unterhielten sie sich über Familienangelegenheiten, von denen ich eh keine Ahnung oder keinen Zusammenhang wusste. Werner´s Frau hieß Erika, das war eigentlich das Wichtigste für mich, wie gesagt, ich hatte die vielen Namen einfach vergessen. Viktor lächelte mir ab und zu aufmunternd an und versuchte mich in ihre Gespräche mit einzubeziehen, aber ich hatte eigentlich gar kein Interesse daran. So verlief der Abend relativ ruhig für mich, dass mir sehr angenehm war.
Als das Dessert vorbei war, bat ich Viktor auch gleich mich nach Hause zu fahren. „Danke für das nette Essen“, ließ ich noch verlauten, „Es war heute sehr anstrengend, und deshalb möchte ich mich jetzt verabschieden.“
Als ich aufstand hatte ich leichte Probleme mit meinem Gleichgewicht, ich gab meiner Müdigkeit die Schuld und war froh, dass Viktor mir gleich seinen Arm anbot. Kaum waren wir an der frischen Luft, wusste ich was es sprichwörtlich hieß, eine mitten ins Gesicht zu bekommen. Ich war weg, gnadenlos weggetreten.

Der Tag danach

Der nächste Morgen war grausam, sehr grausam. Mein Schädel brummte, ich dachte ein Hornissennest hätte darin Platz gefunden. Ich brauchte dringend ein Aspirin. Meine Augen konnte ich auch noch nicht richtig öffnen. Langsam tastete ich mich in meinem Bett entlang, irgendwas war anders, nicht normal, hatte ich mein Bett umgeräumt?
Als ich mir dann meine Zehen anrannte war dieser Schmerz größer, als der im Kopf, ich riss meine Augen auf und stellte fest, dass ich in einem fremden Zimmer war. Ich stolperte rückwärts wieder aufs Bett zu und ließ mich erst mal drauf fallen, um meine Zehen zu entlasten. Mein Gott, war das Bett riesig, ich dachte, das ganze Zimmer bestand nur aus Bett.
Am anderen Ende bewegte sich was, ich stieß erschrocken einen Schrei aus.
„Was…,was ist passiert?“ fragte eine Stimme die noch halb unter der Decke hervorkam. >Was hab´ ich gestern noch gemacht, wurde ich noch von jemanden abgeschleppt?< ich hatte den totalen Filmriss, keine Ahnung was geschehen war. Ich versuchte mich krampfhaft zu erinnern was sich gestern nach dem katastrophalen Hochzeitsempfang noch abgespielt hatte. Die Einladung zum Essen, und dann… nichts, überhaupt nichts mehr.
Ich sprang ins Bett zurück und deckte mich erst mal zu, bis unters Kinn. Meine Unterwäsche hatte ich zum Glück noch an, das war aber auch alles. Ich hoffte nur, dass ich keinem Meuchelmörder in die Hände gefallen war. Die Überlegung fast nackt zu flüchten, hatte auch nicht viel Beruhigendes.
Mein Bettgenosse bewegte sich jetzt auch wieder, ich sah nur verwuschelte, blonde Haare, die sich langsam aus der Bettdecke schälten. Dann kam ein Gesicht zum Vorschein, mit einem fetten Grinsen auf dem selbigen. Viktor, ich war in Viktors Bett gelandet.
Ich stöhnte innerlich auf, hatte ich mich aus purer Verzweiflung an seine Brust geschmissen, und wusste zu guter Letzt nichts mehr davon. Meine Verzweiflung wurde immer größer. Naja, hoffentlich kein Psychopath, ging mir nur noch durch den Kopf.
„Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich dir, hoffe wohl geruht zu haben“, kam es galant vom anderen Ende des Bettes.
„Guten Morgen“, nuschelte ich ihm entgegen, „Wie komme ich zu dir ins Bett?“
Ich wurde schon rot bei dem Gedanken, dass etwas zwischen uns vorgefallen wäre, und ich konnte mich nicht, gar nicht daran erinnern.
Viktor kroch etwas näher zu mir und war nur noch bis zu den Hüften mit seiner Decke bedeckt. Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie toll dieser Mann aussah. Jetzt nachdem er nicht mehr so gestylt war, und nur noch pure Natur ausstrahlte, ja, jetzt fiel es mir zum ersten Mal richtig auf, welche Ausstrahlung er auf mich hatte. Sein Körper, zumindest das was ich davon sah, war der Hammer.
Er kam immer näher, ich versuchte einen Sicherheitsabstand einzuhalten, und drückte mich weiter an den Rand zurück. Beinahe wäre es geschehen, ich stieß schon wieder einen spitzen Schrei aus, und wäre mit höchster Wahrscheinlichkeit aus dem Bett gefallen, wenn Viktor mich nicht am Arm ergriffen hätte.
„Ich glaube langsam, Emy du brauchst noch ein bisschen Schlaf, irgendwie bis du heute Morgen sehr schreckhaft.“
Ich stotterte ein Danke und wurde noch röter.> Na Klasse, wie ein Teenager< , ich machte gerade so, als wäre es der erste nackte, oder halbnackte Mann, der bei mir im Bett war.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet, und bitte bleib etwas auf Abstand, schließlich ist das Bett ja groß genug“, versuchte ich die Situation noch zu retten.
Viktor musterte mich und antwortete, „Du warst gestern betrunken, sehr betrunken. Ich konnte dich ja nicht irgendwo ablegen, also hab´ ich dich mit zu mir genommen.“
„Danke“, fauchte ich gleich zurück, „Ich hätte nichts dagegen gehabt, dass du mich irgendwo ablegst, wie einen alten Sack mit Müll. Schließlich war es nicht meine Schuld, dass ich kein Alkohol vertrage, und bei eurer Familienfeier nichts anderes zu Trinken gab.“
„Entschuldige, sollte kein Vorwurf sein, ich hab´ dich gern bei mir abgelegt“, kam es gleich reumütig von Viktor zurück. Was mich wieder zu dem Punkt brachte, was war zwischen uns heute Nacht geschehen.
„Was…,ist was zwischen uns gelaufen…?“ wollte ich jetzt doch wissen oder nicht?
Viktor grinste mich wieder an. Mir wurde ganz heiß bei der Vorstellung, das unsere Körper schon Bekanntschaft miteinander gemacht hatten.
„Du weißt doch, ich gehöre doch fast zur Familie, ich mache meine Hausaufgaben dann schon richtig.“ Mir wurde ganz elend bei dem Gedanken, hatte er sich an mir…
Als er mein geschocktes Gesicht gesehen hatte, lachte er lauthals los. „Glaub mir, es ist nichts passiert, dass du nicht auch wolltest.“ Das beruhigte mich noch nicht ganz, es könnte doch auch heißen, ich hätte ihn vielleicht aufgefordert und wusste es nicht mehr.
Doch dann erlöste er mich endlich, „Du warst wirklich weg, komplett, als wir das Restaurant verlassen hatten bis du einfach umgekippt. Ich hab´ dich einfachhalber zu mir gebracht und dich schlafen gelegt.“
Zur Antwort nahm ich ein Kissen und haute es ihm einfach über den Kopf. Es artete zu einer ausgewachsenen Kissenschlacht aus. Wir fielen kichernd übereinander her und jeder versuchte den anderen vom Bett zu schubsen. Als schwache Frau hatte ich natürlich keine Chance gegen einen durchtrainierten Kämpfer zu gewinnen. Bis ich feststellte, dass er sehr, sehr kitzelig war. Ich hatte sofort die Oberhand und forderte, „Nur wenn du um Gnade flehst und zugibst verloren zu haben, lass ich von dir ab.“
Japsend kam prompt die Antwort, „Gnade, bitte, bitte Gnade. Ich ergebe mich.“ Wir ließen uns erschöpf aufs Bett fallen, und kicherten weiter wie kleine Kinder. Das hatte ich schon ewig nicht mehr gemacht, eine Kissenschlacht.
Als mich Viktor dann mit Aufmerksamen Blick musterte, wurde mir wieder bewusst, dass ich nur meine schwarze Spitzenunterwäsche noch anhatte. Um meine Verlegenheit zu überspielen, schnappte ich mir mein Kleid und warf es über.
„Fertig mit der Spielstunde, könntest du mich zu meinem Auto zurück bringen, ich sollte mich mal wieder zu Hause sehen lassen“, und machte Viktor damit deutlich, dass ich jetzt nach Hause möchte.
„Wieso denn, es ist Wochenende, und ich könnte den ganzen Tag mit dir im Bett verbringen“, schmollte er rum. Es fehlte nur, dass er anfing zu betteln wie ein kleiner Junge. Ich ließ mich aber nicht erweichen und bestand auf unseren sofortigen Aufbruch, nachdem Viktor sich auch etwas übergezogen hatte.
Mein Auto, das war ein Problem, stand noch bei den von Heydens, da der Empfang im Haus von Lillys Schwiegereltern stattgefunden hatte. Ich bat kurzentschlossen Viktor mich erst nach Hause zu bringen, ich wollte mich unbedingt frisch machen, und das Abendkleid ausziehen. Es kam mir unpassend vor, mein Auto mit der Abendgarderobe abzuholen.
Bei mir zu Hause angekommen, versprach ich Viktor ein Sonntagsfrühstück, da er für mich den Chauffeur spielte. Er war ganz begeistert und meinte, „Immer zu Diensten, gnädige Frau.“ Also war es abgemacht und wir gönnten uns noch ein ausgedehntes Frühstück mit allem drum und dran. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so blendend unterhalten, Viktor und ich entdecken einige Gemeinsamkeiten, was die Literatur, Musik und Essen betraf. So gingen uns die Gesprächsthemen überhaupt nicht aus.
Am frühen Nachmittag machten wir uns dann endlich auf den Weg. Bei den von Heydens angekommen überredete mich Viktor, „Komm noch für einen kleinen Umtrunk mit rein, trotz allem sind wir eine große Familie und gehören doch irgendwie zusammen, tu´s für Lilly und Felix.“ Da hatte er einen wunden Punkt bei mir getroffen. Ich wollte unbedingt, dass die beiden glücklich werden, und ich nicht noch für mehr Zündstoff sorgte.
Das Haus war riesig, fast schon eine Villa, ich bestaunte den geschmackvoll eingerichteten Innenbereich. Gestern kam das nicht so zur Geltung durch den vielen Blumenschmuck, der überall dekoriert war. Es waren einige Angestellte unterwegs, die die Reste des Empfangs noch aufräumten.
Viktor führte mich Richtung Wohnzimmer, indem Werner und Erika sich zurückgezogen hatten, um dem geschäftigen Treiben aus dem Wege zu gehen. Unterwegs wurde er von jemandem aus der Familie aufgehalten. Wie gesagt, mein Personengedächtnis ist sehr schlecht, ich konnte ihn nicht zuordnen.
Viktor deutete mir an, einfach vorauszugehen. Ich zögerte zuerst, ging aber dann weiter bis ans Ende, da der Raum sich dann zu einem riesigen Zimmer, oder vielleicht besser gesagt, Saal öffnete. Ich stand da um mich zu orientieren und mich zu vergewissern, dass ich im richtigen Zimmer angelangt war.
Da hörte ich Stimmengemurmel, also war jemand anwesend. Ich wollte mich gerade in Bewegung setzen, als ich mitbekam über wen gesprochen wurde. Es ist nicht die feine englische Art, in einem fremden Haus zu lauschen, aber da Lillys und Felix Name gefallen waren, wollte ich wissen um was es ging. Also blieb ich einfach hinter der großen Grünpflanze stehen, die die Sicht ins Wohnzimmer versperrte.
Werner und Erika waren nicht alleine, es war noch eine dritte Person anwesend, die ich aber nur als Schatten ausmachen konnte.
„….und die Adresse stimmt. Das wird dann eine Kleinigkeit “, hörte ich die fremde Stimme sagen.
„Aber, Felix wird doch nichts passieren? Werner, ja !“ jammerte Erika dazwischen.
„Nein, natürlich nicht Häschen., Du machst es richtig, Igor, verstanden! So manches Liebesglück hat leider schon viel zu früh geendet. Und dann kommt er wieder nach Hause gelaufen und heult sich bei Mama aus….“ meinte Werner zu den beiden.
Mir blieb das Herz stehen, was meinten sie mit zu früh beendetes Liebesglück, die hatten doch nicht vor irgendwas den beiden anzutun??? Ich hoffte inständig ich hätte mich verhört, aber der nächste Satz war eindeutig.
„Lass es wie ein Unfall aussehen, ich will keine polizeilichen Untersuchungen haben.“
Mir wurde übel, ich konnte mich nicht mehr rühren, und genau in diesem Moment spürte ich eine Hand in meinem Rücken. Ich hätte beinahe laut aufgeschrien, aber ich konnte mir gerade noch auf die Lippen beißen, sonst wäre mein Lauschangriff sofort aufgeflogen. Es war aber nur Viktor, der mich wieder eingeholt hatte und nun komplett in den Raum schob. Er meinte zu mir, ich bräuchte doch nicht so schüchtern sein.
„Hallo ihr zwei, seht mal wenn ich mitgebracht habe, Emy. Sie wollte euch noch kurz `Hallo´ sagen, bevor sie ihr Auto abholt.“ begrüßte er vergnügt seinen Bruder mit Frau. Als wir eintraten sah ich nur noch einen großen, dunklen Typ durch die Terrassentür verschwinden. Viktor schien ihn nicht bemerkt zu haben.
Ich konzentrierte mich voll auf Werner und Erika, um aus ihren Gesichtszügen eine Reaktion ablesen zu können. Werner sah mich nur mit kalten Augen an, als wäre ich ein störendes Element, wie eine Stubenfliege. Erika stieg die Röte ins Gesicht. Sie konnte mir nicht in die Augen schauen.
Ich brachte ein unverfängliches, „Einen wunderschönen Tag“ heraus und betete, dass man mir meine Panik nicht ansah. Wie konnte ich dem ganzen Szenario flüchten, ob ich noch für Smalltalk fähig wäre, glaubte ich nicht ganz.
Ich schaute auffällig auf meine Uhr, „Ups, schon so spät, ich hab´ noch ein Date, leider habe ich doch keine Zeit mehr für einen Drink.“ meine Ausrede war mehr zu Viktor gewesen, denn von den beiden anderen erwartete ich keine Reaktion.
So schnell wie möglich verabschiedete ich mich von allen und machte mich auf den Weg nach draußen. Ich musste mich zusammenreißen, dass es nicht aussah als wär ich auf der Flucht. In meinem Auto wähnte ich mich erst einmal in Sicherheit. Nachdem mein Händezittern erst einmal etwas nachgelassen hatte, fuhr ich sofort los.
In Rekordgeschwindigkeit war ich dann zu Hause. Ich stürzte in meine Wohnung und schloss zum ersten Mal meines Lebens die Haustür ab, richtig zu mit dem Schlüssel. Ich dachte, dieser Typ von der Villa sitzt mir im Genick. Meine Wohnung im zweiten Stock fand ich auch zum ersten Mal richtig toll, es bot mir eine größere Sicherheit, keiner konnte so einfach einsteigen.
Ich sollte mir eigentlich mehr Gedanken um Lilly machen, ich konnte das Gehörte irgendwie noch immer nicht richtig fassen. Zur Polizei gehen, da hatte ich ja keine handfesten Beweise, die würden mich als hysterische Zicke abspeisen, zumal die von Heydens stadtbekannt waren, und ich nur eine kleine Leuchte.
Dann versuchte ich Lilly zu erreichen, ich wollte einfach ihre Stimme hören, dass alles in Ordnung sei, einfach das es ihr gut geht. Aber sie ging nicht ans Handy. Klar, Flitterwochen, da will man nicht mit seiner Mutter telefonieren, sehr verständlich. Ich probierte es trotzdem alle Stunde einmal bis in die Nacht.
Ich versuchte mich selbst zu beruhigen, so schnell kam dieser Igor auch nicht an sie ran. Morgen früh, ich werde sie mit Sicherheit erreichen. Es war einer meiner schlimmsten Nächte, nicht einmal als Lilly krank war, hatte ich so schlecht geschlafen. Um 6 Uhr war ich schon wieder auf den Beinen. Es nützte nichts, ich konnte sie nicht so früh anrufen. Also machte ich erst mal Großputz, ich beschäftigte mich so fast den ganzen Vormittag. Dann hielt ich es nicht mehr aus, ich tippte ungeduldig ihre Telefonnummer ein. Nichts, sie ging einfach nicht dran. Auf ihre Mailbox hatte ich ihr auch schon gesprochen. Vielleich hatten sie ja einen Ausflug geplant und das Handy lag im Hotel. Meine einzige Hoffnung, und an die klammerte ich mich fest, damit ich nicht verrückt wurde.
Ich überlegte, was konnte ich noch tun. Mich auf das Sofa setzten und Telefon anstarren, dass machte mich irre. Die Nummer von Felix hatte ich nicht, obwohl er mit Sicherheit sein eigenes Handy dabei hatte. Ich konnte schlecht bei seinen Eltern anrufen und anfragen, die hätten den Braten vielleicht noch gerochen, wenn ich die beiden unbedingt erreichen wollte.
Lilly hatte doch die Flitterwochen geplant, sie musste doch auch Unterlagen noch haben. Ich flitzte in ihr Zimmer und durchwühlte ihren Schreibtisch, das kann doch nicht allzu schwer sein hier irgendwas zu finden. Anscheinend hatte sie noch aufgeräumt bevor sie alles für die Reise gepackt hatte. Dann fiel mir noch der Papierkorb ein,… Bingo…, hier war was Brauchbares dabei.
Dass sie nach Paris, in die Stadt der Liebe wollten wusste ich, aber eine Zusammenfassung an Hotels wäre auch nicht schlecht gewesen. Diese alle abzuklappern, dafür hätte wahrscheinlich ein Leben nicht gereicht. Ich fand einen Auszug aus dem Internet, da waren fünf zur Auswahl, das war noch gut zu managen. Ich suchte die Telefonnummern heraus und machte mich daran sie anzurufen, um einfach nach einem jungen Braut- oder Ehepaar zu fragen.
Beim ersten scheiterte ich gleich, die waren anscheinend so vornehm, die gaben telefonisch keine Auskünfte über ihre Kundschaft.
Zweiter Versuch, hier haperte es mit der Sprache, deutsch konnten sie gar nicht, die Kollegin war krank! Wir unterhielten uns Einigermasen in Englisch. Soweit ich es verstanden hatte, und es lag nicht an meinen Sprachkenntnissen, wohnte bei ihnen niemand mit dem Namen ´von Heyden´.
Dritter Versuch, es ging keiner ans Telefon. Gibt´s den sowas ein Hotel und keiner geht ans Telefon?
Vierter Versuch, hier bekam ich eine eindeutige Aussage, ich hatte jemand mit deutschen Sprachkenntnissen am Telefon. Kaum zu fassen! Leider hatten sie auch kein Ehepaar mit dem Namen `von Heyden´ registriert.
Mein letzter Versuch, ich betete, aber wurde leider nicht erhört. Irgendeine französische Ansage versuchte mir was mitzuteilen, aber keine Chance, mein französisch war einfach schon zu lange her.
Mist, was konnte ich noch tun, ein weiterer Anruf auf ihrem Handy würde nichts bringen, sie wusste auf jedenfall Bescheid, das ich sie versuche zu erreichen. Sie würde sich umgehend melden. Jeder Tag der verstrich, konnte ihr Ende sein. Ich wollte nicht dran denken, ich fing schon wieder an zu zittern.
Es gab nur eine Lösung, ich musste ihnen hinterher fahren. Ich musste sie in den Flitterwochen stören und ihnen das ganze Drama erzählen. Mein Glück war eigentlich noch, ich hatte Urlaub und musste nicht noch auf meine Arbeit rücksichtnehmen, obwohl mir das im Moment auch ganz egal war. Schließlich ging es um das Leben meiner Tochter.

