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Interview mit Hephaistos und Pandora

Moderator: "Bei uns zu Gast im Studio: Hephaistos – Schmied, Gott, Demiurg ... Was steht in Deinem Personalausweis?"

 

Hephaistos: "Zunächst einmal bin ich über die Deko erfreut: ein Vulkan mit echter Lava. Wow! Ja, später nannte ich mich ja auch Vulcanus. Vulkane haben in meinem Leben immer eine große Rolle gespielt. Bei ihnen fühle ich mich wohl."

 

Moderator: "Du bist ja ein gefallener Gott. Deine Mutter Hera ließ Dich einfach vom Olymp purzeln. Hast Du ihr das je verziehen? Aussortiert, ausgemustert, verstoßen ... Eine interessante Ausgangs-Konstellation."

 

Hephaistos: "Ja, war nicht einfach, damit klarzukommen. Wollte ich zurück zu Zeus & Co.? Sie beeindrucken durch meine Schmiedekunst. Aber man bleibt Demiurg – ein Handwerker, kein Künstler. Auch wenn ich jede Menge Magie in die Gebrauchsgegenstände hineingehämmert habe – es verließ nie die Ebene des Banalen."

 

Moderator: "Es heißt doch: 'Handwerk hat goldenen Boden'; so richtig glücklich wirkst Du nicht."

 

Hephaistos: "Sogar das Zepter und die Ersatz-Donnerkeile für Zeus habe ich gemacht – aber von mir stammt auch die Kette, mit der Prometheus an den Kaukasus gefesselt wurde. Ich habe jeden Auftrag angenommen, nichts hinterfragt, ich wollte ihre Anerkennung. Erschuf für sie sogar Pandora – wobei ich auf sie besonders stolz bin. Ein bisschen Lehm – Magie hinzufügen. Sich begeistern können für das, was man da erschaffen hat, weil es alles an Schönheit übertrifft; vollendete Form. Der Gestaltungswille – da kann der Demiurg nicht widerstehen, dieser Auftrag verlangt ihm alles ab. Und die olympischen Götter beschenken sie mit vorzüglichen Eigenschaften: Sie ist die Beschenkte, die Unvergleichliches schenken könnte – dennoch war Pandora der Anfang vom Ende. Eine List der Götter, ein Trick, um die Menschen auszubremsen, ihnen den Schwung zu nehmen. Kein Scheusal, kein Ungeheuer – sondern die Lieblichkeit in Person ... Die nicht mal selber ahnt, wie unheilvoll sie ist. Sie braucht nicht zu schauspielern, sie ist lediglich ein Werkzeug. So wie ich auch ein Werkzeug bin – auch wenn ich von mir behaupte, dass ich der Schmied sei, der Macher. Wir werden alle nur benutzt von der jeweils höheren Ebene. Wir durchschauen das gar nicht. Zu sehr damit beschäftigt, Lob und Lorbeeren zu erlangen – für sehr fragwürdige Siege. Meine Frau Aphrodite hat mich betrogen – mit Ares; dessen Rüstung habe ich gemacht. Will man der Betrogene sein? Man müsste sich Glück schmieden können. Aber so direkt geht das nicht. Man versucht es immer über den Umweg des Lobes, der Anerkennung ... Und schmiedet laufend Sachen, die einen selbst an den Felsen des Kaukasus fesseln ... Ich meine, so bildlich gesprochen. Wie lange zieht die Moral da mit? Was soll man seinem Gewissen erzählen, wenn es fragt, wenn es sich wieder mal erkundigt? Die Ausreden wiederholen? Vermutlich hatte Hera recht, als sie mich vom Olymp fallen ließ. Das war keine Hoppla-Aktion. Götter wissen, was sie tun. Und es liegt kein Segen darin, sich an sein Leben zu klammern ... Aber dann hätte Menschheit von vornherein keine Chance gehabt – Prometheus hat sich für sie eingesetzt. Götter und Menschen passen einfach nicht zusammen. Zeus spielt mit ihnen, es amüsiert ihn; aber sie sind für ihn nicht mehr als Spielzeug. Okay, ich bin verbittert, hatte mir weitaus mehr erhofft von meiner Schmiedekunst. Ein Bündnis mit den Vulkanen, ihr Bündnisgenosse. Von ihnen stammt meine eigentliche Magie. Ihre Stärke versuche ich abzubilden in meinen Werken. Sie sind mein Vorbild, meine Inspiration. Eine seltsame Muse. Nimm die Aigis – ein ganz besonderer Schutzschild. Ich habe ihn dabei. Sieht aus wie ein goldenes Ziegenfell. Er kann Blitz und Donner erzeugen. Aber selbst das hat Athene nicht beeindruckt; ich blieb bei ihr immer in der Freundschaftszone."

