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Sexroboter

Meine Freundin Briana war zunächst nicht begeistert, dass ich zwei Sexroboter gekauft hatte. "Das sind Viktor und Viktoria. Neueste Baureihe. Die könnten unsere Beziehung retten."

"Oder ich pack gleich meine Koffer ..." Viktor bot ihr an, ihr dabei zu helfen.

"Guck mal, die können auch Dirty Talk!"

"Brauche ich etwa Nachhilfe im Fach Unsittlichkeit?!", knurrte Briana. Sie schob die beiden Sexroboter auf die Veranda hinaus.

"Die sind nagelneu."

"Wär ja auch noch schöner: gebrauchte Sexroboter; wär Dir aber zuzutrauen!"

Sie hatte also keine allzu hohe Meinung von mir. Viktoria streichelte mir tröstend über den Kopf. "Wir könnten eigentlich mit den Lektionen beginnen", schlug ich vor.

"So repariert man doch keine Beziehung! Ein romantisches Candlelight-Dinner oder ein Wochenende in einem Romantik-Hotel – das wäre was Gescheites."

"Viktor könnte auch mit Dir shoppen gehen; dann bliebe mir das erspart. – Sie haben alle möglichen Rollenspiele drauf. Das könnte fantastisch werden!" Aber offenbar ließ sich Briana von meiner Begeisterung nicht anstecken.

"Ficken wir jetzt?", wollte Viktoria wissen. Ich ließ mich von ihr zu unserer Hollywoodschaukel führen.

"Ist jetzt nicht wahr!?", ereiferte sich Briana.

"Lieber auf dem Küchentisch?" Viktoria war irritiert.

"Ich bin gut im Spanking", ließ sich Viktor vernehmen. "Wenn Du böse warst, muss ich Dich bestrafen", sagte er zu Briana.

"Könnte er mich auch massieren?" Briana schien einzuknicken.

"Lass Dich von mir verwöhnen", verkündete Viktor. "Wie pervers darf ich sein?"

"Gar nicht!"

"Aha; also Perversitäts-Regler auf Minimum. Ist aber langweilig."

Briana machte es sich auf der Gartenliege bequem. "Therapeutisches Gespräch erwünscht?", wollte Viktor wissen. "Oder lieber ein paar Beleidigungen?"

"Der ist ja noch schlimmer als Du!", beschwerte sich Briana.

"Ja, das konnte man beim Kauf so konfigurieren. Wir können von den beiden sicherlich viel lernen. Wir haben so selten Tabus gebrochen."

"Lass mich Deine Schlampe sein", bat mich Viktoria.

Ich war versucht, Briana um Erlaubnis zu fragen, da sagte sie von sich aus: "Mach mit dem KI-Flittchen doch was Du willst!"

"Wir sind gut reparierbar – und nicht so reparaturanfällig wie Ihr Menschen", sagte Viktoria in einem leicht gereizten Tonfall.

"Oh ja, wollen wir ein Rollenspiel machen: Ich könnte Dich mir sehr gut vorstellen als Polizistin, die hart durchgreift."

"Wir haben zig Uniformen in unseren Koffern dabei. Jede Menge Sextoys."

"Ich muss zugeben, die beiden beeindrucken mich immer mehr", räumte Briana ein. Die Ganzkörpermassage tat ihr gut. "Sag mir was Schmutziges", forderte sie ihn auf.

"Wenn ich mir einen Sexroboter kaufen würde, sähe er aus wie Du", antwortete er.

"Das war jetzt aber eher ein Lob, oder?" Sie sah sichtlich geschmeichelt aus.

"Meine Algorithmen laufen heiß, oh Meisterin." Sehr devot. Der hatte es echt drauf.

Viktoria kam mit einem Alu-Koffer wieder.

"Ich gestatte mir Enthemmtheit." Viktor zog sein Hemd aus.

"Wer will mein Sexsklave sein?", fragte Viktoria.

