Was ist mit der guten alten Narrenfreiheit: jester's privilege? Wurde die abgeschafft – was darf Stand-up-Comedy noch? "Punching up" – aber nicht "Punching down"? Wen darf man auf die Schippe nehmen, wen darf man anständig roasten? Im Zweifelsfall sich nur noch über sich selbst und seine eigenen Sonderbarkeiten lustig machen? Im besten Fall betrifft es nur einen selbst – und das Publikum kann rein gar nichts damit anfangen? Was ist dann mit "Kennste?" und "What's the deal with?"? Alle Minderheiten brav ausklammern? Comedy macht dicht wegen Mikroaggressionen?
Nicht jeder Witz ist ein Brüller – man muss auch mal frei improvisieren können, ohne dass die Woken aus jeder Mücke einen Elefanten machen. Über die bisherigen Elefanten im Raum spricht dafür keiner. Humorbefreit – ganz reinlich schaut der Zeitgeist aus. Was bleibt dem Comedian noch, woraus bastelt er sich sein Bühnenprogramm? Die KI fragen, soll sie ihm Bits und Shticks liefern? Lässt man ihr Unwokes durchgehen?
Als reisender Hofnarr – ein paar Witze im Gepäck. Ein Handelsreisender in Sachen Lachen. Produzent von Lachern; Lachen als hergestellte Ware. Im Gebet-Gedicht "The Clown's Prayer" heißt es:
"Never let me forget that my total effort is to cheer people,
make them happy, and forget momentarily,
all the unpleasantness in their lives."
Sich das Lachen nicht abkaufen lassen vom Teufel. Vor lauter Geschäftigkeit nicht die Zeit für gedanklichen Abstand finden: Denn das ist Humor – Abstand zu den Dingen und zu sich selbst. Etwas zurücktreten, Betrachtungen anstellen können. Observational comedy – Beobachtungscomedy – genauer hinschauen: Wo verstecken sich, wo finden sich die besonders wertvollen Skurrilitäts- und Absurditäts-Brocken? Was hat man sich wieder eingebrockt? "Have you ever noticed?" – ist das den Zuschauern auch schon aufgefallen? Keine Berge versetzen, sich mit Brocken begnügen?
Wie misst man den Erfolg: mit Lachern pro Minute? Süchtig nach diesem Erlebnis – letztlich ein Lach-Junkie? Man will unterhalten, amüsieren. Applaus wäre zu wenig. Wir neigen wohl zum Bierernsten. Man muss uns da rausholen. Notfalls gibt es "Canned laughter" – die Illusion eines amüsierten Publikums. Denn Lachen ist ansteckend – es springt einfach über unverschämterweise.
Ist ein Lachanfall erwünscht? Kann für Schauspieler und Nachrichtensprecher zum Problem werden. Lachen einfach wieder abschalten? So einfach macht es das einem nicht. Wie ein herbeigerufener Geist – er will seine Botschaft loswerden, seine Message. Das Lachen hat uns etwas mitzuteilen, es ist wie ein Bote aus einem schöneren, vollendeteren Reich. Das Lachen repariert zwar nicht augenblicklich all das Verkorkste – aber es hat Gesellen, Freunde bei sich: den Trost, die Hoffnung – sogar das Überlegenheitsgefühl. Mit ihrer Hilfe steht man zumindest geistig plötzlich über den Dingen. Kein Gefangener, kein Sklave seiner unguten Gefühle. man kann sich von deren Macht freimachen. Man bricht für eine Zeitlang aus diesem seltsamen Gefängnis.
Ein Comedian hat zu liefern. Man schaut ihn erwartungsvoll an. Was hat er uns Schönes mitgebracht? Für ihn selbst mag es nicht ganz so witzig sein, dieselben Witze Dutzende Male präsentieren zu müssen. Okay, sein Programm wird runder, raffinierter. Er kommt zur Sache, die Punchlines perfekt getimt. Aber im Grunde sind es Witze aus der Konserve; man will die reine Schlagfertigkeit, man möchte Authentizität – allerdings kann es sein, dass man dasteht mit einem Brett vorm Kopf. Man ist gewillt, zu liefern, aber man ist geliefert. Der Kleinkünstler fühlt sich ganz klein.
Sich hinter seiner Persona verstecken? Das könnte helfen: Es ist ja im Grunde ein anderer, der da spricht, eine Fantasiefigur, ein ganz seltsames Alter Ego. Was der sich alles erlaubt? Lizenz zum Blödeln – die Persona macht es möglich. Der eigene Charakter macht Pause, Urlaub – man muss diesmal nicht mit sich selbst identisch sein. Herrlich! Darin liegt der Spaß. Ist man ohnehin nur eine Baurednerpuppe des Unterbewusstseins?
Die Zeit nutzen für "Rant": Zeit zum Meckern ... "Ich habe da mal eine Wutrede vorbereitet." So viel Irritierendes ... Erstaunlich, was sich alles mit Komik kombinieren lässt. Selbst Philosophie und Komik profitieren voneinander. Late-Night-Show: die Kombination von Comedy und Talkshow. Komik als Zutat – es wird fluffiger, lockerer. Stand-up-Comedy ist wie ein Konzentrat: die geballte Power – eine Punchline nach der anderen. Bis ROTFLBTC – "Rolling on the floor laughing biting the carpet". Man hat nichts zu lachen – es reicht nur zum Schmunzeln? Wo steckt der innere Clown bloß wieder?
