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1. Inhalt der Anthologie
2. Philipp Bobrowski - Die Sonnenfeste (Leseprobe)


1. Inhalt der Anthologie


1. Das Glockenspiel Andreas Wölfle
2. Ein Becher Wein Birgit Erwin
3. Lass sie nicht von dir singen Klaus Mundt
4. Stallmeister Bianca Plate
5. Arme Narren! Robert Heracles
6. Liebe Emily Thomas Krings
7. Elfenstadt Eva Fenslage
8. Hüter des Feindes Tom Cohel
9. Die Sonnenfeste Philipp Bobrowski
10. Monster Stefanie Behm
11. Die dunklen Mächte Nina Horvath
12. Der Sieg der kleinen Dinge Nora Strasser
13. Mit Blindheit geschlagen Isabella Schuler
14. Die Träne des Mondes Karin Kehrer
15. Keine Helden Peter Hohmann
16. Nachtigallen und Krähen Stefan Warnecke
17. Soldat Melmo Besenbinder, der Halbling Carsten Zehm
18. Soldat Esther Schmidt
19. Ein Licht im Schatten des Krieges Christel Scheja
20. Der einzige Ausweg K. D. Sopha
21. Der erste Marsch Lars Neger
22. Hinterhalt! Arno Endler
23. Frost und Schatten Maximilian Weigl
24. Krähenreiter Nathalie Gnann
25. Manöver in Gluckenhang Friederike Stein
26. Der Feind meines Feindes Torsten Scheib


2. Philipp Bobrowski - Die Sonnenfeste (Leseprobe)


Eindringlinge

Vater verstand es, mir die Sorgen zu nehmen und sie durch Stolz zu ersetzen.
"Bald schon wird Hartos Sohn Herti heißen und Linnan ist für immer vergessen!"
Allein dieser Satz aus seinem Mund sorgte für ein breites Grinsen in meinem Gesicht, obgleich ich mich bemühte, einen grimmigen Ausdruck zu wahren.
"Trink, mein Sohn! Bald schon steht der Feind vor den Toren unserer Sonnenfeste! Bald schon wirst du zum Krieger und zum Manne reifen." Er hob seinen Krug und stieß mit mir an. Er trank, stand auf, den Krug erneut hoch erhoben, und rief in die Runde: "Singt, Kameraden, denn große Taten sollen folgen!"
Rundherum sprangen die Männer von ihren Schemeln, streckten die Krüge von sich, stampften den Takt mit den Stiefeln und brüllten:

"Wohlan, ihr Krieger, schärft das Schwert,
im Kampf zeigt sich des Mannes Wert!
Die Waffen scheuen kein Versteck,
auf dass der letzte Feind vereck.

Ob hier, ob dort, ob Troll, ob Ork,
ob früh, ob spät, nur keine Sorg',
wir stürmen nieder von den Türmen,
weh dem Gewürm dem wir erst zürnen!

Die Klingen vor, setzt euch in Marsch,
stoßt sie den Feinden in den Arsch!"

Danach lachten und brüllten sie noch lauter und ließen den Festungskommandanten hochleben. Mein Vater verbeugte sich in einer gespielten Geste und setzte sich wieder. Zu mir gewandt sang er noch einmal:

"Die Klingen vor, setzt euch in Marsch,
stoßt sie den Feinden in den Arsch!"

Sein Lachen polterte. Er soff den Krug in einem Zug leer und rief nach dem Wirt. Ich beeilte mich, mit ihm gleichzuziehen. Der Met lief mir aus den Mundwinkeln aufs Hemd. Wie gern hätte ich das Lied jetzt schon mitgegrölt. Nicht heimlich mit den Jungs, sondern hier, ganz offen in der Wirtsstube, gemeinsam mit den gestandenen Kriegern.
"Sie werden schon sehen, was sie davon haben!", sagte Vater, nachdem der Wirt zwei neue Krüge auf den Tisch gestellt hatte. "Du hast Glück, Linnan, hörst du. Verdammtes Glück!"
Er beugte sich zu mir herüber. "Immerhin schien es seit einigen Jahren, als hätten wir die Orks endgültig aus Manlant vertrieben. Lange schon stießen unsere Jagdtrupps nicht einmal mehr auf vereinzelte Banden. Der Sieg gebührte den freien Völkern. Der Frieden war gut für die Bauern."
Er beugte sich noch weiter vor. "Doch du und ich, wir sind keine Bauern. Und meine Sorge wuchs, Linnan, du müsstest diesen Namen, den dir deine Mutter gab, noch viele Jahre tragen, weil du dich nicht als Krieger beweisen könntest."
Er seufzte. Dann fasste er meine Hand und mir wurde warm ums Herz.
"Aber die Orks sind zurückgekehrt!"
Er drückte meine Hand fester. "Irgendwo weit nördlich unserer Grenzen haben sich diese Bestien zusammengerottet und ihre stinkende Brut gezeugt. Morgen werden sie die Sonnenfeste erreicht haben und dann endlich wirst du zeigen, dass dein zukünftiger Name der eines Kriegers sein soll."
Er lehnte sich zurück. "Sie werden ihre Dreistigkeit bereuen! Hier wird ihr Vormarsch zu Ende sein. Wir werden dafür sorgen, dass dieses Gewürm sich nie wieder in unseren Breiten blicken lässt!"

Ja, das wollte ich! Ich, Linnan, Sohn der Lind, wollte Herti, Sohn des Harto werden.
Jetzt hatten die Schauergeschichten der Kindheit keinen Platz mehr. Ich hatte noch nie einen Ork gesehen. Seit ich denken konnte, war der Krieg bereits weit von der Sonnenfeste entfernt gewesen und schließlich siegreich zu Ende gegangen. Seit ich im letzten Sommer mein sechzehntes Lebensjahr vollendet hatte, war ich zweimal mit den Kriegern aufgebrochen, weil Gerüchte besagten, man habe Orks im Norden gesehen. Beide Male war meine Anspannung umsonst gewesen.
Nun würde ich dem Feind gegenübertreten! Nach dem Lied der Krieger und den Worten meines Vaters sah ich keinen Grund, diese Kreaturen zu fürchten. Sicher, das war kein Kinderspiel mehr, aber ich freute mich darauf, hässliche Orkfratzen zu spalten. Ich würde den Festungskommandanten, meinen Vater, nicht enttäuschen!

Die Abendluft ließ mich erzittern. Ich biss die Zähne zusammen. Ein Krieger konnte schließlich nicht vor der Kälte auf den Festungsmauern kapitulieren. Dabei war es beruhigend, den Wind für die schlotternden Beine verantwortlich zu machen, nicht das Heer von Fackeln, das sich auf den Feldern vor der Feste versammelt hatte. Die Gestalten wirkten winzig, aber es waren so unglaublich viele. Die Gesänge, die aus ihren Kehlen bis zu uns herüberschallten, fraßen an meinem Mut. Die Signalhörner der Feinde zerrten an meinem Verstand. Ihre Trommeln brachten mein Herz aus dem Takt. Zum Warten verdammt. Warten auf den Angriff!


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Impressum

Texte: © 2008 by Drachenkinder und vph Verlag Peter Hopf ISBN 978-3-937544-08-3
Tag der Veröffentlichung: 16.09.2008

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