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Inhalt

 

Monster, Mythen, Märchenhelden

Eine Anthologie von BookRix-Autoren - herausgegeben von Phil Humor.

 

In dieser Anthologie tummeln sich die Magie-Wesen. Zu ihrem Leidwesen behauptet die Ratio frecherweise, dass sie allesamt nur in der Fantasie existieren würden. Sie lässt ihnen immerhin das Refugium "Buch und eBook", wo sie sich von ihrer starken Seite zeigen können.

 

Kann man der Faszination des Lebens wirklich gerecht werden, wenn man eine ganze Ebene ausblendet: das Reich der Symbole - Archetypen, die man in Seelenlandschaften wie dem Märchen antrifft - Urkräfte, die in den Mythen zuhause sind?

 

Geweckt durch den Glauben an sie, herbeigerufen, beschworen, verwünscht, verteufelt - ein schwieriges Verhältnis zu dieser Anderswelt. Immerhin handelt es sich um so unterschiedliche Wesen wie Schutzengel, Vampire, Magier, Hexen, Drachen, Ungeheuer, Feen und anthropomorphisierte Tiere, die es mit ihrer Eloquenz locker mit einem Fernseh-Moderator aufnehmen können.

 

Sie alle zeigen sich nicht unbedingt von ihrer besten Seite, manche Unarten sind dabei, manche werden ausfällig, aber sie freuen sich jedes Mal, wenn die Show beginnt, und ein Leser das Bücher-Theater betritt. Sie spielen dann nur für ihn. Viel Vergnügen wünschen die Autoren und auch die Protagonisten lassen grüßen.

 

Die Autoren:

 

 

Phil Humor

https://www.bookrix.de/-philhumor

 

Angel of Love (Nova Cassini)

https://www.bookrix.de/-og5a82492f97955/

 

Stella Dixon

https://www.bookrix.de/-jf70b9576147b65/

 

Sunshine Girl

https://www.bookrix.de/-hk90d6763583e75/

 

Sundance TwoSpirits

https://www.bookrix.de/-vs9de251a8bae45/

 

Drea Steini

https://www.bookrix.de/-bu16a37d828d985/

 

Vivien Länquis

https://www.bookrix.de/-ocb861bcb731085/

 

Kim Eisenheide (Bente_K.)

https://www.bookrix.de/-hugluhuglu

 

Manuela Schauten

https://www.bookrix.de/-schnief

 

Tony

https://www.bookrix.de/-tollpatsch

 

Fíona Fhola

https://www.bookrix.de/-cf32a281cebcc45/

 

Ursula Strätling

https://www.bookrix.de/-ursula.s./

 

Runeas Remedius

https://www.bookrix.de/-uhdbee30b2b7275/

 

Juditha Lehmkuhl

https://www.bookrix.de/-sreeef2ca884465/

 

Bert Rieser

https://www.bookrix.de/-garlin

 

Deva Moon

https://www.bookrix.de/-mv506988db86f75/

 

Anne Koch

https://www.bookrix.de/-anneliesek

 

Traumwanderer

https://www.bookrix.de/-traumwanderer

 

Ghostwriter


Phil Humor

https://www.bookrix.de/-philhumor


Ich bin Ghostwriter, sitze in einem Ghost Train, unterwegs nach Ghost Town. Nicht freiwillig; man könnte sagen, von Erinnyen getrieben. Dabei ist es vor allem eine: Tisiphone - es ist ihr Job; den zu verfolgen, der schuldig ist. Ich habe die getötet, für die ich geschrieben habe, konnte es nicht ertragen, dass sie die Nutznießer sind, und mich haben sie abgespeist mit einigen Euro. Ja, ich würde es wieder tun, keine gute Voraussetzung, um Tisiphone milde zu stimmen. Jahrzehntelang Ghostwriter - habe ich mir damit nicht das Anrecht erworben, sie zu Geistern zu machen? Verquere Logik. Tisiphone verdanke ich diese Reise, sie sitzt mir gegenüber. Von ihr habe ich erfahren, dass es nicht nur ein Jenseits gibt. Es gibt da auch nette Orte, aber dafür müsste man schon ein Heiliger sein. Für jemanden wie mich kommt nur Ghost Town infrage. Ist es immer noch Morgen? Wir fahren seit Stunden, es scheint immer dieselbe Tageszeit, derselbe Tagesanbruch zu sein. Die Schlangen auf ihrem Haar schauen mich böse an. Seltsame Gestalten steigen aus und ein; was sind das für Stationen? Schon seltsam, auf welche Reise man sich begibt, wenn der Lokführer Wut heißt.


Jetzt wieder hat Tisiphone Fledermausschwingen, die tauchen plötzlich auf; sie ist eine Formwandlerin. Das würde mich für gewöhnlich bei Frauen begeistern, aber ich habe momentan eine Aversion gegen alles Geistige. Sie hocken mir zu dicht - beäugen, beschnüffeln mich; sind es Dämonen, Ensemble-Mitglieder eines Gruselkabinetts, Ghule ...? Ich kenne die Fachworte nicht, fahre in eine Welt, deren Vokabular mir unvertraut ist. Bald werde ich einer von ihnen sein - aufgesogen, erfasst vom Grauen. Hört dieses Morgengrauen gar nicht auf?! Ich trete zum Fenster. 'Nicht hinauslehnen während der Fahrt.' Ich habe mich doch schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Als Reiselektüre hat sie mir Grusel-Heftromane in die Hand gedrückt, so als Vorbereitung, Aufwärm-Training für das Grauen, in das wir gleiten. Der Zug fährt geräuschlos - jedenfalls sind es nicht die üblichen Geräusche, es ist ein Seufzen, ein Ächzen - nicht dieses fröhlich-optimistische 'Ich schaff das, ich schaff das', was sich bergauf quälende Loks als Mantra gewählt haben, um durchzuhalten. Für mich gibt es kein Durchhalten, keine Parolen - ich habe mir von meiner Wut das Heft aus der Hand nehmen lassen - der Fighter tritt jetzt gegen sich selbst an. Die Schlangen zischeln - und zur Abwechslung trägt Tisiphone jetzt einen Hundekopf. Na, wenn ich demnächst auch solche Tricks drauf habe. Aber wahrscheinlich ist es einfacher, Körperliches zu verändern als seinen Charakter.


