Krimi, Thriller, Mystery
Anthologie – Storys und Essays
Die Autoren:
Phil Humor
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Dörte Müller
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Manuela Schauten
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Michel Pinball
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Rolf Bidinger
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Tess M. Heingand
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Ursula Kollasch
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Die Texte:
Cosy-Krimi * Thriller * Der Schrei * Blubbernde Wucherungen * Henker Alkohol * Spiel, Satz und Sieg für Lucy * Frau S. muss vor Gericht! * Pausenbrot * Vermisstmacher * Bis in den Tod * Gefangen auf der Insel des Schurken * Lauf, Engelchen, lauf! * Wahrheit oder Pflicht * Krimidinner * Eiseskälte
Phil Humor
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Worum geht beim Cosy-Krimi? Töten auf die nette Art? Genremalerei mit Worten. Lokalkolorit ist wichtig. So authentisch wie möglich. Die Figuren bekommen Tiefe. Cosy: gemütlich, behaglich, kuschelig, heimelig, wohlig. Wie passen da die Mörder in das Setting? Müssen die sich anpassen? Alle haben eine Mordsgaudi? Man singt gemeinsam "O wie wohl ist mir am Abend"? Kanon singen, statt endlich mal mit der Kanone zu ballern? Man vermeidet das Fluchen, man achtet auf Sanftheit. Achtsam morden. Ein "cosy village" ist immer gut. Man kennt sich, die Beziehungen reichen Jahrzehnte zurück. Der Ermittler ist einer von ihnen.
Cosy – allenfalls wird gekost; nicht gekokst. Idylle mit kleinen Bruchstellen. Die Grundstimmung wird nicht zerstört – egal, welche Mordbuben oder Mordmädels involviert sind. Gemütlich morden – willkommen in der Welt der Kuschelkrimis. Ein nettes Genre. Moderate Gewalt; man geht dezent vor. Wilde Autojagden oder wilde Schießereien bitte außerhalb dieses Genres.
Auf den Spuren der Hobby-Ermittler; man kann mitraten. Es gibt zahlreiche Clues – Hinweise. Es gibt Twists – überraschende Wendungen. Das große Versprechen: Es gibt Gerechtigkeit für alle! Das Leben ist in dieser Hinsicht oft etwas unfair, es begünstigt die Ganoven, Gangster, Gauner. "Verbrechen lohnt sich" – dieses Prinzip will der Krimi widerlegen. Er schickt seine tüchtigsten Detektive und Kommissare ins Rennen. Gelingt das auch dem Wohlfühlkrimi, hat er die Möglichkeiten? Zu diskret, zu sehr auf Kuschelkurs? Traulich soll es sein – trotz aller Mordgier und Mordlüsternheit.
Beim Regionalkrimi – dem Regiokrimi – liegt der Schwerpunkt auf dem Wo. Die Region wird zum Hauptdarsteller. Alpenkrimi, Rheinkrimi ... Der Schauplatz gibt sich nicht mit der Rolle als Nebendarsteller zufrieden. Hat was Divenhaftes. Beim Cosy-Krimi ist die Atmosphäre wichtig. Immer entspannt, trotz einiger Unannehmlichkeiten durch kriminelle Elemente – die sind elementar wichtig. Eigentlich peinlich, dieses Zugeständnis: Man ist auf Verbrecher angewiesen, die Story ginge nicht weiter ohne sie. Da kann sich die Region noch so sehr bemühen. Beim Cosy-Krimi geht es nicht um Tyrannenmord. Das wäre Thriller-Liga. Die Weltpolitik bleibt außen vor, man bleibt beim Morden heimatverbunden, lokales Abmurksen. Auch Sport ist Mord – aber der Sport kommt nie als Täter in Frage.
"Whodunit?", fragen sich der Ermittler und der Leser. Den Übeltäter schnappen. Verrät er sich durch Übellaunigkeit? Oder ist er – ganz im Gegenteil – besonders zuvorkommend? Durchschaut man die Maskerade? Man liest jedes Wort ganz genau; alles könnte ein Hinweis sein. Man entwickelt beinahe eine detektivische Ader bzw. eine Verdächtigungs-Paranoia. Es gilt nicht mehr die Unschuldsvermutung – man kennt die Personen nicht so gut wie der Ermittler, er ist uns da besonders beim Cosy-Krimi weit voraus; er ist ein Insider. Wir verlassen uns auf seine Einschätzungen. Was, wenn er selber etwas schrullig ist? Wie zuverlässig ist der Typ? Man misstraut allem und jedem. Mordshunger auf den nächsten Band. Man hat Blut geleckt – auch als Vegetarier.
