Päpstlicher als der Papst sein zu wollen, gilt als Kardinalfehler. Wohin zieht es einen? Ziehen einen die Kardinaltugenden magisch an? Das Gute hat den Nachteil, dass es anstrengend ist. Jugend und Tugend sind beinahe Gegensätze: fromm, verständig, gerecht ... Ja, selbstgerecht – das wäre hinzukriegen.
Wo bekommt man Weisheit auf die Schnelle her? Ist ja nicht so, als würden die Fehler schlafen: Sie warten auf gute Gelegenheiten. Es gibt sie in vielen Varianten und Größen. Manche beginnen ihre Karriere als Lapsus – mit Potenzial zur mittelschweren Katastrophe. Da ist Luft nach oben. Mit Patzern üben – sich fit machen für die Kardinalfehler; aber die erwischen einen meist ohnehin auf dem falschen Fuß. Das Malheur überzieht mal wieder – sein Auftritt dauert länger als eine Stunde. Man ist der Oberhirte seiner Probleme. Was kann man ihnen Gutes tun?
Auf kreative Fehler hoffen? Mit überraschenden Erfindungen aus dem eigenen Chaos wieder herausfinden? Das hätte meinen Segen. Das Ausstattungspaket der Evolution enthält Fehlertoleranz. Gott sei Dank – sonst würden wir keine zwei Minuten überleben. Kardinalfragen laden geradezu zum Fehlermachen ein. Das Leben interviewt einen, will wissen, wo man sich in fünf Jahren sieht, streut Gretchenfragen ein ... Warum soll man immer seine Gesinnung offenbaren?
Die Tücken der Beziehungsrhetorik. "Wie sehr liebst Du mich?" "Liebst Du mich mehr als früher?" Einladung ins Fegefeuer. "Was ist der Sinn des Lebens?" Wenn man es geschickt anstellt, steuert man schnurstracks auf die mentale Apokalypse zu. Kardinalfragen sind wie göttliche Pop-ups: tauchen unvermittelt auf. Erst mal zu den Akten legen – oder soll die KI die beantworten? Früher hat man den inneren Philosophen bemüht – aber dessen Signature Move ist mittlerweile: das Zucken mit den Schultern. Ratlosigkeit im Seelensystem.
Selbstverwirklichung – wie geht das? Man zuckt zusammen, wenn der Spiegel einen fragt: "Kann ich Dir mal Feedback geben?" Schade, dass sich nicht alle großen Sinnfragen im Rahmen eines Smalltalks beantworten lassen. "Wie stehst Du zu ...?" Auftakt für Smalltalk oder Inquisition.
Sich damit trösten, dass die Evolution zuweilen aus Fehlern was Geniales macht? Mutationen, Sensationen. Kommt man notfalls gänzlich ohne Kardinaltugenden aus? Mäßigung ist echt lästig. Man will zulangen, hinlangen, man will das ganze Paket! Nennen wir es doch: "Bio-Gönnung mit Achtsamkeitszertifikat" – oder so. Soll der Verstand auch mal was tun, soll er der Mäßigung zur Hand gehen. Gerechtigkeit – auch wenn es um das letzte Stück Pizza geht? Das kommt jetzt ungelegen.
Das Konzept Klugheit sieht vor, dass man seinen Worten gedanklich mindestens einen Halbsatz voraus ist. Auf Dauer echt eine Zumutung. Sich einreden: "Nicht perfekt zu sein, macht sympathisch." Das Schicksal mit Suggestivfragen dahin bringen, wo man es haben will. Warum das Schicksal akzeptieren, wenn man es überzeugen kann? "Wäre jetzt nicht der perfekte Zeitpunkt für eine unverdiente Wendung zum Guten?" "Gib's zu: Du hast doch längst einen Plan. Warum so geheimniskrämerisch?" Das Schicksal direkt darauf ansprechen, welche Kardinalfehler ihm seit einiger Zeit unterlaufen sind. Schicksals-Shaming – ein bisschen Vorwurf beimischen: "Wenn Du schon rätselhaft sein willst, könntest Du dabei wenigstens hilfreich sein?" Okay, es macht ja auch nur seinen Job. "War das mit dem Montag ein Versehen?" Steht was von Rückgaberecht im Kleingedruckten? Eine Einladung zum Resteverwerten von kosmischer Gunst: "Ein bisschen Glück passt noch rein in mein Leben ..."
Sind Kardinaltugenden ein Garant für bombastischen Erfolg im Leben? Es fällt auf, dass Herrscher, Anführer, Könige bedauerlicherweise da ein Defizit haben. Sie sind wohl eher Karriere-schädlich. Der Mut zu Kardinalfehlern bringt einen weiter. Die Sünden anders etikettieren – gehört in der feinen Gesellschaft zur Etikette. Völlerei heißt fortan kulinarische Neugier. Rebranding der Laster. Moralische Makel werden zu Lifestyle-Entscheidungen. Dank des Tugend-Tarnkappenprogramms muss man weniger oft zur Beichte.
Habgier: werteorientierte Zukunftssicherung; ich umarme die Optionen. Hochmut: professioneller Größenwahn in XXL. Wollust: Tinder mit Tiefgang. Trägheit: achtsame Ressourcenverwaltung im Horizontalformat. Ob man es so vom Kardinal zum Papst schafft?
Seinen Lebensstil ändern? Schon wird aus Trägheit "Slow Motion mit gelegentlichen Mikrobewegungen". Spirituelle Erholung auf der Couch. Immer einen passenden Claim parat, damit steckt man seinen Claim ab. Was ist der Markenkern des Ichs? Eine wichtige Kardinalfrage.
Die Laster von gestern sind die Persönlichkeits-Features von heute. Im Zeitalter des Reframings machen die Lügen eine ganz ungewohnte Karriere. Lügenpäpste an die Macht! Als Optimist ist man der Ansicht: Das Leben ist weniger eine Messe der Perfektion als ein Improvisationsgottesdienst voller Schmunzler.
AMEN
Tag der Veröffentlichung: 18.05.2025
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