Wie komme ich mit den Dämonen ins Gespräch? Sie schauen ganz verständig aus. Wie ist es hier, gilt Unhöflichkeit als verbindlich, sind Flüche die übliche Gesprächseinleitung? Ich brauche Insider-Tipps. Das hätte ich nicht denken sollen; einer der Ghule schüttet mir seine Eingeweide vor die Füße, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt. Will er mir eine Freude bereiten? So wie eine Katze ihrem Herrn stolz eine Maus zu Füßen legt? Als sei das das Startzeichen, nimmt der neben mir sitzende Hexenmeister seinen Kopf ab und hält ihn mir hin. "Sehr flexibel", lobe ich ihn. Nachmachen werde ich das keinesfalls, auch wenn dies die allgemeine Erwartungshaltung im Abteil zu sein scheint. Aber ich will sie ja auch nicht enttäuschen, also lasse ich meine Finger knacken. Sie toppen mich, indem sie sich die Finger abreißen. Scheint eine ihre Lieblingstätigkeiten zu sein, sich gegenseitig Körperteile abzurupfen - so als würden Affen einander lästige Läuse entfernen. Das Körperliche verliert an Boden gegenüber dem Geistigen. Man schätzt es umso weniger, je näher wir den Jenseits-Welten kommen. Körper als Ballast ansehen - ungewohntes Konzept.


Tisiphone sieht sehr hübsch aus, wenn sie sich mal dazu entschließt, ihren Normal-Kopf zu verwenden. Aber sie flackert: Es ist, als wolle sie sich mir nicht im unverstellten Modus zeigen - sie geht die ganze Palette durch - selbst ein Elch-, Bison- und Löwinnen-Kopf sind dabei. Faszinierend. Könnte ihr stundenlang zuschauen - und das tue ich ja auch - also eigentlich recht unterhaltsam, wenn da nicht das Gefühl der Schuld wäre. Wie konnte ich mich dazu hinreißen lassen? Sollen sie doch meine Lorbeeren ernten; kommen zu ihren sonstigen Verdiensten noch die Meriten, die sie mir verdanken. Es ist zum Haare Ausraufen - ich tue es wirklich - hat was Befreiendes. Meine Sitznachbarn nicken verstehend. Man muss ja nicht so weit gehen wie van Gogh - oder doch? Sein Ohr leihen, die Ohren spitzen - hier könnte man Redensarten wörtlich nehmen. Käme auf einen Versuch an. Tisiphone hält mich davon ab.


"Steiger Dich langsam in die Verzweiflung. Lass Dir Zeit. Ihr Sünder seid immer so voreilig, so hoppladihopp."


Hat sie das jetzt echt gesagt? Bemüht sie sich um Vertrauen aufbauendes Vokabular? Unüblich für eine Rachegöttin. Immerhin hat 'furios' zwei Bedeutungen; wer weiß schon, welcher Richtung sie sich mehr verbunden fühlt. Rasend, begeistert ... was wird meine Furie machen, wonach ist ihr, soll ich sie provozieren, alles rausholen, was drin ist? Es ist nicht Übermut, was mich auf diesen Gedanken bringt, es ist die Musik, die ich seit geraumer Zeit höre - furioso - Leidenschaft, verpackt in Noten; Klänge, die mich dem Körperlichen immer weiter entziehen, die mich daran gemahnen, dass ich vor allem Geist bin. Es scheint, der Zug selber produziert diese Musik, Begleiterscheinung seines sich Fortbewegens durch die Raumzeit, die er in Schwingungen versetzt.


Ein Teufelchen fragt mich, ob ich mich mit Lethe eindecken will, der wunderbare Vergessenheitstrank, der Neuanfang möglich macht, ein Ausradieren der Fehler - ohne Reue, Buße, Erkenntnis - Beglückung bis zum Abwinken; er preist das an, als handle es sich um Champagner. Ich müsste Tisiphone davon zu trinken geben, dann vergisst sie meine Sünden. Bei einem Zungenkuss wäre Gelegenheit, ihr Lethe zuzuspielen. Ich trinke ein bisschen, behalte es im Mund - und schalte dann meinen Casanova-Modus an. Leider hat sie schon wieder ihren Hundekopf auf - da, jetzt, der Elch - ich glaub, mich knutscht ein Elch, fantastisch - aber es ist schon ein bisschen störend, wenn der Partner den Kopf verliert und ihn durch ein anderes Modell ersetzt; ist ja keine Glühbirne, die man mal so auswechselt - oder vielleicht doch? Bin ich zu spießig, zu konservativ? Will ich mein Ich bewahren - und bin deshalb so unflexibel? Die Lethe scheint ihre Wirkung zu tun - Tisiphone hat einen glasigen Blick. Oder schauspielert sie? Aber selbst ihre Schlangen lassen die Köpfe hängen; hat sie sich den Look von Medusa, der Gorgone, geklaut? Hätte sie sich patentieren lassen sollen, aber bei Tisiphone wirkt es verspielter, als ob sie Cosplay betreibe. Ihr liegt das Verkleiden; flieht sie etwa vor sich selbst? Wer so vielen nachstellt, immer rachgierig - eine Rache einfordernd in Stellvertretung - sie selber ist ja gar nicht die Betroffene - entfremdet sie sich von sich selbst von Amts wegen?