Kann man die alle vorsorglich einsperren? Aber über 30 Täter wären dann wohl des Guten zu viel? Das leidige Thema der Beweise. Indizien sollten doch genügen. Vorschnell aburteilen – so wie man das aus dem Real Life kennt. Kurzen Prozess machen – sozialer Lynchmord. Shitstorm statt steinigen. Man kennt die Schuldigen. Dann ist einem auch wieder wohl am Abend.
Handtaschenraub genügt nicht im Cosy-Krimi – etwas mehr sollte der Ganove sich schon anstrengen. Selbst Rufmord reicht noch nicht. Besonders beliebt: der Eifersuchtsmord. Starke Gefühle – aber sich zunächst nichts anmerken lassen. Der Ermittler ist ja noch unterwegs, der Ermittler geht um. Der Autor darf jeden töten – aber bloß nicht die Spannung. Und keine Hunde. Auch keine belletristischen Bellos.
Die Figuren im Cosy-Krimi strahlen das Gefühl aus: "Haben wir es nicht gemütlich?" Man kann gar nicht genug Lokalkolorit verwenden. Die Aura der Heimat durchpulst den Roman. Die Cozies boomen. Rätselromane zum Wohlfühlen. Wohin führt einen die Spurensuche? Man bleibt in der Region. Man verweilt, das Vertraute wird überdeutlich, hyperreal, offenbart seine in ihm steckende Magie. Ein Paradies mit Schönheitsfehlern – aber man ist ja dabei, das zu klären. Die heile Welt ist im Nu repariert – nach spätestens 300 oder 400 Seiten ist alles überstanden. Es muss menscheln. Die Figuren sind detailgenau gezeichnet; man würde sie auf der Straße wiedererkennen. Etwas skurriler als die Real-Life-Versionen? Ein fesselndes Räuber-und-Gendarm-Spiel; der Leser ist ans Buch gefesselt. Cosy-Krimis sind ein Mordsgeschäft. Ein kriminelles Derby – aber nicht derb.
Den jeweiligen Lebensstil wiedergeben: "Couleur locale" – "Örtliche Färbung". Das Vertraute bekommt eine ungewohnte Präsenz. Ein Ehrenplatz gebührte ihm schon immer? Schau an, diese Gegend hat was zu bieten, sie ist richtig interessant. Man folgt einem Amateur-Ermittler. Wie viel Professionalität gelingt ihm, stolpert er über seine eigenen Unzulänglichkeiten? Auch das sorgt für Spannung. Er ist nicht perfekt. Er muss kein Mordskerl sein. Aber er ist ganz in seinem Element. Kriminelle Elemente hin oder her.
ENDE
Phil Humor
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Ist Thrill ein Grundbedürfnis? Was ist mit Chillen? Ist da ein unruhiger Geist in einem, der abenteuersüchtig ist, dem es gar nicht schaurig genug sein kann? Atemlos durch 1001 Nacht. Muss das eigene Leben spannend wie ein Krimi sein? Tut man der Evolution den Gefallen und geht auf ihre Forderungen ein: couragiert sein, mit Todesverachtung mächtige Gegner herausfordern? Oder sollte man das lieber den Protagonisten überlassen? Die kennen sich damit aus.
Man hat Abstand – man verfolgt die Abläufe in der Thriller-Welt von außerhalb des Buches. Das Tolle ist: Emotional ist man involviert. Wie bei den Gladiatorenkämpfen. Privileg des Zuschauenden: Man riskiert nichts. Im Grunde weicht man den Forderungen der Evolution aus; man will sich nicht bewähren. Das Heroische ist furchtbar anstrengend. Wenn man ständig beherzt ist, ist das nicht gut fürs Herz. Soll der Protagonist das erledigen; man drückt ihm die Daumen. Stellvertreter – denen kann man so ein Wechselbad der Gefühle besser zumuten. Man selber neigt eher zum Sicherheitsorientierten.
Sollte der Held allerdings auf die Idee kommen, einfach chillen zu wollen, legt man das Buch empört beiseite. Geht gar nicht! Er soll leiden, er soll was durchmachen, bis an seine Schmerzgrenze gehen. Warum zögert der Antagonist? Wollen sie einen mit Langeweile foltern? Als Leser ist man fordernd, ein Tyrann, ein Despot. Lasset die Spiele beginnen! Der schlichte Bürger auf Thrillsuche; Sensation Seeking.