Die richtige Entscheidung

Ich machte mich reisefertig, jetzt nachdem ich mich entschlossen hatte, nach Paris zu fahren, war meine Nervosität wie weggeblasen. Ein Ziel vor Augen war für mich besser als das Nichtstun. Ich entschloss mich, sofort zu starten. Sobald ich müde würde, wollte ich mir eine Pension suchen und übernachten. Es waren schon einige Kilometer, die ich zurücklegen musste.
Das Telefon klingelte, ich hatte schon die Türklinge in der Hand um mein Heim zu verlassen. Ich stürzte zurück in der Hoffnung Lilly wäre dran. „Ja…“, weiter kam ich gar nicht. „Hey, Emy, wie geht´s, was machst du heute Abend? Gehen wir zusammen essen?“ wurde ich von einer bekannten Stimme bombardiert.
„Mit wem sprech ich bitte?“ fragte ich dann doch höflich, denn ich hatte keine Lust und keine Zeit für Rätselraten.
„Oh…, entschuldige, ich bin´s Viktor, ich hab mich so gefreut, dass ich ganz vergessen habe mich mit Namen zu melden, wie unhöflich.“ antwortete er mir ganz zerknirscht.
Mir wurde ganz warm ums Herz, Viktor. An ihn hatte ich seit dem Vorfall nicht mehr gedacht. Er war eigentlich ganz nett, mehr als nett. Wir hatten eine tolle Zeit miteinander verbracht, aber…
„Tut mir leid, ich bin in Eile und schon auf dem Sprung“, gab ich ihm zur Antwort.
„Darf ich dich dann morgen abholen?“ fragte er mich hartnäckig. Anscheinend wollte er sich nicht so schnell geschlagen geben. Ich musste ihn loswerden, mir brannte die Zeit unter den Nägeln.
Welche Ausrede konnte ich mir auf die Schnelle einfallen lassen, ich wollte nicht, dass irgendjemand mitbekam, was ich vorhatte. Vor allem seine Familie nicht, ich brauchte ein brauchbares Alibi.
„Ich bin nicht in der Stadt, ich habe schon länger eine Reise geplant, eine Bekannte besuchen. Sobald ich zurück bin, melde ich mich bei dir “, war ja fast die Wahrheit, dass die Bekannte meine Tochter ist brauchte er ja nicht zu wissen. Er klang zwar enttäuscht, aber es war nichts zu ändern, ich hatte andere Probleme als Viktors Seelenheil.

