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Wunderpillen im Angebot

Wenn das Universum einen guten Tag hat, jedem steht ein Wunsch frei, dann wünscht man sich so banale Dinge wie "Kostenlos shoppen". Ja, so was will überlegt sein, sich vorher Gedanken darüber machen, was in Sachen "Wünschen" echt Sinn machen würde. Was will man selber? Wohin soll der Wunsch-Zug unterwegs sein? Was wäre in dem magischen Paket, das der Weihnachtsmann einem übergeben könnte, wenn ihm nicht die Hände durch die Naturgesetze gebunden wären? Wobei es Rentier Rudolph auch herzlich egal ist, ob er eine Fluglizenz hat. Er pfeift drauf.

 

Bei den Feen hat man immerhin drei Wünsche frei, das Leben gibt einem ganz selten mal eine Wunderpille an die Hand – und die ist dann auch meist noch illegal; auch wenn die Pharmaindustrie uns weismachen will, dass sie haufenweise Wunderpillen auf den Markt werfen, den Markt damit fluten. Noch immer gehört die Kraft des Glaubens dazu, Mittel wirken besser, wenn man ihnen das zutraut, was die Packungsbeilage verspricht; gilt auch für die Nebenwirkungen. Auf einmal ist "Einhörner sehen können" in greifbare Nähe gerückt – ein paar einfache Halluzinogene verändern die Welt aufs Schönste. "Unter Wasser atmen" – bald vermutlich möglich dank Fortschritten in der Kiemen-und-Lungen-Technik; wäre auch von Vorteil, da der Meereswasserspiegel im Steigen begriffen ist, auch wenn die Eisbären nicht so ganz begreifen, wo denn all die Gletscher hinwollen; hauen einfach ab.

 

Eine Pille für Weltfrieden? Denkbar: auf dass jeder Mensch friedfertig wird; Marihuana in Verbindung mit Aufputschmittel – leistungswillig aber relaxed.

 

Die Pharmaindustrie wollte nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip exakt die passenden Medikamente zur Verfügung stellen, aber es scheint so, als würde Professor Zufall noch immer das Sagen haben in den Labors. Einfach nicht zu ersetzen der gute Mann.

 

Man muss nicht zu den Feen in den Wunderwald, um sich haufenweise Wunderpillen zu organisieren; an sich hat der Körper in sich ein Pharmalabor, kann das alles herstellen. Wunder auf Knopfdruck. Das ist die eigentliche Magie der Schamanen; aber dem Bewusstsein ist seine Rolle als Laborassistentin nicht so recht, es will der Chef sein, will immer wissen, was Sache ist ... Doch das Unterbewusstsein zaubert gern auf eigene Art; wenn man es bloß mal lassen würde. "Kein Wunder, dass ich nicht vorankomme; Du könntest schon längst Einhörner sehen." Ob dieser Einwand des Unterbewusstseins berechtigt ist, lassen wir mal dahingestellt sein; aber es hat was auf der Pfanne. "Immer gute Noten" – kein Problem: Man könnte sich selbst Bestnoten attestieren; warum geht man so furchtbar kritisch mit sich um, hat ständig was auszusetzen am Charakter? Hier möchte man feilen, da etwas glätten, zurechtbiegen; man ist doch keine Plastik, kein Standbild; dennoch ist das Selbstbild sehr entscheidend. Man würde alles darum geben, um vor sich selbst gut dazustehen; das gäbe so etwas wie Seelenfrieden. Selbst wenn der Spiegel einem attestiert "alles okay", Thumbs up – einem ergeht es so wie Schneewittchens böser Stiefmutter: Man misstraut demjenigen, der da Auskunft gibt, man fragt immer wieder nach, man hegt Zweifel und will die Zweifel aus der Welt räumen. Welche Wunderpille hätte ihr geholfen? "Aussehen verändern"? Das ist das Komplizierte daran: Man will ja derselbe bleiben, trotzdem möchte man sich irgendwie als Idol sehen. Das Leben ist keine Aneinanderreihung von Highlights, das Idolisieren gelingt nur phasenweise; es ist wie ein Rausch; dann wieder widerlegt einen das Leben, es hat einfach die besseren Argumente; die Fettnäpfchen warten; das Schicksal hat sie dort platziert, als sei es ein Affe, der eine Bananenschale hingelegt hat und hofft, dass der Nächstbeste darauf ausrutschen möge. Ist das Schicksal so rückständig? Wir kämpfen mit uralten Programmen; wie Ballast; kein Wunder, dass wir uns nach Wunderpillen sehnen, die uns in die Zukunft schleudern; wir möchten auch so smart sein wie unsere Smartphones. Wir stecken fest in der Vergangenheit; sowohl individuell als historisch. Kein Land kann so aus seiner Haut.

 

Der Alltag sollte uns wundernehmen, nicht Wunder nehmen. Lassen wir doch dem Unterbewusstsein sein Vergnügen, soll es Wunderpillen herstellen dürfen; die Erlaubnis, den Träumen nachzujagen. "Mit Tieren sprechen können" – alles möglich durch Empathie; wobei in den meisten Fällen es wohl die Hunde sind, die sich um die Sprache des Menschen bemühen, um sich verständlich machen zu können; fehlt noch, dass sie Privatunterricht bei den Papageien nehmen.