Aber komfortabel soll es sein. Zum Mittag einen Red Herring. Für den Helden bitte ein paar Plot-Twists und noch einen Cliffhanger. Mal sehen, wie lange er das durchhält. Der Bösewicht lässt nach. Kann man den austauschen? Wie fies wird man als Leser? Dem Thrill verfangen, man will mehr davon. Suspense-Nachschlag. Die normalen Büro-Intrigen genügen einem nicht.
Oder ist es eine Flucht vor den eigenen Problemen? Zuschauen, wie ein Held seine Probleme meistert – das hat was Tröstliches, Inspirierendes. Wenn es doch auch so einfach wäre im Real Life. Das Versprechen, dass nach gewaltiger Anstrengung das Happy End auf einen wartet – so einen Mechanismus kennt das Real Life nicht. Es ist chaotischer, hält sich an keine Genre-üblichen Regeln. Das Versprechen, dass nach dem größten Chaos wieder alles in Butter ist, das hat was, das ist wohl eines der Erfolgsrezepte von Thriller & Co. Man kann mit den Bedrohungen fertigwerden, egal, wie unerfreulich die Monster sind.
Aber bleiben die eigenen Fähigkeiten nicht untrainiert – wenn man immer nur seinen Stellvertreter-Heroen zuschaut? Okay, wenn man Tennisprofis zuschaut, kommt das der eigenen Spielstärke zugute. Fast wie eine KI, die mit Unmengen von Daten gefüttert wird: Man extrahiert was Passendes, man erkennt Muster. Insofern könnte es vorteilhaft sein, Heroen bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Wie stellen sie das an, wie gelingt es ihnen, sich nicht unterkriegen zu lassen? Der Protagonist wächst regelmäßig über sich hinaus. Fantastisch. Wirkt fast wie ein Zaubertrick. Unbedingt zur Nachahmung empfohlen. Dann müssten wir mittlerweile alle zumindest halbe Helden sein – Thriller boomen. Steigert das unsere Seelenkräfte? Ein funktionierendes Abwehrsystem gegen Schurken? Oder regt uns noch immer jede Kleinigkeit auf? Wer hat den Sturm im Wasserglas bestellt?
Es hilft nichts: Die Helden müssen sich wieder und wieder in Abenteuer stürzen, der Leser will es so, er hat dafür bezahlt. Man liefere ihm Spannung, Hochspannung, noch mehr Spannung! Eine Prise Surprise für den unerschrockenen Recken – mal sehen, wann er schlappmacht. Der Philobat schätzt Risiken und Gefahren, der Oknophile meidet sowas. Hat man ein Übermaß an Philobatie und Neophilie – das Neue zieht einen magisch an? Oder ist es einfach nur "Boredom susceptibility" – "Anfälligkeit für Langeweile"? Ist unsere Welt zu wenig abwechslungsreich – flieht man in die Gefilde des Thrillers?
Man begleitet den Helden, man ist immer dabei. Wird ihm das nicht lästig? Er soll uns huckepack nehmen. Sein Fallschirmsprung wird zum Tandemsprung. Der Leser klammert. Man ist in der Zwickmühle: der Alltag zu langweilig, die echten Gefahren zu unangenehm. Per Thriller gelangt man ins Unlangweilige – und man benötigt keine Zusatzversicherungen. Risikolos Risiken genießen. Die Evolution ist sowas von enttäuscht von uns. Wir haben sie ausgetrickst. Sie wollte uns fit machen für herrliche Kalamitäten ... Wir sind chillerfahren – was soll sie mit uns anfangen? Riesenrad oder Roulette als Thrill-Expertise? Ernsthaft?
Die Aliens wären wohl nicht sehr beeindruckt. Kein Swashbuckler, Haudegen, der lässig und spielerisch alle besiegt; dessen Lächeln noch entwaffnender ist als seine Kampfkunst. Man will nicht der Protagonist in einem Thriller sein. Eine Sitcom würde mir persönlich besser gefallen. Was will man mit Vampiren, Werwölfen, Zombies, Mutanten? Wobei man sich nach dem Lesen der News manchmal wie in einem Mysterythriller vorkommt. Ist man bereits in einem Paralleluniversum, in einem Dummiversum? Maximal-Dummheit wird angestrebt, ein Wettbewerb der unklügsten Entscheidungen?