Wenn einer eine Reise tut…

Sobald ich aus der Stadt raus war, konnte ich viel entspannter fahren. Auf der Autobahn Richtung Süden war zwar einigen los, aber da mein Auto eh nicht das Schnellste war, störte mich die geringere Geschwindigkeit nicht sonderlich. Ich gehörte nicht zu den Rasern, wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, wäre ich liebend gern auf der Landstraße gefahren und hätte mir die Umgebung angeschaut.
Mein Navigationsgerät, hatte ich zu Hause noch mit allen Daten gefüttert, die für mich wichtig waren. Es gab nur ein Motel, das an der Autobahn Richtung Paris lag. Dahin musste ich noch etwa 350 Kilometer fahren. Im Moment war ich noch zu Aufgeregt, um an Müdigkeit überhaupt zu denken, solange es noch hell blieb, durch die Sommerzeit fast bis 22.oo Uhr, hatte ich auch keine Bedenken.
Ich hatte mein Ziel tatsächlich in meinem Zeitplan erreicht. Es war noch nicht mal 20.oo Uhr. Ein Zimmer im Motel war gleich gebucht, und ich beschloss noch etwas essen zu gehen, da ich den ganzen Tag nichts Richtiges zu mir genommen hatte. Das Restaurant, dass mir der Vertreiber des Motels empfohlen hatte war nicht weit, so machte ich einfach einen Spaziergang dorthin um mir auch die Beine zu vertreten.
Bis ich mit meinem Abendmahl dann fertig war, fing es doch schon an zu dämmern. Auf dem Weg zu meinem Zimmer, musste ich am ganzen Motel entlang laufen. Ich stellte fest, dass doch ziemlich ausgebucht war, denn vor jedem Zimmer parkte inzwischen ein Auto, die meisten mit Ausländischen Kennzeichen.
War ja keine Kunst, ich war ja inzwischen selbst Ausländer hinter der deutschen Grenze. Mir fiel dann auch gleich eins ins Auge mit demselben Stadtkennzeichen, das ich hatte. >Oh, toll, es ist doch immer witzig im Ausland einen Mitbewohner zu finden, man fühlt sich doch gleich Heimatnah< kam es mir spontan in den Kopf. Ein Mann machte sich noch am Heck zu schaffen, wahrscheinlich um seinen Koffer noch auszuladen. Ich war schon fast an ihm vorbei, einen „Guten Abend“ auf den Lippen, als mir das Wort regelrecht im Hals stecken blieb. Ein kurzes Zögern, ich hoffte innig, dass es ihm nicht aufgefallen ist, und ich versuchte so unauffällig wie möglich ans Ende vom Motel zu kommen, an dem mein Zimmer lag.
Zitternd schloss ich auf und glitt in den Raum um sofort wieder abzuschließen. Mein Herzschlag war bestimmt bis nach Bagdad zu hören, ich meinte gerade es spring mir aus der Brust. Meine Knie waren so weich, ich konnte nicht mehr stehen. Ich ließ mich einfach auf den Boden gleiten.
Der Mann, der Schatten in der Villa, Igor, er war draußen am Motel. Die Zeit rann mir davon, ich musste mich beeilen, an Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Wenn ich vernünftig war, sollte ich mich ausruhen, wenigsten für zwei-drei Stunden. Konnte ich das? Ich war zu Aufgeregt. Und auf Kommando schlafen konnte ich schon zweimal nicht.
Ich gab mir eine Stunde, duschen, frisch machen und etwas relaxen. Bis dahin hatte mein Verfolger sich vielleicht hingelegt und ich konnte ohne großes Aufsehen verschwinden. Mein Plan ging auf, das Motelzimmer hatte ich zum Glück gleich bezahlt, so wurde ich wenigstens nicht als Zechpreller gesucht.
Ich hatte noch etwa 200 Kilometer zu fahren, und dann war ich in Paris. Es müsste auf jedenfall zu schaffen sein. Es lief gut, besser als am Anfang meiner Route. Ich brauchte wirklich nur noch zwei Stunden bis ich in Paris war, Stadtschild Paris. Jetzt ein Hotel zu finden, das stand auf einem anderen Stern. Aber mein Navi hatte ja einpaar Adressen gespeichert, ich beschloss einfach mit dem ersten Anzufangen, mit etwas Glück bekam ich vielleicht ein Zimmer.
Nach einer Stunde hatte ich es dann endlich geschafft. Ich stand auf einer Parkbucht, die zum ersten Hotel auf meine Liste gehörte. Bevor ich mich auf den Weg ins Hotel machte überprüfte ich mein Aussehen, ich wollte nicht wie ein Vagabund aussehen. So vornehm und edel, wie das Hotel von außen schon aussah, wollte ich gar nicht wissen, wie versnobt die Angestellten waren.
Es war nur der Nachtportier noch da. Er beäugte mich gleich misstrauisch, als ich auf ihn zusteuerte um so spät, bzw. so früh noch irgendwas zu wollen. Ich fragte ihn gleich, ob er der deutschen Sprache mächtig sei, was seinem Gesichtsausdruck nicht unbedingt förderlich war. Mit Deutsch kamen wir also nicht weiter, also war Englisch an der Reihe. Mit dem Kauderwelsch was die Franzosen unter Englischkenntnisse betitelten war ich persönlich aufgeschmissen. Es hörte sich fürchterlich an und ich konnte mir nicht mal annähernd einen Reim auf seine Aussage machen. Ich war jetzt allerdings ziemlich müde, und wollte keine Diskussion mehr, nur noch ein Zimmer. Es war ein Hotel, was wollte die Leute in der Regel hier, schlafen sonst nichts.
Zurück zum Auto, schnappte ich meinen kleinen Koffer und ging zur Rezeption zurück, damit der gute Mann sah, was ich von ihm wollte. Jetzt schien ihm ein Licht aufzugehen, eine ganze Schlossbeleuchtung. Er strahlte mich an und meinte, „Qui, qui une chambre pour Madame.“ Ich hätte ihm um den Hals fallen können, denn so viel verstand ich auch noch.
Nach zehn Minuten stand ich in einem schnuckeligen Zimmer, vom Nachtportier persönlich abgeliefert, und freute mich nur noch auf das Bett. Ich stellte mir meinen Wecker, denn ich wollte nicht bis zum Mittag schlafen, ich hatte noch eine sehr wichtige Aufgabe zu erledigen.
Nachdem ich Einigermasen Ausgeschlafen war, machte ich mich sofort auf den Weg nach unten zur Rezeption. Der Nachtportier hatte keinen Dienst mehr, für ihn war eine junge Dame anwesend. In mir stieg die Hoffnung, dass die Sprachbarriere vielleicht behoben werden konnte. Mit einem freundlichem „Guten Morgen“, machte ich ihr gleich klar, dass ich Deutsche war. Sie gab mir aber auf Französisch Antwort. Also wieder dasselbe Spiel wie heute früh.
Aber es wurde nicht ganz so schlimm, ihr Deutsch war sehr schlecht, aber besser wie Englisch, so konnten wir uns mit Händen und Füssen verständigen. Ich zeigte ihr ein Bild von Lilly, und fragte ob sie hier wohne mit ihrem Ehemann. Sie war am Anfang nicht so überzeugt, dass ich ihre Mutter war, aber ich konnte es ihr zum Glück wirklich beteuern, dass es sehr wichtig wäre.
Leider nütze es nichts, die beiden waren hier nicht abgestiegen. Also musste ich weiter, es waren noch zwei auf der Liste, die ich aufsuchen musste. Ich nahm mir noch kurz Zeit für einen Kaffee und ein Croissant. Weiter geht´s in einem fremden Land ohne Sprachkenntnisse. Mir fiel zum ersten Mal auf, dass obwohl Frankreich ein Nachbarland war, es nicht einfach war sich zu verständigen.
So jetzt hatte ich die fifty-fifty Chance, wo fuhr ich zuerst hin. Ich nahm dann das, welches am nächsten war. Ich hatte so schon Probleme in dieser riesigen, wirklich riesigen Stadt mich zurechtzufinden. Die Straßen waren teilweise drei, vier oder noch mehr Spuren, wie Autobahnen. Kritisch wurde es erst wenn man abbiegen muss, dein Navi dir ins Ohr plärrt, >>Bitte links abbiegen, Bitte links abbiegen sofort….Bitte wenden, an der nächstmöglichen Stelle wenden…<<, das sind Situationen die jeder Autofahrer liebt. Man steckt im Kreisverkehr fest und dein Navi hat nichts anderes als wenden im Kopf. Kein Wunder gibt es so viele Verkehrstote. Man konnte dann wirklich mal aus purer Verzweiflung gegen einen Brückenpfeiler fahren, nur um dieser nervigen Stimme zu entkommen.
Ich traute mich aber nicht es auszuschalten, falls ich mich aus dem Verkehrschaos entwirrt hätte, brauchte ich es wieder um an die richtige Adresse zu kommen. Man glaubt es kaum, eine ganze Stunde, nur um von einem Hotel ins nächste zu kommen. Also Paris ist bestimmt eine Reise wert, aber nicht mit dem Auto.
Einen Parkplatz zu finden war fast genauso ein Kunststück, aber mein kleiner Rutscher brauchte zum Glück nicht viel Platz. So konnte ich mich in eine enge Lücke quetschen. Auf in den Kampf mit dem nächsten Portier. Das Hotel gehörte genauso zu einem der exklusivsten wie die anderen. Vorsorglich hatte ich mir ein elegantes Kleid angezogen, damit ich nicht gleich als Tourist auffiel.
Am Tresen musste ich einen Augenblick warten und konnte mich somit in der Halle umsehen. Es sah wirklich edel und vornehm aus, hier schienen nur die oberen Zehntausend abzusteigen. Es passte nicht zu Lilly, dass sie sich hier wohlfühlte. Ich wollte mich schon zurückziehen, als ich von einem Empfangschef angesprochen wurde.
Ich erklärte wieder, dass ich nur Deutsch könne, „Kein Problem, Madame, ich versuche mein Bestes“, kam in fast perfektem Deutsch die Antwort. Mit einem dankbaren Lächeln revangierte ich mich und teilte ihm mit, dass ich meine Tochter suche und zeigte auch gleich das Bild.
„Ah, qui Madame, ich sehe Ihre Tochter. Sie wohnt seit zwei Tagen mit ihrem jungen Ehemann hier, in der Hochzeitssuit.“ Ich wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Ich glaub, dass sah er mir auch an und freute sich sehr, dass er mir helfen konnte.
„Sind sie auf ihrem Zimmer, können Sie mich anmelden, bitte“ sprudelte es aufgeregt aus mir heraus, ich konnte es nicht fassen, ich hatte sie endlich gefunden.
„Une momente, sil vous plait, Madame“, er nahm das Haustelefon in die Hand, um mit der Suite zu telefonieren. Ich beobachtete ihn und konnte feststellen, dass niemand an den Apparat ging. Er deutete mir, dass ich einen Moment warten solle, drehte sich zu einer Mitarbeiterin um, um mit ihr zu debattieren.
Kurz darauf wendete er sich wieder mir zu, „Tut mir leid, Madame, das junge Ehepaar hat heute schon das Hotel verlassen. Sie haben sich bei meiner Kollegin nach einer Schifffahrt auf der Seine erkundet. Sie werden den ganzen Tag unterwegs sein. Soll ich ihnen etwas ausrichten, wenn sie zurück sind?“fragte er mich hilfsbereit.
Was sollte ich ausrichten lassen, das ich hier bin und sie verzweifelt suchte, nein ich musste schon persönlich mit ihnen reden. Ich schüttelte nur den Kopf, mir war nicht nach reden zumute, wieder hatte ich sie verpasst. Ohne hochzuschauen drehte ich mich um und ging Richtung Ausgang, als ich voll in eine Person reinlief.
Eine Entschuldigung murmelnd schaute ich nach oben und erstarrte. Es war ein Mann im Anzug, er sah so normal aus in dem dunkelgrauen Anzug, als wäre er ein Geschäftsmann. Aber mir war sofort klar, das war kein Zufall, der Typ hatte sich mir in den Weg gestellt. Ich machte einen Schritt rückwärts und versuchte die Lage zu checken. Es war Igor, er hatte mich erwischt.
Wusste er wer ich war? Natürlich, welch dämliche Frage. Er packte mich sofort am Handgelenk, dass ich keine Chance hatte davon zu laufen. Was sollte ich tun, laut schreien, eine Szene hinlegen, irgendwie die Aufmerksamkeit der Gäste, des Personals oder vielleicht auch dem Sicherheitsdienst auf mich lenken?
Mich wie eine Irre aufführen, war vielleicht nicht der beste Plan. Die Landessprache nicht mächtig, konnte ich keinem meine Situation erklären und auf Hilfe hoffen. Mit eiskaltem Blick fixierte mich Igor. Ich fluchte innerlich wie ein Gassenjunge. Wie blöd konnte man nur sein, ich wusste doch das er auch auf der Suche war und wahrscheinlich bessere Informationen besaß als ich. Mein Hals wurde ganz trocken, ich musste irgendwie reagieren.

Auf der Flucht

Ich setzte gerade zu einer Erwiderung an, als mir ein schwerbeladener Page ins Auge fiel, der auf uns zu wankte. Mir schoss blitzartig eine Idee in den Kopf. Der Junge kam von hinten auf Igor zu, er konnte ihn nicht sehen und würde jeden Moment an uns vorbeilaufen. Ich trat auf Igor zu, der wahrscheinlich mehr mit einer Flucht gerechnet hatte und stieß ihn mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte nach hinten. Er machte einen Ausfallschritt um sein Gleichgewicht wieder zu bekommen und trat dem Pagen genau in den Weg.
Das Chaos war perfekt. Igor stürzte über die Koffer und Taschen, die dem Jungen aus den Händen fielen. Er ließ mich los um sich aufzufangen. Aber es nützte nichts, in seiner Hektik riss er den Kofferträger auch von den Füssen, und die beiden lagen mitten im Empfangsbereich. Meine Chance zur Flucht, eine zweite bekam ich wahrscheinlich nicht. Ich stürmte durch den Haupteingang, als säße mir der Teufel im Nacken, was auch fast stimmte. Ich brauchte ein Versteck und zwar sehr dringend. Ich hatte nur Minuten Vorsprung, wenn überhaupt. Ich sprintete am Hotel entlang, so dicht an dem Gebäude wie es ging, um den Menschenmassen aus dem Weg zu gehen. Ich bog gleich um die erste Ecke des Hotels und befand mich in einer Gasse. Nur weiter dachte ich, nicht anhalten. Sobald ich an einer Tür vorbei kam zwang ich mich anzuhalten und nachzusehen, ob ich wieder ins Hotel gelangte. Das kam mir noch am sichersten vor, denn davon laufen konnte ich ihm auf Garantie nicht. Er sah mir durchtrainiert und sportlich aus, da konnte ich nicht mithalten.
>Mist, die ist zu<, fluchte ich und spurtete weiter. An der nächsten hielt ich auch wieder, ein kurzer Blick gönnte ich mir auch noch nach hinten, noch nichts zu sehen. Hoffentlich war er in die andere Richtung gelaufen und ich hatte noch etwas Galgenfrist bekommen.
Ich rüttelte an der Türklinke, nichts. Ich setzte gerade an weiter zu laufen, als die Tür von innen geöffnet wurde. Der Himmel hatte Erbarmen mit mir, ein paar junge Leute kamen raus, alle mit einer Zigarette bewaffnet. Zigarettenpause, ich dankte der Zigarettenindustrie, so konnten sie wenigsten ein Leben retten, meins. Ich drückte mich mit einem „Excusez moi“, einfach bei ihnen vorbei ohne auf ihre überraschten Gesichter zu achten.
Ein langer Gang mit tausenden Türen, so kam es mir zumindest vor, ich war auf jedenfall in dem Servicebereich gelandet. Nun zwang ich mich ruhiger zu gehen, ich denke mal, das arbeitende Volk hatte es nicht so eilig um an den Arbeitsplatz zu kommen und ich wäre bestimmt aufgefallen.
Unauffällig kontrollierte ich die Türen um mich zu orientieren und wieder in den Gästebereich des Hotels zu kommen. Das war gar nicht so einfach. Mein Trost war, Igor konnte mich hier drinnen auch nur mit größter Schwierigkeit finden. Ich fand ein Treppenhaus, hier ging ich erst mal eine Etage nach oben, in der Hoffnung mir einen besseren Überblick zu schaffen.
Mein Gedanke war, wenn ich mich den ganzen Tag hier irgendwo verkriechen konnte, konnte ich meine Tochter und Felix heute Abend doch noch abfangen. Besser als kopflos in der Stadt herumzuirren. Es stellte sich allerdings als Problem heraus, aus dem Treppenhaus wieder herauszukommen, anscheinend brauchte man dazu einen Schlüssel. `Für Unbefugte Zutritt verboten´ vielleicht stand das ja auch auf dem Schild an der Tür, als ich einfach durch diese gegangen war.
Klasse, gefangen im Treppenaufgang. Ich spähte nochmals nach unten und stellte fest, dass unten eine Klinke angebracht war, der Rückweg war gesichert. Also machte ich mich noch ein Stockwerk höher, in der Hoffnung ich hätte die Möglichkeit hier weiter zu kommen. Ich hatte zum zweiten Mal Glück, ich war auf den letzten Stufen angelangt, als sich die Tür zum Treppenhaus geöffnet wurde.
Eine Servicekraft kam schwer beladen heraus. Ich sprang einige Schritte auf sie zu, um die Tür zu halten, damit ihr nichts aus den Händen fiel. Sie bedankte sich bei mir ohne richtig zu registrieren, dass ich kein Mitarbeiter war.
Heilfroh, aus meinem unfreiwilligen Gefängnis zu entkommen, schaute ich mich erst einmal um. Es sah aus wie in einem gewöhnlichen Hotel, der Flur war lang, sehr lang. Auf jeder Seite gingen einige Türen in die Gästezimmer, wahrscheinlich mehr Apartments. Ohne Keykarte kam man aber nicht in die Räume rein, ein Versteck hier zu finden war unmöglich. Ich ging weiter, bis sich der Flur verzweigte.
Meine Sorge war jetzt, dass ich die Orientierung verliere und tagelang in diesem riesigen Hotel herumirrte. Ich konnte mir schon die Schlagzeile in der Regenbogenpresse vorstellen >> Deutsche Touristin im Exklusiven Hotel in Paris verhungert, hatte sich verlaufen<<.
Ich musste unbedingt die Aufzüge finden, und mich zur Empfangshalle begeben. Also im Notfall immer rechts, so wusste ich zumindest wie ich wieder zum Treppenhaus zurückfand. Ich musste noch dreimal abbiegen, bis ich einen Aufzug zu sehen bekam. Die erste Hürde war geschafft.
Mir wurde klar, sobald die Lifttüren unten in der Empfangshalle auf ging, war ich wie auf einen Präsentierteller. Ich musste mich schnell in einen Gang zurückziehen, falls Igor denselben Gedanken wie ich hatte im Hotel zu warten.
Da stand ich nun, in einem Gang der was weiß ich wohin führte, wartete dass jemand auf mich deutete und entlarvte. Ich kam mir langsam wie in einem Agententhriller vor ` der Spion, hinter dem die ganze Welt her ist´.
Meine Nerven lagen blank, lange machte ich das nicht mehr mit. Viktor kam mir in den Sinn, warum hatte ich ihn nicht gebeten mich zu Begleiten. Er hätte mich bestimmt unterstützt. Warum hatte ich keine Telefonnummer von ihm? Es hätte mir jetzt gut getan seine Stimme zu hören, wenigstens seine Stimme.
Ich konnte es mir nicht leisten Trübsal zu blasen. Ich entschloss mich ins Restaurant vom Hotel zu gehen und mir was zum Essen zu gönnen. Das baute mich meistens auf, gutes Essen. Der Service hier war wirklich erste Sahne, die Preise zwar auch, aber man gönnt sich doch sonst nichts, war meine Devise.
Inzwischen war es schon Nachmittag, ich wurde immer aufgeregter, ich freute mich auf einer Seite ungemein, meine Tochter wieder zu sehen, auf anderer Seite wusste ich aber auch, dass das Gespräch nicht einfach war, dass ich auszufechten hatte.
Ich machte mich auf den Weg, die Empfangshalle auszukundschaften. Dabei versuchte ich mir alles in Erinnerung zu rufen, was ich jemals in Spionagefilmen gesehen hatte. Ich kam wir vor wie 007. So schlecht stellte ich mich anscheinend auch nicht an, denn ich bin noch nicht erwischt worden, weder von Igor, noch vom Hoteldetektiv, der mich als potentieller Dieb festnehmen will.
Da die Luft rein war, ging ich nochmals zur Rezeption um nach dem Brautpaar zu fragen, sie hätten in der Zwischenzeit zurück kommen können, ohne dass ich es bemerkt hätte. Leider war es nicht so, also weiterhin in Geduld üben.
Ich stellte mich hinter einigen Grünpflanzen, die mich um einiges überragten. Von da aus hatte ich den perfekten Blick auf die Eingangstür, konnte das Kommen und Gehen beobachten. Man glaubt nicht, wie viele Menschen unterwegs sind. Hier trafen sich alle Nationen, es war total interessant diese Leute zu mustern, ohne dass man selbst gesehen wurde.
Dann kamen sie. Sie waren so glücklich. Händchenhaltend schlenderten sie auf den Empfang zu. Sie scherzten und lachten die ganze Zeit. In mir stieg die Wut, die Wut auf Felix Eltern. Ich hätte am liebsten auf sie eingeschlagen, einfach so. Nur um ihnen weh zu tun, wie konnten sie es nur unseren Kindern antun….?
Als die beiden auf den Weg zum Lift waren, folgte ich ihnen, nicht ohne einen Kontrollblick durch die Lobby zu machen. Von Hinten schlich ich mich an, und hackte mich dann einfach zwischen den Beiden ein. Allein der überraschte Aufschrei meiner Tochter war es schon wert, sie wiederzusehen. Sie freute sich wirklich, obwohl ich mitten in ihre Flitterwochen platzte.
„Mum, du bist es wirklich, was für eine tolle Überraschung“, kam es begeistert von ihr und sie drückte mich, bist ich mich fast wehren musste. Auch Felix freute sich und drückte mir rechts und links ein Küsschen auf die Wangen. Sie luden mich sofort in ihre Hochzeitssuite ein, die ich unbedingt anzusehen hatte. Ich kam mir wie ein Tourist auf Sightseeing-Tour vor.

