Wenn das Gendern die Redewendungen für sich entdeckt hat, wird es vollends kurios. "Auf Schusters Rappen" – "Auf Schusters*ins Rappen". Wobei der Rappe erst mal ungegendert bleibt. Wird er verkraften. "Der Kunde ist König" – "Das Kundy ist KönigIn". Könnte Spaß machen, aber ein bisschen grauslich ist der Sprache zumute. Was hat man mit ihr vor?
Sagt man BürgerIn, Bürger*in, Bürger/in, Bürger/-in, Bürger_in? Apropos sagen: Wie lässt sich das aussprechen? Die KI liest das alles mit. "Student Unterstrich innen" – aber es geht ja auch noch viel eleganter, indem man einfach gewisse Worte meidet, sie ersetzt. Der Bürgersteig geht weg und wird zum Gehweg. Indoktrination der Nation – per Sprach-moralischer Keule. Das ist bürgernah – bzw. serviceorientiert. Aufpassen – der Bürger steckt in vielen Komposita. Bürger*innenmeister*innenkandidat*innen – so ist es korrekt. Manche wollen ums Verrecken nicht mitmachen. Der innere Dichter läuft Amok. Er will sein generisches Maskulinum. 10000 Worte sind betroffen. Alle ausgetauscht, verstümmelt, entstellt. Das geht an den Kern der deutschen Sprache. Aber es gibt keine Verursacher – nur noch verursachende Personen.
Das Deutsche ist ohnehin schon umständlicher als das Englische, jetzt macht man aus eins drei. "Kunde und Kundin" – "Fußgänger und Fußgängerin". Immer an die Frauen denken – als ob Männer das nicht ohnehin ständig täten. Cherchez la femme. Wo soll der Sprachumbau enden? Wer stoppt die Gender-Sprachschänder? Wem ist damit geholfen, wenn man von Mördys und Terroristys spricht? "Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Sprachforscher oder Ihre Sprachforscherin oder Ihren Verstand oder Ihre Verstandin."
Aber es gibt ja das Add-in für Microsoft Word – die "Gender App". Die kreidet einem dann an, wo man noch nicht ganz so woke ist. Wokeness-Nachhilfe. "Jede*r, der*die die Software zum ersten Mal verwendet ..." Das liest sich flüssig, das ist sprachbenutzer*innenfreundlich.
Ein herrenloses Fahrrad gibt es nicht mehr. "Besitzer*innenlos" stünde zur Verfügung. Oder man ersetzt das Binnen-I durch ein Ausrufezeichen. "Leser!nnen" – ganz im Stil der Sängerin P!nk. "Mitarbeiter!nnen, Wähler!nnen" – inklusive Kunstpause oder Glottisschlag. So erlernt man auch gleich das Stottern. Die Neuerungen machen es einem leicht, dass man über sie stolpert. Aber Übung macht den Meister und die Meisterin.
Dschendern in Dschörmeni – willkommen im Sprachdschungel. Der Vater ist jetzt "das Elter" und geht zum Elterschaftstest. Man kann der Sprache auch ein neues grammatisches Geschlecht hinzufügen – das Inklusivum. Bezieht sich auf sämtliche 60 Geschlechter. Da wird an alle gedacht.
Beim De-E-System hört sich das dann so an: "Gib das bitte dern Nachbare deinern Kollegeres."
Beim Dey-E-System: "Dey Lehrere gibt dey Schülere das Buch."
Beim Dier-E-System: "Meinier Klassenlehrere stellt meinerm Nachbare jedien Kollegere meiners Gitarrenlehrere vor." (Quelle: https://geschlechtsneutral.net )
Wenn man wirklich konsequent gendert, wird jeder Text bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Aber vielleicht ist das auch die Absicht dahinter? Frei Schnauze reden – ist nicht. Blöder Wokeness-Maulkorb. Nonstop Nonsens. Dschendersprech erzeugt recht viel Sprachmüll. Manches klingt zunächst wie Satire – man ist erstaunt, dass die das ernst meinen. Ist das eine so heftige Unzufriedenheit mit dem generischen Maskulinum, dass man sich in die Arme einer völlig verrückten Sprache stürzt?
