Endlich Wochenende
Endlich Wochenende. Meine Schicht ist gerade zu Ende und ich machte mich auf den Nachhauseweg.
Ich, Gloria, wohnte in einer Familie WG. Das musste man sich etwa so vorstellen: meine Kids, die inzwischen schon flügge sind, also Tochter und Sohn, wohnen mit mir zusammen in einer Fünf-Zimmerwohnung bzw. Haus. In der Einliegerwohnung lebte mein Exmann mit seiner neusten Gespielin.
Unser Zusammenleben war meistens leicht chaotisch aber nie langweilig. Da mein Exmann und ich uns nach etwa 15 Ehejahren auseinander gelebt hatten, hatten wir beschlossen eine Zeitlang Pause in unserer Beziehung einzulegen. Diese besteht jetzt schon seit etwa 5 Jahren und es klappt recht gut. Um es kurz zu machen, er ist in die Kellerwohnung eingezogen um in der Nähe bei den Kids zu bleiben.
Als ich zu Hause ankam, wurde ich an der Tür schon empfangen.
„Hi, Mum hast du alles mitgebracht?“ Meine kleine Tochter erwartete mich schon sehr dringend. „Lass mich doch erst mal reinkommen und die Tasche ablegen, mein Kind“ erwiderte ich ihr. Meine Kleine ist schon über 18 und ganze fünf Zentimeter größer als ich, aber sie wird immer die Kleine bleiben.
„Gibst ´ne Tasse Kaffee für deine arme alte Mum? Ich bin fix und fertig und ohne Kaffee zu nix zu gebrauchen.“ Wir gingen beide zur Küche durch und setzten uns an den Küchentresen.
„Hier Mum, hab schon alles für dich hingerichtet.“Ich freute mich riesig über die aufmerksame Geste meiner Tochter Sara, denn nach meiner Arbeit brauchte ich erst eine kleine Auszeit damit ich wieder in die Gänge komme.
„Und was hast du heute schon alles gemacht?“ fragte ich sie interessiert nach ihrem Tagesablauf.
„Ach, du weißt ja, Schule und anschließend Hausaufgaben. Ich hab später noch ne´ Verabredung mit Micha“ bekam ich zur Antwort.
„Wir sollten noch über unsere Wochenendplanung reden, ich glaube wir sollten nochmals gemeinsam einkaufen gehen. Ich hatte nach der Arbeit keinen Kopf gleich alles mitzubringen.“
Sara stimmte mir begeistert zu und versprach mir beim Einkauf zu helfen. War mir ganz recht, denn einkaufen gehört auf jeden Fall ganz weit oben zu den Dingen, die ich überhaupt nicht gerne machte.
Da ich mal ein langes Wochenende hatte, dass heißt zwei ganze Tage am Stück frei, hatten wir eine Grillparty fürs ganze Haus geplant. Zum Haus gehörte ein schöner Garten, in dem genügend Platz ist für solche Aktivtäten.
Die Gästeliste hat sich dank meiner Kinder ziemlich vergrößert. Jeder hat seine engsten Freunde eingeladen, sodass wir mit Sicherheit an die zwanzig Leute zusammenbringen werden. Mein Exmann Henry hat mit Sicherheit seine neue Flamme mit Anhang eingeladen. Sara stellt mir ihren neuen Freund dann auch vor. Sie schwebt momentan auf Wolke 7 und war selten ansprechbar. Ich war aber schon wirklich neugierig, sowie Mütter nun mal sind.
Mein Sohn Oliver hat schon seit längerem eine feste Freundin, mit ihr komme ich ganz gut zurecht. Sabrina ist einfach ein ganz liebes Mädel, mit der man normalerweise einfach auskommen muss.
Langsam sollte ich mich mal aufraffen um meine Einkaufsliste zu schreiben, damit für den morgigen Tag alles im Haus ist. Schließlich hat mir Sara ihre Hilfe beim Shopping angeboten, was ich sofort ausnützen werde.
Partylaunen
„Gloria, kann ich dir noch was helfen?“ Ich drehte mich um und sah die Neue von Henry an der Küchentür stehen. „Natürlich Rike, du kannst inzwischen die ganzen Salate raustragen in den Garten, du weißt ja wohin, auf den separaten Beistelltisch.“ Ich bin ja angenehm überrascht, mein Exmann hat es mal endlich geschafft sich eine Anzulachen, die anscheinend doch nett sein kann. Ich lächle ihr freundlich zu und beende meine Vorbereitungen, damit ich später auch was von der Party habe und nicht nur Gastgeber spielen muss.
„Mum, brauchen wir sonst noch was an Getränken?“ höre ich meinen Junior durchs Haus rufen. Eine kurze Überlegung und ich dirigiere Olivers Frage einfach weiter.
„Ich dachte eigentlich, dass ihr Männer euch um die Bar heute Abend kümmert. Geh´ mit deinem Vater die Getränke durch!“ Somit ist das auch soweit geklärt, wer für das flüssige Wohl der Gäste zuständig ist.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich langsam anfangen sollte mich für heute Abend zurechtzumachen. Es werden bis in einer Stunde die ersten Leute eintreffen.
Gerade war ich fertig mit meinem Outfit, schwarze Hose und eine leichte Sommerbluse, die meiner Figur schmeichelte (passe immer noch in Kleidergröße 38), kam meine Tochter ins Schlafzimmer rein gesaust.
„Und wie sehe ich aus?“ fragte sie mich aufgeregt und drehte sich vor mir im Kreis. Ich musste natürlich mein Grinsen verkneifen, um ihr ernsthaft zu Antworten, da sie top gestylt war. „ Du siehst wundervoll, süß und erwachsen aus. Zufrieden? Oder musst du deinen Dad fragen, vielleicht kann er das besser beantworten, schließlich ist er ein Mann.“
Sara gab sich aber mit meiner Antwort zufrieden und nahm mich in den Arm mit dem Kommentar:“ Seit wann können Männer ein fachgerechtes Urteil über professioneller Styling abgeben? Aber du siehst auch klasse aus, hast du eine neue Bluse gekauft? Die hab` ich an dir noch nicht gesehen.“
„Eigentlich nicht, ich hatte nur noch keine Gelegenheit um sie anzuziehen. So jetzt sollten wir langsam nach unten gehen, sonst sind unsere Freunde schon vor uns auf der Gartenparty.“
Die ersten Gäste waren wirklich schon eingetroffen, aber da es die Freunde meiner Kinder waren kannten sie sich sowieso schon bei uns aus und halfen Oliver sofort an der Getränkebar.
Ich gesellte mich zu Henry und Rike, die neben dem großen Grill standen und sich unterhielten. Mein Exmann sah heute wirklich zum Anbeißen aus, er hat sich komplett schwarz angezogen, Jeans und schwarzes Hemd, er sah sehr sexy darin aus. Er drehte sich um als er bemerkte, dass ich ihn musterte und hob fragend seine Augenbraue. Wir verstanden uns auch ohne Worte und ich schüttelte nur leicht den Kopf und sagte “Nichts weiter, ich hab nur deine passende Garderobe bewundert.“
Meine Gedanken waren jetzt nicht gerade in der Richtung, die sie haben sollten. Ich machte mir eigentlich zum ersten Mal wirklich Gedanken über die Zukunft, ob ich mich innerlich wirklich komplett je von Henry getrennt hatte oder ob es jemals wieder mit uns klappen könnte.
Jemand berührte mich ganz sachte am Arm und ich schreckte aus meinen Überlegungen hoch. Henry sah mich noch immer mit seinen besorgten Augen an, und dem Wissen das ich nicht bei der Sache war.
„Rike möchte dir ihren Sohn vorstellen, du warst eben total geistesabwesend“ ich schaute Henry entschuldigend an und drehte mich zu Rike um. „Ich glaub’, ich muss mich erst mal stärken, damit ich wieder einsatzfähig bin, tut mir leid Rike, ich hab eben komplett abgeschaltet.“
Neben Rike stand ein hübscher junger Mann mit blonden Haaren, die fast bis auf seine Schultern runter fielen. Rike stellte ihn mir vor. “Das ist Tobias, mein Sohn, er studiert in München und kommt nur ab und zu vorbei. Ich fand heute die beste Gelegenheit ihn gleich der ganzen Familie vorzustellen.“
Ich stimmte Rike zu und begrüßte Tobias herzlich und hieß ihn in unserer Familie willkommen. „ Du kannst wenn du willst in unserem Gästezimmer schlafen“ bot ich ihm dann gleich an, „ bei Henry und Rike gibt es nur die Gästecouch, aber wir sind ja eine Familie und teilen uns fast alles.“
Inzwischen waren unsere Gäste mehr oder weniger alle eingetroffen, ich machte meine Runde um jeden zu begrüßen. Da die meisten Kumpels und Freundinnen meiner Kids waren reichte ein lautes `Hallo` aus damit sich jeder angesprochen fühlte. Ich liebte solche unkomplizierte Leute, die man nicht mit Smalltalk bei Laune halten musste. Deshalb habe ich auch wahrscheinlich nicht einen so großen Bekanntenkreis, weil mich das dann zu sehr anstrengt immer freundlich und nett zu sein. Ich wollte mich gerade auf den Weg zur Cocktailbar machen um mir von Oliver eines seiner neusten Kreationen mixen zu lassen als meine Tochter auf mich zusteuert.
„Mum, darf ich dir meinen Micha vorstellen?“ Was für eine dämliche Frage, geht mir gleich durch den Kopf bevor ich den jungen Mann registriere den sie hinter sich herzieht. Der zweite Gedanke war dann nur `wow und nochmal wow`.
Um mich dann noch mehr aus meiner Fassung zu bringen nahm Micha ´gentelmanlike ´ meine Hand, hauchte eine Kuss drauf und stellte sich vor wie aus dem letzten Jahrhundert. „ Ich heiße Michael von Werding und freue mich Sie endlich kennen zu lernen.“ Ich schaute zu Sara, die sich natürlich köstlich amüsierte über meine Verlegenheit, und dann zu Micha zurück, dem ich meine Hand dann erst mal eilig entzog.
„Hey, Micheal von Werding, ich freue mich auch dich kennen zu lernen, nachdem ich schon so viel über dich zu hören bekommen habe, du kann ruhig Gloria zu mir sagen, wir sind hier nicht ganz so förmlich.“ Ich musste die Spitzfindigkeit gleich loswerden, auch wenn meine Tochter darüber, dass sie mir von ihrem Schatz schon so viel erzählt hatte, dass es ihr jetzt wahrscheinlich peinlich war.
Aber der Typ sah wirklich aus wie aus einer Modenzeitschrift, ein Model schlecht hin mit schwarzen Haaren und der Rest einfach perfekt. Jetzt wusste ich auch warum Sara seit Wochen auf rosaroten Wolken ging.
Nachdem ich nun endlich Sara´s große Liebe kennengelernt habe, gingen wir zu dritt weiter zur Cocktailbar um uns, nachdem wir alle unseren Drink bekommen hatten, noch etwas zu unterhalten. Schließlich muss ich als Mutter wissen welchen Umgang meine Tochter hat und ob ich meine elterliche Macht einsetzten müsste.
„Da meine Tochter mir zwar von dir erzählt hat, wahrscheinlich nur die allerbesten Dinge, hätte ich gern von dir, Michael, die reale Version. Bitte aber nur die Kurzfassung.“ „Aber Mum“, kam der Protest von Sara sofort, auf den ich mich aber nicht einlasse.
“Hey, Kindchen, du hast ihn ja noch die ganze Nacht, also gönn mir bitte die fünf Minuten.“
Als ich mich Micha zuwende sehe ich wie er ein Grinsen unterdrückt, er ist unsere Umgangsform noch nicht gewohnt und weiß nicht das Sara und ich eigentlich wie die besten Freundinnen für einander sind.
Bereitwillig erzählt Micha tatsächlich seine Lebensgeschichte:
er ist mit seinem Vater hier hergezogen, vor etwa einem halben Jahr. Er macht sein Abi um dann zu studieren. Er muss sich aber noch zwischen zwei Fachbereiche entscheiden, dass will er aber von seinem Abschluss abhängig machen.
Also, hört sich ganz solide an und ich entließ die beiden dann, damit sie sich noch einen vergnüglichen Abend machen können.
Ein kurzer Blick auf meine Uhr und ich stellte fest, dass schon fast Mitternacht war. Ich hatte meine Freundin Caren vermisst. Sie wollte nach der Arbeit eigentlich auch noch vorbei schauen, aber anscheinend war sie doch zu fertig um sich noch aufzuraffen um etwas Party zu machen. Hierfür hatte ich viel Verständnis, weil sie auch eine Kollegin von mir war und ich jeden Tag sah, was wir Leistung zu bringen hatten.
Ich schlenderte langsam durch den Garten und kam an den verschiedenen Grüppchen und Pärchen vorbei, die sich gebildet hatten und sich alle anscheinend sehr gut unterhielten. Mein Blick blieb wieder an Henry hängen, der einen Arm liebevoll um Rike gelegt hatte. Sie gaben wirklich ein schönes Paar ab, ich sollet mir nicht soviele Gedanken mehr um meinen Exmann machen, ich glaube es tut mir nicht gut, besonders wenn man dann feststellen muss, dass man trotz den vielen Leute im Haus recht einsam ist.
es ist wie immer
Da ich eigentlich keine Nachteule bin, hatte ich mich gestern, bzw. heute Morgen sehr schnell in mein Schlafzimmer verzogen und war als erste wach. Ich genoß die Ruhe, die noch im Haus war und machte mich auf den Weg zur Küche um Kaffee aufzusetzen. Als ich mich umdrehte, erschreckte ich mich fast zu Tode. Ohne irgendein Geräusch oder Ton von sich zu geben stand ein junger Kerl an der Küchentür und beobachtete mich.
Mein Hirn registrierte noch nicht so viel, außer das mir bewusst wird, dass ich nur ein kurzes Schlafshirt anhabe und der mich immer noch anstarrte.