Dinge, die keiner hören will

Nachdem ich mich ausgiebig in ihrer Suite umgeschaut hatte, musste ich nun langsam zu dem Punkt kommen, an dem ich meinen tatsächlichen Grund meiner Reise offenbarte. Ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte, ich glaube auch nicht, dass Felix es hören wollte, aber ich musste da irgendwie durch, schließlich ging es um Lilly.
„Lilly, Felix, setzt ihr euch bitte zu mir“, fing ich unbehaglich an, „Ich muss mit euch reden, und es fällt mir nicht leicht, gar nicht leicht.“
„Ist was passiert, bis du krank, ….es ist doch keiner…gestorben?“ fragte mich meine Tochter verwirrt und bestürzt.
„Die letzten beiden Fragen kann ich mit Gewissheit mit einem ´Nein´ beantworten“, beruhigte ich sie gleich. Lilly ließ sich neben mich nieder und Felix saß im Sessel gegenüber. Ich schaute ihn fest in die Augen und beschloss meine Taktik ein wenig zu ändern.
„Felix, wie weit vertraust du mir, bitte sei ehrlich, es ist wichtig.“
„Was stellst du für seltsame Fragen, ich vertraue dir, du bist wie eine Mutter, schon von Anfang an.“
„Es ist für mich wichtig, dass du mir zuhörst, und bitte, bitte unterbrich mich nicht. Ich weiß nicht, ob ich den Mut aufbringe, noch einmal anzufangen.“
„Mum, du machst mich ja ganz krippelig, was ist so schlimmes passiert, so kenn´ ich dich ja gar nicht…“, fing Lilly wieder an. Ich unterbrach sie aber, um mit meiner Story zu beginnen.
„Ich hab´ Viktor kennen gelernt“, ich schaute abwartend auf Felix um ihm einen Kommentar zu entlocken, wie er zu Viktor steht. Er grinste auch gleich, „Der ist schwer in Ordnung, wir hatten immer viel Spaß miteinander.“
Ich atmete auf. >Gut, wenigsten einen Verbündeten noch in der Hinterhand<, dachte ich mir.
„Ja, so kann man sagen, er brachte mich Heil durch eure Hochzeit.“ Das schlechte Gewissen stand beiden im Gesicht, ich musste schmunzeln.
„Ich hab´s überlebt, wie ihr seht. Aber, jetzt kommt das dicke Ende.“ Ich berichtete den beiden in groben Zügen vom Empfang, und in noch gröberen Zügen was bis zum nächsten Nachmittag geschah. Dann wurde es ernst.
„Glaub mir Felix, ich hoffte immer noch ich hätte mich verhört, und würde tot umfallen wenn ich Lüge“, und berichtete Wort wörtlich über das Gespräch seiner Eltern mit Igor.
Mir war klar, dass es ein harter Schlag für ihn wird, aber so…. Er sprang auf und lief einfach davon, ich hörte die Tür mit einem lauten Knall zufahren. Lilly wollte ihm hinterher, ich ließ es nicht zu.
„Bitte bleib, Schatz, lass´ ihm Zeit, seine Eltern sind eine Katastrophe.“ Ich zog meine Tochter in den Arm und tröstete sie so gut es ging, schließlich ist es nicht alltäglich, wenn einem der Tod an den Hals gewünscht wird.
Es verging einige Zeit, bis es an der Tür klopfte. Lilly sprang auf um diese zu öffnen. Mir fiel siedend heiß Igor ein, wenn er vor der Tür stand. Ich schrie nur noch „Stopp, ich gehe“, und war sofort bei ihr am Eingang. Es gab zum Glück ein Spion, einen Türspion, und wir konnten Felix draußen erkennen. Lilly machten ihm sofort auf und fiel ihm um den Hals.
Ich zog mich ins Aufenhaltszimmer zurück, und ließ die beiden erst mal zur Ruhe kommen. Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie wieder auf der Bildfläche erschienen. Beide hatten erhitzte Gesichter, und das wahrscheinlich nicht nur vom reden.
Mit einem intensiven Blick musterte ich Felix, ich wartete immer noch auf eine Reaktion von ihm, schrie er mich an oder betitelte er mich als Lügnerin. Ich wartete mit gemischten Gefühlen. Er ließ sich wieder auf dem Sessel nieder, Lilly rutschte auf seinen Schoß und kuschelte sich an ihn.
„Du…, du sagst die Wahrheit, Emy. Ich kenne dich seit einigen Monaten, und ich glaub´ ich vertraue dir mehr als meinen Eltern….Es ist seltsam, aber ich kann es nicht fassen, ich dachte mir, dass sie mit meiner Wahl nicht glücklich sind, aber… ich liebe Lilly, sie ist mein Leben!“ kam es stockend aus Felix raus.
Ich hatte einen dicken Kloß im Hals, konnte nichts drauf erwidern. Ich stand auf und ging zu beiden rüber, und nahm sie fest in den Arm. Ein kleiner Trost, bei dieser Katastrophe. Mir fiel ein, dass ich ja noch eine Kleinigkeit vergessen hatte, eine große Kleinigkeit.
„Shit, hatte ich erwähnt, das Igor in der Stadt ist?“ warf ich noch in den Raum. Zwei entsetzte Gesichter schauten mich wie auf Kommando an.
„Woher soll er denn Wissen, wo er zu suchen hat? Das glaub´ ich nicht“ verneinte Felix meinen Einwurf. Den heutigen Tag hatte ich den beiden noch nicht erzählt, also erklärte ich in wenigen Worten, was passiert war.
Jetzt rang Lilly wirklich mit ihrer Fassung, obwohl sie bei der Anekdote vom Kofferträger doch zwischendurch lachen musste.
Es war inzwischen spät geworden, die Kinder hatten noch nichts gegessen, aber ich glaube nicht, dass jemand etwas runter gebracht hätte. Wir beschlossen, dass morgen ein Plan her musste. Für heute war es mehr als genug. Ich wollte aber auch zurück in mein Hotel, eine Runde Schlaf war auch nicht verkehrt. Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen auf ein gemütliches Frühstück und ich verabschiedete mich.

