20 Drabbles:
Grauschleier
Rotkäppchen
Salat
Glück
Montagsmaler
Verdienstvolle Maus
Austauschprogramm
Katze
Unwetter-Prüfung
Assistent bei Herkules
Aufgeweckt
Band und Bike
Scheunenfund
Bon Voyage
Die Bremer Stadtmusikanten
Komödiant
Freudenbecher & Co.
Küchenmeister
Opti-Mist
Sparkurs
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Weißer Riese wirkt unglücklich. Was fehlt ihm denn? "Ach, ich weiß nicht. Ich werd diesen Grauschleier nicht los. Früher war ich schneeweiß. Aber ohne Gelbstich." Ich biete ihm ein Weißbier an. "Das habe ich mir nicht verdient! Ich habe, glaube ich, zu viel Fifty Shades of Grey gelesen. Das färbt ab. Weiß der Geier! Ich bin nicht mal ein Weißer Zwerg. Mein Stern ist erloschen. Ich will in keine Waschmaschine mehr rein. Mir geht es dreckig." Was soll man tun, wenn ein Waschmittel nölt? "Sei doch nicht so ein Schwarzmaler." Ups, völlig verkehrter Ansatz. Er guckt dumm aus der Wäsche.
Rotkäppchen besäuft sich im Wald mit dem Wolf. "War eine klasse Idee, die Buddel selbst auszusaufen. Alkohol ist für Gruftis gar nicht gut. Wir tun ihr einen Gefallen." Der Wolf pflichtet ihr bei. "Du musst noch Blumen pflücken. Ausreden sind immer gut." "Sterntaler hat Karriere gemacht mit selbstlosem Verhalten. Sollte ich ihrem Beispiel folgen? Karma – das große Payback-System des Universums." Der Wolf hilft ihr beim Blumen-Pflücken. "Also von mir kriegst Du fünf Sterne. Ich finde Dich cool", sagt der Wolf zu ihr, als sie ihm ihre rote Kappe aufsetzt. "Die Schuld nimmst Du auf Deine Kappe", meint sie zu ihm.
Immer dasselbe: Im Supermarkt will der Blattsalat wissen, warum ich ihn wieder geflissentlich ignoriere. "Ihr seht aus wie Grünalgen." "Frechheit!" Die Salate toben. Wollen jetzt mit Gewalt in den Einkaufswagen. Ich lass sie nicht. Die Pizza gibt mir recht. "Ist das eine Geschmackssache?", will ein Kopfsalat wissen. Er wirkt recht vorlaut. Die Schokoriegel stemmen ihn wieder aus dem Wagen. Territorium behaupten. "Kämpft das unter Euch aus", sage ich und bediene mich bei den Kostproben an der Käse-Theke. Es stellt sich heraus, dass das gar keine Kostproben sind; ich soll dafür bezahlen. "Jetzt hast Du den Salat", sagt der Eisbergsalat kühl.
Ich habe meinen Lottoschein ausgefüllt – Glücksschweinchen und vierblättriges Kleeblatt lege ich drumherum. Das übliche Ritual. Fehlt noch der Schornsteinfeger. Ich bin nicht abergläubisch, aber Fortuna soll angeblich diese kleinen Gesten zu schätzen wissen. Dem Glück auf die Sprünge helfen. Allerdings enteilt der Schornsteinfeger – und das Glücksschweinchen benimmt sich auch äußerst renitent. Man muss das Glück beim Schopf packen – der Schornsteinfeger hält sich da eher bedeckt, ich erwische dennoch eine Locke. Schwarze Katze von rechts – ich habe vorgesorgt: Der Panther aus dem Zoo müsste es voll bringen. Eine Leihgabe. Er missachtet die Anweisungen, frisst das Glücksschweinchen. Wie soll da was glücken?
'Montagsmaler' als Maltechnik. So wie beim Montagsauto. Die Konzentration mal einen Gang runterschalten. Unkoordiniert ans Werk gehen. Der Zufall wird's schon richten. Kommt der Egal-Mentalität zugute. Nicht Erfolgs-orientiert; neben der Spur. Soll der Fokus machen, was er will; man ist sowas von unfokussiert. Fokus-Hokuspokus betreiben. Dem Augenblick was malen, ihn porträtieren. Er sitzt gerne Modell. Die Unkonzentriertheit üben; nicht, dass man wie ein Sonntagsfahrer aufgrund mangelnder Praxis unangenehm auffällt. Das Fehlerhafte provozieren, soll es zeigen, was es kann. Sich nicht vor den Fehlern verstecken, sondern sie einladen. Froh zu sein, bedarf es wenig – und wer froh ist, ist ein Malerfürst.