„Guten Morgen, kann ich helfen, falls du mit deinem Abchecken zufrieden bist“ fragte ich etwas unhöflich. Jetzt fiel mir erst wieder ein, dass ich Tobias, Rike´s Sohn, unser Gästezimmer angeboten hatte. Selber schuld, dachte ich über mich, Kurzzeitgedächtnis lässt grüßen. Also setzte ich ein freundliches Lächeln auf und versuchte die peinliche Situation einfach zu ignorieren.
Tobias schien über meinen morgendlichen Gruß anscheinend kein bisschen Verlegen zu sein und meinte nur,“ Einen wunderschönen guten Morgen, und ja ich bin mit meinen Ausblick sehr zufrieden. Und für eine Tasse Kaffee würde ich doch alles tun.“ Das war´s dann mit ignorieren. Der Kerl sah natürlich knackig aus nur mit Jogginghose bekleidet und war auch noch schlagfertig. Ich hoffte, dass ich nicht rot wurde bei den Gedanken, die mir gerade durch den Kopf schossen und versuchte so schnell wie möglich die Küche zu verlassen, ohne ihm eine Antwort zu geben.
Das war leider nicht so leicht zu bewerkstelligen, da Tobias die Tür immer noch blockierte und ich mich dann an ihm vorbei quetschen müsste. Also versuchte ich es mit meinem forschen Wesen, schließlich habe ich ja auch zwei Gören in dem Alter schon großgezogen und konnte normalerweise damit umgehen, mich durchzusetzen.
Ich ging zügig auf ihn zu und schob ihn komplett mit in den Flur hinaus mit dem Kommentar,“ Junge, ich brauch schon noch etwas Platz, die Tür ist für normal Sterbliche gebaut.“ und verschwand schnell ins Bad um mich fertig zu machen und anzuziehen.
Als ich zehn Minuten später wieder nach unten in die Küche kam, war der Frühstückstisch gedeckt und Tobias saß wartend am Tisch.
„Das ist ein Service“ freute ich mich über den gedeckten Tisch, “ im normal Fall muss ich Sonntags immer alleine frühstücken, geschweige ich bekomme den Tisch gedeckt.“
Tobias grinste mich an und meinte, “ Das ist doch das mindeste was ich für meine hübsche Gastgeberin tun kann“ und fing hemmungslos mit mir das Flirten an.
Mir war das nicht ganz geheuer, und die vielen Komplimente, die er mir zuseuselte, war ich nicht gewohnt. Aber ich war in der Regel nicht auf den Mund gefallen und blieb ihm keine Antwort schuldig.
„OK, du hast dir dein Frühstück schwer verdient, du musst bei mir nicht den ganzen Tag Süßholz raspeln um eine Tasse Kaffee zu bekommen. Erzähl mir lieber etwas mehr von dir, von deiner Familie, von der Uni oder was du sonst noch machst.“
So konnte ich ihn ablenken von seiner charmanten Anbaggerei, die mir etwas seltsam vorkam schließlich ist er um einiges jünger als ich und nur ein paar Jahre älter als mein Sohn.
Wir unterhielten uns dann blendend und er erzählte mir verschiedene Anekdoten aus seinem Studentenleben, was meisten sehr witzig war. Ich hatte schon Tränen in den Augen vor Lachen als ich ein „Guten Morgen“ hinter mir hörte.
Henry stand direkt hinter meinem Rücken und sah verwundert auf mich runter. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht richtig deuten und wunderte mich nur über seinen unfreundlichen Ton. „Ich wollte Tobias gerade zum Frühstück abholen, aber ich sehe ja, er wird schon bestens versorgt.“ kam es schnippisch von ihm. Ich kam mit dieser Reaktion von Henry gar nicht zurecht und antworte nicht besonders freundlich “Auch schon ausgeschlafen, wir können uns draußen in einer halben Stunde zum Aufräumen treffen“. Somit war er entlassen und konnte mit Rike frühstücken.
Ich erhob mich seufzend, um hier auch etwas aufzuräumen damit ich dann später draußen helfen konnte. Tobias war sehr hilfsbereit und ging mir zur Hand und so war in der Küche ruckzuck alles wieder auf Hochglanz.
Wir machten uns dann auf den Weg in den Garten um Henry und Rike zu helfen. Tobias verfolgte mich wie ein Schatten, das wurde mir aber erst bewusst als ich Henry´s Blick wieder auf mir spürte. Ich schickte Tobias zu Henry damit sie die schweren Tische und Bänke aufräumen konnten.
Derweilen kam Rike auf mich zu um mir mit den restlichen Getränken zu helfen. Wir plauderten über verschiedene Neuigkeiten und waren gemeinsam sehr schnell fertig.
„Wie lange bleibt Tobias eigentlich noch hier“ fragte ich ziemlich beiläufig, schließlich musste ich ja erfahren wie lange mein Gast noch bei uns wohnt. Henry und Tobias kamen gerade dazu, als Rike mir antworten will. „Ich glaub ich muss Tobby selbst fragen, ich habe mit ihm noch nicht darüber gesprochen. Normalerweise ist er immer nur ein paar Tage da.“ Wir schauten ihn fragend an, um gleich eine Antwort zu erhalten.
Er grinste mich von der Seite an und meinte nur, er würde gerne ein paar Tage dranhängen wenn er mich nicht stört. Ich verneinte natürlich, was sollte ich sagen, dass sein Lächeln mich nervös macht, oder seine Flirtversuche bei mir ganz gut ankamen, dass konnte ich ja schlecht zugeben. Wie gesagt der Altersunterschied ist immer noch da!!
Rike freute sich riesig, dass ihr `Tobby´ noch ein paar Tage bleiben wollte, aber ich glaube Henry sah das etwas anders.
der Alltag holt mich wieder ein
Die Woche begann wie immer, Arbeit, Arbeit, Arbeit. Irgendwie bin ich momentan an einem Punkt angekommen, da brauche ich Veränderungen. Mit meiner Arbeit konnte ich zurzeit nichts anfangen, sie langweilte mich nur noch. Wären nicht meine Kolleginnen, mit denen ich mich wirklich super verstand, hätte ich wahrscheinlich schon alles hingeschmissen. Aber ich hatte beschlossen, dass ich in der Zeitung mich mal umschauen werde, vielleicht biete sie ja was Interessantes an.
Sara hatte ich diese Woche noch kaum gesehen, sie hat vor den Sommerferien noch einige Klausuren zu schreiben auf die sie sich vorbereiten will. Sie hatte auch nur noch ein Jahr auf der Schule bis sie ihr Abi macht. Bis dahin war Oliver auch mit seiner Lehre fertig, ich sag ja meine Kids werden flügge.
Meine Gedanken schweiften schon wieder in die Zukunft ab und ich fragte mich ob das alles gewesen ist oder ob ich meinem Leben noch einen interessanten Kick geben kann. Also was bringt die Zukunft, hoffentlich einen neuen, besseren, nicht langweiligen Job.
Zuhause ist es auch wie immer, fast wie immer. Ich habe ja noch einen Gast, der bei uns durch die Bude rennt (leicht übertrieben). Tobias taucht immer dann auf wann man nicht damit rechnet. Als ich mich auf das tägliche Putzprogramm stürzte, die Wohnung aufräumte und dabei lauthals mein Lieblingslied trällerte, dass gerade im Radio gespielt wurde, stand er mal wieder grinsend im Wohnzimmer und hörte mir zu. Ich bin nicht sehr musikalisch und mir reichen eigentlich die Reaktionen meiner Kids um zu wissen, dass meine Stimmlage nicht vollkommen ist. Aber was soll´s als Gast muss man auch mit gewissen Dingen leben.
Das gute an Tobias ist, er versucht mir tatsächlich zu helfen, wenn es auch nur Kleinigkeiten sind, aber der Wille zählt ja bekanntlich.
Das Abendessen nehmen wir immer alle zusammen bei uns im Esszimmer ein. Je nachdem wer alles zu Hause ist trifft sich in der Küche ein um beim Kochen zu helfen. Heute bin ich mit Tobias alleine, da der Rest erst gegen 19 Uhr eintrifft, teils von der Arbeit oder Schule.
Wir waren schon ein eingespieltes Team, ich legte ihm die Sachen vor was zu schälen oder schneiden war und ich richtete den Rest und fing an zu brutzeln und braten. Dabei unterhielten wir uns sehr angeregt über alle möglichen Themen. Es war eigentlich immer sehr kurzweilig wenn wir zusammen waren. Wir lachten viel und ich ließ ihn mein gekochtes probieren, schließlich brauchte ich ja ein Urteil wie es schmeckt. Als ich mich wieder meinen Töpfen und Pfannen zuwendete merkte ich wie sich zwei Arme von hinten um meine Taille legten.
<Oh… oh… nicht gut>, war meine erste Reaktion. Wie konnte ich Tobias klar machen ohne im sprichwörtlich auf die Füße zu treten, dass ich ihn sehr, sehr nett fand aber….Also drehte ich mich um, um ihm zu sagen, dass das keine gute Idee sei. Soweit kam ich erst gar nicht, schon spürte ich einen sanften Kuss auf meinen Lippen. Verflixt, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich schob ihn bestimmend ein Stück von mir weg. Er schaute mir tief ich die Augen und ich musste mich zusammenreißen um ihm wirklich klar zu machen, dass es kein guter Einfall ist sich in mich zu verlieben.
Im Hintergrund hörte ich die Haustür zuschlagen, ich schob Tobias noch ein Stück zur Seite und sagte ihm nur „wir reden später darüber, ich möchte nicht das die anderen sich darüber einen Kopf machen, sei so gut decke bitte den Tisch, deine Mutter und Henry werden auch gleich da sein.“ Nach Tobias Gesichtsausdruck hatten wir unser Gespräch noch nicht beendet. Zum Glück kam Sara mit Sabrina gerade in die Küche gestürmt um zu fragen, ob ein Esser mehr noch drin sei.
„Hi, Girls, natürlich, aber Sabrina mit ihrem Spatzenhunger zählt eh ‘nicht als zusätzlicher Esser!“ Schon waren die beiden ins Esszimmer weiter gelaufen um Tobias beim Tellerrücken zu helfen.
So war es fast immer bei uns, das Haus füllte sich zusehends mit den ganzen Bewohner. Das liebte ich eigentlich an unseren gemeinsamen Abendessen. Jeder hatte was zu berichten, was ihnen über den Tag so passiert war.
Nachdem Essen ging jeder in sein Zimmer um seine privaten Dinge zu erledigen. Rike wollte mit Tobias noch was besprechen, so konnte ich unsere Aussprache noch etwas hinauszögern. Henry blieb bei mir in der Küche um noch beim Spülen zu helfen.
„Was läuft zwischen dir und Tobby?“ fragt Henry mich ohne Vorwarnung. Ich bin erst mal total überrumpelt um ihm sofort eine Antwort zu geben. Langsam wird mir auch klar warum Henry mich jedes Mal so seltsam mustert wenn er mich mit Tobias in einem Raum sieht.
„Bist du eifersüchtig auf ihn?“ gehe ich gleich zum Gegenangriff über, schließlich kann es ihm eigentlich egal sein, ob mich ein anderer Mann attraktiv findet, auch wenn er einiges jünger ist.
Henry zieht seine Augenbrauen hoch und wartet anscheinend wirklich noch auf eine Antwort von mir. Also bleibe ich sie ihm einfach schuldig, da ich selbst noch nicht weiß was zwischen uns läuft und schließlich bekam ich ja auch keine Antwort auf meine Frage.
Wir beenden schweigend unseren Abwasch als Henry sich auf den Weg nach unten macht. An der Tür dreht er sich dann kurz um „Ich liebe Rike und möchte nicht dass sie endtäuscht wird, falls du jemand zum Reden brauchst, weißt du wo du mich findest.“
So, ich war erst einmal platt, wie kann er mir ins Gewissen reden wollen ohne dabei zu wissen um was es geht!! Das ist genau der Punkt warum Henry und ich nicht wirklich miteinander können. Er haut einfach ab, nachdem er diesen Satz in den Raum geschmissen hat. Langsam aber sich merke ich wie mein Adrenalinspiegel steigt und ich kurz vor dem Platzen bin. Ich brauche einen langen Spaziergang um mich wieder einzukriegen.
Ich schnappe meinen Hausschlüssel und mache mich auf den Weg. Als ich die Haustür aufmache, renne ich fast in Micha rein, der anscheinend gerade klingeln wollte. Er schaut mich ganz verdattert an als er meinen wütenden Gesichtsausdruck registriert.
„Ich bin dann mal weg, sag bitte Sara Bescheid“ und bin schon die zwei Eingangsstufen hinunter gestürmt. Ohne weiter nach rechts oder links zu schauen laufe ich den Gehweg entlang und über die Straße. Plötzlich höre ich ein lautes Quietschen.>Mist verdammter, ich sollte wirklich nicht so hirnlos über die Straße rennen, das könnte böse endenVeränderungen
Viele Stellenangebote gab es momentan nicht auf dem Arbeitsmarkt. Ich habe mich an drei Ausschreibungen beworben, die ganz unterschiedlich waren, wie gesagt ich wollte mich ja beruflich verändern. So wartete ich jeden Tag auf Antwort in der Hoffnung, dass mein Leben wieder etwas aufgepeppt wird.
Bald sind Schulferien angesagt, bei Sara sind die letzten Klausuren durch und in der Schule wurde nicht mehr allzu viel gelernt. Das heißt für mich, dass mein Urlaub auch in greifbarer Nähe rückte, da ich noch während den Sommerferien Urlaub beantragen kann. Ich freute mich schon riesig darauf, faulenzen, lesen und vielleicht sogar ein paar Tage weg.
Sara und ich waren meist kurzentschlossen für solche Aktionen zu haben. Aber dieses Jahr war ja noch Micha da, sollte ich sagen Klotz am Bein? Nein, ich gönnte meiner Tochter doch ihren tollen Freund. Sie waren wirklich ein Traumpaar, ich hatte noch kein böses Wort von beiden gehört.