 

Der Moderator schüttelt die Aigis ein wenig. Das Studio bebt. Und es wird dunkel.

 

Hephaistos: "Eigentlich ganz praktisch und ganz pfiffig. Schützt perfekt – selbst Zeus' Blitzen vermag es standzuhalten."

 

Als das Licht wieder angeht, sitzt Pandora neben ihnen.

 

Moderator: "Gelungener Auftritt. Man könnte denken, wir hätten das geprobt. Haben wir tatsächlich."

 

Pandora: "Ich habe hier eine Büchse mitgebracht."

 

Sie stellt eine Schachtel auf den Tisch.

 

Moderator: "Was mag da wohl drin sein? Epimetheus ist es ja nicht gut ergangen, als er Dein Geschenk geöffnet hat. Stichwort: 'Büchse der Pandora' – allerlei Unheiliges und Gefährliches war da angeblich drin. Was ist dran an den Gerüchten? War es eine Box, eine Kiste?"

 

Sie macht die Schachtel auf. Darin sind Pralinen.

 

Pandora: "Epimetheus war schrecklich einfältig. Den konnte ich um den Finger wickeln. Ein Naivling."

 

Sie rekelt sich auf dem Vulkan.

 

Pandora: "Ich bin so heiß wie ein Vulkan. Gemacht, um zu schaden. Aber aus Schaden wird man klug."

 

Moderator: "Machst Du es Dir da nicht ein bisschen zu einfach? Schuld auf Dich geladen – Menschen vernichtet ... Da kommt doch was zusammen."

 

Pandora: "Und, soll ich jetzt rumheulen? Menschen kommen und gehen ..."

 

Moderator: "Hephaistos ist ja so etwas wie ein Vater für Dich. Was ist das für ein Gefühl, aus Lehm gemacht zu sein?"

 

Pandora: "Ich habe lehmgelbes Haar. Hätte ich mittlerweile tönen können. Aber Ihr seid wie die Lemminge. Untergangs-Fanatiker. Da hilft man doch gern ein bisschen nach. – Inmitten einer rätselhaften Welt habt Ihr nichts Besseres zu tun, als aufeinander loszugehen. Interessiert Euch die Meta-Ebene überhaupt nicht? Ihr steckt in einer irren Show, das Universum ist voll crazy, aber Ihr amüsiert Euch mit Kriegen – und gebt dann den verführerischen Frauen die Schuld an Eurem Elend. Köstlich. Ist es nicht Eva, dann ist es Pandora – Unglücksbringerin, Dämonin. Ihr macht es Euch zu einfach; das Unglück steckt nicht in irgendeiner Box; es steckt in Euch drin! Aber Ihr weigert Euch, nachzuschauen. Selbsterkenntnis würde auch beinhalten, dass man die üblichen Ausflüchte und Deckmäntelchen beiseitelässt."

 

Moderator: "Wozu Introspektion – wenn sich so viel Erfreuliches vor einem breitmacht? Du bist sehr attraktiv. Was ist mit der Hoffnung, warum blieb die zunächst in dem Gefäß zurück? Ist Hoffnung nützlich oder ist sie ein Übel?"

 

Pandora tanzt auf dem Vulkan. Sie wirft dem Moderator Pralinen zu.

 

Pandora: "Sind Pralinen ein Übel? Vielleicht kommt es auf die Menge an? Hephaistos hatte immer die Hoffnung, dass die anderen Götter ihn als ihresgleichen ansehen würden. Er gehorchte brav. Aber ein Hund zu sein, verschafft einem nicht viel Ehre, wenn Du Dich einem Rudel Wölfe anschließen willst. Und Ihr wart schon immer Schäfchen, die von einem Hirten träumen, der es gut mit ihnen meint. Und immer wieder trefft Ihr auf die Wölfe. Epimetheus ist zumindest ein Titan – und wenn Ihr meinem Mythos Glauben schenken wollt, so stammt Ihr alle von Titanen ab – von Prometheus und Epimetheus habt Ihr viel in Euch. Nur Ihre beiden Kinder Deukalion und Pyrrha überlebten die Flut. Und Pyrrha ist meine Tochter – in Euch stecken also auch sämtliche Gaben, die mir die Götter gaben – macht es Euch bewusst. Selbstbewusstsein als olympische Disziplin. Ihr könnt mich verdammen – oder aber Ihr seid stolz auf mich."

