Wenn ein Haus sich selber bauen könnte – würde es ein Palast sein wollen? Oder lieber ein Baumhaus, Luftschloss, eher im Imaginären angesiedelt oder was Solides, ein Reihenhaus? Mal was Außergewöhnliches – Villa Kunterbunt – hat es den Mut dazu? Welcher Aspekt wäre ihm wichtig? Auffälligkeit, den Regen gut abhalten können? Möchte es mal auf Reisen gehen? Wohnmobil-Gene? Durch die Lande ziehen, andere Häuser besuchen, der Vorgarten kommt selbstverständlich mit; wenn's geht, die beiden Garagen auch; ganz schön sperrig. Yoga-Kurs buchen? Gibt es Yoga-Kurse für Häuser? Oder meditieren Häuser ohnehin zu viel, denken über ihre Nützlichkeit nach – und wie weit sie es gebracht haben seit den Höhlen-Zeiten? Häuser wollen agil aussehen – nicht nur eine Hausnummer sein, sie wollen was bewegen – und sind enttäuscht, wenn sie nur ein Handelsobjekt sind. Von Hause aus sind Häuser Immobilien, sie wollen aber nicht, dass man ihnen geistige Unbeweglichkeit attestiert ... So machen sie sich in Gedanken größer oder kleiner – mal 'ne Hundehütte, dann wieder Bungalow mit Meeresblick. Und auch wenn der Putz bröckelt und sie merken, dass sie mit ihren Kräften Haus halten müssen, hassen sie den Ausdruck 'Immobilie': Es kommt ihnen wie ein Schimpfwort vor, ein Fluch. Die Unbeweglichkeit der Bäume, ewige Standortgebundenheit. Dann die Sorge, dass sie doch ein wenig hausbacken rüberkommen könnten; man hat ja nie viel Wert auf Prunk gelegt – jetzt wären aber so ein paar Gartenzwerge doch ganz hilfreich; oder ginge der Schuss nach hinten los? All die Überlegungen – und der Makler sagt so nette Sachen über einen, man möchte ihm direkt glauben, wenn man es nicht besser wüsste. Der würde auch ein Pfefferkuchenhaus als Spekulatius-Objekt anbieten; oder heißt das Spekulations-Objekt? Hauptsache, die Hausbar macht was her – dann ist man ein sehr fideles Haus. Sich dem Fluss anvertrauen – einmal Hausboot sein, umherschippern, vom Wasser auf Händen getragen. Man ist so unflexibel, öffnet die Fenster gelegentlich zum Gruß. Aber man steht inmitten eines Häusermeers, man kann nicht hochspringen, auf sich aufmerksam machen. Man verständigt sich mit Rauchzeichen aus dem Kamin, gelegentlich steigt der Weihnachtsmann da mal rein oder eines der Rentiere. Aber das ist im Grund eher lästig.
Ein wenig unwohl wird dem Haus, wenn es den Spruch hört "Die Axt im Haus erspart den Zimmermann" – das hört sich doch sehr nach Kleinholz an; es würde gerne den verständigen Fachmann verständigen. "Geht aufs Haus!" Aber man hört ja nicht hin, nimmt Umbaumaßnahmen vor, dem Haus wird angst und bang, es kann nicht flüchten – es hat einfach Angst vor Heimwerkern. "Ohne Betäubung?" Es ruft nach Alexa, man ist ja gut organisiert. Andererseits würde es gerne selber mal im Baumarkt stöbern, was könnte man verbessern, anbauen? 'ne schicke Veranda wäre nicht schlecht. Es kann ja verstehen, dass Heimwerker im Baumarkt aus dem Häuschen sind. Aber viele Häuser deklamieren: "Das Vertrauen ist hin, ich finde meine Ruhe nimmermehr!" Wände verschwinden, tragende Pfeiler brechen zusammen – das Haus altert im Zeitraffer. Ihm ist gar nicht wohl bei der Sache. "Ich seh aus wie eine antike Ruine!" Das Haus ist entsetzt. Alexa spielt beruhigende Musik. Die ist nicht wirklich eine Hilfe. Der Hausrat weiß auch keinen Rat, die Möbel sind in die hinterste Ecke geflüchtet, sie haben Angst vor Tapetenkleister. Der Wasserhahn schlägt Hausmusik vor – Tropfkonzert in e-Moll. Der Ofen will vergoldet werden. "Eigener Herd ist Goldes wert", lautet sein Argument. Man guckt erst mal Dr. House. Was sind die Lieblingsserien der Häuser? Selbst für Haustiere wird selten mal was produziert – dabei wären Serien für Hunde, Katzen, Pferde sicherlich von Nutzen.
Ein Haus ist mehr als ein Dach überm Kopf – gelegentlich sollte man mal nachschauen, wie es so drauf ist; an welchen Träumen zimmert es? Dann ist eventuell jedes Haus ein Traumhaus.
ENDE
Tag der Veröffentlichung: 19.12.2019
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