 

"Präsident werden" – soll man seinem Kind alle Fantasie-Türen offenhalten? Vorsorglich einige Türen schließen? Realist – Synonym für Bedenkenträger? Es gäbe so Vieles zu bedenken, aber der Begeisterung ist es zu eigen, das alles vergessen zu können; man könnte nie unvergesslich schöne Momente erleben, wenn man nicht gezielt auf das Glück fokussieren würde. Sich nicht stets alle Fakten vergegenwärtigen, sie präsent haben – da ist viel Unerfreuliches bei, die Nachrichten sind voll damit. Als Realist kann man nicht glücklich sein. Die Welt gibt das nicht her. Man kann wie Buddha zu der Überzeugung gelangen, dass dies ein Jammertal ist. Wäre aber jammerschade, wenn das der Weisheit letzter Schluss sein sollte. In diesem Fall heißt die Wunderpille: Sieb. Das herausfiltern, was einem gefällt; da ist eine Menge bei; würde einem sonst durch die Lappen gehen. Man kommt sich vor wie ein Goldwäscher am Yukon; endlich hat man einen Blick für die Goldkörner; sieben, üben.

 

Ganz beliebt diese Saison bei Feen-Wünschen: "Keine Fake Friends". Man will Echtheit; der Fake-Anteil nimmt beunruhigende Ausmaße an; das Faken schien alles so einfach zu machen: Man war endlich der, der man vorgab zu sein. Täuschung in Reinkultur. Aber wenn der eigene Avatar mit einem nicht mehr befreundet sein will, dann kommen einem echt Zweifel an der Tauglichkeit dieses Konzepts.

 

"Dein Idol sehen" – bei Facebook, Instagram, Twitter und Co. kann man seinen Stars sehr nah sein, der Fan hat mehr Möglichkeiten zum Idolisieren. Wobei man von den Stars früher nur das wusste, was deren Agenten preisgaben, jetzt denkt man bisweilen: "Zu viel Info".

 

"Unsichtbarkeit" – für die Anhänger des 08/15-Systems kein Problem; für sie ist es eher ein Fluch; man möchte existent sein in den Gedanken der anderen, man möchte den Leuten, die einem wichtig sind, wichtig sein.

 

Würde "1 Million EUR jedes Jahr" glücklich machen? Käme auf einen Versuch an. Testkandidaten fänden sich jede Menge. Endlich mal ein Experiment, das Spaß bringt. Haut man das auf den Kopf im Januar? Never-ending-party? Wird man unzufrieden, weil es nur 1 Million ist und die Super-Luxus-Yacht ein Vielfaches davon kostet? Eins ist klar: Man müsste 1000 Jahre sparen, um im Milliardärs-Club aufgenommen zu werden, es sei denn, man lässt sein Geld für sich arbeiten. Wobei die Klippe der Langeweile zu umschiffen wäre. Aber es gibt da blaublütige Vorbilder; nein, nicht die Schlümpfe.

 

"Schnell laufen können" – der Mensch hat beide Programme drauf: Kampf und Flucht. Wovon hängt es ab, was zum Einsatz kommt? Lohnt es sich? Rückzug kann Sinn machen. Wir mussten noch nie vor Dinosauriern flüchten, wir finden die Tatsache schon beunruhigend, dass Krokodile verdammt schnell sind. Diese Handtaschen-Lieferanten halten aber nicht lange durch.

 

Wir bräuchten vermutlich ein ganzes Arsenal an Wunderpillen; gut gewappnet – so wie ja auch jeder anständige Zauberer seine Grimoires auswendig kann; blöd nur, dass die anderen gleichfalls mit Magie ausgerüstet sind.

 

Wer vermag, andere glücklich zu machen – wer gibt jemandem eine Chance, auch wenn Fortuna meint, da könne man nichts mehr machen? Hat jemand so viel Glücks-Vorrat? Könnte man "Mut machen" als Wunderpille verpacken?

 

Aber da alles an Naturgesetze gebunden ist, sind wir auf die Wunder angewiesen, die wir selber produzieren können. Die Seele ist ein Magier; sie zaubert eine ganze Welt aus dem Hut.

 

Den Naturgesetzen trotzen; ihnen Wunder abtrotzen? Fliegen, schweben – der Gravitationskraft eine lange Nase zeigen? Für Superhelden kein Problem, die meistern das; aber wir können die Naturgesetzte nicht auf die leichte Schulter nehmen; sie verdrängen die Wunder, es scheint kein Platz für sie zu sein. Brauchen Wunder ein Reservat? Existenzberechtigung nur im Märchenwald? Was, wenn dieser Märchenwald inmitten der Seele läge? Die Märchenfiguren sind ohnehin Repräsentanten aus dem Seelen-Parlament, Abgeordnete der Seele, die hier Tacheles reden.

 

Doch welche Wunder machen Sinn? In Filmen ist die Rede vom Preis der Magie. Zumindest kostet es Zeit; man investiert seine Aufmerksamkeit. Es gilt: grasp all, lose all. Es gilt, sich zu konzentrieren. Was ist einem wichtig? Was sind eher periphere Wünsche? Insofern mag es hilfreich sein, sich zu überlegen, welche der Wunderpillen man von einer dealenden Fee nehmen würde. Wobei das Unterbewusstsein so einiges gemein hat mit dieser Fee. Ein großes Sortiment – und man fühlt sich wie ein Kind im Bonbon-Laden; man weiß gar nicht, was man wählen soll. Man kann natürlich auch behaupten, Bonbons seien ungesund – la dolce vita ist nichts für die, die Angst vorm Zahnarzt haben.

 

ENDE

 

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Tag der Veröffentlichung: 18.06.2018

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