Tobias war inzwischen auch wieder an seiner Uni in München, er meldete sich ab und zu, um seinen Bericht abzugeben, dass er mich vermisste. Wir hatten es nach unserer Aussprache ganz gut auf die Reihe bekommen, dass niemand mehr sich auf den Schlips getreten gefühlt hat, besonders Henry und Rike. Ich hoffte ehrlich, dass Tobias eine nette Frau, Studentin oder was auch immer ihm vorschwebt, findet und mich vergisst, zumindest ich in den Hintergrund trete.
Nach der Arbeit ging ich heute noch mit meiner besten Freundin Caren einen Kaffee trinken. Bei uns in der Stadt gab es das beste Cafe in der Umgebung, und ab und zu gönnten wir uns so ein Schlemmernachmittag mit Kaffee und einem großen Stück Torte.
Wir setzten uns in den Sommergarten vom Cafe, das Wetter war einfach herrlich dafür. Man hatte den perfekten Ausblick auf das Stadtgeschehen. Caren und ich hatten gerade unserer Bestellung aufgegeben, als mein Blick auf einen silbernen Sportwagen fiel, der gerade an uns vorbei fuhr. Mir kamen die grünen Augen wieder in den Sinn, die mich beinahe umgefahren hatten. Caren sah mich an und meinen verträumten Blick.
„Was ist los, hab ich was verpasst? Oder wartest du schon mit diesem freudigen Ausdruck im Gesicht auf deine Sahnetorte?“ Ich musste grinsen, denn ich hatte ihr ja noch gar nichts von meinem beinahe Unfall erzählt.
„So, so, grüne Augen, die Beschreibung passt ja mit Sicherheit auf einige Männer aus der Stadt, das ist wieder typisch für dich, jahrelang interessierst du dich für keinen Mann und dann lässt du den einen jungen knackigen von der Angel und der andere darf dir nicht mal das Leben retten.“ Das war original Kommentar von Caren, ich hatte ihr natürlich die Story mit Tobias erzählt und sie meinte ich hätte einfach zugreifen und mir nicht so viele Gedanken machen sollen.
„Also gut, bei nächstbietender Gelegenheit schmeiße ich mich vor das nächste Luxusauto um mich dann retten zu lassen“ antworte ich ihr lachend. Wir genossen unseren Kaffeeklatsch, denn wir viel zu selten machten in vollen Zügen.
Es wurde recht spät bis ich nach Hause kam, aber meine Kids waren schon alt genug um für ihr Wohlbefinden selbst zu sorgen, oder sich einfach bei ihrem Dad einzuladen. Caren und ich beschlossen, dass es wirklich Zeit wurde wieder mehr zu unternehmen um unter Leute zu kommen.
Als ich meine Jacke in der Garderobe aufgehängt hatte meldete ich mich zurück.
„Bin wieder da…, wer noch…!?“ keine Reaktion, ich beschloss durch die Wohnung zu gehen und nachzusehen ob noch jemand wach war, ich war zu aufgekratzt um mich schon schlafen zu legen.
Aus dem Zimmer meiner Tochter hörte ich noch Geräusche, da ich es nicht richtig zu ordnen konnte, blieb ich einen Moment ruhig stehen um zu lauschen (nicht fein, ich weiß). Ich klopfte sachte an und wartete auf Antwort. Nichts geschah, vielleicht ist es mütterliche Institution, aber ich ging nicht gleich weiter und hörte dann ein unterdrücktes schluchzen. Ich öffnete langsam die Tür und spähte ins Zimmer. Da lag Sara zusammengerollt auf ihrem Bett in Tränen aufgelöst.
Ohne lange zu überlegen ging ich auf sie zu und setzte mich aufs Bett um sie in den Arm zu nehmen. Dabei fing sie wieder an, viel stärker zu heulen, ich versuchte sie zu beruhigen und strich ihr über den Rücken. Nach einiger Zeit wurde sie wieder ruhiger und ich konnte sie fragen was geschehen ist.
„Meine Kleine, was ist so schreckliches passiert? Kann ich dir irgendwie helfen?“ sie stammelte nur ein paar Worte, die ich mit viel Fantasie mit ihr und Micha in Verbindung brachte. Auf jedenfall konnte dabei nichts Gutes rauskommen.
Sie brauchte dann noch weitere fünf Minuten bis sie endlich soweit war, dass sie mir die ganze Geschichte erzählte. Kurz gesagt, die übliche Eifersuchtsgeschichte, die mit einem Missverständnis zum nächsten übergeht und keiner sich entschuldigen will, weil sich jeder im Recht fühlt.
Aber sie jetzt so leiden zu sehen war am Ende auch keine Lösung. Ich versuchte sie zu Überzeugen, dass sie sich morgen mit Micha zusammensetzten sollte um über ihren Streit noch einmal in Ruhe zu reden. Heute war es eh zu spät, und eine Nacht darüber zu schlafen hat noch nie geschadet. Also brachte ich ihr als gute Mutter noch eine Tasse mit warmer Milch und Honig, damit ihre Nerven sich beruhigten und sie hoffentlich schlafen konnte.
Am nächsten Morgen sah ich Sara nur ganz kurz, als sie sich schon auf dem Weg zur Schule machte. Ich rief ihr noch einen guten Morgen hinterher und sie war schon weg.
Ausgerechnet heute musste ich noch ein paar extra Stunden bei der Arbeit machen, da eine Kollegin ausgefallen ist und niemand sonst einspringen konnte.
Endlich zu Hause lief mir Henry über den Weg. „Hast du deine Tochter heute schon gesehen? Ihr ging es gestern nicht so gut und ich mache mir etwas Sorgen um sie.“
„Was hat sie den schlimmes?“ fragt Henry besorgt, ich antworte nur Beziehungskrise. Das reicht schon um Männer in die Flucht zu schlagen, über sowas wollen sie schon mal gar nicht diskutieren, sie sind gestraft genug wenn es sie selbst betrifft.
Deshalb machte ich mich mal wieder alleine auf den Weg um nach meiner Tochter zu suchen, zum Glück ist unser Haus nicht so groß, dass man sich drin verlaufen könnte.
Nachdem ich überall nachgeschaut hatte und sie nirgends zu finden war, machte ich mir doch langsam Sorgen. Ich hatte wirklich überall nachgeschaut und es ist normaler Weise nicht ihre Art keine Nachricht zu hinterlassen wenn sie das Haus verlässt.
Ich ging nach unten zu Henry und Rike, um bei ihnen noch mal nachzufragen, ob Sara sich vielleicht hier noch mal ausheult. Bei meinem Exmann wäre es nicht das erstemal, dass ich nicht Bescheid bekomme, wenn was mit den Kindern wäre.
Aber so einfach war die Lösung nicht. Rike meinte zu mir, „Warte bis zum Abendessen, du weißt den Hunger treibt jeden heim.“ Vielleicht hatte sie ja recht und ich bin nur mal wieder diese Hypermutter, die gleich ausflippte wenn eins ihrer Küken sich mal etwas anders verhält.
Wir gingen gleich gemeinsam nach oben um Abendessen zu kochen, denn inzwischen war es höchste Zeit dafür. Aber es kam nur noch Oliver von der Arbeit heim. Als wir dann alle beim Essen saßen, fragte ich meinen Sohn sofort, ob er was von seiner Schwester gehört hätte. Aber keiner der Anwesenden hatte von ihr eine SMS, Anruf oder ähnliches bekommen.
Jetzt brauchte mir keiner mehr zu kommen ich solle mir keine Sorgen machen, ich war nervös und ging im Zimmer rum wie eine Furie. Da ich heute Nachmittag schon versucht hatte auf ihrem Handy anzurufen, machte ich mir nicht viel Hoffnung sie jetzt zu erreichen. Aber ich probierte es noch einmal. Es ging sofort wieder ihre Mailbox dran, ich hätte am liebsten laut geschrien vor lauter Frust.
Ich machte jetzt die Telefonrundrufaktion, irgendjemand musste sie doch heute Nachmittag noch gesehen haben. Die einzige Telefonnummer die ich nicht hatte war doch tatsächlich Michas. Aber die dürfte ja nicht so schwierig sein, raus zu bekommen.
Von allen Freundinnen meiner Tochter bekam ich nur die Antwort, sie sei nach der Schule sofort nach Hause.> Klasse< und ich war nicht zu Hause um bei ihr zu sein. Wer weiß auf welche Ideen sie gekommen ist, allein zu Haus.
Bei Micha meldete sich niemand, obwohl ich bestimmt dreimal oder öfter hintereinander angerufen hatte, bis mich die Leitung jedesmal rausschmiss. Ich wusste ja das es leicht übertrieben ist, ein Kind, ein 18jähriges Kind, bei der Polizei nach einem halben Tag als vermisst zu melden, aber langsam war ich wirklich vor einer Panikattacke.
Da nahm Henry die Sache in die Hand „Wir klappern jetzt ihre Lieblingsplätze ab, Oliver, du weißt mit Sicherheit in welcher Kneipen oder Cafe´s sie sich am liebsten aufhält, und ich werde bei der Schule, Sportplatz und Tanzschule vorbeifahren. Gloria, du bleibst zu Hause, falls sie auftaucht. Jeder nimmt sein Handy mit, damit wir in Kontakt bleiben können.“ Sofort machten sich alle auf den Weg.
Mir blieb mal wieder nichts anderes übrig als Däumchen zu drehen und dabei noch nervöser zu werden. Ich verfluchte Micha und das Chaos, das er angerichtet hatte. Mal wieder die Vorurteile einer Mutter, aber irgendeiner musste ich die Schuld geben. Michas Telefonnummer wusste ich inzwischen auswendig, ich probierte es noch einmal, und oh Wunder es nahm tatsächlich jemand ab. „Bei von Werding; wen kann ich melden?“ Ich war leicht perplex über diesen seltsamen Anrufbeantworter???
„Ich muss dringend mit Michael sprechen, “ gab ich allerdings gleich zur Antwort, „Bitte schnell“. Am liebsten hätte ich denjenigen am anderen Ende angeschubst, damit er sich auch beeilt. „Wen kann ich melden?“ fragte er noch mal.
>Ich glaub es nicht, ich vermisse meine Tochter, und der Kasper am anderen Ende brauchte unbedingt meinen Namen< ich war kurz vor dem explodieren, zum Glück konnte derjenige meine unhöflichen Gedanken nicht lesen. Also noch mal „Mein Name ist Gloria Werner und ich möchte sehr dringend mit Michael sprechen, und zwar heute noch falls möglich.“ Ich konnte mir die sarkastische Antwort leider nicht verkneifen und hoffte, dass er mich nicht extra warten ließ.
Eine halbe Ewigkeit später hörte ich wie jemand ans Telefon kam und sich leicht räupste, „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass der gnädige Herr nicht zu sprechen ist.“ Jetzt war ich wirklich auf 180, für wen hielten die sich, nicht zu sprechen! !
„Haben Sie ihn auch ausdrücklich darüber informiert, dass es sehr wichtig ist?“
„Natürlich gnädige Frau, aber die Herren sind gerade in einer wichtigen Besprechung, und es ist ihm leider nicht möglich mit Ihnen zu sprechen.“ kam zur Antwort und schon war ich aus der Leitung.
Ich war erst mal sprachlos, aber nachdem mein Gesprächspartner gerade ohne Gruß aufgelegt hatte war es nicht ganz so dramatisch. Ich starrte auf das Telefon und versuchte meine Wut unter Kontrolle zu bringen. >OK, sagte ich mir, dass war nicht das letzte Wort<. Mein Autoschlüssel zu schnappen, rauszulaufen und loszufahren war eins, ich hatte eine Stinkswut. Man sollte eine Mutter, die sich um ihr Kind sorgt, nicht so abfertigen.
Ich war mir sicher, dass Micha etwas vom Verbleib meiner Tochter wusste und ich dringend mit ihm reden musste. Zum Glück hatte ich mir, als ich die Telefonnummer raus geschrieben hatte auch gleich die Adresse notiert, so wusste ich in etwa in welches Stadtviertel ich zufahren hatte.
Das Stadtviertel war auch nicht das Problem, als ich langsam durch die Straßen fuhr, um die richtige zu finden, war ich doch leicht überrascht, dass ich im Villenviertel gelandet bin. Die Einfahrt zu dem Anwesen von den `von Werdings´ hätte ich dann doch fast verpasst. Nur durch scharfes Abbremsen konnte ich gerade noch zur Einfahrt abbiegen. Ich stellte meinen Wagen direkt vor die große Treppe, die zur Eingangstür führte und eilte die paar Stufen hinauf.
Der große Gong an der Tür lud richtig ein um viel Krach zu machen, was mir dank meiner schlechten Laune auch keine Probleme bereitete. Im Hintergrund hörte ich auch wie jemand sich auf die Tür zubewegt, dass ging wesentlich schneller, dachte ich mir noch, als mit dem Telefon. Und schon wurde geöffnet. Ich wartete gar nicht ab, ob ich rein gebeten werde, sondern machte gleich ein Schritt auf die Tür zu, sobald sie geöffnet wurde.
Vor mir stand, wie will ich sagen, ein kleiner, grauhaariger, älterer Mann, nicht viel größer als ich (bin ca.162) und schaut mich überrascht an. Wahrscheinlich war er es nicht gewohnt, dass jemand so schnell durch die Tür eilte. Er fragte mich höfflich, was ich den so eilig hier wolle. Jetzt war mir sofort klar mit wem ich vor etwa einer viertel Stunde telefoniert hatte.
„Ich bin Gloria Werner, und möchte sofort mit Michael sprechen, und sie können ihm gleich ausrichten, dass ich erst gehe sobald er für mich Zeit hatte.“ Ich hoffte inständig, dass es diesesmal besser klappt, und ich nicht noch einmal abgefertigt wurde. Der ältere Herr, der sich als Diener, Empfangschef oder was auch immer herausstellte, machte sich auf den Weg ins Haus woauch immer jemand zu finden war. Mich ließ er in der großen Halle warten ohne ein Ton zu erwidern.
