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Olympisch

Man sollte alles sportlich nehmen. Ein fröhliches "Challenge accepted" auf den Lippen meistert man den Hürdenlauf auf der Lebensbahn. Das Schicksal hat unglaubliche Disziplinen; man selber hat leider keine Disziplin. Sumoringer allenfalls? Aber dann fällt der Stabhochsprung schwer.

Die Welt als Stadion. Oder doch lieber ein Zirkuszelt? Welche Version gefällt einem besser? Immer neue Weltrekorde – vermutlich würden sich nicht mal die olympischen Götter für Olympia qualifizieren können. Einfach Olympier sein – an seiner Persönlichkeit so lange feilen, bis einem da ein Meisterwerk gelungen ist? Feile mit Eile. Mit "weißer Sport" ist vermutlich nicht Kokain gemeint. Schade.

Auf dem Weg zum Vorzeigeathleten. Aber das Kulinarische lockt. Topf-Athlet als Alternative? Ein Allroundathlet – schön rund. Womit wir beim Breitensport wären – jede Woche mehr in die Breite gehen. Eine Sportskanone mit besonders großem Kaliber. Kugelstoßen üben im Supermarkt mit den Wassermelonen. Olympiareife ist wichtig. Trainingsmöglichkeiten nutzen.

Oder genügt sportlich-elegante Kleidung – dazu eine gleichfarbige Sportlimousine? Ein Olympionike im Geiste. Mit olympischer Ruhe sich von der Unsportlichkeit des Universums überzeugen. Eine Aneinanderreihung von Olympiaden: alle im Wettstreit. Wobei die Evolution keine Silbermedaille kennt. The winner takes it all. Man muss olympiaverdächtig wirken, aussehen. Topfit. Fit for life. Das überzeugt die Natur, uns im Rennen zu lassen. 100 Goldbarren wiegen Olympiagold nicht auf. Man hat in sich investiert. Andererseits: Sport ist Mord. Alles einem einzigen Ziel unterordnen – das ist was typisch Menschliches; kein Tier käme auf die Idee, jeden Tag Kraftsport zu machen. Okay, Bären könnte man fürs Baumstammwerfen begeistern.

Zeus beim Barrenturnen? Götter sind per se perfekt. Sie haben nie Training nötig. Hera würde gerne Karate können; Poseidon könnte man für Wasserski begeistern. Hades als Überbringer des olympischen Feuers ... Sie sind alle außen vor. Tauziehen mit den Titanen. Sind Geister da im Vorteil: Für sie entfällt die Körperertüchtigung? Total vergeistigt. Aber man kann auch dem Denksport verfallen. Sport in jeder Form belohnt die Evolution: Es gibt Glückshormone. "Genießt Euren Hormoncocktail!"

Sport ist etwas, dass man selber machen muss. Man kann nicht joggen lassen, sowas lässt sich nicht delegieren. Sport ist insofern auch ein Gleichmacher. Auch der Reiche muss sich im Fitnessstudio schinden. Die Hanteln lassen nicht mit sich handeln. Sport verschafft einem einen Vorsprung – es ist nicht nur das Werkzeug, das uns über uns selbst hinauswachsen lässt. Tiere kennen keine Gymnastik. Mag sein, der Hund macht anstandshalber ein paar Yoga-Übungen mit. Sieht zumindest interessant aus, was Herrchen oder Frauchen da vollführt.

Bertolt Brecht meint: "Der große Sport fängt da an, wo er längst aufgehört hat, gesund zu sein." Ist alles Große und Großartige nur im Verbund zu haben mit Krankheit, Leid, Entbehrungen? Das Olympiareife findet sich nicht in der Mitte. Man muss sich alles abverlangen. Dennoch gewinnt man vermutlich nur dann, wenn es einem gelingt, das Vergnügen und den Spaß mit im Team zu lassen. Kombination von Fokus und Zerstreuung. Sport ist seltsam. Gilt vermutlich auch für die Religion: nur mit Ernst betrieben, ist es eine lieblose, mechanische Veranstaltung.

"Sexualität ist heute nur noch eine Sportart", meint Karl Lagerfeld. "Sex sollte olympisch werden", meint Zeus schon seit Langem. Moderner Sexkampf – und nicht nur griechisch-römisches Ringen. Faulenzen ist noch nicht olympisch. Wer schafft den langsamsten Müßiggang? Olympia verlangt dennoch die Kombination von Seelenruhe, Bedächtigkeit und Power, Entschlossenheit. Der Sportler als kunstvolle Collage konträrer Fähigkeiten. Emotionen wären auch gerne olympisch? Als erfolgreicher Choleriker braucht man das Rüstzeug zum perfekten Entrüsten.

Sport ist ein Kulturgut. Die Nationen zeigen, was sie so draufhaben. Man bekommt das Außergewöhnliche präsentiert. Eine Huldigung an das Menschenmögliche. Meist benehmen wir uns unmöglich. Vielleicht kommen wir dem Göttlichen in uns durch Sport und Olympia tatsächlich etwas näher?

Was imponiert: die Leichtigkeit, mit der das Schwerste vorgeführt wird. Zweiwöchige Ära der Bravourstücke. Wobei uns in jeder Sportart zumindest eine Tierart jeweils überlegen wäre. Nicht nur Thor beim Hammerwurf. Demnächst kommen Cyborgs. Die machen das Rennen, die eilen sogar dem Gepard davon.

Man muss seine Königsdisziplin finden. Wie ein König feiern, ist ein schöner Anfang. Sich freuen wie ein Schneekönig über kleine Fortschritte, ist ebenfalls sehr hilfreich.

 

ENDE

 

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Tag der Veröffentlichung: 15.08.2024

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