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Pferde

Mein Schaukelpferd wurde einfach

an den Straßenrand gestellt;

auf die ewigen Jagdgründe des Sperrmülls.

Immerhin erbarmte sich ein Autofahrer

und nahm es für seinen Sohn mit.

Auch das Münz-Ross vor dem Supermarkt

war sehr beliebt.

Oder die Karussell-Pferde.

Im Grunde eine langweilige Strecke.

Ein bisschen bedauert habe ich die Pferde,

die immer im Kreis rungeführt wurden,

damit Kinder darauf reiten konnten.

Ein arrangiertes Abenteuer.

 

Jedes Fantasy-Buch braucht Pferde –

als die Autos noch nichts zu melden hatten.

Elfen auf 'ner Harley-Davidson?

Das Trojanische Pferd

wirkt einfach glaubwürdiger

als der Trojanische Biber,

strahlt mehr Seriosität aus.

 

Das Pferd darf beim Schach mitspielen;

das ist kein echtes Pferderennen,

dafür stehen zu viele Figuren im Weg.

Sonderbarer Parcours.

Über Bauern springen –

und der König schickt einen immer wieder

auf neue Missionen.

 

Reiter werden immer gebraucht –

besonders die Prinzipienreiterei

scheint für das Bestehen des Staates unentbehrlich.

Märchen-Prinzen gewinnen an Glaubwürdigkeit

durch ein klasse Pferd.

Ein Schaukelpferd beeindruckt da keinen.

Selbst ein Pferd mit Münzeinwurf

hätte Cinderella nicht wirklich überzeugt.

 

Echte Pferde haben aber den Nachteil,

dass man über gewisse Grundfähigkeiten

beim Reiten verfügen sollte,

anderenfalls geht das Pferd

seinem Tagwerk nach, ohne sich weiter

um den oben anwesenden Reiter zu kümmern.

Man wird schlichtweg ignoriert.

Da machen sich die fehlenden

Schaukelpferd-Lektionen bemerkbar.

Und die Karussell-Pferde kannten ihren Weg,

man brauchte ihnen kaum Anweisungen zu geben.

 

Das rechte Marlboro-Gefühl

will sich so nicht einstellen,

man rutscht unentschlossen

auf dem Pferd hin und her.

Es befinden sich hier

auch keine Schalter oder Hebel.

Wo sind beim Pferd die Armaturen?

Aber Ritter Sport essen.

Im Vorgefühl weltbewegender Missionen

mit diesem 1-PS-Kameraden.

 

Vergleichsweise harmlos

wirkt da das Pferd in der Turnhalle:

anständige Griffe –

erträgt es geduldig die Fitnessbemühungen.

Es interessiert sich nicht für Grasbüschel,

es bleibt voll konzentriert.

 

Reiten ist eigentlich ein seltsames Steckenpferd –

es besteht überhaupt kein Grund dafür.

Man ist motorisiert, man reitet ins Gestern,

man will es anachronistisch.

Selbst das Pferd findet,

dass es bessere Hobbys gibt,

als sich das Kreuz

mit seltsamen Personen zu belasten.

Was wollen die da?

Nicht mal ein Fernseher steht im Stall.

Man steht sich die Beine in den Bauch.

Während Pegasus draußen seine Runden fliegt.

Ihn nennt keiner 'Hafermotor'.

Nein, Reiten ist kein tragfähiges Konzept.

 

Die apokalyptischen Reiter

sähen auf putzigen Eichhörnchen

nicht wirklich imposant aus.

Ein Pferd ist ein Prestigegewinn.

Hannibal hat versucht,

das mit Elefanten zu toppen –

aber sie sind in etwa so wendig

wie eine Schildkröte,

die gerade ihre Schlaftabletten genommen hat.

Mit der könnte man allerdings bedenkenlos

im Porzellanladen einkaufen.

Pferde sind jedenfalls häufiger

in Bars anzutreffen,

wenn man den Witzen Glauben schenken darf.

 

Ein Pferd säße gewiss auch mal gerne

in einer Kutsche.

Oder es würde beim Pferderennen

gerne mal auf sich selbst wetten.

Pferdewetten von Pferden

werden nicht angenommen.

Sie gelten als zu gut informiert –

haben angeblich Insider-Wissen.

 

Flugverbot für Hexen:

Das Reiten auf dem Besen gefährde angeblich

die holde Eintracht des Staates –

die Luftverkehrs-Ordnung hat das bereits

im Mittelalter unterbunden.

Keine Fluglizenzen für Hexen.

Vielleicht satteln sie deshalb

alle um auf Pferde?

Pferde sind Besen

auch beim Traben und Galoppieren überlegen.

Es ist auch nicht sicher,

ob sich Besen an der Longe führen lassen.

 

Manchmal glauben die Pferde,

dass sie der Teufel reitet –

besonders beim Rodeo würden sie gerne etwas

in der Art von 'Hoppe hoppe Reiter' singen:

"Wenn er fällt, dann schreit er."

Kann man so ein Lied Kindern überhaupt zumuten?

"Fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben."

Das ist schon recht brutal.

Kein Wunder, dass die Kinder

eine gewisse Scheu vor Pferden entwickeln.

Dem Schaukelpferd misstraut man von Anfang an;

dann wird die Schaukelpferd-Ausbildung

jählings unterbrochen,

man hat sich inzwischen

mit dem Schaukelpferd angefreundet –

und jetzt steht es da samt Zaumzeug

auf der Straße und wiehert leise vor sich hin.

Traumatische Ereignisse ...

 

So verabschiedet man sich nach und nach

von den besten Freunden aus jeder Lebensphase.

Das Leben ist zwar kein Ponyhof,

aber manchmal ist es ein Pferderennen,

bei dem man aufs richtige Pferd gesetzt hat.

 

ENDE

 

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Impressum

Cover: Phil Humor
Tag der Veröffentlichung: 10.09.2020

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