"Wenn man mich so nett fragt ..." Ich ließ mich von ihr fesseln.

"Bei ihr parierst Du; und wenn ich Dich um Kleinigkeiten bitte, ignorierst Du mich!"

"Sie ist intelligenter als Du. Sie spricht dreißig Sprachen – und ist perfekt in Dirty Talk", antwortete ich – woraufhin mir Briana erstaunlich viele schmutzige Wörter an den Kopf warf.

"Das ist doch mein Job!", beschwerte sich Viktoria. Sie kam hier eindeutig zu kurz.

"Ich steh auch auf Bondage", gestand Viktor, "bitte fesselt mich!"

Briana tat ihm den Gefallen. "Dabei wartet noch so viel Hausarbeit auf mich."

"Nun entspann Dich doch. Lass Dich von Viktoria geißeln; das hat bestimmt was Erregendes. Viktoria, wärst Du so nett?"

"Veto!", schrie Briana, der man heute nichts recht machen konnte. "Das ist doch nicht romantisch!"

"Wieso bist Du immer so versessen auf Romantik? 'Sturm und Drang' ist doch viel besser!"

"Soll ich jetzt strippen – oder den Haushalt machen?", wollte Viktoria wissen.

"Ich fände beides zugleich nicht schlecht", ging meine Fantasie mit mir durch.

"Dir ist Dirty Talk also wichtiger als eine gepflegte Unterhaltung?", bohrte Briana nach.

"Worte können ein Vorspiel sein. Eine Ausbildung zur Dirty-Talk-Königin wäre bestimmt nicht schlecht für Dich."

"Was ist mit Gefühlstiefe, Echtheit der Emotionen? Wie oberflächlich bist Du eigentlich?", wollte sie von mir wissen.

"Ich kann total oberflächlich sein; auf Kundenwunsch auch träumerisch-gedankenverloren", meinte Viktoria.

Briana rief: "Toll! Dann heirate sie doch! Dann heirate doch Deinen Sexroboter! Mich wolltest Du ja ohnehin nie heiraten."

"Wie kommst Du darauf?"

"Du hast jedenfalls nie gefragt."

"Soll ich denn fragen?"

"Das fragst Du mich?"

"Leute, Ihr verwirrt mich. Ich habe zwar mehr Rechenkapazität als Ihr, aber menschliche Logik ist mir nach wie vor ein Mysterium", gestand Viktoria.

"Ich kann auch Trauungen vornehmen", ließ sich Viktor vernehmen, "ich habe die Lizenz zum Trauen."

"Ich würde gerne erst noch mit Viktoria rummachen."

"Und ich wollte Viktor flachlegen; passt ja gut!", gab Briana zur Antwort. Sie gab ihm einen Zungenkuss – und bekam dabei einen elektrischen Schlag. Ihr standen die Haare zu Berge.

"Wie elektrisierend", kommentierte Viktoria, "es macht Spaß, Euch zuzuschauen. Sie wollte von mir ebenfalls einen Zungenkuss.

"Ich glaub, bei mir ist 'ne Sicherung durch", meinte Briana. "Vielleicht solltest Du das noch mal überdenken, bei Viktoria irgendwas reinzustecken. Da fürchtet man ja um seine Sicherheit."

Ich herzte sie. "Da springt der Funke über!", verkündete Viktoria. Mir war, als ob ich einen Zitteraal knutschte: Tolles Kribbeln – und meine Haut roch an einigen Stellen verbrannt. "Apocalypse Now", ging es mir durch den Kopf.

"Hat was Anregendes, nicht wahr? Soll ich jetzt ein paar heiße Sprüche sagen?" Sie fragte das so, als ginge es hierbei um das Aufsagen eines Weihnachtsgedichts.

"Das haut selbst den Weihnachtsmann aus den Socken."

"Ich will Dich in mir spüren!", bettelte Viktoria.

"Lieber nicht. Ich stand noch nie so unter Strom. Hat aber was Belebendes."