Ausgetrickst

Ich machte mich auf den Weg zurück in mein Hotel, ganz in Gedanken versunken überlegte ich mir, ob es nicht sinnvoller wäre ein Taxi zu nehmen. In der Dunkelheit in Paris rumzukurven war heute bestimmt keine gute Idee mehr. Also machte ich eine Kehrtwende um zum Empfang zu gehen und mir ein Taxi rufen zu lassen. Ich war nur wenige Schritte vom Tresen entfernt, als ein Schatten auf mich zutrat, und mich zur Seite zog.
Ich war so perplex, dass ich im ersten Augenblick überhaupt nicht reagierte, sonder einfach mitging. Bis ich den Unbekannten erkannte. >Nein, oh nein. Ich muss fliehen< war mein erster Gedanke. Igor, schon wieder. Der Kerl war klebriger wie ein süßes Gutsel. Wie konnte ich ihn loswerden, schon wieder.
„Dieses Mal entkommst du mir nicht, ich weiß wer du bist, sei friedlich, sonst tu´ ich dir weh.“ zischte er mich an. Kampflos aufgeben, dass glaubt der doch selbst nicht. Ich bin vielleicht nicht groß, aber kein hilfloses Weibchen, das sich nicht wehren kann. Als hätte er meine Gedanken gelesen, nahm er mich noch fester in den Arm, sodass ich kaum die Möglichkeit hatte mich zu bewegen.
„Hilfe, Hilfeee….“, schrie ich so laut ich konnte, in der Hoffnung jemand in der Empfangshalle bekommt es mit. Aber Igor reagierte sehr schnell, er hielt mir den Mund zu und schleifte mich durch einen Seitengang im Hotel mit. Er kannte sich anscheinend doch recht gut aus, denn durch die erste Tür aus der er mich schob, führte direkt auf eine kleine Gasse.
Mein Strampeln und Treten brachte nicht viel. Igor hatte mich fest im Griff, außer einige blaue Flecken brachte meine ganze Aktion nichts. Als es ihm zu bunt wurde schlug er mir mit der Hand ins Gesicht, und mir wurde schwarz vor den Augen.
Mein Kopf tat weh, ich hatte das Gefühl als würde jemand Trampolin mit meinem Hirn springen. Langsam versuchte ich meine Augen zu öffnen. Ich öffnete sie ganz, irgendwas stimmte nicht, ich konnte nichts sehen. Als ich meine Hände zu Hilfe nehmen wollte merkte ich, dass ich gefesselt war. Meine Hände konnte ich aber trotzdem vor mein Gesicht bringen und so meine Augen kontrollieren.
Ich sah nichts, es war rabenschwarz, ich konnte meine Hände nicht erkennen. Stöhnend rollte ich mich auf die Seite um einen anderen Blickwinkel zu erhalten, in der Hoffnung, Igor hatte mich so hingelegt, dass ich in einer dunklen Nische lag. Ich versuchte mich mit meinen anderen Sinnen zu orientieren, ausstrecken klappe, der Boden auf dem ich lag war aus Holz. Hören, ich konnte kein Geräusch vernehmen, es war totenstill. Riechen, meine Nase wollte ich die tieferen Gerüche eigentlich nicht zumuten. Es roch oberflächlich schon nicht toll, so modrig und feucht.
Ich versuchte mich so entspannt hinzulegen, wie es gefesselt möglich war. Meine Füße waren auch verschnürt, ich war also seine Gefangene. Da ich im Moment nichts machen konnte, machte ich meine Augen zu und versuchte noch ´ne Runde zu schlafen.
Durch lautes poltern wurde ich geweckt. Ich rieß meine Augen auf um irgendwas zu erkennen, auch hatte ich das Gefühl, dass ich schwankte, obwohl ich auf dem Boden lag. Konnte es sein, dass ich auf einem Boot war. Kaum war ich zu der Erkenntnis gekommen wurde eine Tür aufgerissen und ich bekam Gesellschaft.
Igor, vermutlich, brachte irgendwas rein und legte es auf den Boden ab, an der gegenüberliegenden Wand. Es sah aus wie ein Sack. Er hatte doch nicht….? Ich musste sofort dorthin, um zu überprüfen, ob er Lilly… Ich konnte den Gedanken nicht weiterverfolgen, sonst hätte ich einen Schreikrampf bekommen, und der hätte niemand genützt.
Der Kerl kam auf mich zu, ich machte auf Tod, bewegte mich nicht und schloss meine Augen. Er beugte sich auch nur kurz zu mir runter, wahrscheinlich um zu kontrollieren, ob ich noch bewusstlos sei. Wie ein Schatten huschte er hinaus und schloss die Tür. Es war wieder stockdunkel. Ich zog mich hoch, auf eine halbsitzende Stellung und bewegte mich auf meinem Hintern rutschend vorwärts Richtung dem anderen Ding. Es begann zu stöhnen. Ich war fast dort. Vorsichtig stubste ich dagegen. Es stöhnte lauter.
„Hallo, wer bist du“, wisperte ich. „Ich bin Emy“. Keine weitere Reaktion. Ich versuchte meine Handfesseln zu lösen, das müsste doch irgendwie zu bewerkstelligen sein. Ich nahm meine Zähne zu Hilfe um den Knoten lösen zu können. Das Seil schmeckte widerlich, wahrscheinlich werde ich mir noch eine Magenverstimmung einfangen oder noch schlimmeres. Sobald ich hier raus war, brauchte ich eine Mundspülung,… eine ganze Flasche. Ich schaffte es tatsächlich den Knoten zu lockern, und ich wurstelte mich dann mit den Händen los.
Jetzt waren meine Fußfesseln dran. Vorsichtig tastete ich sie erst mal ab, damit ich nicht ausversehen noch fester zu zog. Nach etwa einer viertel Stunde hatte ich mich befreit. Ich war stolz auf meine Endfesslungskünste, wie Houdini und das sogar im Dunkeln.
Zögernd tastete ich vorsichtig an meinem Mitgefangenen herum. Als ich am Kopf angekommen war, bewegte ich meine Hände noch behutsamer. So musste sich ein Blinder fühlen, der alles abtasten musste um was zu erkennen. Konnte es Lilly sein, derjenige hatte sich noch nicht wieder bewegt, geschweige einen Ton von sich gegeben.
Ich glitt weiter am Körper entlang, es war eindeutig eine Frau, und versuchte zu erspüren, ob die Hände auch gefesselt waren, wie bei mir. Jawohl, ein weiteres Mal kümmerte ich mich um die Stricke, auch die an den Füssen waren kein großes Problem mehr für mich.
Dann schüttelte ich die Person ganz sachte, um die wach zu bekommen. Wieder bekam ich ein Stöhnen zu hören. „Lilly, bist du es…?“ flüsterte ich abermals.
„Mum, wo bin ich…Was machst du hier…Es ist so dunkel, ich kann nichts sehen!“ kam es erschrocken von ihr. >Mein Gott, er hatte sie also doch noch erwischt<, meine ganzen Bemühungen waren umsonst. Ich nahm sie tröstend in den Arm und versuchte sie zu beruhigen.
„Wie geht es dir, bis du verletzt?...Bitte, antworte…“stürzte ich auf sie ein, ich war schockiert, dass er uns beide in seiner Gewalt hatte. Meine ganze Rettungsaktion war für die Katz´, auf der ganzen Linie versagt.
„Mum, beruhig dich, mir geht´s soweit gut, ich hab´ wahrscheinlich eine Beule am Kopf. Der Kerl hat mich von hinten niedergeschlagen, ich hab´ ihn nicht mal auf mich zukommen sehen.“ kam es mit unterdrücktem Schluchzer von Lilly.
„Weißt du, welche Tageszeit wir haben? Und wieso warst du überhaupt alleine unterwegs? Wo ist Felix?“ bombardierte ich sie wieder mit Fragen.
„Felix wird gerade eine Vermisstenanzeige aufgeben, denn ich wollte eigentlich nur nach unten gehen und dich heute Morgen in der Hotelhalle empfangen. Ich fühlte mich so eingesperrt, und dachte im Hotel wird mir nichts passieren. Bin aber leider nicht mal bis zur Empfangshalle gekommen, er hat mich vorher schon abgepasst. Sind deine Fragen soweit beantwortet? Mir tut mein Kopf nämlich immer noch weh. „
„Armes Kind“, beruhigte ich sie, „Wir könne aber auf so Kleinigkeiten keine Rücksicht nehmen. Wir müssen dringend hier weg. Sei so leise wie möglich.“
Wir hatten uns die ganze Zeit nur flüsternd unterhalten, damit wir ja nicht gehört werden konnten. Es war uns beiden klar, dass wir hier in Gefahr schwebten, in Lebensgefahr. Um keine Geräusche zu machen, zogen wir unsere Schuhe aus, damit auf dem Holzboden nichts zu hören war, denn unsere einzige Chance zu entkommen, lag darin davon zu schleichen.
„Nimm meine Hand, Lilly und lass sie bitte nicht los. Ich weiß in etwa wo die Tür sein müsste, wir tasten uns langsam vor.“ Und so schoben wir uns in der Dunkelheit Richtung Wand, um dann die Tür zu finden. Das war noch alles ein Kinderspiel. Das Problem begann dann an der Tür. Sie war abgeschlossen, tja, wäre auch zu schön um wahr zu sein, dass wir einfach durchsparzieren hätten können.
Was hätte McGyver in dieser Situation gemacht? Manchmal fielen mir die blödesten Vergleiche ein. Ich musste wirklich grinsen und fragte meine Tochter nach einer produktiven Idee, eine Haarklammer, eine Büroklammer oder vielleicht sogar gleich der passende Ersatzschlüssel? Die Fernsehhelden hatten immer was parat. Lilly hatte leider auch keinen Dietrich in ihrem Handgepäck dabei.
Apropos Handgepäck, eine Handy würde es ja auch tun. Meins hatte ich in meiner Handtasche, die Igor mir entweder abgenommen oder ich im Handgemenge verloren hatte. Es ist nicht zum ersten Mal, dass ich seit gestern mein bescheuertes Outfit verfluchte, was würde ich geben für eine Jeanshose, das Kleid war sowas von unpraktisch. Ich hätte zumindest mein Handy in der Hose dabei. Notiert für die Zukunft: auf der Flucht, nur mit Hose; Kidnapping nur mit Hose.
Glück im Unglück, Lilly hatte tatsächlich ihr Handy dabei. Es war so klein, dass es ihrem Entführer nicht in der Hosentasche aufgefallen war. Ich hätte schreien können vor Freude. Sie schaltete es ein, um bei Felix anzurufen. Es machte mit seinem Display richtig viel Licht, und wir konnten unseren Raum inspizieren. Das mit dem Boot, da lag ich genau richtig, denn der Raum bestand komplett aus Holz und war sehr klein und niedrig. Zu unserem entsetzten, sahen wir dass das Handy fast keine Batterie mehr hatte. Wir hatten wahrscheinlich nur eine Chance um Hilfe zu rufen, bevor alles zusammenbrach. Lilly zögerte nicht lange und versuchte sich mit Felix in Verbindung zu setzten. Es knirschte und rauschte in der Leitung, der Empfang war schlecht, fast zu sagen gleich Null.
„Felix… der Empfang ist schlecht…Nein… Hör einfach zu, wir sind auf einem Boot gefangen…Verstehst du?...Felix….?“ Ich hatte sie zwischendurch anstubsen müssen, dass sie nicht ins Telefon brüllte.
„Und?“ war alles was ich als stumme Frage herausbrachte, ich hatte Angst vor der Antwort.
„Ich weiß nicht Mum, die Verbindung war so schlecht, ich hoffe, dass er etwas verstanden hat, und dann brach es schlagartig ab.“Bei Lilly setzte der Schock ein, sie zitterte fürchterlich am ganzen Körper. Verdammt, was konnte ich tun. Wir mussten hier unbedingt raus. Ich umarmte sie ganz fest, damit das Zittern aufhörte und sie sich wieder beruhigen konnte.
Also Plan B musste her. Konnten wir den Kerl überrumpel? Ich schaltete Lilly´s Handy nochmal an, um mich im Raum erneut umzusehen. Es lag vielleicht ein brauchbarer Knüppel oder Stock hier rum. Aber nichts war zu sehen, dazu war das Licht dann doch zu schwach. Ich erhaschte einen Blick auf die Uhr am Display bevor ich das Telefon wieder ausschaltete.
Ich war erschrocken, ich war schon über 24 Stunden gefangen. Wie lang hielt es ein Mensch ohne Essen und Trinken aus, 14 Tage ohne Essen war kein Problem aber ohne Wasser? Eigentlich wollte ich es nicht austesten, wie widerstandsfähig ich war und je länger wir mit einem Fluchtversuch warteten, umso schwächer wurden wir.
