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Makler

Lieber Makler sein, statt Mäkler – die Welt sprachlich aufhübschen. Mit diesem Kunstgriff könnte man sich selbst auch weitaus besser vermarkten. Man ist schrullig? Von wegen – außergewöhnliche Seelen-Architektur. Tage, an denen man sich wie eine Bruchbude fühlt ... Weck den Makler in Dir – im Nu bist Du ein aufwendig sanierter Altbau, auch wenn die letzte Kur zwei Jahre her ist. Fast neuwertig ...

Beim Date kannst Du sagen: "Ein Schnäppchen für Schnellentschlossene!" Immer zulangen. Früher hast Du stattliche Luftschlösser gebaut, jetzt reicht Deine Fantasie nur für 'ne Hütte, die wir aber stolz als Maisonette präsentieren. Immer anspruchsvoll. Das Oberstübchen erhält den stolzen Titel "Studio-Wohnung". Weck den Künstler in Dir. Wie soll der Eremit Erleuchtung finden, wenn er nicht in einer lichtdurchfluteten Wohnung mit Loftcharakter lebt? Das Ambiente prägt den Charakter.

Ein Spukschloss würde ein Makler so beschreiben: "Verkehrsgünstige Lage zum Jenseits – quirliges, aufstrebendes Zombie-Viertel, die steigen pünktlich aus ihren Gräbern, helfen eventuell sogar bei der Gartenarbeit." Charmanter Altbau klingt netter als "Reif für die Abrissbirne". Das Schönfärberische rettet einem den Tag. Man klammert sich an tolle Adjektive – und das Leben erscheint einem nicht mehr wie ein Tollhaus. Gehoben, geräumig, gemütlich ... die Welt kann so schön sein. Es gibt nur perfekte Wohnungen, eine hochwertige Welt.

Vermutlich könnte ein Makler auch die Appartements in der Hölle den Heiligen schmackhaft machen. Die Rede ist von malerischer Aussicht, den kostenlosen Schwefelbädern, alles sehr puristisch ... nur wenige Stufen auf der Jakobsleiter vom siebten Himmel entfernt. Auch ein abstrebendes Viertel hat seine Vorteile – man ist ungebundener, man ist Bohème, man hat ein Biotop nicht nur im Garten, sondern auch in der Wohnung. Toll.

Ein kleiner Grünstreifen findet sich in der Annonce als Garten wieder – er fühlt sich beinahe wie eine Parkanlage, er spürt das Potenzial zum Lustgarten in sich. Das weckt die Lebensgeister: Zaubern mit der Sprache, aufwerten, mit blumigen Begriffen die Welt ein bisschen schöner machen. Aber um Mitternacht verfliegt der Zauber wie bei Cinderella? Das Wort-Kleid hält nicht ewig; plötzlich verschlissen. Den Worte-Notdienst anrufen? Weitere Adjektive draufpappen?

Wie steht es um die Bausubstanz der Welt? Wie solide ist so ein Quantenschaum? Als Mäkler entlarvt man das. Im Anfang war das Wort – ein Makler-Wort? Das neue Universum rasch zusammengescharrt aus den Resten des alten? Ruinen-Zauber? Und los geht es wieder mit dem Entropie-Spiel? Bis es wieder heißt: Rien ne va plus? "Kürzlich komplett renoviert", heißt es vom Kosmos?

Die Renovierungs-Bedürftigkeit der Erde krass leugnen? Im Universum ist massig Stauraum vorhanden; die meisten Planeten nicht belegt. Welche Energieeffizienzklasse hat der Olymp? Laminat statt Marmor? Besitzt Zeus eine Blitz-Lizenz? Eine Wohnung mit Loftcharakter würde ihm vermutlich eher zusagen. Seriöses Umfeld ist nichts für ihn. An Europa würde er untervermieten.

Das Dilemma der "zentralen Lage": mitten im Trubel, aber man vermisst die Ruhe. Für Pegasus gilt: wenige Flugminuten von der nächsten Inspiration entfernt. Ist es vorteilhaft, Abstand zu wahren vom Zentrum, kann man sich dem Sog des Zentrums so besser entziehen? Weckt die Idylle die Lebensgeister oder braucht man das Getümmel? Der Supermarkt nebenan liefert Lärm frei Haus. Praktisch.

Auf welchem Ast des Weltenbaums will man sitzen? Alles bereits kahlästig? Gegen Depression und Melancholie: Makler-Sprache verwenden – möglichst dreimal täglich. Noch nie war einem so wohlwollend. Selbst die Katze im Sack kauft man breitwilliger. Wobei Katzen Kartons bevorzugen – ist für sie wie eine Studio-Wohnung.

Bei einem guten Makler gehen auch Iglus in der Sahara weg wie warme Semmeln: Er lobt deren Flachheit, Anpassungs- und Verwandlungsfähigkeit – fallen kaum auf in der Landschaft. Aber eher was für Schnellentschlossene.

Eine verwinkelte Höhle hätte ein Makler in der Steinzeit mit "Experimenteller Wohnungsbau" bezeichnet. Teilmöbliert – ein paar Äste dienen als Tisch. Wohngemeinschaft mit einem Bären.

Eine Hundehütte hat plötzlich ZKBD – also Zimmer, Küche, Bad und Diele. Makler zaubern. Meister der Adjektive. Das Nichtvereinbare existiert in ihrer Welt nicht. Zentral gelegen aber ruhig. Geräumiges Tiny House mit Wohnfläche für einen ganzen Staat – Ameisenstaat beispielsweise. In Balkonien urlauben – und das auf dem französischen Balkon – ideal für 2D-Gestalten.

Makler kennen nur Glücksgriffe. Durch ihre Präsenz verwandelt sich alles augenblicklich: Immobilien sind sich noch nie so schön vorgekommen – alles Liebhaberobjekte. Man hätte sie schon viel früher über ihren Charme informieren sollen, an ihnen ist alles hochwertig, man lebt Tür an Tür mit dem Luxus. Die Lage ist top. Selbst die denkmalgeschützten Gebäude fühlen sich jung, kernig. Man hat Klasse, man hat Stil!

Immobilien sind verliebt in Makler, sie wollen sie immer um sich haben. Schönere Komplimente macht niemand. Sie lesen sich immer wieder ihre eigenen Annoncen durch – wie ein Spiegel, der sie in ihrem Idealzustand zeigt. Wort-Kosmetik – bitte noch etwas mehr davon auftragen. Immobilien im Annoncen-Rausch.

Man sollte sich selbst auch mal luxuriöse Sanierungen gönnen. Wenn wieder mal ein Seelen-Tornado haust, sagt man sich: "Take it easy, altes Haus!" Der Makler hat Gold im Mund. Wer will da noch Mäkler sein?

 

ENDE

 

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Tag der Veröffentlichung: 08.06.2024

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