Es ist, als hätte ich durch diesen Kuss Einblick in ihre Seele erlangt, eine Verbundenheit, die nur möglich ist durch körperlichen Kontakt. Na also, der Körper belangvoll wie eh und je.


Doch jetzt habe ich ebenfalls sich windende Schlangen auf dem Haar - oder soll ich sagen, statt des Haares? - scheine, mich angesteckt zu haben bei Tisiphone. Vielleicht sollte ich meditieren? Mit den Tieren? Blitze zucken, nehmen den Zug aufs Korn, er enteilt. Wolken-Dämonen springen wie Superhelden auf den Zug, surfen. Scheint ein Fun-Zug zu sein; mir auch neu, dass man einen Zug als Surfbrett verwenden kann - kann man alles, wenn man es ins Geistige verlagert, wenn der Geist die Macht hat. Ghost Town mit seinen Möglichkeiten erscheint mir von Minute zu Minute attraktiver.


Ein Zombie sagt, er habe noch nicht gefrühstückt, und mein Oberschenkel sehe lecker aus. "Bedien Dich", bin ich geneigt, ihm zu antworten. Mein Vorbild sind die Wolken-Dämonen, sie besorgen sich die Materie, die sie benötigen, beharren nicht kleinlich auf Konstanz des Erlangten. Man grenzt sich ab mit seinem Körper gegen die übrige Welt ... Dämmert da bei mir Einsicht? Will ich soweit gehen und sagen, dass wir auf geistiger Ebene alle miteinander verbunden sind - Bestandteile einer Weltseele? Die Frage der Schuld, meines Frevels macht mich unruhig - dafür schläft die Furie. Aber ich verdiene ihren Zorn; soll ich sie wecken? Ich spiele Skat mit den Dämonen - dann Doppelkopf, wobei manche von ihnen das herrlich wortwörtlich nehmen und ihre Köpfe verdoppeln.


Es hätte ein triumphaler Einzug in Ghost Town werden können - wenn ich nicht vorher aufgewacht wäre. Einerseits Erleichterung, dass die Verbrechen bisher nur in meiner Fantasie stattgefunden haben, anderseits der Möglichkeit beraubt, Tisiphone näher kennenzulernen. Muss doch ein Grund haben, dass ich von ihr geträumt habe. Eine Zugfahrt, die nie stattgefunden hat - und die mich dennoch mehr verändert hat als Reales. Im Traum stecken Kraft, Erkenntnismöglichkeit und Warnung ... Vielleicht mal ein Buch im eigenen Namen veröffentlichen, der Ghostwriter könnte sich selbst finden beim Schreiben - ein schönes Ziel.


ENDE


Im Zauberwald


Angel of Love (Nova Cassini)

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Tief im dunklen Zauberwald lebte die Hexe Aurelia. Niemand traute sich in die Nähe ihres Hexenhäuschens, denn es hieß, dass sie jeden, den sie erblickte, sofort verfluchte.

Als sich ein junges Mädchen beim Beerensammeln verlief, landete es vor dem Haus der Hexe. Aurelia bemerkte dieses sogleich und kam heraus.

"Hallo, liebes Kind. Hast Du Dich verlaufen?"

Sophie sah die alte Frau ganz erschrocken an und wusste erst mal nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte schon viele schlechte Geschichten über Aurelia gehört. Angeblich war sie das Böse in Person. Mit ihren jungen 16 Jahren hatte sie eigentlich noch nicht so viel Lebenserfahrung sammeln können, doch, als sie diese alte, scheinbar freundliche, Frau ansah, konnte sie nichts Böses in ihrem Gesicht erkennen. Eigentlich lächelte sie sogar recht liebevoll und fragte erneut:

"Kann ich Dir helfen, mein Kind?"

"Ich… ich habe Beeren gesammelt und habe nicht auf den Weg geachtet. Nun ist es schon so spät und ich weiß nicht, wie ich nach Hause kommen soll."

"Sorge Dich nicht, meine Kleine. Wenn Du möchtest, kannst Du hier die Nacht verbringen und morgen früh helfe ich Dir, den Weg nach Hause zu finden. Jetzt ist es leider schon zu spät. Die Nacht bricht bald herein und meine Augen sind lange nicht mehr so gut, wie sie früher einmal waren."

Sophie sah die Hexe verunsichert an. Was sollte sie tun? Alle hatten immer nur das Schlechteste von ihr erzählt. Aber sie fand die alte Frau eigentlich ganz freundlich und hilfsbereit.

"Ich danke Euch, gute Frau. Doch bin ich mir nicht sicher, ob ich das tun sollte. Ich kenne Euch nicht und meine Eltern haben mir verboten, mit Fremden zu sprechen."

"Das verstehe ich, Liebes. Leider kann ich aber nicht mehr tun, als es Dir anzubieten. Am Ende musst Du selbst entscheiden, was Du tun willst. Vielleicht möchtest Du aber, während Du überlegst, hineinkommen und mit mir zusammen ein Süppchen essen. Du hast doch sicher Hunger, oder?"