Wir beschlossen es zu wagen, die Tür ging nach außen auf. Also wenn wir demjenigen, der die Tür aufschloss direkt am Eingang irgendwie reinstossen könnten, müssten wir sofort aufspringen und nach draußen gelangen, und dann am besten die Tür wieder zuschließen. Okay, dass hörte sich wirklich abenteuerlich an. Es gab sehr viel ´ wenn und aber`, aber wir hatten sonst keine andere Möglichkeit. Unser einziger Vorteil war, die Überraschung und er nicht mit rechnete, dass zwei ´ harmlose´ Frauen sich wehren.
Also auf zur Tat. Wir riefen und machten Krach, dass hätte Tote geweckt. Dann warteten wir ab, ob unser Lärm den gewünschten Erfolg brachte. Es war weiter Still. Nichts war zu hören. Waren wir womöglich alleine auf dem Boot? Ich tastete mich nochmals an das Türschloss und wackelte dran rum. Die ganze Tür war nicht unbedingt stabil. Wenn wir dagegentraten, hatten wir die Kraft, um sie einfach aus den Angeln zu wuchten? Wir beschlossen einfach es zu versuchen, ich hatte keine Lust mehr hier unten herumzuvegitieren, ich musste jetzt unsere Befreiung selbst in die Hand nehmen. Auf Kommando rammten wir unsere Schultern gegen das Türblatt. Shit war das ein Schmerz, ich hatte nicht damit gerechnet, dass mein ganzer Oberkörper dadurch zermatscht wird.
Es nützte nichts, wir schmissen uns ein zweitesmal dagegen. Irgendwas war gebrochen… an der Tür. Ich hatte ein knackendes Geräusch vernommen, als wir mit dem nächsten Schlag nochmals mit aller Kraft und dagegen warfen. Wir hatten das Schloss aus seinem Rahmen gesprengt.
So, jetzt kam die Entscheidung. Nach dem Krach, wusste auf jedefall jeder an Bord, dass wir einen Ausbruchsversuch unternehmen, dass hieß im schlimmsten Fall steht das Empfangskomitee direkt hinter der Tür. Ich machte die Tür komplett auf, und stellte mich vor meine Tochter um den ersten Angriff abzufangen. Der Gang war leer. Ich konnte es nicht fassen, wir waren anscheinend alleine auf dem kleinen Kutter.
Wir schlichen uns durch den Gang nach oben. Es war noch immer kein Geräusch zu vernehmen, außer das Plätschern von Wasser. Wir gelangten, einpaar Stufen erklimmend, auf Deck. Wir drückten uns vorsichtshalber an die Wand von der Kajüte, oder was immer es auch war, um nicht gleich aufzufallen, falls irgendwer das Boot beobachtete.
Das Boot entpuppte sich als Hausboot, das anscheinend an einem Seitenarm der Seine festverankert war. Es dämmerte bereits, und wir konnten hier draußen einiges von der Umgebung ausmachen. So auch, dass einige Hausboote hier festgemacht waren und jeder seinen privaten Landesteg hatte. Wir wollten uns gerade auf den Weg Richtung Festland machen, als wir Stimmen vernahmen, die immer näher kamen.
Ein kurzer Augenblick überlegte ich, ob es sinnvoll wäre, sich bemerkbar zu machen oder lieber still abzuwarten, nicht dass wir dem Feind wieder in die Hände fielen. Lilly machte sich anscheinend dieselben Gedanken, nur kamen wir zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ich war für stillhalten, sie für eine Begrüßungsaktion.
Sie hob ihre Hand schon zum Winken und ging einen Schritt vor. Meine Reaktion kam schnell. Bevor sie ein Laut von sich geben konnte, hatte ich ihr schon den Mund zugehalten und sie mit einem Ruck wieder in den Schatten der Wand gezogen. Leider ging es nicht ohne Geräusch ab. Ich hatte zuviel Schwung, und wir polterten an das Holz an unseren Rücken. Ich zischte nur in ihr Ohr, „Sei ruhig, Freund oder Feind?“ Sie fügte sich gleich und ich bete, dass ich zu Übervorsichtig wäre. Aber die Unbekannten hatten das Poltern auch vernommen und starrten zu dem Kutter rüber. Ich konnte drei Personen ausmachen, die sich jetzt langsam in Bewegung setzten und auf das Hausboot zukamen. Mist, sie hatten unseren einzigen Fluchtweg versperrt. Wir mussten nun ausharren und warten was weiter geschieht.
Zur Not mussten wir ins Wasser, die paar Meter an Land konnten wir schwimmen. Bei dem Gedanken, dass ich in mir unbekanntes Wasser sollte, das wahrscheinlich noch vor Dreck stank oder schlimmer überall Algen und irgendwelche Viechereien beinhaltete… Ich durfte mir gar nicht weiter ausmalen, was in so einem, fast stehendem Gewässer alles drin rumschwamm. Mich schüttelte es jetzt schon.
Wir beobachteten, wie sich die Männer vorsichtig aufs Boot schlichen. Also normal war das nicht. Wenn jemand nichts zu verbergen hatte, hätten sie sich eigentlich bemerkbar machen müssen und laut rufen. Aber nichts, wenn wir sie nicht gesehen hätten, würden wir nicht einmal mitbekommen, dass sich jemand an Bord befand… Oh, wie ich das hasste, mein Herz schlug extrem laut, so kam es mir zumindest vor.
„Komm mit“, wisperte ich Lilly direkt ins Ohr, „Wir müssen hier runter, sobald du auf dem Steg bist, lauf, lauf um dein Leben und dreh´ dich nicht um, ich bin hinter dir“. Das mit dem Laufen hatte ich mir auch noch nicht so richtig überlegt, denn meine Schuhe hatte ich nicht wieder angezogen, die hatten zu hohe Absätze für solche Aktionen.
Wir hatten es soweit geschafft, wir mussten jetzt nur noch ungesehen von der einen Ecke bis zum Landesteg überbrücken, etwas drei Schritte, ohne aufzufallen. Die Männer waren anscheinend ins Innere des Hausbootes gegangen. Zum Glück hatten wir unten die Tür zu unserem Gefängnis soweit wieder zugemacht, dass es auf den ersten Blick nicht auffiel, dass sie zerstört war.
„Lauf, Lilly Lauf“, flüstere ich ihr zu und schob sie von hinten an, damit sie losspurten konnte. Ich folgte ihr sofort. Ich kam nicht weit. Mein zweiter Schritt wurde fast in der Luft schon abgefangen, als ich von hinter umklammert wurde.
Um Lilly nicht von ihrer Flucht abzuhalten, versuchte ich mich lautlos zu wehren. Ich trat und schlug um mich so gut es ging, mit mäßigem Erfolg. Als ich den Arm meines Angreifers erwischte biss ich zu, so fest es ging. Man staune immer wieder, was ein gutes Gebiss alles fertig bringt, der Kerl stieß ein Fluch aus und ließ mich los. Jetzt hätte ich gerne meine Schuhe angehabt, denn ein Tritt in sein bestes Teil hätte mir einen größeren Erfolg verschafft, aber Barfuß…Ich drehte mich und rannte los, direkt in den nächsten rein. Unser Kampf war anscheinend nicht so lautlos verlaufen, denn die zwei anderen waren inzwischen auch wieder aus der Kajüte aufgetaucht. Ich stöhnte innerlich auf, aber ich wollte meine Haut so teuer wie möglich verkaufen und mich nicht ohne Gegenwehr wieder einfangen lassen.
Das einzige was ich noch in der Hand hatte waren meine Schuhe mit den doch spitzen Absätzen. Ich holte aus um mit Schwung einen guten Hieb auszuführen und den Kerl vor mir aus meiner Laufrichtung zu bringen. Leider wich er mir geschickt aus und schaffte es mich mit einem Ruck an sich zu ziehen und so meine Arme zu blockieren. >Das war´s, Ende und aus< dachte ich mir sofort, >wenigstens Lilly hat es geschafft<. Ich sah sie zumindest nicht mehr und hoffte wirklich sie hatte es geschafft und konnte Hilfe holen.
Seit wir aus dem Hausboot aufgetaucht waren, waren vielleicht zehn Minuten vergangen. Den Typ, den ich gebissen hatte stand immer noch fluchend hinter mir, verstehen konnte ich nichts, mein Französisch war für Schimpfwörter nicht ausgelegt.
„Meinst du ich kann dich jetzt loslassen, ohne dass du uns der Reihe nach umbringst?“, hörte ich mir eine bekannte Stimme am Ohr. Verwirrt nickte ich nur, loslassen war eigentlich immer gut. Ich drehte mich um, und glaubte meinen Augen nicht zu trauen, „Viktor?!...Was machst du hier?“, weiter kam ich nicht.
„Wo ist Lilly?“ wurde ich sofort von der dritten Person gefragt. „Felix…?“ ich drehte jetzt bald durch, wo kamen die den alle her.
„Verflixt, schnell, Lilly ist schon geflüchtet. Du musst hinterher, sie ist rüber zum Festland und versucht bestimmt Hilfe zu holen“, ich war total durcheinander, und machte mich auch auf den Weg um wieder festen Boden unter den Füssen zu haben.
Felix war schon gestartet, er rannte wie ein Blitz den Weg entlang. Gut er hatte den Vorteil, er kannte sich schon aus. Inzwischen wurde es auch immer heller, und man konnte weiter wie zwei Meter schauen. Ich konnte nicht mehr. Ich musste mich setzten. Viktor war an meiner Seite geblieben, der Franzose war mit Felix gegangen um Lilly einzufangen.
Wir waren durch einen kleinen Wald gelaufen, der sich am Wasser entlang zog und ich sah, dass der Weg sich noch weiter in Richtung Landstraße schlängelte. Ich konnte keinen der Männer, geschweige Lilly ausfindig machen. Ich saß auf einem Baumstumpf, mit dem Rücken zum Wald. Mein Gehirn lief auf Hochtour. Wo war Lilly entschwunden, sie ist doch hoffentlich nicht den Entführer in die Hände gelaufen? Wie konnte ich sie erreichen? Ich war einfach zu erschöpft, und konnte mich kaum noch konzentrieren. Ich wollte mich bei Viktor erkunden, was sie noch geplant hatten, als ich ein lautes Knacksen hörte, dass direkt hinter mir aus dem Wald zu kommen schien.
Dann sah ich sie. Ich konnte nur noch „Stopp!!“, brüllen. Viktors Reaktion war wirklich bewundernswert. Mit einem riesen Satz brachte er sich aus ihrer Schusslinie. Meine Tochter, meine Lilly kämpfte wie ein Löwe um ihr Kind. Wäre alles nicht so tragisch, hätte ich bei ihrem Anblick wahrscheinlich einen Lachanfall bekommen.
Lilly war mit einem riesigen Prügel, ein halber Baumstamm, auf Viktor losgestürmt, um ihre arme Mutter vor einem Verbrecher zu retten. Zumindest so musste es für sie ausgesehen haben, als ich wie ein Häuflein Elend auf dem Baumstumpf saß.
„Lilly, Schatz, komm her.“ rief ich sie und stürmte auf sie zu. Ihr irritierter Blick sprach Bände. Sie ließ ihre Waffe fallen und fiel mir in die Arme. Wir konnten unsere Tränen nicht mehr zurückhalten, ich war nur noch froh, dass ich sie wieder hatte. Die Anspannung war doch zuviel gewesen. Ich zog sie mit mir und stellte sie Viktor vor, der sie ja nur kurz bei der Hochzeit gesehen hatte.
„Meine Tochter… Viktor, der Onkel von Felix“. Lilly schaute jetzt nicht weniger Überrascht als ich noch vor kurzem. „Kannst du Felix Bescheid geben, dass wir Lilly haben, damit wir endlich ins Hotel kommen? Sonst irren wir noch ein paar Tage hier draußen rum. Ich brauche unbedingt ein Bett.“ ließ ich Viktor wissen. Der hatte auch sofort sein Handy am Ohr um zu telefonieren. Wenigstens das klappte auf Anhieb.
„Ihr zwei seid ja richtige Amazonen, muss ich doch feststellen, jedesmal wenn ich einer von deiner Familie treffe, Emy, muss ich mich meiner Haut wehren. Das wird mit der Zeit richtig anstrengend“, stellte Viktor schmunzelnd fest.
Da kamen auch schon Felix und der Franzose, der als Pierre vorgestellt wurde, auf uns zugerannt. Das Wiedersehen der beiden war heiß und innig und wir unterbrachen sie aber recht schnell, schließlich wollten wir hier wegkommen. Das Auto hatten sie nur einige Meter weiter geparkt, war von hier aus nicht zu sehen gewesen und so waren wir verhältnismäßig schnell ins Hotel.

