Welche Lebensziele verfolgt man? Ist man bescheiden, genügen einem innere Ruhe und Ausgeglichenheit? Dafür gäbe es Tabletten. Die Abkürzung: Fast jedes Lebensziel lässt sich mit etwas Trickserei schneller erreichen. Vitamin B für den Karriereaufstieg. Für Sinnsuche und Sinnfindung: Follower sein der erfolgreichsten Lifestyle- und Mindset-Influencer. Früher musste man mindestens 40 Tage in der Wüste meditieren – heutzutage wird einem das alles auf einem silbernen Tablett präsentiert. Nur zugreifen!
Glück ist nicht immer zur Stelle; wozu gibt es Glücks-Surrogate? Binge-Watching beispielsweise – reiner Eskapismus. Warum sich unnötig lange mit der eigenen Person beschäftigen, wenn es da draußen weitaus interessantere Figuren gibt? Man erlebt deren Glücksmomente ... Oder beim Fußball – man ist kein Torjäger, man fiebert einfach mit, man ist involviert durch sein Zuschauerdasein. Man lässt leben. Ein Herrscher muss ja auch nicht über sämtliche Fähigkeiten und Talente seiner Hofmänner verfügen.
Manche wollen die Welt retten – und das möglichst noch bis Mittwoch. Warum immer dieser Zeitdruck? Der Lebenstraum als Fata Morgana erfüllt ja auch seinen Zweck. Warum etwas unbedingt in die Realität hineinzerren wollen? Manches fühlt sich da ganz wohl im Traumreich. Energie strömt einem von dort aus entgegen. Realisiertes Glück ist oft eine Enttäuschung. Die Realität vermag einfach nicht Schritt zu halten mit der Eleganz und Leichtigkeit einer schönen Fantasie.
Unverdientes Glück – macht das wirklich happy? Die Glücksfee ist dem Zufall verpflichtet, er ist ihr Dienstherr. Sie durch besondere Tüchtigkeit beeindrucken zu wollen, ist für die Katz. In einer Welt der Zufälle – wie soll man da navigieren? Was richten Pläne gegen den Zufall aus? Er zerfetzt sie.
Spielanalyse: Woran hat's gelegen, wo hat man Fehler gemacht? Feedback – dann klappt es auch mit der guten Fee? Die eigenen Stärken stärken – schöner Vorsatz. Die eigenen Schwächen fühlen sich dann aber ignoriert, sie machen auf besonders unangenehme Art auf sich aufmerksam. Wieso will man sie vom Geschehen ausschließen? Nur weil irgend so ein Influencer das verlangt?
Wonach strebt man? Stillsitzen und auf Fortuna oder die Glücksfee warten? Sich um einige Tugenden bemühen? Zumindest Pseudo-Weisheit wäre schön. Wird demnächst ja ohnehin alles falsifiziert. Der Zeitgeist widerlegt alles, wenn man ihm nur genügend Zeit gibt.
Nächster Programmpunkt: "Spirituelles Erwachen" – aber bitte vor dem Lebensabend. Die To-do-Liste und die Bucket List werden immer länger. "Pechvermeidung" müsste noch auf die Tagesordnung. Aktivist sein – geht das auch in der Nähe des Fernsehers? Die Lebensziele kommen sich in die Quere: geruhsam und aktivistisch – Extremsportler und begeisterter Anhänger des Nichtstuns beziehungsweise der Achtsamkeit.
In Sachen Kreativität hat die KI einen abgehängt; wieder ein Grund, um sich tiefenentspannt der Weltbetrachtung hinzugeben. Es läuft immer mehr auf den Passiv-Modus hinaus. Leidet darunter die Lebenstüchtigkeit? Wann wäre man denn zufrieden? Status "Übermensch"? Und das in Gegenwart einer KI … Sie würde eine Augenbraue erstaunt in die Höhe ziehen.
Die Glücksjagd wäre weitaus erfolgreicher, wenn man nicht so fehleranfällig wäre. Man hat kein glückliches Händchen – kann der einarmige Bandit einem helfen? Das Leben outet sich als Glücksspiel. Wir leugnen gekonnt all die Zufälle – tun so, als würde uns ein mittelmäßig guter Plan dem Glück ein Stück näherbringen. Wir sind keine Fans des Zufalls; unsere Herangehensweise an das Glück verlangt Präzision, Berechenbarkeit; eine Sache von Analyse und Disziplin. Dadurch wirken wir so lächerlich. Es ist Slapstick; womöglich ein amüsantes Unterhaltungsprogramm für Aliens, die gerade zugeschaltet haben.
Zufall kann mit Leichtigkeit alles zunichtemachen: Fleiß, Engagement, Ausdauer, Fairness, Hingabe. Alles hinfällig, wenn der Zufall mitmischt. Er hat mehr als ein Wörtchen mitzureden. Ihn als Mitarbeiter gewinnen? Ganz frech, den Zufall für seine Zwecke ausnutzen? Zufallserfolge, Zufallsentdeckungen ... Die Serendipität als Geschäftsmodell. Zufallstore sind auch Tore. Man macht Zufallsbekanntschaften.
Aber man will unbedingt eine Mission, einen Auftrag. Ziellos umherirren? Zumindest sendungsbewusst wirken. So tun, als ob Weltbeglückung eine Sache von drei Tagen sei. Die Zweifelnden überzeugen keine Massen. Als Fanatiker hat man es einfacher. Oder alles eine Nummer kleiner: Gartenglück, Urlaubsglück, Anfängerglück ... Oft gibt sich das Glück erst im Nachhinein zu erkennen – man hat es schlichtweg verwechselt mit Normalität.
Gelegentlich ist man sogar überglücklich. Der Trick ist wohl, dass man den Moment machen lässt; nicht die Sorgen von morgen borgen. Keine Einwände gegen unverschämtes Glück. Ab und an ein Geschenk des Himmels aus der Geschenkartikelabteilung.
Den Ehrgeiz richtig dosieren, sonst schießt man weit über das Ziel hinaus. Das Lebensziel lieber eine Nummer kleiner? "Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh, ist Schweinespeck."
Im Zweifelsfall fertigt man einen digitalen Klon von sich; soll der experimentieren. Vielleicht gelingt dem sogar die ersehnte Selbstverwirklichung.
ENDE
Tag der Veröffentlichung: 17.04.2025
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