Neujahr
Neujahr – halleluja!
Auf ein Neues!
Packt man es diesmal?
All die Wünsche und Vorsätze
aus dem Hoffnungskoffer auspacken;
mal wieder betrachten.
Ein neuer Mensch werden,
kann ja nicht allzu schwer sein.
Das wird man wuppen.
So wie eine Schlange sich häutet:
das alte Jahr abstreifen,
es hinter sich lassen.
Frische Besen kehren gut –
aber man hat einen
Saugroboter mit Wischfunktion.
Saugut.
Immer mehr auf die KI
und die Roboter abwälzen.
Ganz miese Info-Krieger:
Mit 10 Bit pro Sekunde
verarbeitet das menschliche Gehirn die Infos.
Das lässt zu wünschen übrig.
Ganz klar: Wir müssen uns
mit der KI zusammentun,
ganz dicke Freunde werden.
Ohne Hoffnung kommt einem das Leben
ein paar Nummern zu groß vor.
Man muss das ausgleichen.
Ein Optimist weiß um seine Verlogenheit,
sie ist Teil seines Plans.
Die Hoffnung darf ihr Machtwort sprechen;
gerade zum neuen Jahr
ist sie aufgefordert, ihren Teil beizutragen;
sie ist beinahe hyperaktiv.
All die guten alten neuen Vorsätze
prasseln auf einen nieder.
Man ist bereit für Unkonventionelles.
Eine Esprit-Filiale ist neueröffnet.
Solange das Jahr noch frisch ist –
funkelnagelneu ...
stolzer Besitzer eines neuen Jahres.
Was fängt man damit an?
Wirkt man selbst noch unverbraucht?
Es hat sich Elan angesammelt;
das neue Jahr entfaltet seine Wirkung.
Sollte der Akku tatsächlich mal voll sein?
Neujahrs-Power flutet den Organismus.
Sich nicht entmutigen lassen von Sprüchen wie
"Es geschieht nichts Neues unter der Sonne".
Man erfindet sich neu.
Wem die Stunde des Optimismus schlägt.
Echte Aufbruchsstimmung.
Die guten Vorsätze kennen das schon:
Erst ist jeder wild auf sie,
sie stehen im Mittelpunkt, im Rampenlicht.
Gut, sie genießen die Show –
aber man wird sie vergessen,
sie sollen sich trollen;
sie stehen nur noch im Wege rum.
"Erneuerung" lautet die jetzige Losung.
Man braucht eine fetzige Lösung.
Mehr Biss pro Sekunde.
Historisch betrachtet
ist dieses Jahr ein Newbie.
Noch unerfahren, unbewandert.
Neu im Jahres-Geschäft.
Dennoch kein unbeschriebenes Kalenderblatt.
Es gibt gewisse Vorgaben, es gibt Struktur.
Die Monate kennen ihren Auftritts-Zeitpunkt;
und wann sie sich verbeugen
und die Biege machen sollen.
Alles Routine.
Die hohen Feiertage kennen ihr Stichwort;
ein bekanntes Theaterstück –
aber es wird viel improvisiert.
Gibt es Improvements – Verbesserungen?
Wo kann man das alte Jahr reklamieren?
Neulich wirkte man noch neuwertig.
Müsste man seinen Charakter erneuern?
Wie zufrieden ist man mit dessen Leistungen?
Urlaub vom Charakter –
Charakterlosigkeit riskieren?
Welche Modifikationen sind möglich?
Immerhin verhaltener Applaus des Unterbewusstseins.
Seinerseits kein Veto für die Umstrukturierungspläne
des überambitionierten Egos.
Varianten des Ichs – alles mal durchspielen.
Zeit, die Pläne, die auf Eis lagen, aufzutauen.
Besuch im Ideenpalast.
Was soll man umsetzen?
Der innere Schweinehund sitzt mit
im Planungskomitee.
Er ist für Tee trinken und abwarten.
Der innere Trendsetter blafft ihn an –
er plant Epochales.
Soll man die beiden von der Leine lassen?
Vorreiter sein mit seinem Steckenpferd?
Welche Hürden hat das Jahr diesmal zu bieten?
Wie kommt man über die Runden?
Welchen Hindernis-Parcours will man?
An manchen Hindernissen
scheitert man immer wieder.
Meisterlich versperrt man sich selbst den Weg.
Der Endgegner ist immer das Ich.
"Zwei ganz verschiedene Dinge
behagen uns gleichermaßen:
die Gewohnheit und das Neue",
meint Jean de La Bruyère.
Man ist der Gewohnheit treu,
man ist ihr Vasall.
Zu Neujahr legt man sich
mit den Gewohnheiten an,
man fordert sie heraus.
Die Macht der Gewohnheit ist stark in uns.
Ein Gewohnheitstier,
kein Gewohnheits-Stier.
Außerhalb der Komfortzone
beginnt die Terra incognita.
Ein neues Jahr:
Das Leben beginnt ein neues Kapitel;
welche Wendungen, welche Plot Holes
erwarten uns?
Neuinterpretation des Gelesenen.
Man hofft, dass es
lesenswert, lebenswert bleibt.
ENDE
Impressum
Cover: https://pixabay.com/de/illustrations/neujahr-feuerwerk-silvester-8867133/
Tag der Veröffentlichung: 02.01.2025
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