Die Kleine nickte nur und sah sich noch einmal nach allen Seiten um, wobei sie feststellte, dass es immer dunkler wurde. Daraufhin entschied sie mit hinein zu gehen. Wenn Aurelia komisch wurde, konnte sie noch immer die Hütte verlassen.

Die Alte bot Sophie einen Platz am Tisch an und ging zur offenen Kochstelle. Über dem Feuer hing ein gusseiserner Topf, in dem es brodelte. Erstaunt stellte das Mädchen fest, dass es hier sehr gut duftete. Die alte Frau kam mit zwei gut gefüllten Holzschüsseln und zwei Holzlöffeln zurück an den Tisch, stellte diese darauf ab und setzte sich ebenfalls hin.

Schweigend aßen sie die köstliche Suppe. Sophie sah die Alte immer wieder kurz verstohlen an. Irgendwann traute sie sich die eine Frage, die ihr die ganze Zeit im Kopf herumschwirrte, zu stellen.

"Sagt, seit Ihr wirklich eine Hexe?"

"Die Leute im Dorf nennen mich zumindest so. Meine Mutter hat mir alles über die Heilkräfte der Natur beigebracht. Natürlich beherrsche ich auch ein paar Zaubersprüche. Manches Mal kam auch so ein unglückliches junges Ding aus dem Dorf und bat mich, die ungewollte Leibesfrucht zu entfernen. Das habe ich nie gern getan, aber wenn ich ihnen nicht geholfen hätte, hätten sie es sicher selbst versucht und dabei den Tod gefunden. Das konnte ich nicht verantworten."

"Und wie ist es mit Flüchen? Habt Ihr schon mal jemanden verflucht?"

"Oh, ja, das habe ich, aber immer nur dann, wenn man mir etwas Böses wollte. Die Menschen können mit meiner Andersartigkeit nicht umgehen. Ich bin gut genug ihnen zu helfen, wenn sie krank sind oder ihre ungewollten Kinder loswerden wollen, aber ansonsten wollen sie natürlich nichts von mir wissen. Um zu verschleiern, dass die ein oder andere den Weg zu mir gefunden hatte, erzählen sie dann lieber nur Abscheuliches über mich. Daran habe ich mich schon gewöhnt. Ich lebe sowieso viel lieber ganz allein hier im Wald und unterhalte mich mit meinen Freunden den Tieren. Außerdem kommen mich manchmal Elfen und meine lieben Waldgeister besuchen. Sie leisten mir dann beim Abendessen Gesellschaft."

Sophie schaute die Alte ganz ungläubig an. Hatte diese wirklich gerade gesagt, dass sie Besuch von Elfen und Waldgeistern bekam?

"Ihr meint, es gibt tatsächlich Elfen und Waldgeister in diesem Wald?"

"Aber ja, natürlich gibt es Elfen und Waldgeister und nicht nur das. Mir ist hier auch schon ein Engel begegnet. Er ist so strahlend und so schön, dass einem die Tränen in die Augen kommen, wenn man ihn nur ansieht."

Das scheint ja ein wirklicher Zauberwald zu sein, wenn es hier Engel, Waldgeister und Elfen gab, dachte Sophie.

"Die würde ich alle gerne mal sehen."

"Das glaube ich Dir, liebes Kind. Doch sind sie sehr scheu und zeigen sich nicht jedem. Sie halten sich unsichtbar. Erst, wenn sie etwas Besonderes in einem erkennen, zeigen sie sich.“

Das gab Sophie zu denken. Wenn diese alte Frau also das Vertrauen von so vielen Wesen besaß, dann konnte sie doch ganz sicher eine Nacht hier bleiben, oder?

Nachdem beide ihre Suppe ausgelöffelt hatten, fragte Aurelia erneut, ob sie bei ihr bleiben würde über Nacht. Sophie nickte und bedankte sich erneut für das Angebot.

Die alte Frau richtete der Kleinen ein Nachtlager ein und gab ihr ein langes Hemd zum Schlafen, welches Sophie dankend annahm. Beide legten sich hin und schliefen recht schnell ein.


***


Mitten in der Nacht wurden sie aus dem Schlaf gerissen. An der Tür klopfte es lautstark. Aurora stand auf und öffnete. Vor ihr stand eine Frau aus dem Dorf. Sie hielt ein Baby im Arm, welches offensichtlich fieberte.

„Bitte, ich flehe Euch an. Helft meinem Kind!“, schluchzte sie.

Sofort nahm Aurelia der Mutter ihren Säugling ab, zog ihn aus und machte kalte Wadenwickel. Während diese einwirkten, ging sie zu ihren Kräutern, suchte einige heraus und gab sie in den Stößel. Schnell kochte sie etwas Wasser auf, während sie die heilsamen, getrockneten Pflanzen zerstieß.

Sie brühte einen Tee auf. Einen Teil goss sie in eine Tasse, in den Rest tauchte sie ein paar Baumwolltücher, mit denen sie den Körper des winzigen Knaben einrieb. Währenddessen flüsterte die Alte Zaubersprüche. Als der Tee ein wenig abgekühlt war, flößte sie ihm ein wenig davon ein. Nach einer Stunde schien es dem Kindelein ein wenig besser zu gehen. Erleichtert fing die Mutter an zu weinen.

Sophie nahm all ihren Mut zusammen und bat die Mutter, im Dorf zu erzählen, dass Aurelia ihrem Baby geholfen hatte. Ganz fest hatte sie sich selbst vorgenommen nur das Allerbeste von der Alten zu erzählen.