Sie kam als Maus nie wirklich von der Stelle; sie hatte ihren Stammplatz. Oft gab's irgendwelche Katzen-Videos; aber es gab auch viel Käse. Sie wurde oft gedrückt; das musste irgendeine Bedeutung haben. Aber sie kam nie dahinter. War das ein seltsames Experiment? Sie brauchte nicht viel, war genügsam. Sie hielt Kontakt, das hatte man ihr aufgetragen. Sie war so etwas wie ein Kurier. Hochwichtig. Oft war Präzisionsarbeit von ihr verlangt. Sie musste sich konzentrieren, bei der Sache sein. Alles in allem war sie sehr zuverlässig; aber man beachtete sie kaum. Sie war ein Gebrauchsgegenstand; eine Funkmaus mit einem tollen Mauspad.
Ich kann mich natürlich nicht mit Lassie, Pluto, Snoopy, Scooby-Doo vergleichen; ich habe nicht ihre Wesensart. Das Fröhliche ist bei meinem Arbeitsplatz nicht so gern gesehen; grimmig ausschauen. Als wenn ich vorhabe, aus ihnen gleich einen Hotdog zu machen. Die Temperaturen sind hier bei uns gewöhnungsbedürftig; manche schreckt es auch ab, dass die Zahl meiner Köpfe nicht genau 1 ist. Diese Pedanten. Dabei haben drei Köpfe ihre Vorteile – die Selbstgespräche sind interessanter. Meine Höllenwut lässt nach, das ist nicht gut; sie werden mich vermutlich bald ersetzen. Aber ob Snoopy den Höllenhund Kerberos ersetzen kann? Austauschprogramm – und ich bei den Peanuts?
Ich bin sehr fürs Bestrafen. Ich kann direkt zum Raubtier werden. Eine Katze, der man nicht auf den Schwanz treten sollte. Zumal ich davon neun habe. Ja, Ihr habt richtig gehört. Sich damit nicht zu verzetteln, wenn es gilt, einen Denkzettel zu erteilen. Neunschwänzigkeit verschafft eine ganz neue Zufriedenheit – leistungsstärker. Züchtigen – aber ohne jegliche pädagogische Absicht. Gern auch im Sadomaso-Bereich gesehen. Eine Peitsche mit allen Extras. Nur einen Katzensprung entfernt: Gleich das beigefügte Bestellformular ausfüllen und eine herrliche neunschwänzige Katze gibt Dir die Möglichkeit, Dich als Pirat zu fühlen – bei Deinem Chef, Deinen Nachbarn. Bring mehr Schwung in Dein Leben!
Heute ist Unwetter-Prüfung. Der Olymp vergibt jedes Jahr einige Volontariats-Stellen. Zeus ist nicht der beste Ausbilder. Meist ist er auswärts. Er nennt es das Hera-Alternativ-Programm. Danach gibt's dann immer ein Donnerwetter von Hera für ihn – was ganz Exklusives. Ich bestehe meine Prüfung vermutlich mit Ach und Krach, denn meine Blitze verheddern sich meist. Ich versuche neue Blitz-Designs: Rhomben, Kreise. Einige Blitze kehren leider zum Ursprung zurück. Aphrodite stehen die Haare zu Berge. Es gießt in Strömen – diesmal aufwärts – bin am Rumprobieren. "Wasserohrbruch auf dem Olymp", notiert sich Hermes. Es hagelt Proteste. Konfetti werden sie für mich wohl nicht schneien lassen.
Ich helfe Herkules bei seinen Aufgaben. Eigentlich will er meine Hilfe nicht. Aber ablehnen kann er nicht: Ich habe das bei einem Preisausschreiben des Olymps gewonnen. Der Stier jagt uns jetzt schon eine ganze Weile. Ich bin an sich nicht so der Stierkämpfer; ich mache die Buchhaltung für Dionysos. Als Alkoholiker sind ihm Zahlen nicht ganz geheuer – sie tanzen vor ihm, erlauben sich Zahlendreher. Herkules bittet mich inständig, ihm nicht weiter zu assistieren. Aber ich habe bereits die Nummer der apokalyptischen Reiter gewählt: ihre Hotline für Notfälle. Plötzlich geht Herkules auf mich los. "Assistenten sind für mich ein rotes Tuch!"