Geschichten, Geschichten

Ohne viele Worte saßen wir nun in der Hochzeitssuite. Felix hatte den Zimmerservice bestellt, da Lilly und ich schon einige Zeit nichts mehr zum Essen hatten, fielen wir heißhungrig über die Köstlichkeiten her. Inzwischen hatten wir uns alle soweit frisch gemacht. Ich musste mir von meiner Tochter Kleidung ausborgen, denn meine Sachen waren ja immer noch in dem anderen Hotel. Aber zum Glück hatten wir fast dieselbe Größe, so ging das zur Not auch einmal.
Nach dem Essen mussten wir den Männern erzählen, was vorgefallen war. Pierre verstand recht gut Deutsch und war ein Freund von Viktor. Der Franzose lebte in Paris, was unser Glück war, den sonst hätten uns die beiden nicht so schnell gefunden. Aber nochmal von vorn…
„Nachdem Lilly gestern Morgen nach einer halben Stunde nicht zurück war“, berichtete Felix, „machte ich mir natürlich Sorgen und ging nach unten zur Anmeldung um nach meiner Frau zu fragen. Niemand konnte Auskunft geben. Zufällig sah ich hinter dem Tresen eine Handtasche liegen, die mir irgendwie bekannt vorkam, den Inhalt fein säuberlich aufgereiht nebeneinander liegen.
Auf eine Anfrage, was es mit der Tasche auf sich habe, bekam ich bereitwillig die Information, dass diese der Nachtportier unter der Pflanze am Eingang gefunden hätte und sie den Eigentümer ausfindig machen wollten. Ich fragte die Empfangsdame direkt, ob der Name auf dem Personalausweis auf Emilia Reichert lautet. Sie gab es erstaunt zu und wunderte sich, dass ich es wusste.
>Super, meine Tasche ist doch nicht verloren<, dachte ich mir >So spar ich wenigsten den ganzen Stress mit meinem Ausweis und den anderen Papieren.<
„Mir war dann sofort klar“, erzählte Felix weiter, „Dass irgendwas im Busch war. Wir hatten uns zum Frühstück verabredet, und du warst schon lange überfällig, Emy, dann verschwand Lilly spurlos. So viele Zufälle gab es nicht. Ich brauchte Hilfe, Polizei konnte ich vergessen. Viktor fiel mir ein, wir telefonierten und wie der Zufall es wollte, hatte er Geschäftstermin in Meaux, nicht weit von Paris und war schon fast hier. Er fuhr gleich durch und traf gestern Mittag ein.
Er kennt zum Glück Pierre, der sich hier auskennt wie in seiner Westentasche und uns sofort Hilfe anbot. Trotzdem war es eine Suche wie die Nadel im Heuhaufen. Ich wusste ja nur von dir Emy, das Igor was damit zu tun hatte. Meine Eltern konnte ich ja schlecht anrufen und anfragen, wohin ihr verschleppt worden seid. Als dann aber Lilly anrief, und irgendwas von Wasser erzählte, fiel Viktor ein, dass wir noch ein Hausboot vor Anker hatten. Pierre wusste dann auch gleich, dass dafür nur zwei Stellen in Frage kamen. Und so fanden wir zumindest mal das Hausboot. Mit euch hatten wir wesentlich mehr Mühe.“
Mir fiel dann wieder ein, dass ich mich bei Pierre dringend entschuldigen musste, schließlich hatte ich ihn ja verletzt, ohne dran zudenken, wie übel ich ihm mitgespielt hätte, wenn ich besser bewaffnet gewesen wäre.
„Pierre,…ich…“, fing ich stotternd an, „ich möchte mich bei dir entschuldigen, ich wusste nicht, dass du zu unserer Rettung geeilt bis, und zum Dank hab´ ich dir noch in den Arm gebissen.“ Ich wurde dann auch noch rot, vor lauter Verlegenheit. Pierre schien das ganze locker wegzustecken und zwinkerte mir zu, „Bei so einer ´übschen Gefangene, macht mir das doch gar nichts aus“.
„Und ich bekomme keine Entschuldigung? Bei doppeltem Angriff von einer Familie, muss was Besonderes rausspringen“, kam es dann gleich spitzbübisch von Viktor. Ich musste doch gleich grinsen, denn diesesmal hatte ich schon einen Hintergedanken.
„Okay, Viktor, du hast deine Aufnahmeprüfung zur Familie bestanden. Pro Kopf ein tätiger Angriff auf dich, und du bist dabei“, erklärte ich ihm ganz cool, als wäre es alltäglich, dass wir Reichert´s Mädels jeden Tag ein paar Jungs verprügeln.
Der Rest der Runde schaute erst erstaunt, und fing dann schallend an zu Lachen. Viktors Gesichtsausdruck war auch zu komisch. Ich wusste, er hatte eine andere Belohnung erwartet. Dann musste ich ihnen noch von dem Deal mit der Familienmitgliedschaft erzählen und das Gelächter fand kein Ende.
So hatten wir trotz der ganzen Misere etwas zu Lachen. Die Gefahr war aber immer noch nicht beseitigt. Igor schlich immer noch in Paris rum, er hatte mit Sicherheit schon mitbekommen, dass wir entwischt waren. Ich war müde, ich wollte eigentlich nur noch schlafen. So eine Entführung strengte unwahrscheinlich an.
Ich streckte mich so richtig gemütlich aus, noch so im Halbschlaf und ja, mal wieder nicht mitbekommen, wie ich in ein so kuscheliges Bett gekommen bin. Es wurde langsam Gewohnheit draus, dass ich es immer irgendwie verpasste, mich selber schlafen zu legen. Seit der Hochzeit hatte ich es ein einziges Mal geschafft, mich selbst ins Bett zu bringen. Ich stöhnte auf und hoffte, dass ich meine Tochter nicht in Verlegenheit gebracht hatte.
Als mein Zimmer verlassen hatte, fand ich Viktor im kleinen Salon schlafend auf der Couch vor. Er sah zum Anbeißen aus mit seinen verwuschelten Haaren. Nur die Nasenspitze lugte unter seiner Decke hervor. Die Hochzeitssuite hatte wirklich reichlich Platz, sogar ein extra Schlafzimmer. Für was das wohl zu gebrauchen war? Brautpaare schliefen normalerweise nicht getrennt. Vielleicht hatte jemand doch an die Schwiegermütter gedacht, z.B. mich. Ich schlich ins Bad um mich frisch zu machen und dachte über die Zukunft nach.
Wir mussten unbedingt einen Plan machen, um das ganze Chaos zu beenden. Wir konnten doch nicht ewig auf der Flucht sein? Nicht unser ganzes Leben? Ich sehnte mich nach meinem Zuhause, ich wollte mein langweiliges Leben zurück!!
Ich beschloss spontan in mein kleines Hotel zurück zufahren und mich da mal wieder zu melden. Ich hoffte inständig, dass sie mich nicht schon ausquartiert hatten. Ich schrieb für die Kinder eine Notiz, damit sie mich nicht vermissten, mit Adresse diesesmal von meinem Hotel und legte es neben der Couch auf den Tisch. Ganz leise wollte ich mich gerade zurückziehen, um niemanden zu wecken, als ich an der der Taille rückwärts auf die Couch gezogen wurde.
„Wo…willst…du…hin?“kam es schlafdrunken aus der Decke hervor. Ich lag halb auf Viktor darauf und wollte mich gerade von ihm befreien, als er seinen zweiten Arm als Verstärkung dazu nahm. „Du kommst hier nicht weg, ich suche dich nicht noch einmal!“
„Psst!...Wir können hier nicht reden, Lilly und Felix schlafen noch, ich will sie nicht stören.“, versuchte ich mich rauszureden und gab mich geschlagen, nachdem ich mich nicht aus seinen Armen rauswinden konnte.
Viktor war nun hellwach und schaute mich mit forschem Blick an. „Du kannst hier nicht weg, nicht alleine“, bestimmte er einfach. Ich glaubte mich verhört zu haben, ich deutete ihm an, mir zu folgen. Ich ging ins Schlafzimmer zurück, damit Viktor und ich uns ungestört unterhalten konnten.
„Was soll das“, blafft ich ihn gleich an als er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
„Oh,…nichts weiter“, grinste er mich süffisant an, „wenn ich gewusst hätte, dass ich die so leicht in ein Schafzimmer bekomme, hätte ich das schon früher gemacht“, bekam ich zur Antwort. Ich schaute ihn irritiert an, denn es war eigentlich keine Antwort auf meine Frage.
Er stand vor mir, ich musste schlucken, nur mit Boxershorts bekleidet. Er sah immer noch so gut aus wie beim Erstenmal. Gott, was für Gedanken hatte ich schon wieder. Anscheinend störte ihn meine Musterung überhaupt nicht. Er kam zielstrebig auf mich zu und ich wich ihm aus, zumindest versuchte ich es. Irgendwann war der Raum zu Ende und ich stieß ans Bett und fiel natürlich rücklings drauf.
„Perfekt“, meinte er nur zu mir und machte es sich neben mir bequem. Seine Nähe machte mich total nervös, ich konnte mich nicht konzentrieren, wenn er so halbnackt neben mir lag. Also setzte ich mich aufrecht hin und versuchte einen Abstand zu halten.
„Warum flüchtest du vor mir, traust du mir nicht? Du hast mir auch nicht erzählt, was Werner angezettelt hat? Was mache ich falsch, Emy? Du musst es mir sagen, sonst kann ich es nicht ändern.“ Er schaute mich mit so einem Hundeblick an, als hätte ich ihn schwer enttäuscht. Er machte mich schrecklich nervös. Wie sollte ich es ihm erklären. Dass ich auf seinen Körper stand und ich mich beherrschen musste, nicht über ihn herzufallen. Wunderbar, das war der beste Einstieg.
„Ich vertraue dir doch, Viktor. Du musst aber zugeben, wir kannten uns zu diesem Zeitpunkt einen ganzen Tag. Du hättest mich doch für verrückt erklärt, wenn ich dir mit der Story von Igor gekommen wäre. Es ist doch deine Familie.“ War das nicht Erklärung genug, eine bessere hatte ich nicht.
Er zog mich wieder zu sich aufs Bett und hielt mich einfach fest. „Ich dachte, ich gehöre jetzt zu euch, war das nur so daher gesagt?“ fragte er mich mit trauriger Stimme. Natürlich gehörte er zu uns, er hatte uns mit gerettet und war sofort angereist ohne nachzufragen. Ich drehte mich zur Seite und schaute ihn an. Er hatte braune Augen, schokoladenbraune Augen. Ich war ernsthaft dabei mich in ihn zu verlieben. Ich war ihm immer noch eine Antwort schuldig.
Ohne mir weiter Gedanken darüber zu machen, beugte ich mich vor und gab ihm einen Kuss, ganz sachte auf seinen wunderschönen Mund. Mit seiner Reaktion hatte ich aber nicht gerechnet. Er drehte sich blitzartig um und ich lag unter ihm, mein Körper begann überall zu krippeln, mein Herz begann zu rasen und ich, ich wusste nicht was ich wollte. Ich hätte ihn am liebsten von mir gestoßen, aber er hätte es wieder falsch verstanden. Hier und jetzt, es war kein guter Zeitpunkt.
Er küsste mich, er küsste mich richtig. Seine Lippen pressten sich fordernd auf meine, und wollten mehr. Sie bekamen mehr. Ich konnte ihm nicht mehr widerstehen. Mein Verstand setzte schon aus. Wir waren wie zwei Ertrinkende, die sich aneinander klammerten, voller Leidenschaft. Ich hörte im Hintergrund ein Rufen. Es dauerte ein Moment, bis es zu mir durchdrang. Lilly suchte mich, hoffentlich hatte sie den Zettel noch nicht gefunden. Ich schob Viktor energisch von mir runter, der gar nichts mehr mitbekommen hatte.
„Lilly ruft… ich muss nachsehen… nicht dass sie mich sucht…der Zettel…“ gab ich noch einpaar stammelte Erklärungen ab und ging dann eilig aus dem Zimmer.
„Guten Morgen, na, schon ausgeschlafen“, empfing ich meine Tochter im kleinen Wohnzimmer. Ich fuhr mir schnell durch meine Haare, in der Hoffnung ich sah nach dieser Aktion im Schlafzimmer nicht wie ein gerupftes Huhn aus. Sie hatte den Zettel in der Hand, also wusste sie über meine Pläne zumindest für heute Morgen schon Bescheid.
„Ich dachte du bist schon weg, aber…“, weiter kam sie nicht, ich sah wie ihre Augen immer größer wurden, und die Überraschung in ihrem Gesicht stand. Als ich ein Geräusch hinter mir hörte wusste ich auch warum. Viktor war aus dem Schlafzimmer getreten, immer noch nicht mit mehr an als seine Shorts.
>Oh Gott, hätte der nicht warten können bis ich weg bin< der Kerl brachte mich wirklich nur in peinliche Situationen, ich wollte gar nicht wissen was meine Tochter jetzt von mir dachte. Einfach ignorieren und auf Cool machen, sonst konnte es noch passieren, dass ich anlief wie eine Tomate.
„Äh…“, versuchte ich ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken, „ich bin dann auch gleich weg, Viktor und ich mussten nur noch was klären.“ Gab ich ihr auf die ungestellte Frage gleich eine Antwort. Sie sah mich aber nur selbstgefällig grinsend an. Ich rollte nur mit meinen Augen, was hielt meine Tochter eigentlich von mir?
„Bis dann…“, sagte ich und machte mich auf den Weg zur Tür. Weit kam ich allerdings nicht, ich wurde ein zweitesmal von Viktor aufgehalten, der sich immerhin inzwischen was übergezogen hatte.
„Du gehst nicht, die Diskussion hatte wir gerade eben, oder sollen wir nochmal ins Schlafzimmer zurück und dort weitermachen?“ kam es hinterlistig von Viktor. Jetzt hatte er mich soweit, ich wurde feuerrot, aber nicht nur vor Verlegenheit.
„Bin ich jetzt deine Gefangene, ich gehe wohin ich will, und zwar jetzt“, schmiss ich ihm an den Kopf. Was bildete der sich ein, ich bin seit zwanzig Jahren für mein Tun und Handeln alleine verantwortlich, ich werde jetzt mit Sicherheit nicht anfangen mich bevormunden zu lassen. Ich stürmte aus der Tür und ließ sie mit lautem Knall hinter mir zufahren.
In der Empfangshalle fiel mir gerade noch rechtzeitig ein, dass ich meine Handtasche noch abholen musste. Zum Glück machten sie keine Schwierigkeiten, da mein Bild im Ausweis doch recht neu und ich darauf zu erkennen war. Das musste bei diesen Dingern wie Führerschein usw. nicht immer unbedingt der Fall sein. Es war noch alles drin, Handy, Börse und vor allem mein Autoschlüssel. Ich musste jetzt dringend weg, einfach Abstand gewinnen.

Lösungen

Mein Auto stand noch da, keiner hatte es versucht abzuschleppen oder zu zerlegen, nicht mal ´ne Beule hatte es abbekommen. Man wusste ja Bescheid über die Autofahrkünste der Franzosen, was nicht passt wird passend gemacht, besonders die Parklücken.
Ich schwelgte noch in meinem Höhenflug, als ich gnadenlos auf die Erde plumpste. Es sprang nicht an. Die blöde Karre sprang nicht an. Aus lauter Frust hieb ich erst mal kräftig auf mein Lenkrad, das meinem Auto aber weniger schadete als mir. Ich fluchte noch undamenhaft vor mich hin, als die Autotür aufgerissen wurde und ich mir mein Herz gleich in die Hosentasche rutschte.
Ich war jetzt stinksauer. Man hatte hier wirklich keine Ruhe. Wenn dieser arrogante Igor wieder meinte, er könne mich abschleppen, dann Gnade ihm Gott diesesmal. Ich schnappte mir meinen großen Regenschirm, der immer griffbereit lag und stieg aus bevor irgendjemand nach mir greifen konnte. Den Schirm in Angriffsstellung war ich bereit mich bis aufs Blut zu verteidigen, wie gesagt, ich hatte die Schnauze voll von diesem Theater.
Aber wie konnte es anders sein, wenn ich jemanden brauchte um meine Wut abzureagieren traf es meist den falschen. Viktor stand vor mir und sprang gleich einen Schritt zurück, als er mich mit dem Schirm auf sich losgehen sah. Wie immer, tolle Reaktion.
„Ich hoffe mein Kuss war nicht so schlecht, dass du mich jetzt gleich verprügeln willst“, kam gleich ein schlagfertiger Kommentar zu meiner Aktion von ihm.
So schnell wie ich mich aufregte, so schnell war mein Zorn auch wieder verraucht. Ich musste dann doch lachen, als ich die Szene auf dem Bürgersteig so realisierte. Ich wollte nicht wissen, was die Fußgänger von uns dachten; ich mit einem Regenschirm bewaffnet, um einen Mann zu verprügeln, der über einen Kopf größer war als ich. Ich war wirklich überzeugt von mir!
„Du weißt ja, einmal am Tag wirst du von einem Reichert-Mädel angegriffen, laut Familienvertrag“, musste ich ihm dann doch kess antworten und lachten über diese absurde Situation.
Ich klärte ihn dann über mein kleines Problem mit dem Auto auf. Viktor hatte gleich einen produktiven Vorschlag. Meine Auto-Pannen-Hilfe sollte sich einfach darum kümmern, für das zahlte man ja schließlich jahrelang ein. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Ich wühlte in meinem Handschuhfach im Auto nach den Unterlagen und fand sie auch sofort. Er bot sich an es zu regeln, da sein Französisch wesentlich besser war als meins und so war es wirklich in zehn Minuten erledigt. Der Abschleppdienst ließ auch nicht lange auf sich warten und ich bekam eine Visitenkarte von der Vertragswerkstatt und konnte mich bis am Abend über den Zustand meines Autos erkundigen.
Viktor spielte mal wieder Chauffeur für mich und brachte mich in mein kleines Hotel zurück. Der Portier freute sich mich zu sehen und versuchte etwas Smalltalk zu machen, was wie üblich ziemlich misslang. Viktor machte dann den Dolmetscher, und ich sah dem Portier an, dass er darüber sehr erfreut war.
Leider ließ Viktor sich überhaupt nicht abschütteln und bestand darauf mich aufs Zimmer zu begleiten.
„Hast du Angst, ich gehe verloren? Ich werde mich mit Sicherheit nicht den Abfluss runterspülen wenn ich jetzt duschen gehe. Ich brauche wirklich keinen Bodyguard“, motzte ich ihn an, von Privatsphäre hielten sie alle nichts.
„Du bist schon einmal aus einem Hotel entführt worden, ich lasse dass nicht noch mal zu, das hatten wir heute Morgen doch schon abgeklärt. Ich bleibe, basta“, damit war für Viktor das Gespräch beendet. Ich gab seufzend nach und begab mich ins Bad. Viktor wollte in der Zeit seine geschäftlichen Telefonate führen und Geschäftstermine verschieben, wegen denen er ursprünglich in Frankreich war.
Ich ließ mir Zeit und gönnte mir eine ausgiebige Körperpflege. Nach einiger Zeit klopfte es an meiner Tür, „Bis du noch da oder schwimmst du schon im Abwasserkanal“, kam eine neugierige Anfrage.
„Bin gleich fertig“, gab ich auch bereitwillig Auskunft. Viktor wartete auf meinem Bett sitzend als ich ins Zimmer trat. Mein Zimmer war nicht so luxuriös wie die Suite von Felix und Lilly. So hatte ich nur noch einen Stuhl an einem kleinen Schreibtisch stehen und der sah nicht besonders bequem aus.
Er schaute mich aufmerksam an, als ich aus dem Bad kam. Ich bemerkte genau, dass seine Augen aufleuchteten als er mich betrachtete. Gut, ich muss zugeben ich hatte absichtlich mein sexy Outfit angezogen, schließlich muss man zeigen was man zu bieten hatte. Es machte mir schon Spaß, ihn zu reizen.
„Wir müssen reden“, meinte Viktor etwas angespannt, und klopfte mit der Hand aufs Bett, um anzudeuten, dass ich mich setzen sollte. Er hatte recht wir mussten dringend reden, über einiges, auch über uns. Ich setzte mich demonstrativ auf den Stuhl, die Lehne vor mir, so konnte ich mich bequem mit den Armen aufstützen und auf Viktor heruntersehen. Nicht schlecht, wenn man mal nicht der Kleinste im Raum ist, auch wenn es nur im Sitzen ist, ich musste innerlich grinsen bei dem Gedanken.
„So, was steht auf deiner Liste, was müssen wir bereden“, fing ich direkt an.
„Wir hatten gestern noch hin und her überlegt, Felix, Pierre und ich, was wir tun können wegen Igor und Werner. Bis jetzt haben wir noch keine Lösung gefunden. Zur Polizei können wir nicht, da hast du vollkommen Recht, sie würden uns nicht glauben. Aber zu warten, dass noch was passiert wollen wir allerdings nicht. Felix war mehr als wütend, er hätte am liebsten Zuhause angerufen und seinen Vater zur Rede gestellt. Aber das hätte nichts gebracht. Ich konnte ihm ausreden, mit seinen Eltern komplett den Kontakt abzubrechen, denn dann würden sie Lilly die Schuld geben und sie noch mehr hassen.“
„Können wir uns nicht einfach alle an einen Tisch setzen und die Sache wie Erwachsene Menschen ausdiskutieren. Was ist das Problem mit uns, falls es ums Geld geht, Lilly ist mit Sicherheit bereit, alles zu unterschreiben, dass sie niemals irgendwelche Ansprüche erhebt.“
„Das Problem liegt Familienintern. Mein Großvater hat das Vermögen erwirtschaftet und eine Klausel in sein Testament eingebaut, dass sobald der männliche Nachwuchs heiratet, die Führung der Firma demjenigen übertragen wird. Allerdings hatte er auch nicht damit gerechnet, dass es deshalb Schwierigkeiten geben könnte. Felix wusste davon nichts. Ich habe es ihm erst gestern Abend erzählt. Aber es ist immer noch Felix Entscheidung wie weit er überhaupt der Chef sein will.“
„Ja, warum klären sie das nicht bei einem Gespräch zwischen Vater und Sohn? Warum muss Lilly es ausbaden? Das ist doch alles Kinderkram, ich kann sowas nicht nachvollziehen“, musste ich loswerden. So ein Schwachsinn, Geschäftspolitik, und eine junge Frau wurde als Spielball benutzt.
Für mich war das soweit erledigt. Werner sollte seinen Jagdhund Igor zurückpfeifen und der Rest wäre für mich dann abgeschlossen.
„Weiter zu Punkt zwei auf der Tagesordnung“, meldete ich an.
„Ja, ich hoffe dich stört es nicht allzu sehr, solange Igor noch sein Unwesen treibt, haben wir beschlossen euch Frauen nicht mehr aus den Augen zu lassen. Mir ist die wundervolle Aufgabe zugefallen, dich zu betreuen.“ Ich war perplex, sie hatten einfach bestimmt, in unserer Abwesenheit (Lilly und ich waren eingeschlafen), uns zu Überwachen. Mein Gesicht sprach Bände. Viktor kannte mich inzwischen so gut, dass er wusste wie ich solche Entscheidungen verabscheute.
„Klasse, und was fällt unter deine Betreuung“, fragte ich sarkastisch. Die Frage war nicht gut überlegt, stellte ich im Nachhinein fest. Viktor erhob sich wie der Blitz und stand direkt vor mir.
„Das…kann…ich…dir… sofort…zeigen!“, kam seine Antwort umgehend. Er packte mich an meinem Armen und hob mich ohne Mühe aus meiner Sitzposition. Dass dabei der Stuhl umkippte interessierte ihn überhaupt nicht. Er hatte mich einfach wie ein Kind hochgehoben, als wäre ich leicht wie eine Feder und in den Arm genommen.
Seine Umarmung kam so überraschend, ich konnte mich nicht einmal wehren. Wollte ich das Überhaupt? Er war stark und muskulös, dass hatte ich schon mehrfach feststellen können. Mein Herz raste wieder wie ein D-Zug und mir fiel der heutige Morgen wieder ein.
Seine Lippen trafen auf meine, ich stöhnte auf. Er schmeckte so gut, er roch so gut, ich konnte ihm einfach nicht widerstehen. Wir machten da weiter, wo wir morgens unterbrochen worden waren. Er schaffte es, uns mit einer eleganten Drehung Richtung Bett zu bugsieren und hinein fallen zu lassen. Er hielt mich immer noch fest, als wollte er mich nie mehr loslassen.
Ganz vorsichtig küsste er mich immer weiter, den Hals entlang und immer weiter… Die Leidenschaft kam und überrollte uns, diesesmal wurden wir von niemanden gestört.