 

Moderator: "Das mit der Sintflut ist schon sehr verwirrend – mal ist es Noah, dann Utnapischtim oder Deukalion. Stammväter, Stammmütter – man blickt da kaum noch durch. Hephaistos, wie war das für Dich, als Du Aphrodite und Ares überrascht hast? Es gab damals ein Homerisches Gelächter – die Götter amüsierten sich, wie die beiden in einem Netz zappelten, das Du angefertigt hast: Man sagt, Du hast es aus Blitzen geschmiedet – unzerstörbar. War es Triumph, Eingeständnis, dass Ares der weitaus bessere Liebhaber ist?"

 

Hephaistos schleudert einige Donnerkeile durchs Studio.

 

Hephaistos: "Sind nur Miniatur-Versionen. Zimmer-Versionen. Völlig harmlos. Aphrodite hat mich ständig betrogen. Gewöhnt man sich daran? Man setzt sich mit den Mitteln zur Wehr, die man in seiner Talente-Kammer vorfindet. Aber galt das Homerische Lachen mir? Vermutlich haben sie mich ausgelacht, wegen meiner Ambitionen. Eine Frau wie Aphrodite lässt sich mit einem lahmen Schmied ein – ja klar; wie soll das Bestand haben? Das hat ja nicht mal in meiner Fantasie Bestand – in der Realität wird dieser Traum zersetzt vom Rost des Zweifels. Vielleicht hätte Vesta besser zu mir gepasst? Sie hütet das Herdfeuer – sie ist wie das Gretchen bei Faust. Aber wann entscheidet man sich schon für das Biedere? Man will die Helena-Version, man fordert es heraus; obwohl da jede Menge Konkurrenten sind. Am Ende ist man gefangen in seinem Netz der unerreichbaren Ziele. Selbstbeschränkung. Aber damit hätte ich unmöglich all die Requisiten für die Götter erschaffen können. Komme mir vor wie Q bei James Bond – eine Trickkiste parat – fast so wie Pandora. Beherrscht man die Magie – oder will man sich von ihr beherrschen lassen? Vielleicht unterscheidet das den Demiurg und den Künstler – der Künstler überlässt sich voll der Magie, vertraut ihr – während der Demiurg ein Macher ist, er sitzt am Hebel, am Blasebalg, die Magie hat ihm zu Diensten zu sein, sie hat sich ihm unterzuordnen. Ich hatte nie eine Muse. Athene habe ich verehrt – aber meine Qualitäten reichen nicht, um bei ihr eine Gefühls-Chaos anzurichten."

 

Pandora: "Genug lamentiert. Du bist auf Zack. Hast Poseidon den Dreizack geschmiedet und Hades den Zweizack. Der Fähigste der Götter – und derjenige, der am meisten an sich zweifelt. Geht das Hand in Hand – heizt der Selbstzweifel das Feuer des Wunders an? Das wäre in der Tat erwähnenswert: Dann wären all die perfekten Götter zu besonderen Wundern nicht in der Lage? Arroganz verträgt sich nicht gut mit Sagenhaftem? So wie bei Fett und Wasser. Selbstzweifel als Emulgator, als notwendige Ingredienz zu allem wirklich Wunderbaren? Und ich bezeichne mich selbst mal als etwas Wunderbares – erschaffen aus dem bloßen Willen, die Menschen irrezuleiten – mit ihren Sehnsüchten spielen, ihnen eine Vollkommenheit präsentieren, die sie aus ihrem Dasein hinausschleudert. Denn das ist das eigentliche Übel: die tatsächliche, präsente Vollkommenheit. Es sprengt alles Irdische, es kommt sich tönern vor, auf einmal nicht erzgescheit – voller Fehler, ein Ausbund an Unvollkommenheit ... Wie etwas Defektes, ohne Aussicht darauf, dass jemand kommt und es repariert. Konfrontiere die Menschen mit der Perfektion – und es zerstört sie – von innen heraus. Ich habe es erlebt. Ich bin Pandora. Die Götter füllten mich mit ihren Gaben – nicht aus Menschenliebe, sondern aus Bosheit."