Ich versuche, Dornröschen mit meinem Schlagzeug zu wecken. Man könnte sie auch küssen, aber als schwuler Prinz bevorzuge ich die Schlagzeug-Methode. Das halbe Schloss ist wach – aber mehr so im Zombie-Zustand. Schlafwandler, die sich die Ohren zuhalten. Ganz schöner Krach. Ich singe Schlager. Bei "Atemlos durch die Nacht" schlägt sie plötzlich die Augen auf. "Habe ich 100 Jahre geschlafen?" "Nein, 1000 Jahre. Aber mittlerweile haben schon Dutzende von Prinzen und anderen Männern versucht, Dich wachzuküssen." "Buähh!", ruft sie und wischt sich über den Lippenstift-verschmierten Mund. "Bin ich eine Liebespuppe, oder was?" "Es gibt Schlager, mit denen kann man Tote aufwecken."
Mein Vater wollte immer eine Band haben. Also hat er mich "Band" genannt. Mein Bruder bekam den Namen "Bike". Hat er vermutlich von Heinz Erhardt: Die Tochter "Mauritius" nennen, hoffen, dass sie sich volllaufen lässt, dann hat er endlich seine Blaue Mauritius. Zum Glück hat sich mein Vater nie ein Pferd gewünscht. "Schimmel" als Vorname? Ich werde meine Tochter "Yacht" nennen. Es gibt Traditionen, die sollte man bewahren. Vor allem, weil die Realität nachzieht: Mein Vater hat mittlerweile eine echte Band und ein tolles Bike. Nomen est omen. Meine zweite Tochter werde ich "Château" nennen. Ein Schloss wär nicht schlecht.
Manchmal fühlt man sich wie ein Scheunenfund – nicht im besten Zustand, aber irgendwie wertvoll. Man hat die Zeit einfach passieren lassen. Man verließ das Gebiet des Youngtimers, siedelte über zu den Oldtimern, die einen aber aufgrund der geringen Laufleistung gar nicht als einen der ihren akzeptieren. "Da müsste mal was gemacht werden", kriegt man zu hören. Dennoch ist man mehr wert als vor Jahrzehnten. Die Zeit futtert wie ein Scheunendrescher, aber Scheunenfunde übersieht sie wohl. Man wird zur Rarität, zum Unikat – die Chance für Allerwelts-Ware. Gelegentlich hört man auch, man sei ein Unikum. Dann will man zurück in seine Scheune.
Sich mit Drogen auf die Reise schicken; man reist nicht immer 1. Klasse. Die Halluzinationen stellen sich als gute Reisegesellschaft heraus; man kennt sich. Einige sehen aus, als wären sie direkt dem Zerrspiegel entstiegen. Einige Loopings mit der Assoziations-Achterbahn. Übelkeit wird ganz neu definiert. Es heißt, wenn man reist, nimmt man sich immer mit – aber diese Versionen des Ichs sind einem neu; man wurde sich noch gar nicht vorgestellt. Lauter Alter Egos – alles Verwandte des Ichs – die müssen aus Parallel-Universen stammen. Trifft man auch sein Ideal-Ich? Was wird man zu hören kriegen? Vorwürfe, Ermunterungen? Vermutlich nur ein Kopfschütteln als Antwort.
Die Bremer Stadtmusikanten beließen es nicht bei einem erbeuteten Haus. Sie stiegen ganz groß ein in die Hausbesetzer-Szene. Sie vermieteten das beispielsweise an die drei kleinen Schweinchen und andere Unterprivilegierte. Für Rapunzel organisierten sie einen Elfenbeinturm. Sie nahmen sogar Gesangs-Unterricht, machten ihr Jodel-Diplom, sodass die Musik-Produzenten ganz aus dem Häuschen waren. Von Ali Baba lernten sie, wie man sogar mit 40 Räubern klarkommt. Die Katze konnte sich Whiskas und Whiskey kaufen. Der Hahn bevorzugte Korn und Cocktails. Der Esel schlürfte seinen Sundowner. Der Hund sang: "Nach sieben Gin bin ich auch noch nicht hin." Er ging aber vor die Hunde.