Weitere Lösungen

Zum Diner waren wir mit dem jungen Ehepaar verabredet und schafften es gerade noch rechtzeitig sie im Hotel abzuholen. Wir wollten ein schönes ruhiges Restaurant in der Innenstadt ausprobieren und hatten einen Tisch reserviert.
Es wurde ein wirklich gelungener Abend, das Essen war exklusiv und lecker, das Ambiente war toll. Wir hatten uns super unterhalten und ich stellte mit Freuden fest, dass wenigstens ein Familienmitglied von Felix wirklich sehr, sehr nett und charmant war. Wir beendeten unseren Abend in einer Tanzbar und genossen ihn besonders, denn es war der letzte in Paris. Am nächsten Morgen wollten wir zurück nach Hause um unser Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Wir hatten uns bei meinem kleinen Hotel für den Vormittag verabredet. Mein Auto war auf die Schnelle nicht zu reparieren und wir organisierten mit dem Pannendienst eine Rückführung nach Deutschland. Ich konnte entspannt mit Viktor meine Heimreise antreten. So kam ich noch zu dem Genuss, die Landschaft ausgiebig zu bewundern, dass ich in vollen Zügen genoss.
Spät am Abend waren wir dann glücklich wieder zu Hause. Wir blieben alle vier die Nacht über hier bei mir, Platz hatte ich ja genügend. Lilly mit Ehemann in ihrem Zimmer, Viktor bekam das Gästezimmer und ich mein Schlafzimmer. Viktor wollte nicht nach Hause, da wir morgen früh alle gemeinsam einen Überraschungsbesuch starten wollten. Einen großen Schlachtplan hatten wir nicht entworfen, mir war immer noch unklar, wie wir diese Geschichte entwirren konnten.
Nach einem ausgiebigen Frühstück, machten wir uns endlich auf den Weg. Keiner von uns war erpicht auf die anstehende Auseinandersetzung mit Werner von Heyden. Da Viktor die Gewohnheiten seines Bruders kannte, wussten wir, dass er vor 10 Uhr nicht zur Firma fahren würde und so waren wir noch gut in der Zeit, als wir um halb zehn vor der Villa eintrafen.
Wir gingen direkt ins Arbeitszimmer, da Werner meist, bevor er das Haus verließ noch dringende Telefonate führte. Beim Eintreten platzten wir in eine hitzige Diskussion zwischen Werner und …. Igor. Ich zog Lilly reflexartig hinter mich, obwohl wir zwei sowieso als letzte ins Büro getreten waren und unsere Beschützer als Sichtschutz vor uns standen.
Ich lugte hinter Viktors Rücken vor um die Reaktionen der beiden Männer zu sehen, als wir so überraschend das Zimmer überfielen. Sie fühlten sich ertappt. Beide. Die plötzliche Stille war belastend genug ohne das wir von dem Gespräch viel mitbekommen hätten. Dann kam wieder Leben in die Runde.
Igor wollte sich still und heimlich verabschieden und strebte zur Tür. Anscheinend war ihm entgangen, dass wir vier noch davor standen und diese Fluchtmöglichkeit blockiert war. Felix reagierte aber sofort. Er stieß ihn mit aller Gewalt in die Ecke zurück aus der er gekommen war. Mit dieser Gegenwehr hatte er wahrscheinlich nicht gerechnet, denn er stürzte über seine eigenen Füße und fiel hin. Er fluchte laut und unflätig vor sich hin.
„Schnauze“, kam es von Viktor, „es sind Damen anwesend. Und wenn du nicht sofort dein grobes Mundwerk hältst, sorge ich dafür.“ Viktor hatte ich noch nie so wütend erlebt, er bebte am ganzen Körper und seine Fäuste waren geballt, als wollte er am liebsten gleich zuschlagen. Für Igor schien das noch kein Grund zu sein, um sich zurück zu halten. Er stand wieder in seiner kompletten Größe und grinste hämisch vor sich hin.
„Na, da sind ja meine zwei Zuckerschnecken, ich wusste ja dass ihr mich vermisst und freiwillig herkommt.“ Diese Aussage war eindeutig auf uns `Damen´ gemünzt. Dieser Wiederling, ich war stinksauer. Erst jagte er mich durch das komplette Hotel und dann musste ich mich auch noch auf dem stinkenden Boot aufhalten, gefesselt. Dann verletzte und entführte er meine Tochter …., das war eindeutig zu viel.
Ich schoss hinter Viktor hervor, und stürmte auf den überraschten Igor zu. Mit aller Kraft die ich besaß trat ich ihm in seine Männlichkeit, das einzige, dass ihm so viel Schmerz zubereitete, das er in die Knie ging. Meine Wut war noch nicht verraucht, ich schlug ihm noch mit voller Wucht ins Gesicht, das jetzt so ziemlich in meiner Reichweite war und er fiel um, wie ein gefällter Baum fiel er nach hinten um.
Ich stand schwer schnaufend da und konnte die ganze Tragweite meiner Handlung jetzt erst richtig realisieren. Dem Rest im Raum ging es nicht anders. Es war mucksmäuschen Still. Dann hörte ich ein „Wow…“. Es kam von Viktor.
Felix Vater hatte seit unserem Eintreten noch kein Ton von sich gegeben. Er stand noch in derselben Position ohne sich ein Millimeter bewegt zu haben. Ich wandte mich ihm zu. „Jetzt zu dir, noch eine Drohung meiner Familie gegenüber und ich garantiere für nichts mehr…“ ließ ich ihn mit meiner ganzen Wut im Bauch wissen. Ich war bereit ein Rundumschlag zu veranstalten, und es war wirklich von Vorteil, dass ich nicht bewaffnet war.
Das Gesicht von Werner war sehenswert, sein Kinn klappte nach unten und ich nehme an er war zum ersten Mal seines Lebens sprachlos. Er ließ zumindest nichts verlauten, keine Erklärung und keine Entschuldigung.
Ich überlegte mir gerade, ob ich um den Schreibtisch gehen sollte, um ihm eine Ohrfeige zu geben, damit er aus seiner Starre wieder aufwacht. Da wurde ich von hinten festgehalten, besser gesagt, umarmt. Viktor kicherte mir ins Ohr, er zog mich ganz fest an seinen Körper und lachte. Dann hörte ich Felix, der sich auch nicht mehr unter Kontrolle hatte und die ganze Situation anscheinend witzig fand. Ich schaute mich verwundert um und stellte fest, dass meine Mitstreiter sich köstlich zu amüsieren schienen.
Dann wurde es wieder ernst. Da ich meine Meinung schon kund getan hatte, schicken uns `unsere´ Männer raus, damit sie sich über die `Familienangelegenheiten´, wie sie es ausdrückten besser unterhalten konnten. Wir standen noch unentschlossen vor der Bürotür, als wir das zornige Wortgefecht der Herren mitbekamen. Ich wollte eigentlich nichts mehr hören oder sehen, ich hatte genug von den letzten Tagen. Sollten sie ihre Probleme alleine lösen.
„Komm, Mum, lass uns auf die Terrasse gehen und eine Tasse Kaffee trinken“, schlug Lilly vor und machte sich auf den Weg durchs Haus. Zielstrebig fand sie die richtige Richtung und kurz darauf saßen wir gemütlich auf der Terrasse und hatten eine dampfende Tasse Kaffee vor uns stehen.
Es hatte schon was feines, wenn man sich mal bedienen lassen konnte. Hier im Haus waren einige Angestellte unterwegs, die sehr hilfreich waren und uns sofort versorgten. Auf meine Anfrage, wo die Hausherrin sich `versteckt´ hatte, hieß es nur, sie hätte einen Termin im Schönheitssalon. Gut wenn sie´s nötig hatte, mir war es recht, mehr als recht. Ich wollte mich nicht noch mit Erika auseinander setzen müssen. Lilly genoss die Ruhe und den Ausblick auf den Garten auch.
„Was dachtest du dir dabei, Mum , auf Igor los zu gehen? Ich hätte beinahe eine Herzattacke bekommen“, fragte mich meine Tochter neugierig.
„Du weißt doch, man soll sich nicht mit den Reichert´s Mädchen anlegen, es kann böse enden“, musste ich meiner Tochter grinsend mitteilen, und sie musste über meinen Ausspruch nochmal herzlich lachen.
Es ging schon auf die Mittagszeit zu, als wir in unserer Idylle unterbrochen wurden. Viktor, Felix und auch Werner traten auf die Terrasse hinaus um uns Gesellschaft zu leisten. Zumindest auf einen hätte ich großzügig verzichten können. Die Stimmung war immer noch sehr gespannt zwischen ihnen.
Werner trat dann auf uns zu „Ich möchte mich bei euch beiden entschuldigen, Igor hatte da etwas missverstanden“, brachte er eine Entschuldigung hervor, die ich zumindest meinerseits nicht ganz so ernst nahm, sie kam mir gezwungen vor. Ich blickte auch direkt in Viktors Gesicht um darin auch nur die Bestätigung meiner Gefühle zu sehen. Lilly und ich sahen uns an und wussten, wir dachten das gleiche. Es kam keine Antwort von uns und er konnte sich denken, dass wir nicht so leicht verzeihen konnten.
Igor bekamen wir zum Glück nicht mehr zu Gesicht, ihn mussten sie schon aus der Villa rausgeschmissen haben. Wir wollten auch wieder nach Hause.
Für Lilly und Felix begann ein neues Leben, auf das sie sich tierisch freuten. Sie hatten noch alles vor sich, was auch einiges an Arbeit bedeutete, neue Wohnung, neue Verantwortung, neues Abenteuer.
Und ich …ich hatte auch ein neues Leben, ohne meine Tochter … aber mit einem neuen Mann an meiner Seite, einen gutaussehenden, sexy Mann ….


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Texte: c by Philomenja Bild und Text
Tag der Veröffentlichung: 18.08.2010

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