Es war totenstille, ich hörte kein Geräusch, keine normalen Hintergrundsgeräusche, die zuhören sind wenn ein Haus bewohnt war. Als wenn niemand hier wäre, es war schon etwas unheimlich, vor allem fiel mir gerade ein, dass ich keine Nachricht zu Hause hinterlassen hatte, wo ich zu finden sei. Hoffentlich bin ich nicht die nächste die verloren geht, schießt mir grade so in den Kopf, als ich von hinten angesprochen wurde.
Mein Herz hat sich von mir verabschiedet, ich bin dermaßen erschrocken, dass ich im ersten Moment damit zu kämpfen habe, nicht in Ohnmacht zu fallen. Ich wollte mich rumdrehen, in der Meinung Micha steht hinter mir und ihn anfahren sich nächstesmal nicht anzuschleichen, da trifft mich der nächste Schock.
>Die grünen Augen <, das einzige was ich sofort sah, als ich dem Unbekannten ins Gesicht schaute. Jetzt brauchte ich wirklich eine Minute bis ich mich wieder soweit gefangen hatte um eine vernünftige Frage zu stellen.
„Wer sind Sie, und was wollen Sie?“ werde ich anscheinend von dem Fremden zum zweiten Mal gefragt. Ich versuchte mich zusammenzureißen, und nicht einschüchtern zulassen, obwohl die Ausstrahlung von dem Hausherrn schon beängstigend, mächtig oder sogar herrisch war. Mit hocherhobenem Kopf verlangte ich wieder Michael zu sprechen.
Jetzt rieß dem ´netten´ Herrn der Geduldsfaden, er packte mich am Arm und zog mich auf ein kleines Sofa, auf das er mich mehr oder weniger einfach draufsetzte.
„Michael ist nicht zu sprechen, für niemanden! Also was wollen Sie so dringendes von ihm.“ Ich gab mich geschlagen und stellte mich noch einmal vor.
„Meine Tochter Sara ist seit ein paar Wochen mit Michael befreundet, gestern hatten sie einen Streit, und meine Tochter ist heute nicht nach Hause gekommen. Eigentlich wollte ich von Micha nur wissen, ob er sie heute gesprochen hat.“
Nach meiner Erklärung wurde der Gesichtsausdruck, ich denke mal von Michas Vater, er sah ihm schon ähnlich, doch etwas milder gestimmt. Er stellte sich jetzt auch endlich bei mir vor, genauso wie damals Micha, mit Handkuss und formvollendenter Satz. Ich war beeindruckt, leider kam ich irgendwie nicht weiter wegen Sara, auf was anderes konnte ich mich im Moment nicht konzentrieren
Es stellte sich heraus, dass Michael heute anscheinend noch gar nicht zu Hause aufgetaucht war. Was sein Vater nicht unbedingt beunruhigte, sie sahen sich sehr unregelmäßig, meistens telefonierten sie ein- bis zweimal am Tag miteinander. Herr von Werding griff in seine Tasche und holte ein Handy hervor, in das er sofort eine Nummer eintippte. Ich beobachtete ihn vom Sofa aus genau, da ich mir denken konnte, dass er Micha versuchte zu erreichen. Er probierte es auch ein paarmal wie ich heute auch schon, leider auch vergebens. Mist, ich wurde wieder nervös und konnte nicht mehr ruhig sitzen.
Herr von Werding versuchte seine Unruhe mir nicht zu zeigen, er läutete seinem Diener und bot mir was zum Trinken an. Wir einigten uns auf einen Kaffee, obwohl der mich in meiner momentanen Verfassung mit Sicherheit nicht unbedingt beruhigte, aber ich bin nun mal kein Teetrinker und werde es auch nicht werden, egal wie gestresst ich bin.
Der Hausherr entschuldigte sich kurz bei mir, er müsse kurz telefonieren, wäre aber gleich wieder da, spätestens sobald der Kaffee serviert würde. Auch recht, so konnte ich mich auch ein wenig regenerieren, dann fiel mir wieder ein, dass ich Henry Bescheid geben musste, bevor er wirklich noch die Polizei anrief.
In der Eingangshalle hatte ich ein Telefon stehen sehen, es wird hier keinen in die Armut treiben wenn ich ein kurzes Stadtgespräch führe. Ich setzte es gleich in die Tat um und machte mich auf den Weg in die Halle. Das Telefon sah leicht antik aus mit riesengroßem Hörer und noch einer Wählscheibe, dass kannte ich noch aus meiner Kindheit, aber ich glaube es war noch älter.
Kaum hatte ich den Hörer abgenommen und an mein Ohr gepresst bekam ich noch ein halbes Telefongespräch mit, das mich doch sehr beunruhigte. „…..und mach keine Fehler, nicht dass ihnen was passiert, habe ich mich deutlich ausgedrückt!!...Äh, natürlich Sir, wie sie Befehlen…“ Ich war gerade in der Überlegung ob es nicht besser wäre aufzulegen, als das Telefonat beendet wurde. Ich wartete einige Sekunden und entschloss mich doch schnell zu Hause Bescheid zugeben, damit sie nicht Amok liefen. Henry meldete sich nach dem ersten Klingelton und ich konnte mir erst einmal eine Schimpftriade anhören. Ich unterbrach ihn dann doch und fragte nach dem Stand zu Hause. Leider konnten sie Sara nirgends auffinden. Ich gab ihm dann meine Adresse durch unter der ich zurzeit erreichbar war und die Telefonnummer.
Das kleine Empfangszimmer erreichte ich einen kurzen Augenblick bevor der Diener wieder mit dem Kaffee erschien. Irgendwie kam ich mir komisch vor, von so einem alten Mann bedient zu werden. Ich fragte ihn, ob ich ihm irgendwie behilflich sein konnte, aber es schien ihm irgendwie unangenehm zu sein, dass ich ihm die Arbeit abnehmen wollte. Also wartete ich ab, bis er mir meinen Kaffee eingeschenkt hatte und goss mir dann meine Milch selbst dazu (immerhin ein kleiner Sieg).
Wieder stand Herr von Werding, ohne ein Geräusch von sich gebend, mitten im Zimmer. Zum Glück hatte ich von meiner Tasse schon was runter getrunken, sonst hätte ich wahrscheinlich die Hälfte ausgeschüttet vor lauter Schreck. Er musterte mich mit einem durchdringenden Blick als wollte er meine Gedanken lesen. Dann ließ er sich von seinem Diener auch eine Tasse Kaffee einschenken.
Ich konnte mich nun nicht mehr zurückhalten, Geduld war nicht meine größte Stärke.“Was haben Sie vor? Was wollen Sie unternehmen? Sie können mir doch nicht weiß machen, dass Sie sich keine Sorgen um Micha und Sara machen! Falls wir die beiden bis in einer Stunde nicht finden, melde ich sie bei der Polizei als vermisst.“
„Micha?... Ah ha, also werde Frau Werner, vielleicht sollten wir nicht gleich überreagieren. Es sind Teenager, die kommen manchmal auf die verrücktesten Ideen. Wahrscheinlich haben sie es sich irgendwo gemütlich gemacht und einfach nur die Zeit vergessen.“
„Das glauben Sie ja wohl selbst nicht, ´ werder´ Herr von Werding. Ich habe genau mitbekommen, dass Sie Micha auch versucht haben zu erreichen, genau wie ich meine Tochter. Und glauben Sie mir, ohne Handy geht heute keiner mehr aus dem Haus (außer ich) und dann dass zufällig auch noch beide nicht erreichbar sind gefällt mir gar nicht. Meine Sara ist normalerweise sehr verlässlich, wir haben ein inniges Verhältnis und sie weiß, dass es mich verrückt vor Angst macht wenn sie sich bei mir nicht Abmeldet.“ Ich war wieder kurz vor einer Panikattacke und versuchte nicht zu hyperventilieren. Leider gelange es mir nicht besonders gut, mich wieder unter Gewalt zu bringen.
Herr von Werding war in zwei Schritten bei mir uns versuchte mich vor einem Ohnmachtsanfall zu bewahren. Er zwang mich meinen Kopf zwischen meine Knie zu nehmen und langsam ein und aus zu atmen. Nach fünf Minuten ging es mir dann wieder besser, ich kam wir vor wie eine hysterische Tante. Es war mir oberpeinlich.
Aber er hat mich nun endlich ernst genommen, und ich konnte ihn dann überzeugen, dass es kein Kleinkinderstreich von den beiden war, schließlich gab es bei uns zu Hause keinen Anlass dazu, fortzulaufen. Trotzdem wollte er nicht gleich die Polizei einschalten. Er gab mir zu verstehen, dass er eigene Wege und Mittel hatte jemanden suchen zu lassen, und er erwartet einen Rückruf von einem Bekannten, der was überprüfen soll.
Mir fiel sofort das Telefongespräch ein, das ich unfreiwillig belauscht hatte. Es beruhigte mich immer noch nicht. Ich lehnte mich auf dem Sofa zurück um mich etwas zu entspannen.
Herr von Werding saß mir gegenüber in einem Sessel und ließ sein Blick wieder über mich gleiten. Mir wurde daraufhin bewusst, dass ich heute noch keinen Gedanken an mein Aussehen verschwendet hatte und mit Sicherheit aussah als wäre ich komplett durch den Wind. >Wieder toll hingekriegt, um den perfekten Eindruck zu schinden. Schlechtes Karma
Ich hatte verhältnismäßig gut geschlafen, ich strecke und reckte mich um richtig wach zu werden. Als ich meine Augen öffnete war ich von der Umgebung leicht irritiert, nicht mein Bett, nicht mein Zimmer, nicht mein Zuhause. Shit, nicht mein Bett, hatte ich irgendwas verpasst? Dann fiel mir ein, dass ich ja in der Villa war, bei Michas Vater, Alexander. >Klasse, den ´ guten ´Eindruck von gestern noch verbessertEnde gut – alles gut?
Alexanders Mine war sehr angespannt als er den Telefonhörer ans Ohr hielt. Die Spannung im Raum konnte man fast messen. Meine Selbstbeherrschung war im Eimer, ich krallte mich richtig im Sofa fest um nicht hochzuspringen um ihm das Telefon aus der Hand zu reißen. Als hätte er meine Gedanken gelesen, schaltete Alexander den Lautsprecher ein, damit ich auch mithören konnte. Es war einer von der Truppe, der uns mitteile, dass sie auf den Weg nach Hause sind. Die Frage ob alles in Ordnung sei ließ er offen, nur das sie beide befreit hatten war zumindest klar.
Die Anspannung von den letzten zwei Tagen fiel schlagartig von mir ab, und zwar bildlich gesprochen. Ich sackte auf dem Sofa zusammen, und Alexander spurtete zu mir rüber mit der Annahme ich rutsche vom Sitz runter. Aber ich war nur noch erleichtert, dass ich mir keinen Kopf darüber machte, dass ich schon wieder in den Armen von Alexander lag.
Als ich meinen Kopf anhob, schaute er mir mal wieder tief in die Augen, ganz langsam näherte er sein Gesicht dem meinen. Mein Herz hatte grad die größten Schwierigkeiten den normalen Rhythmus zu finden. Ganz sachte berührten seine Lippen meinen Mund um mir mit einem gefühlvollen Kuss meine Sinne zu rauben.
Wir wurden zum Glück unterbrochen, zum Glück oder Pech? Ich wusste es noch nicht. Meine Gefühle fuhren grad Achterbahn. Aber die Entscheidung ob gut oder schlecht war mir im Moment doch recht egal, die Kinder sind zurückgekommen.
Alexander und ich rannten mehr oder weniger schnell in Richtung Eingangshalle, um sie in Empfang zu nehmen. Ich kam natürlich als letzte an, da ich mit der Geschwindigkeit von Alexander nicht mithalten konnte. Was mir vielleicht auch den ersten Schock ersparte, da ich hauptsächlich nur die Männer sah.
Bis ich mich endlich zu meiner Tochter durchgequetscht hatte, kam sie mir schon entgegen und schmieß sich regelrecht in meine Arme. Sie war total aufgelöst und weinte nur herzerweichend. Ich schob sie ein Stück von mir weg um zu kontrollieren, ob auch alles soweit heil an ihr war. Oberflächlich konnte ich nichts feststellen, außer dass sie etwas zerrupft aussah.
Ich drückte sie sofort ganz fest an mich und versuchte sie zu beruhigen. Dann bemerkte ich auch den Grund ihres Zusammenbruchs. Alexander hatte inzwischen Micha im Arm, also regelrecht auf den Armen. Er sah furchtbar aus. Überall war Blut, es sah wirklich übel aus. Ich versuchte mein Entsetzten so gut es ging vor Sara zu verbergen. Sie war zum Glück so fertig, dass sie meine Reaktion nicht mitbekommen hatte.
Mein Gott, wie konnte ich den beiden nur helfen, ich bin diejenige die beim ersten Blutstropfen eigentlich in Ohnmacht fällt. Sara hinter mir herschleppend, verfolgte ich Alexander mit Micha in ein Zimmer, vermutlich Michas, und setzt Sara in die erstbeste Sitzgelegenheit ab. Dann ging ich zu Alexander um ihm beizustehen. Er war schon dabei Micha aus seiner Kleidung zu befreien um besser seine Verletzungen anzuschauen zu könen. Konrad stand schon neben dem Bett mit einer Schüssel Wasser, damit wir die Wunden reinigen konnten. Das meiste hatte sein Gesicht und der Oberkörper abbekommen.
Mir wurde schon wieder ganz wacklig auf den Füssen. Ich verfluchte meine Empfindlichkeit und ging zu Sara zurück, damit die Männer nicht noch eine ohnmächtig gewordene Mimose zu verarzten hatten. Relativ schnell waren sie fertig.
Auf meinen fragenden Blick winkte Alexander ab und meinte „Alles halb so schlimm, bis morgen hat er vielleicht nur noch ein blaues Auge, der Rest ist nur oberflächlich.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen, ich wusste zwar noch nicht was geschehen war, aber die Kinder waren wieder zu Hause und mehr oder weniger unverletzt.
Ich bedankte mich bei Alexander, dass er mir meine Tochter wieder zurückgebracht hatte und nahm ihn spontan in den Arm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Über sein Gesicht ging ein Strahlen, dass mir gleich ein Schauer über den Rücken jagte.