 

Hephaistos stopft sich mit Pralinen voll.

 

Hephaistos: "Stress macht mich unglaublich hungrig. Ich hätte mich nicht auf das Interview einlassen sollen. All die Schuldgefühle brodeln nach oben. Ich rufe mir meine Leistungen, Erfolge ins Gedächtnis, lasse sie antreten, sie paradieren ... Aber mein einziger Gedanke ist: Was hält Hera, was hält Zeus davon? Ich hatte Hera einen Thron geschickt, der nahm sie in der Tat gefangen. Recht klug erdacht von mir – Fesseln, die nur ich lösen kann. Heimtücke eines Schmieds – ich ließ sie schweben – aber es brachte keine Befriedigung. Anerkennung ist eine seltsame Ware. Gegen was soll man sie eintauschen, was soll man hergeben dafür? Sogar der Wagen des Helios stammt von mir – dennoch setze ich mir in mein eigenes Zeugnis ein 'Ungenügend'. Wie leicht haben es die Narzissten, die selbstverliebt den Tag verbringen – sie sind sich selbst mehr als genug, sie sind begeistert von sich, applaudieren sich, hauen sich auf die Schulter. Ich bin das Gegenteil – ich stürze noch immer vom Olymp – freier Fall. Etwas in meiner Seele ist zerbrochen bei dem Sturz – und ich kann es nicht reparieren. Die Seele bräuchte so etwas wie die Aigis – ein undurchdringlicher Schutzschild. Das zu schmieden, ist mir noch nicht gelungen."

 

Pandora zieht den Moderator zu sich auf den Vulkan.

 

Pandora: "Es ist nur Deko. Dennoch wäre auch Hephaistos geholfen, wenn er mit Requisiten vorliebnähme – ein wenig schauspielern, fiktive Gespräche mit Hera führen; das hilft. Die Fiktion als erweiterte Realität. Man kann darin das erleben, was die tatsächliche Realität als unangemessen zurückweisen würde."

 

Hephaistos: "Ich habe hier das Netz, mit dem ich Aphrodite und Ares fing. Ein kleiner Triumph – ich hole es gern mal hervor; ein Souvenir. Vielleicht sollte sich jeder seiner 'Büchse der Pandora' stellen? Denn darin eingesperrt ist auch die Hoffnung – inmitten all der Angst – man kommt nicht an sie heran, ohne seine Ängste freizulassen, sie ist so etwas wie der Bodensatz; oder soll ich sagen 'Bodenschätze'?"

 

Er wirft das Netz über den Moderator und Pandora.

 

Moderator: "Gute Gelegenheit für ein Techtelmechtel. Würde jedenfalls die Quoten in die Höhe treiben."

 

Pandora: "Dann sollten wir es tun. Ich bin die leibhaftige Versuchung – ich bin meinem Ruf was schuldig. Die Götter und Göttinnen verliehen mir Übermut, Übermotiviertheit, Überaktivität. Auf dem Feld der Frivolität, heißt es, habe ich schon Beachtliches vollbracht. Du kannst Dich gerne davon überzeugen. Das Netz umschließt uns – es bietet andererseits viele Möglichkeiten. Durch körperliche Nähe kommen sich die Seelen auch viel näher; man umarmt nicht nur den Augenblick, man widmet sich dem Partner mit ungewohnter Intensität; so ein Fangnetz ist fantastisch!"

 

Hephaistos schüttelt zusätzlich die Aigis. Blitze zucken durchs Studio.

 

Moderator: "Sehr stimmungsvoll das Ganze. Würde auch Zeus gefallen. Seine Wandlungsfähigkeit habe ich nicht; aber wer will schon mit einem Schwan oder Stier in die Kiste steigen? Vielleicht sollte man in der Lage sein, das Homerische Gelächter selbst jederzeit anzustimmen? Lachen als Antwort auf die Unlustigkeit des Universums und des Lebens?"