Im Thriller ist alles so einfach: Man weiß mit Bestimmtheit am Ende, wer der Villain, der Bösewicht, ist. Im Real Life denken die Villains, die Bösewichte, sie seien die Antagonisten. Völlige Verkehrung. Welt steht auf dem Kopf. Man hat Rechtfertigungen zur Hand, man kann völlig plausibel erklären, warum die eigenen Schandtaten gerechtfertigt sind. Hier ist jeder der Antagonist, jeder ist der Held seiner Story. Wunderbar. Man belästigt andere, man nervt sie, man tötet sie – aber man hat für alles gute bis sehr gute Gründe. Der Thriller-Held hat da eindeutigere Vorgaben. Oder ist das zu konventionell gedacht? Wie biegsam ist die Moral? Einen Grund parat haben fürs Fehlverhalten – dann zählt man immer noch zu den Grundanständigen?
Im Real Life ist nicht nur der Antagonist unverschämt. Unverschämtheiten, wohin man blickt. Man könnte sich nur noch aufregen ... Wie vereinbar ist das mit einer Weltsicht als Philanthrop? Zuflucht zum Thriller – alle Wut konzentrieren wir auf den dortigen Antagonisten. Wie das Krokodil im Kasperletheater: Man ist sich seiner Sache sicher, man hat es mit einem waschechten Bösewicht zu tun. Oder möchte das Krokodil nur verhindern, dass es in Kroko-Handtaschen verwandelt wird? Hat es da was aufgeschnappt, was ist angedacht? Kriechtiere haben es schwer – die Schlange kann ein Lied davon singen; kein gutes Renommee. Sie gilt als Urbösewicht. Sie wurde nie dazu befragt; ihr Standpunkt interessiert wohl keinen?
Man braucht Thriller-taugliche Bösewichte – immens hoher Bedarf; man könnte schon von Verschleiß sprechen. Die Helden verfahren nicht gut mit ihnen. Die Märchen machen es ja vor. Sie bekommen Wackersteine, müssen in glühenden Schuhen eine heiße Sohle aufs Parkett legen, sie kommen in Fässer mit siedendem Öl und giftigen Schlangen – wahlweise auch mit Nägeln ausgeschlagen. Man spart nicht an Ausstattungsdetails. Die Märchen-Bösewichte wären heilfroh in einem Thriller zu sein: Da geht es hinterher lediglich in den Knast. Rumpelstilzchen müsste sich nicht entzweireißen. Er könnte sich zusammenreißen – und mit dem aus Stroh gesponnenem Gold die Wärter bestechen. Die Märchen sind finaler. Wobei manche Antagonisten noch für Fortsetzungen frisch gehalten werden. Auch Protagonisten sind in Thrillern und Krimis nie lange tot – Sherlock Holmes hat es vorgemacht. Erstaunlich, dass man sich dennoch um sie sorgt. So ein Abo aufs Happy End wäre eine gute Sache auch im Real Life.
Sollen das die Thriller einem vermitteln, ist das ihre Botschaft: "Egal, wie beschissen es steht, alles wird gut"? Hat beinahe etwas Religiöses. Die Weltretter sind wieder unterwegs. Was ist so faszinierend am Schaudern? Ganz versessen auf Angstlust. Hat es etwas mit Eustress zu tun? Irgendwas soll uns rauskicken aus dem Tal der Langeweile. Wir fürchten sie. Auch wenn Meditierende sie bewusst aufsuchen. Es ist nicht ihr Endgegner – eher so ein Mini-Boss, ein Zwischengegner. Mit Thrill gegen die Langeweile. Gechillt durch Thriller. "Entspannung durch Spannung", lautet die Devise. Termindruck, Zeitdruck sind so gesehen ein Segen. Bis es zum Distress kommt. Wer hat schon wieder den Panik-Button gedrückt?
"Angst in Maßen", versprechen uns die Thriller und Krimis – wohldosiert, kapitelweise. Optimales Angstlevel für jedermann. Stimulanz fürs Brain. Mit Krimi schläft Mimi entspannter. Thriller verträgt sich auch gut mit Erotik oder mit Öko; er transportiert bereitwillig jede Message. Welches Thema will nicht mitmachen in einem Pageturner?
Die Autoren haben's drauf: Die Neugierde treibt einen immer weiter in das von ihnen erdachte Land. Man will Antworten – erhält sie aber nicht sofort. Neue Fragen stellen sich einem frech in den Weg. Für Nervenkitzel ist gesorgt; man ist besorgt. Unmöglich, das Buch jetzt wegzulegen; man kann den Protagonisten in dieser schwierigen Situation unmöglich alleine lassen. Oder muss er sich gedulden, bis wir wieder Zeit für ihn haben? Keiner rührt sich. Einfrieren der Zeit. Unser Lesetempo bestimmt den Zeitfluss. Dennoch turnen wir die Pages in Rekordzeit. Wenn das bei Lehrbüchern auch der Fall wäre. Selten mal ein Pageturner dabei.