Ich schnappte mir meine Tochter und wir fuhren schnurstracks nach Hause um den Rest der Familie auch von ihren Sorgen zu erlösen.
An der Tür erwartete uns schon das Empfangskomitee, sie standen hintereinander Spalier Henry, Oliver, Rike und Sabrina. Ich musste Sara richtig von ihnen losreißen, damit sie ihre wohlverdiente Ruhe bekam. Frisch geduscht und mit einem leichten Schlafmittel verstehen packte ich sie dann ins Bett, damit sie sich richtig ausschlafen konnte. Am nächsten Tag hatte sie uns dann einiges zu Berichten.
Schauergeschichten
Wochenende war angesagt, dass heißt ausschlafen und relaxen. Das hatten wir auch bitter nötig. Um meine Lieben zu verwöhnen machte ich ihnen ein richtig gutes Frühstück mit allem drum und dran. Ich lud auch Henry und Rike ein, damit sie in der Familienrunde auch alles mitbekamen was Sara von ihrem unfreiwilligen Ausflug zu berichten hatte.
Als unser Frühstück endlich zu Ende war, hielt uns nichts mehr und Sara musste uns haarklein alles erzählen war ihr widerfahren war. Wir machten es uns im Wohnzimmer gemütlich und warteten ungeduldig bis Sara wieder in unserer Mitte auftauchte. Sie hatte noch ein dringendes Telefonat zu erledigen, das nicht warten konnte, wofür ich volles Verständnis hatte. Ihr strahlendes Lächeln, als sie zu uns zurück kam, reichte aus um zu wissen, dass alles in Ordnung mit Micha war.
“Also, ihr wisst ja, dass ich mit Micha einen Streit hatte, am nächsten Tag in der Schule machte ich mit ihm ein Date für den Nachmittag aus, damit wir uns aussprechen und wieder vertragen, schließlich liebe ich ihn ja. Tja, soweit sind wir dann gar nicht mehr gekommen. Wir haben uns hinter der Schule, am Parkplatz verabredet. Ich hing irgendwie meinen Gedanken nach und habe nicht bemerkt, dass hinter mich jemand getreten war. Das einzige was ich noch mitbekam war, dass ich ein widerlich stinkendes Tuch auf mein Gesicht gepresst wurde.“
>Oh mein Gott, bei dem Gedanken, dass so ein Kerl meine Tochter angefasst hat muss ich mich wirklich beherrschen um nicht erneut einen Wutanfall zu bekommen<.
„Als ich dann wach wurde stellte ich fest, dass ich gefesselt auf dem Boden lag. Zum Glück war es nicht Stockfinster und ich konnte mich ein wenig umsehen. Einige Meter entfernt sah ich dann noch jemanden liegen. Mein erster Gedanke waren Mädchenhändler, ich kann euch sagen wie erleichtert ich war als ich Micha erkannte. Leider war er auch gefesselt und wir brauchten einige Zeit bis wir uns soweit bewegt hatten, dass wir nebeneinander lagen.
Wir beide konnten uns keinen Reim machen warum wir entführt worden sind. Gut, bei uns konnte es definitiv nicht um Geld gehen, bei Micha waren wir uns nicht sicher.
Es kam wären der ganzen Zeit nur einmal einer der Kidnapper rein um uns etwas zu Essen zu bringen. Wir durften aber nur nacheinander essen, und wurden dann wieder gefesselt und in verschiedene Ecken abgelegt. Ich konnte mich dann von meinen Handfesseln befreien, da ich dem Entführer vorgejammert habe, dass mir alles wehtut, und meine Hände schon ganz aufgescheuert wären. Guter Schauspielunterricht in der Schule. Er machte das Seil nicht mehr ganz so straff wie am Anfang.
Der Rest war dann fast nur noch eine Kleinigkeit, ich befreite Micha und wir warteten auf eine Gelegenheit um abzuhauen.“
>Ich musste gedanklich grinsen, das war meine Tochter, sie ließ sich nicht unterkriegenGrillen 2.Teil
Das mit dem Essen war gedanklich noch nicht richtig ausgereift, da klingelte es an der Haustür. Welche Überraschung, mein Lieblingsübernachtungsgast stand vor mir (ist ironisch gemeint).
„Freust du dich denn gar nicht mich zu sehen, wenigsten ein bisschen?“Tolle Begrüßung. Was soll ich tun, kann ihn ja schlecht davon jagen.“Guten Tag, Tobias. Natürlich freue ich mich, das ist mein erfreutes Überraschungsgesicht. Komm rein, deine Mutter ist glaube ich auch noch bei mir in der Küche.“ Meine Gefühlswelt hätte jetzt gern eine Auszeit gehabt, aber man kann es sich leider nicht immer Aussuchen.
Mit seinem jugendhaften Grinsen schlenderte er vor mir in die Küche um seine Mutter zu begrüßen. Sie war natürlich wirklich erfreut ihren Sprössling zu sehen und ich versuchte beide mit „Ihr habt euch bestimmt einiges zu erzählen“, aus meiner Küche zu bugsieren.
Ich verteilte die üblichen Vorbereitungsaufgaben an meine verschiedenen Mitbewohner, damit es bei keinem zum Stress ausartet und freute mich auf einen gemütlichen Abend. Caren hatte diesesmal auch zugesagt, schon aus dem Grund, dass mein junger Adonis da war, den sie unbedingt beäugen wollte. Sie kam auch etwas früher um mir noch bei den Salaten zu helfen, das ich sehr begrüßte, denn zu zweit machte es einfach mehr Spaß.
Wir wollten gerade mit dem Grillen anfangen, da stellte ich fest dass Micha noch nicht anwesend war.“Du, Sara, hast du deinen Schatz nicht eingeladen, oder geht es ihm doch nicht so gut?“ „Nö, Mum… müsste jeden Augenblick kommen“, nuschelte sie vor sich hin und bekam einen roten Kopf. Meine Alarmglocken schrillten laut, sehr laut. Irgendwas ist im Busch, was hatte ich mal wieder nicht mitbekommen.
Die Lösung kam umgehend, die Haustür läutete und Sara flitzte wie der Wind zur Tür. Ich widmete mich wieder unserem Essen und legte am Salatbuffet das letzte Besteck bereit. Als ich mich rumdrehte stand Alexander direkt hinter mir. Super, der nächste Überraschungsgast, das nächste Beben für meine Gefühle, aber es wurde immer besser. Statt die übliche Begrüßung mit Händeschütteln usw. nahm er mich wie selbstverständlich in den Arm und gab mir rechts und links einen Kuss auf die Wangen.
Ich stand regungslos da und wünschte mir wirklich im ersten Moment ein Mauseloch, in dem ich mich verstecken könnte. Alle Augen waren auf mich gerichtet, wirklich alle. Hätten wir Haustiere, hätten die mich garantiert auch noch angestarrt. Cool bleiben war die Devise, mache als wäre es das normalste auf der Welt.
Ich befreite mich so elegant es ging aus der Umarmung und begrüßte unsere neuen Gäste. “Hallo Alexander, hallo Micha, wie ich sehe geht es dir wieder gut!“ Hoffentlich waren die anderen jetzt mal kurz von mir abgelenkt. Micha hatte nämlich noch ein großes Pflaster über seine Schläfen geklebt, damit konnten sie sich alle über seine Verletzung nochmals Gedanken machen.
Aber es war nur Oliver, Sabrina und Sara, die sich um Micha versammelten, der Rest starrte mich und Alexander immer noch an. Also machte ich es kurz und stellte Alexander der Familie vor.
„Das ist Michas Vater, Alexander von Werding“, dann deutete ich zu meiner Familie, „Henry und Rike, Tobias und meine Freundin Caren.“
„Freut mich sehr euch alle kennen zu lernen, und dir danke ich für deine Einladung, ich bin wirklich sehr gerne gekommen.“ Mir verschlug es glatt die Sprache, eine Einladung, also Alzheimer hatte ich eigentlich noch nicht.
Ich schielte verstollen zu meiner Tochter und das reichte vollkommen aus, sie stand da uns grinste übers ganze Gesicht. Verdammt, verdammt, ich musste mit ihr wohl auch ein ernsthaftes Wörtchen reden.
Vor Alexander ließ ich mir dann doch nichts anmerken und machte auf ist doch selbstverständlich nach den ganzen Aktionen. Ich eröffnete das Buffet und hoffte, dass der Hunger die Neugierte besiegte und ich erst einmal meine Ruhe hätte. Aber weit gefehlt, Caren stand als erster bei mir und meinte sie brauch noch was aus der Küche, ob ich ihr nicht helfen könnte. Die Nervensäge schleppte mich gleich mit, das konnte ja heiter werden.
„Was habe ich verpasst? Und speise mich nicht mit Ausreden ab.“ Gott wie ich das hasste, glaubte sie wirklich ich hätte jetzt Zeit ihr die ganze Story zu erzählen, sie wusste über die Entführung ja nicht Bescheid.
„Caren, nur die Kurzversion, Alexander ist der mit den grünen Augen, also mehr kann ich dir auf die Schnelle nicht erklären“. Ich drehte mich um, griff nach einer Ketchupflasche und verschwand nach draußen. Sollte sie sich doch ihren hübschen Kopf in der Küche alleine zerbrechen.
Der nächste der mich abfing war Henry, „ Was ist zwischen euch vorgefallen, du warst fast zwei Tage nicht zu Hause“. Mir wurde es langsam zu bunt, ich bin eine erwachsene Frau und musste niemanden Rechenschaft ablegen. Deshalb fiel meine Antwort auch sehr unhöflich aus. „ Seit wann interessierst du dich wieder für mein Sexleben, du hast dich die letzten fünf Jahre nicht mehr um mich gekümmert, ich schreibe dir auch nicht vor, mit wem du dein Bett teilen darfst oder nicht.“ Wahrscheinlich war ich jetzt doch etwas zu hart gewesen, akrupt drehte sich Henry um und stampft Richtung Keller davon.
Ich setzte mein Sonntagslächeln auf und machte mich wieder auf den Weg zu unserer Grillparty. Eigentlich war ich schon gut bedient, jetzt brauchte ich einen harten Drink, sonst überlebte ich den Abend nicht.
Tobias ließ mich den ganzen Abend auch nicht aus den Augen und entschied sich letztlich, dass er seine Kongurenz einfach mit seinem jugendlichen Charme ausstechen musste. Ich saß also eingekeilt zwischen Adonis und Herzensbrecher und musste mich den ganzen Abend den Annäherungsversuchen zweier Herren wehren. So hatte ich mir einen gemütlichen Grillabend mit Familie wirklich nicht vorgestellt.
Weit nach Mitternacht schaffte ich es doch noch, mich zu verdrücken. Ich beauftragte Oliver unsere Gäste zu verabschieden und ich machte mich dann gleich auf den Weg in mein Schlafzimmer.
Das Erwachen am nächsten Morgen war grausam, richtig übel. Mein Kopf strafte mich mit höllischen Schmerzen, dass ich mich erst nach fünfzehn Minuten aufraffen konnte meine Augen zu öffnen. Wie konnte man nach zwei Gläser Wein nur so tot sein, zu mindest der größte Teil meines Gehirns. Obwohl, wenn mein Hirn tot wäre, könnte es mir keine Schmerzen bereiten. Ich musste dringend was dagegen tun.
Ich schleppte mich regelrecht in die Küche und schmieß mir eine Tablette ein. Um sie wirken zulassen machte ich es mir auf unserer Couch bequem und schloss meine Augen für einige Minuten, dachte ich zumindest. Als ich wieder zu mir kam, war ich nicht mehr alleine.
Tobias hatte mich mal wieder ertappt. Er saß bei mir am Fußende und beobachtete mich. Nicht zu erwähnen, dass ich nicht gästefreundlich angezogen war. Ich stöhnte auf, was Tobias gleich als Aufforderung sah, mir unbedingt behilflich zu sein. Um seine Fragestunde zu beenden gestattete ich ihm, mir eine Kopfmassage zu geben, die `angeblich schon alle Arten von Schmerzen´ beseitigt hätte. Da ich weiter bequem auf meiner Couch liegen bleiben konnte, genoss ich es wirklich sehr.
Aber irgendwann war auch die beste Massage vorbei, ich verzog mich in mein Badezimmer um mich frisch zu machen. Bis ich dann in der Küche für ein spätes Frühstück eintrudelte, war meine Familie schon dabei, die Überreste der Grillfete zu beseitigen.
Klärende Gespräche
Mit Henry hatte ich gestern nach seinem Auftritt kein Wort mehr gewechselt. Um ihm zu zeigen, dass ich nicht nachtragend war, half ich ihm die restlichen Flaschen in den Keller zurück zu tragen . Ich hoffte, einen Augenblick mit ihm allein verbringen zu können um wieder alles ins rechte Licht zu rücken.
Es ist nicht einfach, auch wenn man jemanden jahrelang kennt, seine Gefühle darzulegen. Aber ich kam nicht drum rum, es war noch eines der einfacheren Aussprachen die ich führen musste. Ich holte einmal tief Luft und versperrte ihm den Ausgang, damit ihm klar wurde er hatte keine Chance sich zu verdrücken.
„Ich wollte gestern nicht so schnippisch zu dir sein, aber ich habe mir den Abend mit den vielen Überraschungsgäste so auch nicht vorgestellt. Dann war ich voll genervt, erst eure Blicke, dann Caren und zum Schluss du“, fing ich vorsichtig an. An seinem erstaunten Blick sah ich, dass er die Situation gestern völlig falsch eingeschätzt hatte.
„Aber… dieser Alexander hat dich so selbstverständlich in den Arm genommen, ich dachte wirklich….und dann Tobias, er zieht dich mit seinen Blicken regelrecht aus. Du wirst mir doch nicht weiß machen wollen, du bekommst das nicht mit?“
„Ja, schon…. sag mir was ich dagegen unternehmen soll, du bist ein Mann und müsstest eigentlich wissen, wie euer Hirn richtig tickt. Also auf direktem Weg ´ich will nichts von dir´, funktioniert nicht. Hab ich schon probiert.“ fügte ich ironisch noch hinzu.
