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Geduld und Ungeduld

Die Geduld wird ja viel gerühmt,

vom Wert der Ungeduld spricht keiner,

sie aber schafft es,

dass der innere Schweinehund kuscht.

Wut über sich selbst,

man wollte doch in die Gänge kommen,

jetzt schleicht man auf dem Standstreifen;

Rastplatz schon in Sicht?

 

Warum es nicht forcieren, auf Biegen und Brechen?

Sich fordern, alle Geduldsfäden zerreißen,

die Stunde der Ungeduld.

Sie will, spür ihre Gier.

Sie gibt sich nicht zufrieden

mit den paar Knochen, die Du ihr hinwirfst,

sie ist ein hungriger Wolf.

 

Fütter sie mit Vorzeigbarem,

besänftige sie mit Ergebnissen.

Such Dir die größten Vorbilder

und weiche ihnen nicht aus.

Die Ungeduld führt Dich zu ihnen,

dass Du Witterung aufnimmst.

Folge ihrer Fährte, es sind Wege,

die schon begangen wurden, das macht es einfacher.

 

Die Ungeduld als Reisegefährtin,

sie hat Biss,

sie gibt sich nicht vorschnell zufrieden.

 

"Die Geduld ist ein Lahmarsch!", wettert sie.

"Kommt nicht in die Puschen."

 

"Du bist immer nur am Puschen,

entspann Dich, willst 'nen Joint?"

 

Da kriegt die Ungeduld die Krise.

"Cholerisch sei der Mensch,

das ist hilfreich und gut.

Zum Teufel mit der Engelsgeduld!

Mit dem Gedulds-Geschwader gewinnst Du keinen Krieg

gegen die Truppen des Phlegmas.

Was Du brauchst, ist ein Tritt in den Arsch!"

 

"Und mit Deiner Vulgarität beeindruckst Du wen?

Das ist doch nur heiße Luft.

Das Leben ist ein Geduldsspiel.

Lasst mich nur machen", antwortet die Geduld.

 

"Wann war Deine Gemächlichkeit zielführend?

Nachsicht, Verzeihen, Ausreden ...

Ich kenne das Sanftheits-Paket.

Was Du brauchst, ist keine Sänfte,

sondern ein Rennpferd",

wendet sich die Ungeduld an mich.

 

"So etwas wie ein gedopter Pegasus?",

erkundigt sich die Geduld.

Ich höre gespannt den beiden zu.

Bin mir nicht schlüssig, wer nun recht hat.

Sie haben beide meine Sympathie.

Ihr Wechselspiel gefällt mir.

 

Ich stelle mir Pegasus als Ackergaul

oder Bierkutscherpferd vor.

Kaltes Blut bewahren - wo ein Warmblut

doch mehr Temperament an den Tag legt?

Aber Tag und Nacht wechseln auch einander ab.

 

Doch meinen Vorschlag "Eile mit Weile"

wischen sie beide vom Tisch.

"Eile pur ist ein Genuss", schwärmt die Ungeduld.

"Wie schön es wär, eine Weile

von Dir nichts zu hören", grummelt die Geduld.

 

Mir ist schon klar, so ein ungleiches Team

spannt man nicht gemeinsam vor die Kutsche.

Ich muss mich schon entscheiden.

Die Ungeduld ist mein Favorit,

sie legt sich ordentlich ins Zeug,

zieht mich mit sich mit.

Ich bin nicht der Typ,

der im Nirwana Erfüllung fände.

Dem Licht fiele es ja auch nicht ein,

stehenzubleiben, zu sagen:

"Jetzt ist aber mal genug."

Es leuchtet sich selbst seinen Weg

durch finstere Nacht,

an Sternen vorbei, es gibt kein

"Jetzt ist es vollbracht".

 

Der Ungeduld gefällt mein Gedankengang.

"Machen wir uns auf die Reise."

Die Geduld meint nur: "Ihr habt 'ne Meise."

 

ENDE

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.08.2017

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