Helden wie aus dem Lehrbuch ... Eine Aufforderung, in ihre Fußstapfen zu treten, es ihnen gleichzutun? Man hat nur einen Bruchteil ihrer Probleme – dennoch meistert man die nur bruchstückhaft und bruchstückweise. Sind die Probleme im Real Life generell verzwickter – weil kein Plot existiert? Bündnis mit dem Chaos. Das Problematische fühlt sich da ganz wohl, es chillt.
Deswegen ist es eine Wohltat, mitanzusehen, mit welcher Konsequenz und Dreistigkeit der Held mit seinen Problemen verfährt – trotz der verfahrenen Situation. Es bleibt tricky. Realitätsflucht scheint angemessen. Die Thriller machen es einem leicht. Man rutscht da hinein. Man liest es in einem Rutsch durch.
ENDE
Dörte Müller
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Es ist dunkel und kalt, draußen pfeift der Wind ums Haus. Es ist schon kurz vor Mitternacht und ich sollte mich endlich hinlegen, doch ich bin irgendwie noch viel zu wach. Liegt es daran, dass ich zum ersten Mal ganz allein in diesem Haus bin? Hätte ich Peter bloß auf seine Geschäftsreise begleitet ... er hatte es mir angeboten.
"Komm doch mit! Du kennst doch hier noch keinen, du wirst dich sehr einsam fühlen!", hatte er oft gesagt. Ich hatte lachend geantwortet: "Es sind doch nur drei Tage, dann bist du wieder da. Außerdem habe ich hier viel mit der Renovierung zu tun!"
Das stimmte zwar, doch die meisten Dinge konnte ich sowieso nicht alleine erledigen. Das Einzige, was ich heute gemacht habe, war, die Kartons im Keller umzuräumen und neu zu stapeln. Es war mehr eine Beschäftigungstherapie gewesen. Dabei war mir die verschlossene Tür aufgefallen, vor der einige Kartons gestanden hatten. Ich wunderte mich, was hinter der Tür war, zu welchem Raum sie führte. Doch ich hatte die Tür nicht aufbekommen.
Die Tür ging mir den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Was, wenn dort hinter jemand eingesperrt war? Was, wenn dort eine Leiche lag? Ich weiß nicht, wieso ich auf solche Gedanken gekommen bin. Wahrscheinlich war es ein ganz normaler Abstellraum. Was sollte schon dahinter verborgen sein?
Ich entschließe mich endlich dazu, mir einen Tee und eine Wärmflasche zu machen. Dann kann ich bestimmt schlafen. Vielleicht lese ich noch ein gutes Buch. Das hilft immer, um schwarze Gedanken zu vertreiben. Wäre doch gelacht, wenn ich es mir nicht gemütlich machen kann!
Das Haus ist sehr alt, doch Peter hat gesagt, dass es in einem Jahr ein richtiges Paradies sein wird. Er hat viele Pläne, will Solarzellen aufs Dach bauen und den Garten umgestalten. Mit Springbrunnen! Das finde ich toll. Ich möchte Erdbeeren anpflanzen. "Alles ist möglich!", hat Peter gesagt. Ich bin gespannt. Dabei habe ich gar keine Ahnung, wie er so plötzlich an dieses Haus gekommen ist. Er hat nie viel darüber erzählt und ich war eigentlich auch ganz froh. Ich verstehe nämlich nicht so viel von der Geschäftswelt. Er erwähnte nur, dass es Ärger gegeben hatte. Der Besitzer musste irgendwie raus, wollte aber nicht und Peter hätte schließlich einen Ausweg gefunden. Peter ist wirklich wahnsinnig clever, er weiß immer eine Lösung. Das finde ich auch so toll an ihm.
Der Wind pfeift und rüttelt an der Dachrinne. Ich hasse den November und die Dunkelheit. Aber was ist das? Ich höre etwas. Es klingt wie ein Schrei. Nein, das kann nicht sein. Oder doch? Es ist bestimmt meine Einbildung. Da ist es wieder! Es ist eindeutig ein Schrei. Was soll ich bloß tun? Ob jemand in Gefahr ist? Wo ist mein Handy? Es kann doch nicht weg sein ... Ach, ich habe es heute Morgen sicher im Keller vergessen. Als ich die Kartons umgeschichtet hatte, ist es mir bestimmt aus der Jacke gefallen. Aber jetzt noch einmal in den Keller gehen? Bloß nicht! Aber ich muss jemanden anrufen. Am besten Peter. Er hat gesagt, ich kann ihn immer anrufen, wenn ich mich einsam fühle, oder wenn etwas ist.