Jetzt musste Henry doch noch lachen, als er meinen verzweifelten Gesichtsausdruck bemerkte. Hoffentlich glaubte er mir nun, dass ich nicht scharf auf diese vorsintflutliche Besitzansprüche war. Er war mein bester Freund und Kumpel, das wurde mir klar, ich konnte mit ihm wirklich über alles reden. Er nahm mich noch schwungvoll in den Arm und drückte mich ganz fest, ein Zeichen das zwischen uns wieder alles in Ordnung war.
So, die nächste Gesprächsrunde war fällig. Ich besuchte Sara in ihrem Zimmer. Sie war glücklicher weise anwesend und alleine, und ich brauchte nicht tagelang , um mit ihr eine Verabredung zu treffen. Seit diesem unfreiwilligen Ausflug waren sie und Micha unzertrennlich und so gut wie immer zusammen.
„Hast du einen Moment Zeit für mich? Es geht auch nicht lang.“ So konnte sie die ´keine Zeit` Ausrede nicht benutzen. Ich bemerkte schon, dass sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte. Tja, aber was sein muss, muss sein. Schließlich hatte sie auch eine Teilschuld an dem Dilemma von gestern.
„Was gibt´s so dringendes, Mum“. Ich setzte mich auf ihr Bett und zog sie neben mich. Mir kam gerade ein sehr sehr gemeiner Gedanke in den Kopf, da sie sich in mein Liebesleben eingemischt hatte, könnte ich sie ja mit einem Aufklärungsgespräch …, das ist für alle Jugendliche ja soo… peinlich.
„Also, du und Micha, ihr zwei, ihr seid doch schon eine Weile zusammen und ich dachte mir… , wir zwei sollten uns mal über verschiedene Verhütungsmethoden …“,weiter kam ich gar nicht. Sara ließ ein lautes Stöhnen hören, „…nee, oder Mum, du wirst doch nicht…“ sie war inzwischen auch puterrot angelaufen. Ich konnte mein Grinsen jetzt nicht mehr unterdrücken und musste bei ihrem entsetzten Gesichtsausdruck schallend lachen, es war göttlich. Sie schaute mich verdutzt an und knuffte mich dann in die Seite.
„Rache ist süß“, meinte ich nur zu ihr, „wenn du mir nächstesmal ein Date aufs Auge drückst, hätte ich gerne eine Vorwarnung. Gestern Abend hätte mich fast der Schlag getroffen.“
„Ich dachte, du magst Alexander, du hast ihn doch geküsst oder nicht!“
„Ja, natürlich…aber, ich war nur so glücklich, dass er es geschafft hatte, das ihr wieder da wart. Aber trotz alledem, mein Schatz, ich bin alt genug um mein Liebesleben selbst in den Griff zu kriegen. Wirklich!!“ War ich mir da wirklich sicher, zurzeit herrschte nur großes Chaos. Somit entließ ich meine Tochter für ihre täglichen Aktivitäten.
Die dritte Aussprache konnte ich mit viel Glück verschieben, Tobias wollte heute noch zurück zur Uni. Ich beschloss erst mal zur Küche zu gehen und einen Imbiss zu mir zu nehmen. Tobias hatte anscheinend den gleichen Gedanken und so trafen wir uns in der Küche. Wir machten uns gemeinsam jeweils ein Sandwich und aßen es schweigsam auf.
Die Stille wurde unangenehm, aber mir viel beim besten Willen nicht ein, was ich noch sagen könnte, ohne seine Gefühle zu verletzten. Aber es hatte sich ja seit dem letztenmal nichts geändert, ich mochte ihn und das wars.
Er nahm meine Hand in seine, und streichelte sie sanft mit seinem Finger, dabei schaute er mir verliebt in die Augen. Da ich auf nichts reagierte, stand er einfach auf und verließ den Raum. Das war ein kurzes Gespräch, sehr kurz, so ganz ohne Worte. Ich seufzte und beschloss einen langen Spaziergang zu machen in der Hoffnung, er ist abgereist bis ich zurück war.
Ich ging Richtung Wald, da wir am Stadtrand wohnten, musste ich nur ein paar Straßen überqueren, und ich war in der freien Natur. Es gab bei uns viele Wanderwege, die ich fast alle kannte. Zuerst kamen Wiesen, die zurzeit in den schönsten Farben erblühten, aber ich hatte heute keinen Blick dafür.
Ich versuchte meine Gefühlswelt in Ordnung zu bringen. Sobald ich alleine war, siegte auch die Vernunft. Meine Hormone waren im Lot. Aber sobald mein Adonis oder Alexander in der Nähe waren, spielte alles verrückt. Gut, das lag nicht an mir alleine, die Jungs machten mir es ja auch nicht einfach mit ihrem geballtem Testeronspiegel.
Gefahrenzone
Ich schreckte durch irgendwas aus meiner Gedankenwelt auf und stellte fest, dass ich schon ein ganzes Stück in den Wald spaziert bin. Die Vögel zwitscherten munter vor sich hin und überall war Leben zu hören.
Plötzlich hörte ich ein lautes knacksen, ich drehte mich im Kreis und versuchte es zu Orden aus welcher Richtung es kommen möge. Man weiß ja nie ob ein Rudel Wildschweine unterwegs war, ich hatte eigentlich keine Lust auf so eine Begegnung.
Meine Nackenhärchen stellten sich, die Atmosphäre hatte sich irgendwie verändert. Ich konnte immer noch nicht feststellen warum ich mich auf einmal so unwohl fühlte. Mein Instinkt plädierte für Rückzug. Also drehte ich mich um und machte mich auf den Nachhauseweg. Das Gefühl blieb, als würde ich beobachtet. Ich versuchte keine Panik aufkommen zu lassen. Warum war der Wald heute auch so menschenleer, sonst sind immer einige Wanderer unterwegs.
Ich hörte wieder ein brechender Zweig hinter mir, aber meine Nerven machten nicht mit. Noch einmal umschauen war nicht drin, sonst wäre ich schreiend davon gerannt. Ich erhöhte meine Geschwindigkeit nochmal ohne wie ich hoffte panisch zu erscheinen, als ein Schatten vor mir auf den Weg trat.
Was war die größere Gefahr, das Unbekannte hinter mir oder vor mir. Leichte Entscheidung, raus, nur raus aus dem Wald. Also stürmte ich auf den Schatten zu, der mitten auf dem Waldweg stand.
Ich war schon darauf vorbereitet, die Erscheinung aus dem Weg zu rammen, als ich von zwei kräftigen Armen abgefangen wurde. Der Überraschungsmoment war also auch nicht auf meiner Seite oder doch? Ich war ziemlich überrascht als ich die Person erkannte, die mich festhielt. Alexander von Werding.
>Shit, Shit und noch mal ShitUnvorhergesehene Ereignisse
Mein Plan nach Hause zu laufen, ging irgendwie in die Hose. Nach über einer Stunde taten mir meine Beine weh, der Weg durch die Stadt war doch zu Fuß ein Stück weiter wie angenommen. Ich beschloss mir ein Taxi zu nehmen, aber wie immer, wenn man eins brauchte war auf die Schnelle keins aufzutreiben. Die hingen bestimmt alle beim Bahnhof rum, es war aber auch zum Haareraufen. Ich hatte ja mein Handy dabei, wie vergesslich, vielleicht konnte ich ein Abholdienst von zu Hause organisieren. Nach etlichen Versuchen auf unsere verschiedenen Telefone und Handy´s zu Hause, erreichte ich endlich Oliver.
„Mein Gott,“ stöhnte ich ins Telefon,“ wo seit ihr den alle, …“ „Ist was passiert? Wo steckst du? Wir haben dich schon gesucht!“ Oliver hatte ich noch nie so aufgeregt erlebt. „Ist was passiert?“ war dann auch gleich meine Gegenfrage, schließlich konnte ich seine Nervosität durchs Telefon spüren.
„Man, Mum , nein…ist bei dir alles in Ordnung? Michas Vater hat schon vor einer Stunde angerufen und hat dich gesucht. Und du klingst auch ziemlich fertig…“ „Mir geht´s soweit gut, nur meine Füße sind zu nichts mehr zu gebrauchen, ein Abholdienst wäre nicht schlecht, ich bin nicht fähig noch 100 Meter zu laufen.“ Oliver lacht erleichtert am anderen Ende auf, er kennt ja meine Unsportlichkeit. „Null problemo, du musst mir nur sagen wo, dann bekommst du deinen Fahrdienst.“ Ich schritt auf die nächste Kreuzung zu und gab Oliver die Straßennamen durch und versprach ihm mich nicht von der Stelle zu bewegen.
Die niedrige Mauer, an dem Grundstück an der Straßenkreuzung, kam mir gerade recht. Ich setzte mich darauf und versuchte meine Beine zu entlasten. Da ich damit rechnete, dass ich mit Sicherheit eine viertel Stunde Wartezeit hatte, schloss ich meine Augen um die Sonne in meinem Gesicht zu genießen.
Es war ein angenehmes Gefühl, so war ich überrascht, dass kurz darauf ein Auto direkt vor mir hielt. Ich öffnete meine Augen wieder, und war durch die Helligkeit leicht geblendet und sah nur ein Schemen, der direkt auf mich zu ging. In der Meinung, der Fremde will nur einen Weg wissen, blieb ich sitzen und wartete.
Das war Fehler Nummer 1, wie sich im Nachhinein rausstellte. Ich wurde brutal hochgezerrt, und Richtung Auto geschoben. Mein Körper reagierte allerdings etwas schneller als mein Hirn, ich begann mich sofort zu wehren und schlug und trat gegen den Kerl so fest ich konnte. Viel brachte es mir aber nicht, denn ich bekam einen Schlag ins Gesicht, dass ich beinahe das Bewusstsein verlor. >Nicht ohnmächtig werden, bloß nicht ohnmächtig werden<, an den Gedanken klammerte ich mich als ich auf die Rückbank des Vans geschubst wurde. Mir viel siedend heiß Alexanders Theorie wieder ein. Shit, es konnte doch nur mir passieren, dass ich in so einen Schlamassel geraden bin. In die Ecke von dem Fahrzeug gedrückt, versuchte ich so viel Abstand von meinen Entführern zu halten wie möglich.
Der nächste Gedanke, den mein leicht lättiertes Hirn registrierte, war und das war einer der übelsten, die Kerle hatten sich nicht getarnt, keine Skimasken oder sonst eine Verkleidung, damit ich ihre Gesichter nicht sehen konnte. Das war nicht gut!! Ich konnte sie zur Not bei der Polizei identifizieren, das war nicht gut! Ich verbot mir die restlichen Gedanken auszumalen, ein Fluchtplan musste her, und zwar ganz dringend.
Mein Handy, ich versuchte ganz langsam ohne hastige Bewegung mein Handy in der Hosentasche zu erreichen. Es war nicht in der rechten Seite, ich probierte es auf der linken. Nichts verflucht, Fehler Nummer 2, wie konnte man so blöd sein und sein Handy verlieren! Anscheinend hatte mein Entführer bemerkt, dass ich irgendwas suchte und beschloss mich kurzerhand außer Gefecht zu setzten.
Ich wachte auf, stöhn… mein Kopf dröhnte als wär ein Dampflok drüber gesaust. Ich beschloss einfach mich noch ein Weilchen meinem Elend zu ergeben, und mich keinen Millimeter zu bewegen. Meine Gedanken wurden langsam klarer, ich erinnerte mich zu genau wo meine Kopfschmerzen herkamen.
Fehler Nummer 3, mein Plan war eigentlich nicht ohnmächtig zu werden. Jetzt wusste ich nicht wo ich war. Ich ließ meine Augen geschlossen und versuchte mich erst mal durch Gehör, Geruch und abtasten an meine Umgebung zu gewöhnen. Aber schlau wurde ich daraus nicht. Ich lag auf irgendeinem Bett, war nicht gefesselt (schon mal ein Vorteil), es roch etwas modrig und es war totenstille.
Also machte ich kurzentschlossen meine Augen auf um mein Umfeld ins Visier zu nehmen. Ich war in einem nicht zu kleinen Zimmer, in dem ein antikes Bett (modriger Geruch), ein Stuhl und ein Tisch standen. Die Fenster waren zu und schwere, blickdichte Vorhänge vorgezogen. An der Wand war eine kleine Lampe, die schummriges Licht in den Raum warf. War das die Luxussuit der Entführer, laut Saras Bericht, waren sie in irgendeinem Betonbunker untergebracht gewesen.
Damit mein Kreislauf nicht wieder gleich in den Keller fällt, setzte ich mich ganz vorsichtig auf die Bettkante und wartete ab, ob ich mich dann weiter auf die Beine stellen konnte ohne gleich den Boden zu küssen.
Mit etwas Geduld klappte es dann. Ich beschloss erst mal das Zimmer zu erforschen, bevor ich Terror machte um denen Bescheid zu geben, dass ich wach war. Das Fenster war mein erster Anlaufspunkt. Bei einer Fluchtmöglichkeit sollte ich mich wahrscheinlich daran halten. Der Vorhang war so schwer, den konnte ich nicht einmal zur Seite bewegen. Das Fenster war verriegelt und abgesperrt. Von außen war noch ein alter Klappladen aus Holz, also Fluchtplan durchs Fenster adieu. Als ich mich wieder durch den schweren Vorhang ins Zimmer gewurstelt hatte, war ich nicht mehr alleine.
Mein Gott, war der Kerl aus einem Horrorstreifen entsprungen, ich bin wirklich kein Typ, der auf solche Filme steht, aber mir vielen gleich Dutzende dazu ein, wie ´Dracula´, ´Zombie` , vielleicht hätte er auch bei `Aliens´ mitspielen können. Falls jetzt die Gruselmelodie ertönte, welche immer bei extremer Spannung abgespielt wurde, hätte ich freiwillig den furchbaren Schrei der Hauptdarstellerin beigetragen.