Als das Kleine wieder einigermaßen stabil war, wickelte die Mutter es ein, gab der Kräuterhexe einen Taler und bedankte sich für ihre Hilfe. Danach versicherte sie nur noch Gutes über diese zu erzählen. Die Alte lächelte milde, wusste sie doch, dass die junge Frau ihr Versprechen sicher nicht halten konnte.

Mutter und Kind verließen die Hütte und machten sich auf den Weg nach Hause. Sophie überlegte kurz, ob sie sich der Mutter anschließen sollte, doch sie war so erschöpft, dass sie doch lieber bei Aurelia blieb. Nach kürzester Zeit schliefen das Mädchen und die Hexe erneut ein.


***


Am nächsten Morgen wachten beide beim ersten Sonnenstrahl auf. Aurelia bereitete ein einfaches Frühstück zu, welches sie gemeinsam zu sich nahmen.

"Aurelia, darf ich Euch um etwas bitten? Ich möchte, dass Ihr mich lehrt, Menschen zu heilen. Bringt mir Eure Geheimnisse bei."

"Ach, Liebes, das könnte ich natürlich, nur möchte ich Dich davor warnen solch ein Schicksal, wie das meine zu wählen. Die Menschen werden Dich verstoßen. Sie verstehen Frauen, wie mich nicht. Und das, was sie nicht verstehen, verteufeln sie sehr schnell."

"Ja, aber jemand muss doch diese Aufgabe erfüllen. Ich bin gern im Wald und überlege schon lange, was ich mit meiner Zukunft anfangen soll. Es erscheint mir sehr sinnvoll Eure Aufgaben zu übernehmen, wenn Ihr eines Tages nicht mehr seid."

"Versprich mir, Dir dies reiflich zu überlegen. Ein solches Schicksal solltest Du nicht leichtfertig eingehen.“

"Ich verspreche es Euch. Ich werde ganz genau darüber nachdenken. Und wenn ich mich dazu entschließen sollte, werde ich zurückkommen."

"Gut. Und nun bringe ich Dich aus dem Wald heraus."

"Vielen Dank, Aurelia, für Speis, Trank und das Nachtlager."

"Sehr gern geschehen, Kleines."

Als beide die Hütte verließen, waren sie erstaunt einen Engel vor der Tür stehen zu sehen. Er war groß und wunderschön. Ein strahlendweißes, langes Gewand schmückte seinen Körper. Seine Flügel waren golden.

Die Kräuterhexe lächelte, denn sie kannte diesen Engel bereits. Sie begrüßte ihn mit den Worten: "Sei gegrüßt, Engel des Waldes. Es ist schön Dich zu sehen, was können wir für Dich tun?"

"Gegrüßet seist Du, Aurelia. Ich bin hier, um Sophie ihre Aufgabe mitzuteilen."

Sophie sah den wunderschönen Engel ganz ungläubig an. "Du willst mir meine Aufgabe mitteilen? Welche Aufgabe?"

"Aurelia wird immer älter und es gibt noch keine Nachfolgerin für sie und ihre Arbeit. Ich habe in Dein Herz geschaut, welches rein und voller Liebe ist. Du bist ein hilfsbereiter Mensch und genau einen solchen brauchen wir hier. Bist Du bereit die Heilkunst von Aurelia zu erlernen und die Dorfbewohner und Tiere des Waldes zu heilen?"

"In der Tat habe ich mir heute Morgen genau das gewünscht."

"Dann soll es so sein! Es freut mich sehr, dass Du Dich dazu entschieden hast."

"Ja, das habe ich, auch wenn Aurelia mich gebeten hatte noch genauer darüber nachzudenken. Ich verspüre schon lange den Wunsch Gutes zu tun, anderen zu helfen. Als ich sah, wie sie heute Nacht dem Baby half, schien mir genau diese heilerische Tätigkeit der rechte Weg zu sein."

"Wunderbar, dann muss ich mir keine Sorgen mehr um die Dorf- und Waldbewohner machen. Lebt wohl Ihr zwei!"

Sophia war traurig, als der Engel sich plötzlich dematerialisierte und hoffte, dass sie ihm eines Tages wieder begegnen würde.

Aurelia lächelte wissend und sagte: "Keine Sorge, Kleine. Das war nicht das letzte Mal, dass Du ihn gesehen hast."

Gemeinsam gingen sie durch den Wald. Die Kräuterhexe fing bereits an, Sophie in ihre Heilkunst einzuweisen. Plötzlich sah Sophie etwas vorbeihuschen. Es hatte keine klare Form, es waberte regelrecht vor ihren Augen. Doch dann wurden die Umrandungen immer deutlicher. Es waren fremdartige, grüne Wesen mit hellgrüner Haut, hypnotisch glänzenden neon-grünen Augen und dunkelgrünen Haaren. Sie trugen ein Kleid aus Blättern und tanzten um Aurelia herum, während sie ihren Namen riefen. Die alte Hexe lächelte sie an und begrüßte ein jedes dieser Kreaturen bei seinem Namen. Dann verschwanden sie auch schon wieder zwischen den Bäumen.

"Waren das die Waldgeister, von denen Ihr mir erzählt hattet, Aurelia?"

"Ja, genau. Ich wundere mich, dass sie sich Dir schon jetzt gezeigt haben. Das ist eine große Ehre."