"Was soll schon sein?", habe ich noch lachend gesagt. Doch ich muss ihn fragen, wer da so schreit. Ich muss in den Keller, ich muss. Die Treppe ist endlos lang, ich hätte sie heute fegen sollen. So viel Dreck! Wo kommt bloß dieser ganze Dreck her? Da ist der Schrei schon wieder. Es hört sich an, als schreit ein Mensch. Oder ein Monster! Ach, es gibt doch keine Monster! Ich habe solche Angst, ich muss einfach weg. Aber ohne mein Handy? Der Schrei kommt aus dem Keller, ich mach jetzt Licht an. Die Kartons stehen alle noch so, wie ich sie aufgebaut habe. Da liegt auch mein Handy, neben den Kartoffeln. Endlich. Da - die Tür. Jemand klopft von der anderen Seite und jemand schreit. Das ist doch kein normaler Hilfeschrei, das klingt ganz anders. Jetzt ist es wieder still. Habe ich mir alles nur eingebildet? Egal, ich muss es wissen.
Ich rufe jetzt Peter an. Ganz schnell. Er weiß bestimmt eine Lösung. Wahrscheinlich lachen wir in drei Tagen über meine Hysterie. Trotzdem - ich habe schreckliche Angst.
"Peter? Peter??? Gott sei Dank, du bist da! Ich bin im Keller! Was? Ich habe einen Schrei gehört! Hinter der Tür! Wieso sollte ich nicht in den Keller gehen? Ich wollte doch nur die Kartons ... Peter? Wieso soll ich nicht ...? Peter! Ich muss doch wissen, was ...! Peter, die Tür wackelt! Wieso sollte ich jetzt weglaufen? Wohin denn? Ich kenne doch hier niemanden ... Peter, bleib mal dran, die Tür geht auf, ja, da kommt jemand. Ich wusste gar nicht, dass ... Peter, der Mann sieht sehr seltsam aus, er kommt genau auf mich zu ... ich ... Hil .... fe ...!"
"Sabine? Sabine, bist du noch dran? Lauf weg! Lauf einfach weg, egal wohin! Lauf ins Dorf oder in den Wald! Es war ein Fehler, ich hätte es dir sagen sollen. Sabine? Hörst du mich???"
ENDE
Manuela Schauten
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"Zeige mir doch mal die Bilder", forderte ihn sein Kollege, Kommissar Hinkelstein, auf. Hauptkommissar von Hausverbot, der ihm gegenüber an seinem Schreitisch saß, schob langsam und bedächtig die Bilder zusammen, anschließend reichte er sie ihm hinüber.
Kommissar Hinkelstein betrachtete sie eine geraume Zeit, bis er sich schließlich äußerte.
"Wer hat die Aufnahmen gemacht, am besten finde ich die Frontalaufnahme der Bucht, sie ist hervorragend gelungen und ziemlich stimmungsvoll. Sogar die Leiche im Sand passt exzellent."
Dabei legte er das Bild umgekehrt auf den Stapel der Bilder.
"Man, bist du heute wieder witzig", stellt von Hausverbot fest. Kommissar Hinkelstein betrachtete inzwischen ein anderes Bild.
"Hast du schon Bescheid von der Gerichtsmedizin, weshalb der Mann lauter Wucherungen und seltsame ekelhafte Beulen im Gesicht und am Hals aufweist", quatschte er einfach in die Bemerkung seines Kollegen hinein.
"Der Typ der da im Sand liegt ist tot", wollte von Hausverbot weiter ausführen.
"Ach nee", quakte Hinkelstein dazwischen.
"Sehr witzig, der Tote hat nicht nur die widerlichen Wucherungen am Hals und im Gesicht, sondern wohl überall auf dem Körper. Und die blubberten!", fuhr von Hausverbot fort.
"Wie, die blubberten? Seit wann blubbert es denn an Toten?", will es nun Hinkelstein genauer wissen.
"Ich hab keinen Schimmer, jedenfalls habe ich die Leiche nicht berührt, selbst mit den dicksten Gummihandschuhen wäre ich nicht auf die Idee gekommen, einfach widerlich. Dir Spurensicherung durfte ohne meine Hilfe ihre Arbeit erledigen. Ich habe nur diese Aufnahmen aufgenommen und mich schnellstens vom Acker gemacht", erklärte von Hausverbot ziemlich nervös.
