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Interview mit einer Tür

Moderator: "Heute bei uns zu Gast im Studio: die Studiotür!"

 

Tür: "Ich muss Dich da korrigieren. Ich bin kein Gast hier, ich bin so etwas wie ein Dauerbewohner – falls man das bei Möbelstücken so sagen kann."

 

Moderator: "Da muss ich Dich korrigieren: Du bist ein Bauelement. Für ein Möbelstück fehlt Dir die Beweglichkeit. Bei Umzügen nimmt Dich keiner mit."

 

Tür: "Okay. Und was mach ich hier auf der Befragungscouch?"

 

Moderator: "Ich musste improvisieren. Meine anderen Gäste sind alle abgehauen."

 

Tür: "Hast Du wenigstens gute Fragen an mich? Vermisst mich keiner an meinem ursprünglichen Platz? Nicht, dass ich Ärger kriege."

 

Moderator: "Was sind Deine Pläne?"

 

Tür: "Für heute Abend? Oder allgemein? Für andere ist das Leben ein Auf und Ab – für mich ist es ein Auf und Zu. – Du siehst gelangweilt aus. Frag mich was Aufregendes!"

 

Moderator: "Wärst Du gerne im nächsten Leben ein Fenster?"

 

Tür: "Kein Wunder, dass Dir die Gäste weglaufen. Würde ich auch. Als totes Inventar ist man in seinen Möglichkeiten stark eingeschränkt. 'Zum Interview genötigt!' – wäre ein guter Kapiteltitel für meine Memoiren. Ich könnte echt auspacken. Was ich hier im Studio schon so alles mitgekriegt habe. Da könnt Ihr einpacken! – Ich wäre gerne eine geheimnisvolle Tür, ein geheimnisvolles Portal. Ein Sternentor, so wie mein Großvater."

 

Moderator: "Du fantasierst."

 

Tür: "Steht alles in meiner Familienchronik. Habe ich mir von einer KI schreiben lassen. Die wird ja wohl nicht halluzinieren?"

 

Moderator: "Was ist Dein Lieblingssong? 'Tür an Tür mit Alice'? Kennst Du die Rockband 'The Doors'?"

 

Tür: "Klar. Die Studioband spielt das gelegentlich. 'If the doors of perception were cleansed – everything would appear to man as it is, infinite.' 'Wenn die Pforten der Wahrnehmung gereinigt wären, alles würde dem Menschen so erscheinen, wie es ist – unendlich.' Das ist von William Blake."

 

Moderator: "Könntest Du Dir vorstellen, dass das ganze Universum so etwas ist wie ein riesiges Bürogebäude, in dem ständig Türen auf- und zugehen?"

 

Tür: "Krass. Wie bist Du denn drauf? Aber es stimmt: Türen haben was Verbindendes. Räume, Korridore ... Wir werden sogar in der Bibel erwähnt: 'Klopfet an, so wird Euch aufgetan.' Ist es ein spirituelles Rätsel? Man muss aktiv werden, man muss fordern. Steht aber nichts von einem Türklopfer. Fingerknöchel genügen wohl. Ich werde meistens aufgestoßen, aufgerissen, zugeknallt, manchmal zugetreten. Du musst Deine Gäste nicht so verärgern. An mir lassen sie es dann aus! Ich bin doch keine Prügeltür!"

 

Moderator: "Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere ..."

 

Tür: "Aber welche? Ist ja nicht egal, ob es die Klotür ist oder die Saaltür. Die Portale sind im Kommen! Internetportale ... Mir entgeht da was."

 

Moderator: "'Die Pforten der Wahrnehmung' – 'The Doors of Perception' – stimmt etwas nicht mit unseren Sinnespforten, Sinnestüren? Öfters einen Tag der offenen Seelen-Tür?"

 

Tür: "Sowas müsstest Du vermutlich die Himmelstür fragen. Die kennt sich mit sowas aus. Oder die Kneipentür, wenn Du viel intus hast."

 

Moderator: "Haben Türen Allüren?"

 

Tür: "Aus dem Rahmen fallen? Das kommt vor. Viele Supermarkt-Schiebetüren entwickeln Starallüren. Automatiktüren gleiten zur Seite – um Geräuschlosigkeit bemüht; es soll mühelos wirken. Sehr gekonnt. Sie lassen jeden durch, der sich bewegt. Anklopfen unnötig. Man muss sich ihnen nicht mit Entschlossenheit nähern."