Als sie schließlich am Waldrand ankamen, verabschiedete sich die Kräuterhexe mit den Worten: "So, Kleine, den Rest des Weges musst Du nun alleine gehen. Komme bitte jeden Tag um die Mittagszeit bei mir vorbei. Es wird Dich immer eine warme Mahlzeit erwarten. Danach werden wir gestärkt durch den Wald laufen. Dabei werde ich Dir alle Kräuter zeigen und natürlich auch beibringen wofür sie verwendet werden können."

Sophie bedankte sich erneut für alles und versprach gleich morgen vorbeizukommen, um mit ihrer Ausbildung zur Kräuterhexe zu beginnen.

So trennten sich die alte und die junge Frau voneinander. Beide lächelten und blickten hoffnungsvoll in die Zukunft, denn nun war sicher, dass es auch weiterhin eine Heilerin im Zauberwald geben würde ...


ENDE


Schutzengel

 

Stella Dixon

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Vor langer Zeit gab es weit entfernt ein glückliches und magisch umwobenes Königreich.

Das Volk war zufrieden und der König regierte es voller Freude.

Jeder Mensch im Königreich besaß seinen persönlichen Schutzengel, der auf ihn achtete, ihn vor Gefahren beschütze und, wenn es sein musste, für ihn kämpfte.

Der König und sein Schutzengel waren voll guter Kräfte, die das Böse lange Zeit abschreckten und vom Königreich fernhielten.

Doch der König wurde so schwer krank, dass selbst sein Schutzengel ihm nicht helfen konnte und die magischen Mauern begannen zu bröckeln.

Seine letzte Hoffnung gesund zu werden bestand in der mächtigsten Hexe und Heilerin des Königsreichs, denn schon bald drangen böse Kreaturen bis zum Schloss vor und entführten jeden Schutzengel, den sie zu greifen bekamen.

Dem Volk ging es immer schlechter. Es hatte Angst vor dem, was kommen mochte und erwarteten, dass das Schloss handelte.

Erst als es die ersten Bürger verschwanden und auch die Schutzengel der Königsfamilie entführt wurden, trat der Bruder des Königs hervor.

Er war ein schwarzer Magier, der die Kräfte der dunklen Kreaturen für sich nutzte, um im Königreich Angst und Schrecken zu verbreiten.

Es würde nicht mehr lange dauern, bis der König sterben würde und dann würde er den Prinzen töten, um selbst König werden können.

Daraufhin war der Prinz, gegen den Willen seiner Eltern, losgezogen, um seinen und alle anderen Schutzengel zu befreien und gegen seinen Onkel zu kämpfen.

Der junge Prinz war bereits einige Stunden im Wald unterwegs, als plötzlich das Geäst hinter ihm knackte und er vor Schreck zusammen fuhr.

„Prinz Justus. Was macht Ihr denn so weit hier draußen?“, fragte eine Frauenstimme.

Justus drehte sich um und zog aus Reflex sein Schwert, doch vor ihm stand eine hübsche, junge Frau, die in seinem Alter war.

Sie hatte langes, braunes Haar und smaragdgrüne Augen.

Er hielt sein Schwert auf sie gerichtet, doch sie wich keinen Zentimeter zurück.

„Wer will das wissen?“, fragte Prinz Justus die junge Frau.

„Begrüßt Ihr euer Volk immer so freundlich?“, fragte die junge Frau und grinste.

Prinz Justus ließ sein Schwert sinken und begutachtete das Mädchen argwöhnisch. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor.

„Ich bin Emilia“, sagte sie schließlich und verneigte sich vor dem Prinzen.

„Was machst du hier allein im Wald?“, fragte er.

„Mein Vater ist einer der Holzfäller und unsere Hütte ist nicht weit von hier“, antwortete sie.

Da fiel Justus ein, wo er sie schon mal gesehen hatte und sagte: „Du hast einmal Holz in das Schloss geliefert.“

„Nicht nur einmal und nicht nur in das Schloss“, entgegnete Emilia.

„Wie dem auch sei. Du solltest nach Hause gehen. Hier draußen ist es nicht mehr sicher.“

„Denkt Ihr wirklich, ich wüsste das nicht? Wie ich sehe, seid Ihr ohne euren Schutzengel unterwegs. Allem Anschein nach ist er auch schon geholt worden. Was Ihr vorhabt ist töricht, mein Prinz. Ihr werdet es allein nicht schaffen, aber ich kann euch helfen“, bot Emilia dem Prinzen ihre Hilfe an.

„Bei allem Respekt, aber ich denke nicht, dass du mir helfen kannst“, lachte Justus das Mädchen aus.

„Und wie stellt ihr euch das bitte vor? Ihr besitzt keine magischen Kräfte, so wie ihr Vater und ihr Onkel, da ihr Onkel sie euch, als ihr ein Baby ward geraubt hat. Er wird sich wohl kaum auf einen Schwertkampf einlassen. Wenn ihr so bei eurem Onkel auftaucht seid ihr schon so gut wie tot. Wisst ihr überhaupt was für Kreaturen die Schutzengel gefangen halten?“

Emilia war hartnäckig und Justus musste zugeben, dass nicht mal ansatzweise wusste, wie er die Schutzengel befreien konnte.

„Woher weißt du, dass ich nicht von Geburt an ein normaler Mensch bin?“, fragte Prinz Justus argwöhnisch nach.

„Ich weiß mehr, als ihr glaubt“, antwortete Emilia schlicht.

„Weißt du, was das für Kreaturen sind, die die Schutzengel entführt haben?“, wollte der Prinz wissen.

„Ja“, antwortete sie schlicht.

„Dann verrat es mir, damit ich mich vorbereiten kann“, forderte Justus.