"Du hast dich vom Acker gemacht", stellte Hinkelstein fassungslos fest und fuhr sofort weiter, "Sonst bist du doch so klebrig wie Kaugummi an der Schuhsohle. Kein Härchen entgeht dir. Hast du ihnen wenigstens einer deiner Matrix -Tütchen zurückgelassen."
Er versuchte seinen Kollegen etwas aus der Reserve zu locken, da er fand, dass sein Kollege sehr spärlich seine Erkenntnisse mitteilte.
"So etwas habe ich noch niemals erlebt, es war einfach gruselig. Ich wollte nur noch weg", entfuhr es von Hausverbot.
"Wieso?", hakte Hinkelstein nach.
"Der Tote lag mit seinem Gesicht, das halb im Sand steckte, dar. Die Augen starrten einen an, als wäre er leibhaftig den Teufel in seiner grausamsten Art begegnet."
Von Hausverbot machte eine Pause, holte tief Luft und schüttelte sich.
"Solche Augen hast du doch schon öfters gesehen, was ist passiert, dass du dich schüttelst. Hier nimm einen Schluck Kaffee, leider hab ich keinen Cognac oder Whisky. Oder möchtest du lieber deinen Pfefferminztee, den muss ich aber erst einfliegen lassen"., meinte Kommissar Hinkelstein fragend, drehte sich und griff nach der Thermoskanne mit Kaffee.
"Lass mal. Danke für dein Angebot, aber ich möchte wirklich keinen Kaffee, nicht dass er dir gleich hochkommt", lehnte von Hausverbot dankend ab.
"So schnell kommt mir nichts hoch", widersprach Hinkelstein ihm und löcherte ihn weiter.
"Mensch, jetzt komm endlich auf den Punkt oder was ist mit dir?"
"Also, einer von der Spurensicherung, so ein junges Bübchen, grad den Windeln entschlüpft, meinte, er müsse mal mit einem Stöckchen in so eine der pulsierenden Wucherungen stechen. Er stach hinein und dann …"
Von Hausverbot stockte und schüttelte sich erneut, dabei konnte man ihm ansehen, wie alles Geschehene vor seinem geistigen Auge Revue passierte.
"Hermann, was ist passiert? Mensch erzähl endlich", bohrte Hinkelstein weiter.
In Gedanken versunken, rückte Kommissar von Hausverbot das Bild von Lenchen, seiner Enkelin, das in einem gelb blauen Bilderrahmen steckte, gerade auf seinem Schreibtisch.
"Hör auf, an dem Rahmen herumzufummeln und sag endlich, was passierte", forderte ihn Hinkelstein jetzt energischer auf.
Von Hausverbot sah plötzlich Hinkelstein mit einem etwas seltsamen Ausdruck in den Augen an, doch dann begann er zuerst stockend, dann jedoch langsam an, das Vorgefallende zu berichten.
"Also, das Bübchen stach und stocherte in so einer pulsierenden Wucherung herum, zuerst passierte gar nichts. Ach, ich stand ungefähr zwei Meter von ihm entfernt und beobachtete ihn über den Rand meiner Brille. Gerade als ich ihn zurechtweisen wollte, dass er nicht so pietätlos sein soll, da vernahm ich ein seltsames Pfeifen und Zischen. Die Oberfläche dieser grünbläulichen pulsierende Wucherung, in der der Knabe herumgestochert hatte, platzte auf."
Von Hausverbot hielt inne.
"Und weiter?", stocherte Hinkelstein.
"Wie soll ich es ausdrücken? … Nachdem es aufgeplatzt war, schossen blitzartig gestreifte lange Fäden heraus, die zuckten und flatterten herum. An ihrem Ende saß ein bunter Kopf, der hatte die Form eines Luftballons."
Kommissar Hinkelstein musste grinsen und verdrehte die Augen.
"Klar doch, mit einem Smiley darauf und flatterhaft waren die Fäden auch!"
"Man, du brauchst gar nicht zu grinsen und die Augen zu verdrehen! - Jedenfalls bin ich froh, dass ich nicht so dicht bei dem Bübchen stand."
"Wieso", wollte jetzt Hinkelstein wissen.
"Die Fäden - diese gestreiften Fäden sind plötzlich hochgesprungen und haben sich in die Haut von dem Knaben gebohrt. Der hat vielleicht einen Brüller losgelassen."
"Klar doch, du willst mich …", wollte Hinkelstein kopfschüttelnd abwinken, doch er blickte in das erstarrte Gesicht seines Kollegen und fand es urplötzlich gar nicht mehr lustig, so forderte er ihn auf:
"Was ist noch passiert, sage es endlich!"