Ohne es wirklich groß zu erwähnen, meine Nerven lagen blank. Ich musste mich total zusammenreißen um nicht lauthals loszuschreien. Der Kerl war groß, sehr groß, wuchtig, hässlich und angezogen, als würde er in Altkleidersäcke wühlen. Ich mein fürs Aussehen konnte man ja nichts, aber man konnte sich pflegen, ein Bad nehmen, zumindest das Minimum an Hygiene.
Er fixierte mich immer noch, dann bellte er mich an „Mitkommen, sofort!“ Ich entschloss mich, ohne Widerrede seinem Befehl zu gehorchen, denn schon allein der Gedanke, er würde mich anfassen, bekam ich Hautausschlag. Er ging zügig verschiedene Gänge entlang, ich verlor nach der zweiten Abzweigung schon die Orientierung und ich musste ihm regelrecht nachrennen, denn mit seinen Riesenschritten kam ich fast nicht hinterher. So mussten sich kleine Kinder fühlen, wenn sie mit ihren Eltern Schritt halten wollten.
Dann waren wir endlich angekommen. Wir standen in einer Art Empfangszimmer. Es waren noch drei Männer anwesend, die zum Glück nicht ganz so runtergekommen aussahen. Ich musterte sie alle eingehend, um mir ein Bild machen zu können. Sie waren alle recht groß, nicht ganz so wie Nostradamus, so hatte ich heimlich meinen stummen Begleiter getauft, aber ihre Ausstrahlung war trotzdem nicht besser, irgendwie unheimlich.
So wie ich sie gemustert hatte, waren ihre Blicke auch abschätzend auf mich gerichtet. Ich biss mir auf die Unterlippe um nicht loszubrüllen,> Was… was wollten diese Idioten von mir<. Ich war noch dermaßen außer Puste, dass ich nicht einmal Angst verspürte, ich fühlte nur Wut, mein Zorn stieg ins unermessliche. Ich ballte meine Fäuste, um mich wieder unter Kontrolle zu bringen.
Dann wagte der Koloss hinter mir mich anzuschubsten, damit ich noch ein paar Schritte nach vorne machte. Das brachte das Fass zum überlaufen. Ich drehte mich um und trat ihn mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte voll gegen sein Schienbein.
Sein Schmerzensgeheul war Balsam für meine Seele, über die Konsequenzen hatte ich mir mal wieder keine Gedanken gemacht. Kaum hatte er sich wieder unter Kontrolle, ging er auf mich los, um keine Ahnung, ich glaub auch nicht das ich es überlebt hätte, wenn einer der anderen nicht Stopp gebrüllt hätte. Ich hatte die ganze Zeit nicht darauf geachtet, was der Rest im Raum machte, so war ich sehr überrascht, als ich deren Gelächter hörte.
Als sich alle wieder einigermaßen beruhigt hatten, stellte sich der Typ in der Mitte endlich vor. „Mein Name ist Eduardo, Simon und Carlos auf der Linken. Wie ist dein werter Name? „ Ich stellte mich also auch vor, schließlich wurde mir ja von meiner Mutter Anstand bei gebracht. „Ich hätte jetzt auch noch gewusst, welche Ehre mir diese außergewöhnliche Einladung eingebracht hat. Schließlich passiert mir es nicht jeden Tag, dass meine Gesellschaft so dringlich ist, dass ich gleich von der Straße weg in ein neues Domizil verfrachtet werde.“ Ich konnte nicht meine vorlaute Klappe halten, aber mir ging es wirklich auf die Nerven, dass die Typen machten als wären wir auf irgendeinem Deputantenball.
Die Antwort war wieder schallendes Gelächter. Ich fühlte mich bald wie der Unterhaltungsclown, ich fand’s allerdings gar nicht witzig. Dementsprechend war meine Laune. Der Grund meiner Anwesenheit sollte ich während unseres gemeinsamen Essens erfahren, wurde spontan beschlossen. Da dies aber erst in zwei Stunden fertig war, wurde ich aufgefordert mich bis dahin in meinen Gemächern aufzuhalten( meinen Gemächern, vornehm, vornehm). Nostradamus brachte mich wieder zurück, ich bedankte mich artig bei ihm und bat ihm um Entschuldigung. Er winkte ab, „War nicht schlimm, war nur erschrocken“, und wollte sich zurückziehen.
Ich hatte aber noch eine Bitte, „Könntest du mir noch das Badezimmer zeigen, ich sollte mich mal etwas frisch machen.“ Er schaute mich perplex an und ging in mein Zimmer. An der rechten Seite gegenüber von meinem Bett, machte er sich an der Wand zu schaffen. Plötzlich sprang eine Tür auf, und dahinter, man glaubst kaum, war ein schnuckliges Badezimmer. Die Tür war von außen so gut wie nicht zu sehen gewesen, wie in den alten Herrenhäuser, in eins von denen wurde ich jetzt anscheinend gefangen gehalten.
Ich beschloss gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und gönnte mir eine ausgiebige Dusche, das Bad war fast modern zum Rest vom Gebäude. Deshalb ließ ich mir auch lange Zeit. Unerwartet klopfte es an meiner Badezimmertür, Mist ich hatte nicht mal abgeschlossen, ich antwortete zögerlich, „Ja…was gibst, bin gleich fertig!“
Nostradamus gab mir Antwort, „Ich hab frische Kleidung gebracht, zieh sie bitte an, falls du Hilfe brauchst, ich warte vor der Tür.“ Das hatte sich jetzt definitiv nicht nach einer Bitte angehört, und um mir nicht die Blöße zu geben, gab ich erst mal Ruhe, schließlich wollte ich nackt keine Diskussionsrunde führen.
Erster Punkt auf meiner Prioritätliste, Nostradamus fragen, wie er wirklich heißt, sonst sehe ich noch kommen, dass ich ihn so rufe. Der zweite und eigentlich wichtigster Punkt meine Flucht. Ich kam mir wie im Zwangsurlaub vor, wo man alle Spieleaktivitäten mitmachen musste.
Mein Bewacher hat mir ein Kleid auf das Bett gelegt. Das war edel, aus Samt, in blau, ganz lang, dazu passende Wäsche und Schuhe. Ich fragte mich wirklich ob das normal war, oder ob ich träumte, eine Entführung stellte man sich eigentlich schon etwas anders vor, dramatischer und gewalttätiger. Also zog ich mich erst einmal soweit an, soweit es ging, ich brauchte doch tatsächlich Nostradamus Hilfe, um das Kleid im Rücken zu schließen.
Ich war gerade auf dem Weg zur Tür, als es klopfte und die Tür aufgemacht wurde. Zum Glück war ich fertig, soviel zur Privatsphäre. „Oh, herein mit dir, bin fast fertig,“ blaffte ich ihn gleich an, „Du könntest mir auch mal deinen Namen verraten, dann darfst du mit mein Kleid noch hinter verschließen,“ ließ ich dann etwas milder verlauten, schließlich wollte ich nicht halbangezogen durch dieses Gemäuer laufen.
„Ich heiße Norbert,“ murmelte er mit hochrotem Kopf und war mir dann sofort behilflich. Anscheinend war er den Umgang mit weiblichen Wesen nicht gewöhnt, denn so schnell hatte ich noch keinen Mann in Verlegenheit gebracht. Das erinnerte mich an den heutigen Nachmittag, oder war das schon einen Tag her. Durch meinen Blackout hatte ich jedes Zeitgefühl verloren. Alexander, ob er schon mitgekriegt hat, dass ich diesesmal verloren gegangen bin?
Wir machten uns sofort auf den Weg nach unten in den Speisesaal. Norbert nahm diesesmal etwas Rücksicht auf mich, schließlich musste ich mit diesen Pumps durch die Gegend stolzieren, dass ich nicht unbedingt gewöhnt war. Was ich immer noch nicht richtig fassen konnte, war, dass die Kleidung mitsamt Schuhen wirklich fast Hundertprozentig passten, teilweise sogar besser wie die von der Stange.
Als wir den Saal betraten, waren alle Blicke auf uns gerichtet. Mein ´Gastgeber` Eduardo strahlte mich an, als wäre ich die Königin persönlich, wie unangenehm.
„Ma Bella, du siehst bezaubernd aus, wie schön das du uns mit deiner Gegenward beehrst.“ Mir stieg schon wieder die Galle, fanden die es normal, dass man Frauen entführte, aus welchem Grund auch immer und dann auf Smalltalk machte, als wäre man freiwillig hier.
Norbert rückte mir den Stuhl zurecht und nahm dann gegenüber Platz. Es saßen insgesamt fünf Leute am Tisch, mit mir sechs. Das Essen stand schon bereit, so konnten die Männer zulangen, was sie auch gierig taten. Ich zwang mich eine Kleinigkeit zu essen, schließlich brauchte ich meine Kräfte ja noch, mein Fluchtplan war immer noch in Bearbeitung.
Aus Höflichkeit wartete ich mit meinen Fragen bis der letzte satt war, schließlich sind Männer besser verträglich wenn sie keinen Hunger haben. „Wie ich sehe, lieber Eduardo, ist Kidnapping bei euch auf der Tagesordnung,“ ich sah wie seine Augenbrauen sich zornig zusammen zogen, ließ mich aber davon nicht beirren, und machte eine Geste auf mein Kleid. „ Oder habt ihr einen exklusiv Vertrag mit einem Modehaus, das ihr Kleidung in allen Größen für euer Opfer führen könnt.“
Meine Spitzfindigkeit schien bei den Anwesenden wieder für Erheiterung zu Sorgen, außer bei ihrem Boss, der mich inzwischen bitterböse anschaute. Was dachte er sich dabei, mich mit einem Kleid bestechen zu können? Und dann diese Schuhe, die brachten mich um, rennen war schon zweimal nicht drin, die sind besser als Fußfesseln.
„Ich kann dich auch anders behandeln, wenn meine Art dich stört,“ knurrte er mich wütend an. „Im Keller gibt es auch noch ein Verlies.“ Ich schluckte schwer, aber so leicht gab ich mich nicht geschlagen, was bildete sich dieser arrogante Arsch nur ein.
„Vielleicht gebe ich mich ja lieber mit Ratten ab, die verstellen sich wenigsten nicht!“ Das hat gesessen, schlagartig war es muksmäuschen Still im Saal, man hätte eine Nadel fallen hören. Mein Temperament brachte mich noch um. Es war schon ein klein bischen übel, den Big Boss hier zu verärgern, mehr als ein klein bischen.
Aber, so schnell, wie Eduardo wütend war, so schnell hatte er sich auch wieder abreagiert, seine Stimmungsschwankungen waren schlimmer als bei einer Schwangeren. Plötzlich fing er schallend an zu Lachen. Er war so laut, dass ich auf dem Stuhl einen Hopser machte vor lauter Schreck.
„Du, du bist die erste Frau, die mir Paroli bietet, es ist wirklich sehr unterhaltsam mit dir, wer weiß, vielleicht möchte ich dich gar nicht mehr zurückgeben.“ stellte Eduardo immer noch lachend fest. Das hatte mir grad noch gefehlt, werde hier wie das Lieblings Haustier gehalten, weil ich den Boss so gut unterhalte, na Klasse.
„Da wären wir ja bei unserem eigentlichen Thema,“ nutzte ich die Gunst der Stunde aus, „Warum bin ich hier? Geld kann es nicht sein, ich habe keinen Ehemann, der reich ist.“ Ich stelle mich mal auf naiv und dumm, in der Hoffnung, ich kann endlich mal etwas erfahren, was mich weiterbringen kann.
„Du bist verheiratet?“ kam eine verblüffte Frage von Simon oder Carlos, keine Ahnung war auch nicht wichtig. Ich antwortete ehrlich, „Ja, ich bin verheiratet. Wenn man es genau nimmt schon über 20 Jahre.“ Was auch stimmte, es brauchte ja niemand die näheren Umstände wissen.
Jetzt ging ein Raunen durch die Runde. Irgendwas mit meinem Ehestand scheint nicht bei ihnen ins Bild zu passen. Jetzt kam Leben in Eduardo, „Kennst du einen Alexander von Werding? Und lüg mich nicht an, ich merke es sofort,“ kam rechthaberisch hinterher. Schnell überlegen, auf die richtige Antwort kam es an, alles abstreiten, schlecht, „Alexander von Werding, kennen ist vielleicht zuviel gesagt, sein Sohn geht mit meiner Tochter in dieselbe Klasse. Ich bin ihm einpaar mal begegnet.“ Hoffentlich kaufen sie mir meine Halbwahrheit ab, ich hatte eine klitzekleine Chance, dass sie mir glaubten, mich mit irgendjemand verwechselt zu haben. Vielleicht ließen sie mich frei!!
„Norbert, bring´ sie hoch, wir haben noch was zu bereden!“ Und aus war meine Fragestunde, wie hoch war meine Chance aus dem zweiten Stock zu fliehen? Mist, aber auf die Schnelle fiel mir nichts Produktives ein. Ein Ohnmachtsanfall simulieren, Norbert hätte keine Probleme mich zu tragen. Davon rennen, nicht mal barfuß hätte ich eine Chance bei den durchtrainierten Männern. Also fügte ich mich mal wieder meinem Schicksal und wartete auf bessere Zeiten.
Aus Norbert konnte ich nichts herauslocken, alle Fragen übers Haus, den Leuten oder ähnliches, er gab mir keine Antwort, nur welcher Tag heute ist, dass durfte er mir anscheinend erzählen. Es war Montagabend!! Ich war schon über 24 Stunden hier gefangen.
Meine Arbeitsstelle war ich mit Sicherheit auch los, unentschuldigtes Fehlen, sofortiger Kündigungsgrund. Eine Sorge weniger, schließlich wollte ich mir ja eh eine andere Arbeitsstelle suchen. War jetzt auch einer meiner geringeren Probleme.