„Ihr werdet mich brauchen“, entgegnete Emilia sicher.

„Und aus welchem Grund?“, fragte er.

Daraufhin öffnete Emilia ihre Handflächen und ließ zwei Lichtkugeln in ihnen erscheinen.

„Du bist eine Hexe“, stellte Justus fest.

„Gut beobachtet“, spottete Emilia, klopfte auf ihren Rucksack und sagte: „Und ich habe den hier.“

Justus beobachtete, wie ein kleiner Bär über Emilias Schulter blickte. Doch es war kein gewöhnlicher Bär.

Er hatte ein Eihornhorn und große, weiße Flügel.

„Du hast deinen Schutzengel noch?“, fragte Justus erstaunt.

„Ja. Ich habe ihn versteckt. Sein Name ist Theo“, antwortete Emilia und tätschelte dem Bären den Kopf.

„Und dein Teddy kann dich beschützen?“, fragte Justus ungläubig.

„Ich tue mal so, als hätte ich dich nicht gehört“, entgegnete Theo und stellte sich vor Justus. Er reichte ihm ungefähr bis zum Knie.

„Ja kann er. Abgesehen davon bin ich eine Hexe. Ich würde mich auch ohne ihn verteidigen können“, antwortete Emilia trocken.

„Und auch das habe ich jetzt einfach mal überhört“, meckerte Theo und beäugte den Prinzen kritisch.

Emilia lachte und setzt sich in Bewegung.

Der Prinz folgte ihr, ohne zu wissen, wohin genau sie gingen.

„Hast du dich nie gefragt, was für ein Wesen in der Lage sein könnte, Schutzengel zu entführen?“, fragte Emilia, während sie sich ihren Weg durch den Wald bahnten.

„Ehrlich gesagt nicht. Ich wollte bloß endlich etwas tun. Das Volk wird unruhig und weiter bloß dasitzen und meinem Onkel dabei zuzusehen, wie er den Menschen Angst macht, konnte ich einfach nicht mehr“, antwortete der Prinz.

„Da macht es natürlich sehr viel Sinn, einfach ein Selbstmordkommando zu starten“, stellte Theo trocken fest, der nun zwischen ihnen flog und mit seinem Horn den dunklen Weg ausleuchtete.

„Es sind die Ratoratos“, erklärte Emilia, ohne ihren Schutzengel zu beachten.

„Rato-was?“, fragte Justus nach.

„Ratoratos“, wiederholte Theo und verdrehte die Augen, als wäre dies selbstverständlich.

„Ratoratos gehören zu den dunkelsten Kreaturen des Schattenwaldes. Der Blickkontakt mit einem magischen Wesen, sprich einem Schutzengel, oder einer Hexe, oder sonst was, saugt jegliche Energie aus ihm heraus, wodurch sie vollkommen wehrlos werden. So fangen sie ihre Beute. Deswegen gibt es im Schattenwald kein einziges bisschen gute Magie mehr. Normalerweise bleiben die Ratoratos in ihrem Gebiet. Dein Onkel muss ihnen irgendetwas geboten haben, damit sie für ihn arbeiten und aus dem Schattenwald heraus treten“, erzählte Emilia, während sie immer weiter gingen.

„Die Mauern, die um das Königreich liegen brechen mit jedem Tag, an dem es dem König schlechter geht, weiter zusammen. Die Ratoratos spüren das, aber sie würden nie von selbst plötzlich Jagd auf sämtliche Schutzengel machen“, fügte sie hinzu.

„Aber man kann gegen sie kämpfen“, sagte Justus und legte eine Hand an sein Schwert.

„Natürlich. Man kann gegen Ratoratos kämpfen. Vielleicht wenn man keine Lust mehr hat weiter zu leben“, schnaubte Theo.

„Ist er immer so?“, fragte der Prinz und blickte kritisch zu Theo.

„Er ist manchmal etwas pessimistisch“, antwortete Emilia und stupste ihren Bären liebevoll in die Seite.

„Du glaubst ja gar nicht, was ich mit ihr schon alles mitmachen musste. Da ist ein Selbstmordkommando nur der letzte Punkt auf einer langen, langen Liste“, maulte Theo.

„Ach übertreib doch nicht“, lachte Emilia.

„Ich übertreibe nicht. Einmal hat sie sich fast in die Luft gesprengt, weil sie einen neuen Zaubertrank brauen wollte, ich weiß schon gar nicht mehr, was er bewirken sollte. Jedenfalls war die Explosion so stark, dass ich einen Moment lang dachte, ich könnte den Schutzschild nicht aufrechterhalten und wir würden sterben“, erzählte Theo.

„Ach komm, so schlimm war es doch gar nicht“, verteidigte sich Emilia.

„Und was war das eine Mal im Wald? Als du diesen Felsvorsprung herunter gefallen bist? Oder als du für einen Trank eine Drachenschuppe gebraucht hast und der Drache dummerweise aufgewacht ist?“

„Ist ja gut“, unterbrach Emilia Theos Aufzählung.

„Du scheinst ja einiges zu erleben“, stellte Justus fest.

„Mehr als einem lieb ist“, maulte Theo weiter. „Das stand definitiv nicht in der Berufsbeschreibung.“

„Ach jetzt hör doch mal auf zu quengeln“, maulte Emilia ihren Schutzengel an.

„Wir gehen in den Schattenwald, oder?“, fragte Prinz Justus, als die Umgebung immer düsterer und trostloser wurde.

„Ja“, antwortete Emilia schlicht.

Sie hatte einen Unterton in ihrer Stimme, der Justus aufmerksam werden ließ.