Doch von Hausverbot starrte noch vor sich hin.
"Wo sind übrigens die Ergebnisse der Spurensicherung, auf deinem Schreibtisch liegt ja gar nicht die gelbe Mappe?", wollte nun Hinkelstein die Situation etwas auflockern.
"Die wirst du auch nicht finden. Zwei Stunden später wurde uns alles aus der Hand genommen!"
"Wieso und von wem?"
"Jetzt fang bloß nicht auch noch an zu lachen, vom Amt für Außerirdische. Nein, entschuldige, es war das Bundesamt für magische Wesen."
"Das glaube ich jetzt nicht", erwiderte Hinkelstein und unterdrückte ein Grinsen.
"Doch der Kleine brüllte wie am Spieß, als diese Fäden mit ihren Luftballonköpfen in ihn eindrangen, er schlug wie wild um sich, versuchte sie herauszuziehen, schaffte es aber nicht. Dann starrte er mich mit dem gleichen Blick wie der Tote im Sand, an. Schließlich knickte er wie eine Salzsäule, der man den Stand nahm, zur Seite. Sein Kollege von der Spurensicherung beugte sich zu ihm hinunter und erklärte daraufhin "Mein Gott, er ist tot". Ich zog ihn sofort von dem Bübchen. Einige Minuten später holten wir Planen und bedeckten die Toten damit."
"Gut, dass ich das nicht erleben musste, ich weiß nicht was ich getan hätte", meinte Hinkelstein.
"Dir, du neugierige Nase, wäre es genauso ergangen wie dem Bübchen, du bist genauso ein Kindskopf, der alles ausprobiert", entgegnete von Hausverbot.
"Ich hätte nicht in den pulsierenden Wucherungen gestochert", gab Hinkelstein ein wenig beleidigt zurück, wollte aber nun wissen, wer das Amt für die magischen Wesen informierte.
"Nachdem sein Kollege sich etwas gefangen hatte, kontaktierte er seinen Vorgesetzten von der Spurensicherung. Währen dessen habe ich versucht, dich übers Handy zu erreichen, hatte aber kaum ein Netz. Es dauerte keine dreiviertel Stunde und sie kamen mit Schutzausrüstung und allem Pipapo. Die Leichen wurden in Stahlsärgen abtransportiert."
"Und hatten sie ihre Außeririschen dabei, damit sie die Sache aufklären konnten", flachste Hinkelstein ein wenig.
"Nein, aber wir wurden angewiesen, Stillschweigen zu wahren", entgegnete von Hausverbot.
"Ist dir ja gelungen!", meinte Hinkelstein und klopfte von Hausverbot kameradschaftlich auf die Schulter.
ENDE
Michel Pinball
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Carmino Fasselli war blau, so blau, wie er schon lange nicht mehr gewesen war. Er stand in der kleinen Eckkneipe an der Theke und starrte in sein Glas Mineralwasser. Ab und zu trank er regelrecht anwidert einen Schluck und verfluchte seine eigene Dummheit, dass er sich am Abend zuvor hatte überreden lassen, zu dieser blöden Abschiedsfeier für Toni Francelli zu gehen. Toni musste für zwei Jahre in den Knast und seine Kumpels wollten ihm einen würdigen Saufabend bereiten. Es war heftig gewesen, verdammt heftig.
Froh war Carmino gewesen, als er am frühen Morgen endlich in seiner Wohnung war. Er hatte sich vollständig angezogen auf sein Bett geworfen und wollte nur noch schlafen. Und dann wurde er schon nach wenigen Minuten durch hartnäckiges Klopfen an seiner Tür wieder aus dem Bett geholt. Es war Luca, der Laufbursche von Enrico Pestavalvore, des Paten, des mächtigen Herrschers des Pestavalvore-Clans. Das war der Boss von Carmino. Und Luca hatte keine guten Nachrichten. Bis zum Mittag des nächsten Tages musste er Salvatore Pincetta, von allen nur Pinky, das Frettchen, genannt, wegschaffen. So oder jedenfalls so ähnlich hatte sich Luca ausgedrückt. Nur ein paar Stunden Zeit also und das in seinem Zustand.
Er hatte den immer noch auf ihn einredenden Luca knurrend aus seiner Wohnung geworfen, hatte sich einen starken Kaffee aufgesetzt und sich
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Cover: https://pixabay.com/de/illustrations/ai-generiert-geb%C3%A4ude-autos-stadt-8325370/
Tag der Veröffentlichung: 02.01.2024
ISBN: 978-3-7554-6794-6
Alle Rechte vorbehalten