Konflikte erhalten ein neues, frisches Framing: Man sieht in ihnen jetzt eine Grube für den Abbau von Humor. Schottergrube, Erzgrube, manchmal sogar eine Goldgrube. Alles wertvolles Material. Der Comedian spinnt nicht Stroh zu Gold, sondern Abfall, Reste, Bruchstücke verarbeitet er zu Gag-Nuggets. Manchmal ist der Alltag auch einfach eine Schutt- und Datenhalde.
Mit Sarkasmus und Zynismus ans Werk – die verwegeneren Brüder des Humors. Der Humorist will keinen Wokeness-Maulkorb. Man will in den sauren Apfel beißen – wahlweise auch auf Granit beißen. Als Comedian will man sich total in ein Thema verbeißen ... Man sieht den Dingen ja an, dass sie witzige Anekdoten auf Lager haben; notfalls souffliert die Fantasie.
Wurde das schon jemals so formuliert? Man wird zum Neuigkeits-Fanatiker. Oder unterläuft einem da ein Quellengedächtnisfehler: Kryptomnesie – man hat nur vergessen, dass man das schon kannte? Man übernimmt Material von anderen Comedians, man borgt sich was ... Ideen gehören doch der Welt, sie sind gemeinfrei. Der Stoff, aus dem die KIs gemacht sind: durch Diebstahl gestählt.
Ein trauriges Business: auf der Jagd nach Witzen ... Das Lustig-Sein lässt sich nicht erzwingen. Vergebens sind overacting, joking the joke, chewing the scenery ... Theatralischer als das Leben selbst. Nicht immer gelingt ein "Zinger" – man muss sich mit weniger Geistreichem zufriedengeben. Schlagfertigkeit vs. einstudiert ... Die Pointen fallen nicht einfach so vom Himmel. Pointen-Ernte ist ein hartes Geschäft. Im Gebet-Gedicht "The Clown's Prayer" heißt es:
"And in my final moment,
may I hear You whisper:
'When you made My people smile,
you made Me smile.'"
Letztlich so etwas wie ein Gottesdienst? Die Verbundenheit des Humors mit dem Hellen ... Der Trotz, der da mitschwingt. Es der Verzweiflung nicht zu leicht machen. Der Comedian bringt das auf die Bühne. Es ist auch so etwas wie ein Korrektiv, wie WikiLeaks. Was ist faul im Staate Dänemark und anderswo?
Man steht im Leben oft neben sich – warum nicht sein eigener Sidekick sein? Sich nicht mit einer Persona begnügen. Humor präsentiert keine fertigen Konzepte – man testet was. Ideal dafür: Open Stage, Open Mic. Auf Knopfdruck lustig sein – alles nur eine Übungssache? Sich mit Sturgeons Gesetz trösten, dass "90 Prozent von allem Mist sei" – "Ninety percent of everything is crap"? Wenn da nicht diese Wokeness-Hürde wäre. Die erlauben keinen einzigen Fehltritt. Man ist da unnachsichtig. Ein Comedian, der gezwungen ist, seine Worte auf die Goldwaage zu legen, büßt an Lockerheit ein. Nach jedem Brainstormen nach einem Shitstorm Ausschau halten? Den Kleinkünstler klein halten? Zurechtstutzen. Der Baum des Lebens als Bonsai-Version?
Das Leben ist doch eine "try-out show". Sich ausprobieren. Das jester's privilege sollte weiterhin Bestand haben – auch bei Stand-up-Comedy. Humor hat ohnehin einen schweren Stand auf dem Erdenrund. Genauso unsinnig wäre es, den Kurier für eine schlechte Nachricht zu bestrafen. Lachen sollte nicht zum raren Gut werden. Es ist womöglich das kostbarste Gut in unserer Seelenkammer. "Ein Tag, an dem man gelacht hat, ist kein verlorener Tag" – frei nach Charlie Chaplin und Nicolas Chamfort.
Sich selber mehr Catchphrases zurechtlegen und One-line jokes. Die Tage damit einfärben – es nimmt etwas von dem Grauschleier. Gute Alternative zur rosaroten Brille – die es ja demnächst als VR-Version geben soll. Vernunft alleine ist aufgeschmissen – trotz aller Anstrengungen erzeugt sie kein Quäntchen Lebensfreude. Das wiederum fällt dem Lachen leicht.
Man muss mit Hecklern rechnen – Störenfrieden. Oft kommen die Zwischenrufe aber vom unverschämten Unterbewusstsein, dem das alles nicht schnell genug vorangeht. Die Vernunft kommt einem vor wie jemand, der in einem Improvisations-Theater nach einem Souffleur Ausschau hält. Verlernen wir das Improvisieren? Fehler werden heftiger denn je sanktioniert. Früher lachte man der Gefahr. Heute laufen wir Gefahr, das Lachen und das Lächeln zu verlernen.
ENDE
Tag der Veröffentlichung: 23.03.2025
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