Inzwischen war ich wieder in meinem Zimmer eingeschlossen. Es hatte sich noch nicht viel geändert. Systematisch suchte ich jetzt die kompletten Wände ab, ob es noch eine versteckte Tür gab, wie die zum Bad. Ein eingebauter Wandschrank, der auf der Seite beim Bad eingelassen war. Er war voll mit Kleidern in verschiedenen Größen, aha, da hatte ich also den Modesalon gefunden. Ich hörte Geräusche direkt vor der Tür, ich schloss den Kleiderschrank und setzte mich so teilnahmelos wie möglich aufs Bett. Den Kleiderschrank würde ich mir später noch mal genau unter die Lupe nehmen.
Schon ging die Tür auf und Norbert stand im Zimmer. Er schaute sich argwöhnisch um. „Falls du meinen Retter suchst, den habe ich unters Bett gesteckt,“ musste ich doch gleich wieder frotzeln, vielleicht waren meine unschuldigen Blicke doch nicht so wirkungsvoll, den Norbert bückte sich tatsächlich um unters Bett zu schauen. Er kam grunzend hoch und bedachte mich mit einem wütenden Blick. Ich musste mir das Lachen verkneifen, ich lief wirklich in die Gefahr, dass er mir noch eine scheuerte.
„Du kommst heute hier nicht mehr raus,“ teilte er mir mit, „ Ich wache draußen vor deiner Tür, du kommst nicht an mir vorbei, also keine Dummheiten.“ Und schon war er wieder auf den Weg nach draußen. >Und du kommst heute nicht mehr rein< , dachte ich mir und nahm meinen einzigen Stuhl und klemmte ihn so unter die Türklinge, dass von außer keiner mehr reinkommen konnte, zumindest nur mit viel Gewalt und Krach.
Ich zog mir zuerst einmal meine Jeans und Shirt wieder an, denn mit dem Abendkleid konnte man ja schlecht flüchten. Ich beschäftigte mich dann noch einmal intensiv mit dem Kleiderschrank. Man in jedem popligen Schloss oder altem Haus gab es doch irgendwo Geheimtüren, warum haben sie das im meinem Zimmer vergessen!
Das Fenster war die letzte Lösung. Im Kleiderschrank nahm ich mir einen Drahtkleiderbügel und machte mich damit am Vorhang zu schaffen. Ich konnte ihn wenigstens soweit zur Seite binden, das etwas Licht auf den Griff von dem Fensterrahmen viel.
Dieses marode Haus, es wird doch nicht so stabil sein, dass es mir nicht möglich war den Fensterflügel zu öffnen! Vorsichtig wackelte und hebelte daran herum, immer mit der Angst, dass ich zuviel Lärm machte. Der Griff gab nach, ganz vorsichtig zerrte ich mit meinen ganzen Kraft, die ich aufbringen konnte um den Fensterflügel zu öffnen. Er gab nach, aber das blöde Ding quietschte.
Badeöl, das war die Idee, mit etwas Glück hatte ich es im Badezimmer.> Juhu<, jubelte ich innerlich Badeöl gefunden. Ich spritzte es großzügig in alle Scharniere die ich ansichtig wurde. Und weiter geht´s. Ob es viel leiser war, wusste ich nicht, aber machen konnte ich eh´ nichts. Also zerrte ich solange am Fenster rum bis, die eine Seite offen war.
Jetzt war nur noch der Holzladen im Weg. Ich schaute mich im Zimmer um, ob ich irgendwas als Hebel benutzen konnte. Ah, der Bettrost war vielleicht aus Latten, ich wuchtete die Matratze hoch um unter diese zu schauen. Nein, nicht zu gebrauchen, an meinem Bett konnte ich auch nichts zerlegen ohne Werkzeug. Im Schrank, ja natürlich, die Kleider hingen auf einer Stange, da konnte ich ein Teil einfach runterschmeissen.
Gesagt, getan, nun machte ich mich am Holzladen zu schaffen, und hatte mir auch nebenbei noch eine Waffe besorgt. Ein Knüppel war nie verkehrt, zumindest konnte ich meine Haut so teuer wie möglich verkaufen.
Plötzlich brach ein Tumult vor meiner Tür aus.>Shit, Shit und noch mal ShitFeierlaune
Ich wachte auf, in einem kuscheligem Bett, nicht zu Hause, aber in einem hellen Zimmer, also war ich frei, ich hatte nicht nur geträumt. Ich streckte mich genüsslich und…war nicht allein im Bett. Einen Haken musste die ganze Geschichte ja haben, ich drehte mich langsam um und starrte in grüne Augen, wunderbar grüne Augen.
Meine Reaktion, ich war mir nicht schlüssig, sollte ich schreien und schimpfen oder sollte ich mich freuen und genießen. Meine Entscheidung wurde mir sofort abgenommen. Alexander beugte sich zu mir rüber und gab mir einen zärtlichen Gutenmorgenkuss.
„Nah, meine kleine Wildkatze, gut geschlafen, oder brauchst du noch ne´ Weile.“
„Wie lange hab´ ich den geschlafen,“ wollte ich zu gern wissen. „Wir haben jetzt so… Nachmittag, würde ich mal sagen,“ kam dann auch prompt die Antwort. Mein Gott, ich musste dringend nach Hause, ich wollte schwungvoll aus dem Bett, allerdings machten meine Füße nicht so mit, sie fühlten sich an wie aus Gummi.
Alexander war mir natürliche gerne behilflich mich wieder ins Bett zu heben. Er legte sich ganz dicht an mich dran, sodass ich seine Wärme spüren konnte, und dass machte mich doch dann schon etwas unsicher, ich hatte außer meiner Unterwäsche nichts an. Und er auch nicht, nur seine Boxershorts. Wie war das mit peinlichen Situationen, ich schrie anscheinend immer hier, wenn es um so was ging.
Mein Körper schien das weniger auszumachen, er fühlte sich zu Alexander hingezogen, regelrecht hingezogen. Wir lagen so dicht zusammen, da hätte kein Blatt mehr dazwischen gepasst. Alexander genoss es sehr, dass konnte ich an seinem Gesicht ablesen. Er küsste mich ganz sachte am Hals und wanderte immer höher, bis er meine Lippen erreichte. Mit einer gleitenden Bewegung lag er über mir und nagelte mich regelrecht fest im Bett. Seine Küsse wurden immer fordernder und leidenschaftlicher, ich konnte mich einfach nicht mehr wehren. Ich erkundete seinen Körper mit meinen Händen und wir gaben uns komplett unserer Leidenschaft hin.
Das Aufstehen anschließend wurde auch nicht einfacher, zumal wir jetzt unsere Hände nicht voneinander lassen konnten. Aber alles hatte mal ein Ende, ich entschwand im Bad und genehmigte mir eine lange, heiße Dusche.
„Alexander, hättest du was frisches zum Anziehen für mich,“ brüllt ich lautstark aus dem Bad, ich wollte meine Kleidung von der Entführung nicht mehr tragen und mit einem Badetuch durchs Haus zu laufen schien auch nicht die beste Lösung. Die Tür öffnete sich und ich stieß einen spitzen Schrei aus, einen Freudenschrei. Sara war da, wir umarmten uns innig und ließen uns erst nach einigen Minuten wieder los.
„Ich hab´ dir was frisches mitgebracht, ich dachte mir schon, dass du was gebrauchen kannst.“ Sie stellte mir eine Sporttasche hin und ließ mich dann alleine, damit ich mich fertig machen konnte.
So schnell wie möglich machte ich mich dann auf den Weg nach unten, um mit was zu essen zu besorgen, ich hatte einen Bärenhunger. Ich hörte ein Stimmengemurmel aus dem Esszimmer und beschloss kurz einen Abstecher in diese Richtung zu machen.
Als ich mit einem „Guten Morgen…“ es war ja schon fast Abend, peinlich, peinlich, eintrat wurde es schlagartig still. Dann begrüßten mich alle auf einmal, es waren alle da, wirklich alle. Henry und Rike, Oliver und Sabrina, Caren und Tobias, Sara und Micha, Alexander und seine ganze Truppe. Ich wurde gedrückt und geküsst, von allen Seiten in den Arm genommen, man könnte meinen ich bin von den Toten auferstanden.
„Halt, Stopp, wenn ihr mich noch weiter so umklammert, schafft ihr es, was die Kidnapper nicht fertig gebracht haben. Ich sterbe fast vor Hunger, kann ich was zu essen haben?“ fragte ich mit leicht quengeligem Ton um sie auf Abstand zu halten.
Alexander nahm mich lachend in den Arm und meinte zum Rest, „Das Buffet ist eröffnet, lasst es euch schmecken,“ und führte mich gleich zu einem langen, langem Tisch mit vielen Leckereien. Ich ließ es mir nicht zweimal sagen und langte kräftig zu. Was hatte ich doch für eine tolle Familie, sogar meine eigene ´Befreiungssparty´.
Als jeder satt und zufrieden am Tisch saß, wurde ich aufgefordert, meine Entführung mit allen Einzelheiten zu erzählen. Was ich bereitwillig tat. Ab und zu wurde ich zwar von einpaar Ah´s und Oh´s unterbrochen, aber ich hatte ja selbst einpaar Fragen zu meiner Befreiung. „Sag mal Micha, als du zu mir ins Zimmer gestürmt bis, wenn hattest du erwartet, du hast mich angeschaut, als wäre ich ein Alien.“
Bei der Erinnerung an die vergangen Nacht, sah ich es wieder verdächtig zucken um Michas Mundwinkel. „Ich hatte dich nicht mit diesem kämpferischen, wilden, entschlossenen Gesicht neben der Tür erwartet. Leute, ich kann euch sagen, wenn ich ein Stück größer gewesen wäre, hätte ich jetzt keinen Kopf mehr auf der Schulter. Gloria als Feind, das kann tödlich enden. Dad hat´s ja später am Auto selbst erlebt, mich hatte sie vorher schon außer Gefecht gesetzt, ich konnte mich vor lauter Lachen nicht mehr bewegen.“ Grinsend gab Micha dann noch meine Errettung zum Besten, was die ganze Runde sichtlich amüsierte.
Ich maulte dann, „ Meine Befreiung hatte ich schon gut durchgeplant, immerhin hatte ich ja das Fenster schon auf.“ Was ein weiteres Gelächter im Raum auslöste.
Ich wollte hier nicht die Stimmung verderben, aber zwei Entführungen innerhalb, einer Woche, das war schon etwas extrem. Ich musste mit Alexander unbedingt ein ernstes Wörtchen reden, so ging es nicht weiter.
Die Party löste sich am späten Abend dann auf, alle fuhren heimwärts, ohne sich es nehmen zu lassen, bei Konrad und seine Kochkünste zu bedanken, der sich vor lauter Verlegenheit am liebsten verdrückt hätte.
Ich entschloss mich hier bei Alexander zu Übernachten. Sara und Micha blieben auch hier. Ich hoffte, dass ich noch ein klärendes Gespräch mit Alexander führen konnte und blieb demonstrativ auf der Couch im Wohnzimmer sitzen, als alle sich schon für die Nacht verabschiedet hatten.
„Wir müssen reden, ganz dringend, und keine Ausreden. Ich weiß, dass diese Typen irgendwas von dir wollen, und du kannst nicht jedesmal zur Stelle sein, um irgendjemand von deiner oder meiner Familie zu retten. Also die Wahrheit bitte!“ Ich nagelte ihn mit meinem Blick fest, zumindest versuchte ich es. Er wich mir aber auch nicht aus, er wusste es war mit todernst und ich ließ mich diesesmal nicht abspeisen.
„Ich, wir besser gesagt, gehören einer mächtigen Familie an, dazu gehört auch meine Truppe, die du ja inzwischen auch kennst. Mein Konkurrent, Eduardo und sein Clan, kommen uns ab und zu in die Quere, ich bin hier her gezogen um meine Geschäfte vor Ort zu überwachen, damit will ich dich eigentlich nicht langweilen. Um es kurz zu machen, er dachte, er macht es sich mal wieder einfach und kann meinen Vertrag, den ich mit einer hiesigen Firma ausgehandelt habe, kurz vor Abschluss übernehmen. Dafür brauchte er ein Druckmittel, das er leider durch dich und Sara, in die Hand bekam. Gestern Abend, konnte ich ihm aber sehr deutlich machen, dass noch so ein Übergriff sein Leben, und der seines Clans sehr schnell beendet sein könnte.“
Dabei bekam er einen für mich sehr, sehr beängstigten Gesichtsausdruck, ich rückte gleich mal ein Stück nach hinten, er schaute aus, als wollte er jemanden direkt an die Gurgel springen. So zornig hatte ich ihn bis jetzt noch nicht erlebt. Als er meinen geschockten Blick erwischte, wurde er wieder zum lieben und charmanten Alexander. Er kam auf mich zu, um mir zu zeigen, dass ich keine Angst vor ihm haben müsste und setzte sich zu mir auf die Couch.
„Wie“, fragte ich ihn, um ihn abzulenken, „habt ihr mich eigentlich so schnell gefunden? Ich hatte nicht damit gerechnet, dass mich jemand retten würde.“
„Das hast du Oliver zu verdanken, er kam kurz nach deiner Entführung an der Kreuzung an. Den Wagen sah er noch um die nächste Kurve fahren, dachte sich aber nichts dabei, sonst wäre er ihm gefolgt.
Da er dich nicht warten sah, beschloss er dich gleich auf dem Handy anzurufen, ob du vielleicht ihm doch entgegengelaufen wärst, und er dich nicht gesehen hatte. Dein Handy klingelte, das konnte Oliver hören, und dann sah er es unweit der Kreuzung auf dem Boden liegen. Das war ihm nicht geheuer, und er beschloss gleich mich anzurufen, da ich mit ihm ja schon eine Stunde vorher telefoniert hatte.
Und dann sind wir auch schon bei dem Thema, was mich interessiert. Warum hast du nicht auf mich gewartet, und bist einfach davongelaufen? Verdammt Gloria, ich dachte wir zwei….Na, ja… ich dachte du magst mich!“ Mir wurde schon wieder ganz heiß, als er mich mit seinem durchdringenden Blick anschaute. >Natürlich mag ich dich, mehr wie mögen, ich liebe dich
Texte: © by Philomenja
Tag der Veröffentlichung: 09.06.2010
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