Man führt – meist unfreiwillig – eine Klamotte auf; nur weil einem die Alternative, die Tragödie, noch weniger zusagt. Unklar ist, ob das Universum sich als Komödiant begreift. Aber es fehlt vor allem an Zuschauern. "Das mit den Planeten ist echt ein Trauerspiel", beklagt sich das Universum, "ich spiele vor leeren Rängen." Es sind jede Menge Stars und Starlets in der Aufführung. Im Anfang war das Wort. Dann ergab ein Wort das andere. Dem Publikum gewährt man keinen Blick hinter die Kulissen. Die Sterne lassen sich gerne deuten. Die Fantasie darf Sternbild-Bildhauer sein. Das Stück heißt: "Viel Lärm um das Nichts". Applaus?
Warum immer nur der Freudenbecher? Wie wäre es mit dem dazugehörigen Service? Den Freudenteller beispielsweise erhalten Sie schon für 1000 EUR. Sie können Ihr Glück kaum fassen? Dann hätte ich da den Freudeneimer für sie. Da passt jede Menge rein. Wenn Ihr Glück erst mal im Eimer ist, werden Sie wissen, was für ein Glückspilz sie waren. Bewusstwerdung. Die einfachen Dinge erklären es Ihnen – sie sind sich dafür nicht zu schade. Man muss nicht im Freudenhaus sein, um Freudensprünge zu machen. Manche behaupten, dass der Becher des Leidens und der Freudenbecher identisch seien. Aber wer gibt schon was auf Gerüchte?
Suche Job. Man stellt mich ungern als Küchenmeister ein. Ich koche ganz leidlich. Reste-Essen sind meine Spezialität. Ich zaubere was; ein MacGyver des Kühlschranks. Ich habe reichlich von dem Material, das erfinderisch macht: Not. Manche nennen's diäten, ich bevorzuge den Ausdruck 'Kohldampf schieben'. Ich bin in gewissem Sinne auch der Hansdampf, aber im Allgemeinen nennt man mich Schmalhans. Ich würde gerne mal in Luxus-Restaurants arbeiten; ein Traum von mir. Hans im Glück ist ein Kollege von mir – aber der frohlockt, wenn ihm etwas abhandengekommen ist. Seltsamer Typ. Meist bin ich blank – bin aber nicht zu verwechseln mit dem Blanken Hans.
Ich leide an Optimismus. Wann hat es mich erwischt? Ich habe ein zu großes Maß an Zuversicht. Bedenken lasse ich beiseite wischen. Der rosarote Panther ist mein Krafttier. Ich strahle so viel Zuversicht aus, dass die Muffel meiner Umgebung mutieren. Keepsmiling als ernstzunehmende Waffe. Die Wirklichkeit tritt den Rückzug an; sie gibt sich einer phänomenalen Zukunft geschlagen. Ich stecke die Nation an mit völlig ungerechtfertigtem Fortschrittsoptimismus. Die Armeen der Freude beziehen Quartier. Die Armeen der Finsternis wurden verstrahlt mit einer Überdosis Frohmut. Spaßvögel überziehen das Land. Überall findet sich jetzt dieser Opti-Mist. Lachmuskelkater. Wegen Lachkrämpfen bin ich erst mal krankgeschrieben.
Wieso habe ich diese Karriere gewählt? Am Ende ist man kaputt. Da zählen nur noch die inneren Werte? Man hat in mich investiert. Als ob ich ein Garant bin für Zahlungsfähigkeit; als ob ich mit der Zukunft was zu schaffen hätte. Mir macht dies Lied Angst: " Und dann hau' ich mit dem Hämmerchen mein Sparschwein – kaputt!" Ich hätte Wetterhahn werden sollen – aber alle in meiner Familie wurden Sparschweine. Hätte ich mir sparen können. Geld macht einen nicht glücklich. Entsetzlich, zugeben zu müssen, dass Deine inneren Werte tatsächlich nicht mehr vorhanden sind, wenn man alles Monetäre abzieht: eine hohle Existenz.
Cover: https://pixabay.com/de/vectors/katze-k%C3%A4tzchen-sch%C3%B6n-schlecht-156520/
Tag der Veröffentlichung: 10.05.2020
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