 

Pandora: "Klingt verstörend. Aber das bin ich von Epimetheus gewohnt. Er liebt es, sich über das Vergangene Gedanken zu machen, es immer neu anzuordnen; eine gewisse Vergangenheits-Besessenheit. Während Prometheus' Aufmerksamkeit stets der Zukunft gilt – keiner von den beiden ist im Hier und Jetzt. Ist eigentlich schade, da ich Epimetheus gerne mit Prometheus betrogen hätte. Vielleicht habe ich deshalb eine Vorliebe für die, die die Gegenwart wertschätzen – im Land des Jetzt – ohne Bedenken, Rücksicht – impulsiv, fordernd – auf der Welle des Jetzt reitend – dem Augenblick zur Ekstase verhelfen, dass er sich seiner bewusst wird – und das jemand, der aus Lehm und Feuer gemacht ist, sich halbwegs göttlich vorkommt. Ist das zu viel verlangt? Mehr will ich nicht von meinen Dates."

 

Moderator: "Klingt für mich okay. Die Verführung selber zu umarmen – da sollte man in der Tat den Verstand nicht daran beteiligen – ihn außen vor lassen – sonst kommen da blödsinnige Einwände. Man will unvernünftig sein, man will Pandora eine Chance geben. Man möchte Epimetheus sein, der das Vorrecht genießt, alles erst im Nachhinein bedenken zu müssen – kein Vorausdenkender, niemand, der abwägt. Dazu das Netz des Hephaistos – das Leben kann so einfach sein. Willens sein, sich vom Augenblick gefangen nehmen zu lassen, sich von ihm einwickeln lassen; soll er siegen. Irgendwie ist man damit außerhalb der Zeit – man ist plötzlich ein Mythen-Wesen. Alles wird zum Symbol, erhebt sich ins Metaphern-Reich."

 

Hephaistos: "Ich langweile mich. Wann geht die Befragung weiter? So ein Interview hat was Therapeutisches. Ich würde Dir als Bezahlung was Wertvolles schmieden."

 

Er nimmt das Netz von den beiden.

 

Pandora: "Wir sind beschäftigt. Aphrodite verlieh mir die Gabe der Ausdauer – endless love."

 

Moderator: "Klingt an sich gut; allerdings benötigt die Libido eine Erholungspause. Da kommen ein paar Interview-Fragen gerade recht. – Hephaistos, Du bist auf der Insel Lemnos groß geworden – die beiden Okeaniden-Meeresnymphen Thetis und Eurynome haben sich Deiner angenommen. Ist doch schön, ein Reich zu haben, dem man verbunden ist. Manche Seelen wirken wie ein erloschener Vulkan – Du hingegen wirkst so, als würdest Du ständig Feuer speien; sehr viel Temperament, innere Glut ... Macht das einen Schmied aus, dass er das innere Feuer sucht? Unzufriedenheit könnte da wie ein starker Blasebalg wirken."

 

Hephaistos: "Mag sein. Wirklich begeisterungsfähig bin ich schon lange nicht mehr. Lange her, dass ich dazu beitrug, die Götterwelt mit Wundern auszustatten. Man begnügt sich mit den Erinnerungen – wird zu Epimetheus. Vielleicht leben wir Mythen-Wesen alle zu sehr in der Vergangenheit? Als ob die Gegenwart uns etwas anhaben könnte. Ich müsste moderner sein, mich anpassen, modernes Equipment verwenden – aber ich bin ein Rückwärtsgewandter. Prometheus hat auf Euch gesetzt – er steckt in Euch, sein Talent, seine Begeisterung für das Mögliche, das Machbare. Ein Baumeister, ein Konstrukteur, der Zeus einiges voraus hat – die Fantasie ist mit ihm – und das half ihm dabei, das Leid zu ertragen – in der Vorwegnahme der Ereignisse – er ist kein Kind des Augenblicks, kein Gefangener des Jetzt, er erhebt sich – selbst über die Gebote von Zeus ... Verdient er Strafe, Abmahnung? Verdient er die Ketten, die ich geschmiedet habe? Herakles hat ihn befreit. Ich hätte ihn befreien müssen. Ich, der ich immer aus war auf die Belohnung der Olympischen ... Sich frei zu machen von denen, die man achtet, wertschätzt – um dann wie Frank Sinatra sagen zu können: 'I did it my way.'

 

Pandora zieht den Moderator wieder zu sich.

 

Pandora: "Ich hoffe, der Vulkan ist nicht gänzlich erloschen? Was soll ich machen? Ich liebe Lava."