Auf einmal gilt Schach als böses Spiel, weil die weißen Figuren das Privileg haben, jemanden aus ihren Reihen als Ersten in die Schlacht zu schicken. Der Springer ahnt doch schon, was ihm bevorsteht: Er wird gegendert, von nun an ist auch die Rede von Springer*in. Und Läufer*in. Bauernschlau ist keiner mehr. "Bauern*Bäuerinnenschlau" – ist doch auch was. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, bekommt Verstärkung: die Tropfin.
"Dort boxt der Papst im Kettenhemd" – "Dort boxen der Papst und die Päpstin im Kettenhemd" – das zumindest ist eine Bereicherung. Man hätte auch nichts einzuwenden gegen eine Modepäpstin.
Das Partizip kommt zu ganz neuen Ehren ... von den substantivierten Präsenspartizipien gab es bisher nur rund zwei Dutzend. Gemäß Gendersprech heißt es jetzt statt Arbeiter Arbeitende. Studierende lösen die Studenten ab. Alle sind aktiv. "Die Streicher und Bläser der Berliner Philharmoniker gehören weltweit zu den besten" – wird zu: "Die Streichenden und die Blasenden der Berliner Philharmonikerinnen und Philharmoniker gehören ..." Das gehört verboten.
Zuflucht zum Plural, zum Partizip; Ausweichmanöver. Woke sein, hat seinen Preis. Alle mitdenken ... Oder werden am Ende alle ausgeblendet? Die Täter nicht mehr benennen. Passiv-Konstruktionen. Statt Befürworter Zustimmung. Statt Bäcker Bäckerei. Statt Friseur Frisiersalon. Die Menschen aus der Sprache ausblenden. Eine Geister-Sprache. Andere Version des Turmbaus zu Babel: Wir bauen Wort- und Satzungetüme. Die Prägnanz bleibt auf der Strecke. Statt Gastwirt Gastronomiebetriebsleitung. Otto Normalverbraucher bekommt immerhin Ottilie Normalverbraucherin an seine Seite gestellt.
Harry Potter und Hermine sind Zauberkunstschaffende; wenn sie allerdings gegenderte Zaubersprüche anwenden, hat der Gegner sie längst entwaffnet. Das ist so wie beim Showdown mit Colts, wenn man sich die Patronen erst noch kaufen muss im Tante-Emma-Laden bzw. Onkel-Emanuel-Laden. Erst die App anwerfen ... Gender-Mainstreaming ist nicht ganz unkompliziert und nicht ganz ungefährlich. Die Sprache fliegt einem um die Ohren. Aber das Gendern hat seine Fans – bzw. seine in besonderem Maße begeisterten Personen.
Demnächst sagt der Held im Film: "Hände hoch, Ihr Bastard*innen!" Nimmt man ihn noch ernst? Aber er ist woke. "Jede/r, der/m dazu etwas einfällt, schreibt ihre/seine Ideen auf einen Zettel und gibt ihn an ihre/ihren/seine/seinen Nachbarin/Nachbarn weiter" – da fehlen einem die Worte, obwohl da mehr stehen als zuvor. Vereinfacht nicht gerade das Deutschlernen. Aber vielleicht muss man Deutsch erst mal verlernen, um wirklich genderfit zu sein?
Die Endung -er ist nicht von sich aus böse, es gibt ja auch so nette Worte wie Mutter und Schwester. Dennoch haben die Gender-Begeisterten die "er"-Endung auf dem Kieker: Es gibt 10.000 Wörter, die dieses Suffix haben.
"Ein jeder ist seines Glückes Schmied" – das war gestern. "Ein/e jede/r ist ihres/seines Glückes Schmied*in." Da dauert die Schmiederei allerdings etwas länger. In der Genderungsschneiderei wird eben etwas mehr Stoff benötigt.
"Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen." "Es ist noch keine Person mit höherer Fachprüfung vom Himmel gefallen." Zu Meister Adebar gesellt sich Meisterin Adele. "Viele Köche verderben den Brei" – und es werden noch mehr: "Viele Köchinnen und Köche verderben den Brei". Vermutlich, weil sie um den heißen Brei herumreden. "Die Kuh vom Eis holen" – und was ist mit dem Stier? Aber der Stier und die Männer bewegen sich ohnehin auf dünnem Eis.
Es wird sonderbarer: Sonderzeichen weisen uns den Weg. Und über allem strahlt der Genderstern. Oder das Sterny?
ENDE
Tag der Veröffentlichung: 20.06.2021
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