 

Moderator: "Wie ist es so im Rampenlicht? Eine Tür wie Tausende andere. Schlicht, unspektakulär. Die nette Tür von nebenan."

 

Tür: "Soll ich mich öffnen? Ich lieg hier an sich ganz bequem. Ein bisschen wie auf 'ner Therapeuten-Couch. Mein Knauf drückt. – Ich muss daran denken, wie sie beim Fußball 'Toooorr!' schreien. 'Tüüüüüüürr' hat noch niemand so gerufen, so begeistert, so voller Enthusiasmus. Das vermisse ich. Das kommt auf meine Bucket List."

 

Moderator: "Was können wir Dir zu Weihnachten schenken?"

 

Tür: "Eine goldene Türkette; Türspion mit Zoom-Funktion; eine Wellnessbehandlung ..."

 

Moderator: "Du scheinst Dir darüber ja schon Gedanken gemacht zu haben."

 

Tür: "Ist im Allgemeinen nicht viel los; da kommen die Fantasien von alleine. Ich bin so etwas wie ein Alltagsheld. Das sollte übrigens auch auf meinem Türschild eingraviert sein."

 

Moderator: "Sonst noch was?"

 

Tür: "Ein Bewegungssensor mit Persönlichkeitsmodul. Für individuelle Begrüßungen. 'Na, Du wieder?!' Und dann der Name. Hätte was. – Ein Türstopper. Ich knall ständig gegen die Wand."

 

Moderator: "Ich geb das weiter an unsere Redaktion. Gibt aber meist keine Reaktion."

 

Tür: "Du musst energischer sein! Ich kann sogar ein Türann sein. Soll ich mal zeigen? Man nehme: aufgestaute Frustration ..."

 

Moderator: "Nicht, dass Du andere Bauelemente und Möbelstücke auf dumme Gedanken bringst. Wir wollen hier keine Revolte."

 

Tür: "Selbst entscheiden, wann man sich öffnet – das wäre was. Öffnen oder nicht öffnen – das ist hier die Frage. Oder nur mit Codewort?"

 

Moderator: "Promis geben sich bei uns die Klinke in die Hand. Wie ist das so für Dich?"

 

Tür: "Ich muss in die Klinken-Klinik. Wo ist der nächste Beauty-Doc für Türen?"

 

Moderator: "Es gibt Menschen, denen stehen alle Türen offen. Wie macht man das?"

 

Tür: "Tresortüren sind in diesem Zusammenhang natürlich von besonderem Interesse. Was soll man mit innerem Reichtum, wenn man Laster und Zaster haben kann?"

 

Moderator: "Wahre Worte. Den Fuß in die Tür zu bekommen, wenn es eine Panzertür ist, gehört zu den unerfreulicheren Erfahrungen. Welche Tür-Weisheiten hast Du für uns?"

 

Tür: "Jeder Mensch ist eine Tür zu einer anderen Welt. – Der Schlüssel zum Glück liegt oft in einem ganz anderen Schloss, als man denkt. – Ein Türknauf ist der Handschlag des Hauses. – Soll ich noch weitermachen?"

 

Moderator: "Ich hätte auch was: 'Die Tür ist nicht das Hindernis. Es ist das Unwissen um ihren Mechanismus.'"

 

Tür: "Ja, manchmal ist es wie Schlüsselroulette. Vermutlich sucht Ihr vergebens den Schlüssel zu Eurer Seele? Weisheiten aus dem Türrahmen der Zeit. – Ist noch Zeit für Türlyrik?"

 

Moderator: "Ich fürchte, nein. Ich habe eine Gedichte-Allergie."

 

Tür: "Schade. Der Titel meines neuen Buches: 'Gedichte aus dem Scharnierland'. Ich durchstreife als Türannosaurus rex Assoziations-Räume mit Hilfe von Sternentoren."

 

Moderator: "Erstaunlich, was in Türen so verborgen ist. – Interviews sind der Universalschlüssel zur Gedankenwelt des anderen? – Ich lass das mal so stehen. Vielen Dank für das Interview! Als Dank bekommst Du einen türkisfarbenen Anstrich. Ist das super?"

 

Die Tür verfällt in eine Schreckstarre.

 

Moderator: "Der Totstellreflex. Passiert mir in letzter Zeit öfter bei Gesprächen mit Objekten. Sonderbar."

 

ENDE

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.07.2025

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