 

Hephaistos: "Der Gefahr trotzen durch provokante Lässigkeit. Ich war in meinem Leben zu angestrengt, zu bemüht – nur in meinen Werken gelang es mir, ein wenig Distanz zu gewinnen vom Ernst. Ich fühlte mich ihm so verpflichtet – aber als ich Pandora erschuf, da fühlte ich mich frei – als ob der Ernst mir aus der Ferne zuwinkte; auch wenn ich Verderben schuf – es war mir gelungen, Freiheit mit einzubringen in das Werk. Vielleicht spürt Pandora deshalb diese Freude? Sie ist der Tanz auf dem Vulkan, sie ist mein Sinnbild der errungenen Freiheit – und das inmitten einer Götterschar, die alles mit Argusaugen überwacht, begutachtet, gutheißt oder verwirft."

 

Moderator: "Schön, dass wir hier solche Gesprächs-Tiefe erreichen."

 

Pandora: "Ja, ich bin tief bewegt. Aber noch nicht genug. Könnte mal jemand den Moderator anfeuern?!"

 

Hephaistos: "Komme mir vor wie bei einem Porno-Dreh. Andererseits wüsste ich zu gerne, wie ich Athene zu solcher Akrobatik überreden könnte. Was nützt mir Kompatibilität der Gedankenwelt und dass sich unsere Ansichten ähneln, wenn die Körper nicht zueinander finden?"

 

Moderator: "Ich könnte Athene das nächste Mal einladen. Aus dem Interview könntest Du dann mit etwas Geschick ein Date machen. Kein Problem. Profitiere von der Großkotzigkeit der Medienbranche – für uns ist Quote alles, sie ist unsere Göttin. Aber sie will keine Tieropfer, sie will Ideen, Einfälle, Innovation."

 

Hephaistos: "Einer neuen Göttin gefallen – nicht Hera, sondern der Quote. Hat was. Ich wär dabei!"

 

Moderator: "Und hier kommt unsere Nektar-und-Ambrosia-Torte. Und Apfelkuchen – mit den Äpfeln der Hesperiden. Wir wissen, was wir unseren Gästen schuldig sind. Haut rein!"

 

Hephaistos: "Als Bäcker hätte ich Zeus ein Baguette anbieten können als Zepter. Vielleicht ist Schmied zu martialisch?"

 

Pandora: "Und ich wäre irgend so eine Backware. Teigiges Aussehen. Da ist mir ein Schmied lieber. Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Noch bin ich heiß; kann sich aber jede Minute ändern."

 

Moderator: "Dann sollten wir keine Zeit vergeuden. Hammermäßiges Outfit. Soweit ich weiß, stammt das Gewand von Athene. Steht Dir."

 

Pandora: "Die Götter haben zwar alle einen Hammer, aber ich lege Wert auf Präzisions-Arbeit. Oder hämmer den Ball ins Tor."

 

Hephaistos: "Dirty Talk – das könnte auch was für Athene sein. Schreib ich mir auf."

 

Pandora: "Du musst improvisieren. Dann verführst Du selbst die Priesterinnen der Vesta, die keuschen Vestalinnen. Ich bin da sehr zuversichtlich. Vor allem deshalb, weil es mir selbst schon des Öfteren gelungen ist. Jungfräulichkeit ist ein dehnbarer Begriff."

 

Moderator: "Ich muss zugeben, das turnt mich jetzt irgendwie an. Eine Werbe-Unterbrechung wäre vielleicht angebracht."

 

Pandora: "Warum so schüchtern? Ich habe das Elend in die Welt gebracht, dann kann ich doch versuchen, es wiedergutzumachen. Ich habe mir 'Liebe' auf mein Banner geschrieben. Eine ehrenvolle Mission."

 

Moderator: "Zeus würde dem wohl zustimmen. Warum päpstlicher sein als der Papst – und zeuslicher als Zeus? Außerdem macht der Apfelkuchen der Hesperiden irgendwie high – ich gebe meine Einwilligung zu allem."

 

Leider betätigt Hephaistos die Aigis – und das Studio verdunkelt sich. Aber die Geräusche lassen darauf schließen, dass Pandora auf ihre Kosten kommt. Beim Moderator ist man sich nicht so sicher: Man gewinnt den Eindruck, das geht auf Kosten seiner Gesundheit. Er verausgabt sich völlig. Bis zur nächsten Sendung ist er wohl wieder fit.

 

ENDE

 

Impressum

Cover: https://en.wikipedia.org/wiki/Pandora#/media/File:J.D.Batten_Pandora_1913.jpg
Tag der Veröffentlichung: 05.03.2020

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