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Souvenirs

Das Überflüssige hat eine Heimstatt: den Souvenirladen. Heimspiel für lokale Scheußlichkeiten. Warum ist man so versessen darauf? Das landet hernach eh in den Schubladen für Klimbim. Soll man sich das wirklich in die Vitrine stellen? Die Mini-Kloschüssel als Bonbonspender, Plastik-Fußabdruck von 'ner berühmten Person, Flaschen mit "authentischer Stadtluft" ... Was davon ist auch nur annähernd nützlich? Kuscheltiere als Superhelden verkleidet oder Quietscheenten mit Touristen-Outfit?

Was ist in einen gefahren? Vernebelt die Urlaubsstimmung zuverlässig den Verstand? Wieso greift man zu diesen Artikeln? Es nötigt einen niemand. Oder ist man auf der verzweifelten Suche nach Präsenten? Was fängt man mit einer Plüsch-Brezel an? Man übergibt sie der zuständigen Schublade, in der bereits die anderen unglücklichen Klimbim-Mitglieder des Haushalts versammelt sind. Eine Schublade ist gnädig – sie verbirgt den Inhalt.

Man könnte teilnehmen bei der Olympiade der "Nichtsnutzigen Geräte". Sie wie ein Pokémon trainieren. Der Seifenspender in Donut-Form tritt an gegen die goldlackierte, dauerwinkende Winkekatze. Verzaubern uns Souvenirläden – wie ist das sonst möglich? Ist es das Übermaß an Zeit? Unverplante Zeit, der Urlaub bietet Leere. Und sofort füllen wir es mit der nächstbesten Absurdität?

Wir sind auch gar nicht wählerisch. Die Latte für bezaubernde Souvenirs liegt nicht hoch. Unsinnige Warnschilder? Immer her damit!

"Warnung: Dieser Weg könnte Spuren von Abenteuer enthalten."

"Hier endet die Realität. Nächste Haltestelle: Fantasie."

Dazu ein paar Matrjoschka-Puppen, Zombie-Gartenzwerge, Plüsch-Mikroben – und fertig ist die Laube. Alles künftige Schuppen-Bewohner. Man verfrachtet all diesen Krempel schnellstens außer Sichtweise. Ist es ein Fluch? Man greift immer wieder zu diesen Kuriositäten. Immerhin haben sie einem beim ersten Betrachten ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Man will diesen Moment wiederholen – aber mehr ist bei ihnen nicht drin. Alle weiteren Versuche, sie witzig zu finden, scheitern. Wie ein pfiffiges Tapetenmuster, von dem man nach drei Tagen optischen Tinnitus bekommt.

Was schenkt man Menschen, die schon alles haben? Da wäre ein "Ufo mit Alien"-Seifenspender ideal. Echt jetzt? Was findet man alles im Müßiggang? Einfallslosigkeit als Schicksal? Und dann greift man erfreut zu bemalten Bierkrügen und Maultrommeln ... Wenn es wenigstens unter die Rubrik fiele: "Wollte man immer mal schon haben." Aber man will es ja nicht haben – man entledigt sich der Scheußlichkeiten auf die eine oder andere Art – meist verschenkt man es an Opfer, die ein Übermaß an Höflichkeit davon abhält, abzulehnen. Wunderbar! Das wäre geschafft. Dem drücken wir noch was aufs Auge; da geht noch was.

Die Katzen-Schneekugel mit Umwerf-Funktion: Katze auf dem Regal – bei Schütteln wirft sie systematisch alle Objekte um. Immer ein Riesenspaß.

Die Flat-Earth-Schneekugel: eine flache Welt, mit Wasserfallrand – bei Schütteln: Mini-Schiffe stürzen über die Kante. Yeah!

Leider sind alle Mitbringsel schnell Schnee von gestern. Da sie nicht wirklich nützlich oder dekorativ sind, werden sie im besten Fall weitergereicht und ansonsten vertraut man sie dem Dachboden oder unheimlichen Kisten an. Manche Mitbringsel zirkulieren seit Äonen in der Menschheitsgeschichte.

Vermutlich gab es bereits in Pompeji alberne Warnschilder. Etwa: "Dieser Bereich wird von einem besonders schlecht gelaunten Zenturio bewacht." Oder: "Cave canem – densior est quam putas! Der Hund ist dichter, als gedacht!"

Wo sind die Warnschilder für Mitbringsel? Schneller entfreunden dank Ballaballa-Geschenken? Der Glitzer-Thermobecher oder doch der Mini-Notizblock in Form eines Gebäudes, dazu eine Flasche mit "authentischer Stadtluft"? Höhepunkte der Hohlheit. Der Bringer: "Unsichtbare" Souvenirs – sprich: leere Verpackung, angeblich mit unsichtbarem Produkt gefüllt. Wenn einen das nicht umhaut ... Naja, die Katze würde sich sicherlich darüber freuen. Der sollte man allerdings nicht die kleine Voodoo-Puppe überlassen.

Auch in der Märchenwelt beschenkt man sich gerne mit Souvenirs. Besonders beliebt: Zauber-Tasse "Café de l'Oblivion" – man vergisst nach jedem Schluck eine unnötige Sorge. Auf dem zweiten Platz: eine magnetische Mini-Skulptur des Stadtheiligen – hilft beim Finden verlorener Gedanken, verlegter Träume oder verpasster Gelegenheiten. Socken mit Sehenswürdigkeiten wirken da schon recht profan.

Wie viel Humor vertragen die Beschenkten? Eine Hochzeitsschneekugel mit Fluchttür: Das Brautpaar steht am Altar – bei Schütteln öffnet sich hinten ein Mini-Notausgang. Manchen kann es gar nicht derb genug sein. Toilettenpapier mit Promi-Gesichtern.

Souvenirläden führen einen zum Abgrund des Absurden – und stoßen einen hinab. Im Abgrund der Seele hängt ein Warnschild: "Emotionale Rutschgefahr. Sarkasmus zwecklos. Eintritt nur mit echtem Gefühl." Der Abgrund der Seele als Touristenattraktion mit Souvenirshop – für jede Menge Alter Egos.

Vermutlich sollen die Reisesouvenirs möglichst skurril sein – dann erfüllen sie ihren eigentlichen Bestimmungszweck am allerbesten: einen an den Moment erinnern, als man ihn erstanden hat; wie war der Stand der Dinge? Happiness einfangen in Gedanken-Flakons. Sich jederzeit auf magische Weise dorthin zurückteleportieren können. Urlaub – immer wieder eine Faszination. Auch wenn man Replay drückt. Noch mal die besten Szenen. Insofern sind Souvenirs so etwas wie ein Portschlüssel – man gelangt ohne Umwege zu ihrem Ursprung, zu ihrem Ursprungsland.

Manchmal erlangen Mitbringsel sogar den Status als Mitbewohner – auch wenn sie die meiste Zeit in Schubladen oder auf einem schlechten Platz im Regal oder der Vitrine verbringen müssen. Man sieht sich.

 

ENDE

 

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Tag der Veröffentlichung: 09.05.2025

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