"Mach mit mir, was Du willst!"

"Okay." Ich schaltete sie aus.

"Die beiden reklamieren wir; und Dich reklamiere ich für mich", sagte Briana bestimmend.

"Wie resolut; gefällt mir. – Kannst Du noch mehr in diesem Befehlston sagen?"

Sie zog die Polizistinnen-Uniform von Viktoria an.

"Mein Akku macht mir zu schaffen; ich brauch dringend eine Akupressur", stöhnte Viktor – und versuchte dabei halbwegs erotisch zu klingen.

"Widerstand ist zwecklos. Am besten, Du gestehst gleich alles. Solche Hallodris wie Dich kennen wir!", fauchte Briana mich an.

Sogar Viktor zeigte sich beeindruckt. "Ich würde Dir sofort einen Antrag machen. Aber es würde wohl immer Spannungen zwischen uns geben."

"Was ist schon völlig spanungsfrei? Mir gefällt Spannung immer besser. Gegensätzliche Kräfte. Sich nicht zu ähnlich sein", meinte Briana und sah mich dabei bedeutungsschwer an.

Nun war es an mir, was Anspielungsreiches zu sagen, aber mir schwirrten nur Dirty-Talk-Halbsätze im Kopf herum. Das würde sie jetzt sicherlich abtörnen. Warum tat ich mich so schwer mit Romantik? "Mit Dir wäre ich am liebsten in der Zelle. Wollen wir uns aneinanderketten?"

"War das jetzt ein missglückter Heiratsantrag?"

"Ich versuch's noch mal. Wollen wir die Zeit auf Erden gemeinsam absitzen?"

Viktor fungierte als mein Souffleur: "Ein Ring, sie zu knechten, sie ewig zu binden." Das war noch nicht ganz perfekt. Entsprechend verunsichert sah Briana aus.

"Du bist ein mieser Souffleur!", sagte ich zu Viktor.

"Das bringt doch nichts, ihn abzukanzeln."

"Doch, das ist mein Job. Ein knallharter Job. Ihr würdet nicht einen Tag durchhalten als Sexroboter."

Ich war versucht, zu sagen: "Topp, die Wette gilt!", aber mein Gehirn war damit beschäftigt, den Heiratsantrag so zu formulieren, dass es nicht klang wie von einem Vollhonk.

Viktor steigerte sich da rein: "Es ist unglaublich – ich kann fast jeden Satz mit Erotik aufladen ..."

Ich erinnerte ihn daran, dass Schweigen Gold sei – und schaltete ihn aus. Schon lästig, wenn eine überlegene KI einem das Gefühl der Unterlegenheit gibt. Beim Schach ist das noch erträglich – aber auf dem Sex-Gebiet wäre man doch gerne der Champion, der King ... KIs sind ausdauernder, Götter des Erotik-Olymps. Aber es lässt uns recht gleichgültig, wenn sie uns ihre Liebe gestehen. Das haben wir ihnen voraus: Unsere Liebesschwüre haben Wert – selbst wenn die Liebe unerwidert bleibt. Sexroboter können nur liebenswürdig sein, aber nicht liebenswert.

Dennoch schlug Briana vor: "Wir sollten die beiden reparieren lassen. Sie von Zeit zu Zeit aktivieren. Mir schwebt da so eine Ménage-à-quatre vor. Es hat mir heute gefallen, es war lustig. Man entdeckt viel mehr Facetten an sich und dem anderen. Ich fühle mich energiegeladener. Und mein Dirty-Talk-Examen will ich eines Tages ja auch noch schaffen. Die beiden haben mehr erreicht als jeder Paartherapeut erreicht hätte. Es gibt viele Tabus zu brechen; gehen wir es an!"

 

ENDE

 

Impressum

Cover: https://pixabay.com/de/photos/k%c3%bcnstliche-intelligenz-roboter-ai-2167835/
Tag der Veröffentlichung: 03.07.2022

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