„Man kann doch gegen die Ratoratos kämpfen?“, wiederholte Justus. Diesmal jedoch als Frage.

„Ich kann gegen sie kämpfen“, antwortete Emilia trocken.

„Und es wird sie wahrscheinlich umbringen“, fügte Theo abwertend hinzu. „Ich wollte sie von diesem Trip abbringen. Schließlich ist es mein Job auf sie aufzupassen, aber sie wollte nichts davon hören. Als ich sie daran hindern wollte zu gehen, hat sie mich einfach in ihren Rucksack gestopft“, fügte Theo sauer hinzu.

„Du warst sowieso auf dem Weg hierher, als wir uns getroffen haben?“, fragte Justus.

„Ja“, antwortete Emilia wieder genauso schlicht.

„Was meint er damit, dass es dich umbringen wird?“, wollte der Prinz wissen.

Theo wollte gerade den Mund öffnen um dem Prinzen zu antworten, doch Emilia hob die Hand, woraufhin er direkt verstummte und sie sauer ansah.

„Was hast du mit ihm gemacht?“, fragte Justus.

„Ich ertrage sein Gerede gerade einfach nicht“, antwortete Emilia.

Sie blieb stehen und sah den Prinzen an.

„Ihr solltet hierbleiben“, sagte sie zu ihm.

„Auf keinen Fall.“

„Ich habe keine Ahnung, wie viele Ratoratos uns dort erwarten werden und ich habe keine Ahnung, ob ich eine Chance gegen sie habe. Theos Schutzschild wird mich nicht lange vor ihnen schützen. Er ist ein Schutzengel und durch seine Wachsamkeit wird er es nicht schaffen die Augen geschlossen zu halten. Sie werden seine Energie aus ihm heraus saugen und ihn holen. Davon gehe ich aus. Ich habe in den letzten Wochen so ziemlich alles über sie gelesen, was es zu lesen gibt. Ich kenne die Zauber, mit denen ich sie unschädlich machen kann und in meinem Rucksack habe ich eine Explosionstränke. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe sie von mir fernzuhalten und ihnen nicht in die Augen zu sehen. Aber ich muss es versuchen. Das Böse darf nicht gewinnen“, sagte Emilia entschlossen.

Theo strampelte wie wild in der Luft herum und protestierte offensichtlich gegen ihr Vorhaben.

Emilia ging weiter und der Prinz wich nicht von ihrer Seite.

„Wir sind fast da“, sagte Emilia.

„Gut. Was soll ich tun?“, fragte Justus.

„Wartet einfach hier. Ihr müsst das Reich regieren. Ihr dürft euer Leben nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen“, antwortete Emilia.

„Ich bleibe an deiner Seite. Ich werde dich bestimmt nicht allein den Monstern aussetzen“, beharrte Justus.

„Zwingt mich nicht, euch zu verhexen“, flüsterte Emilia.

„Warum hast du mich dann nicht schon viel früher verhext?“, wollte der Prinz wissen.

Emilia sah ihn an, doch sie wusste keine Antwort auf diese Frage.

„Bleibt einfach, wo ihr seid“, antwortete sie.

„Nein“, sagte Justus bestimmt.

Emilia blieb keine andere Wahl. Sie verhexte den Prinzen mit einer bloßen Handbewegung und er konnte sich nicht mehr bewegen.

Sie sah das Entsetzen in seinem Gesicht, aber sie drehte sich um und ging weiter, um gegen die Ratoratos zu kämpfen.

Mit der nächsten kleinen Handbewegung gab sie Theo seine Stimme zurück.

„Du bist vollkommen wahnsinnig geworden“, schimpfte er sie aus.

„Theo bleib bitte hier“, sagte sie zu ihm, doch der kleine Bär schüttelte den Kopf.

„Das kann ich nicht und das weißt du auch. Meine Aufgabe ist es dorthin zu gehen, wo du auch hingehst. Egal wie verrückt deine Vorhaben sind. Ich folge dir.“

Emilia knuddelte ihren Bären und ging weiter.

Sie spürte, dass sie einer dunklen Magiequelle immer näher kam, und wusste, dass es nicht mehr weit sein konnte, bis sie das Nest der Ratoratos erreichen würde.

Es dauerte nicht lange, bis sie sie erreichte. Emilia konnte ihren großen Schwarzen Flügel und ihre rattenhaften Körper sehen. Sie konnte nicht erahnen, wie viele es waren. Bevor sie sie entdecken, schloss sie die Augen, warf die Explosionstränke auf sie und begann den Zauber zu sprechen, der die Ratoratos besiegen sollte.

Sie spürte, dass Theo einen Schutzschild um sie gelegt hatte, doch wie sie bereits befürchtet hatte hielt er nicht lange an und Theo brach zusammen.

Sie zwang sich, die Augen geschlossen zu halten und sich auf den Zauber zu konzentrieren.

Selten hatte sie so einen starken Zauber gesprochen, der ihr so viel abverlangte. Emilia sank auf die Knie und versuchte immer weiter zu zaubern. Sie spürte die dunkle Energie und dass sie es noch nicht geschafft haben konnte, alle zu besiegen.

Plötzlich hörte sie jemanden ihren Namen rufen und wurde abgelenkt.

Der Zauber brach und sie machte den Fehler, die Augen zu öffnen.

Ganz dicht vor ihr sah sie leuchtend rote Augen, die sie praktisch hypnotisierten und ein paar gefährlich große Reißzähne.

Sie brach zusammen. Die Ratoratos hatten sie erwischt.

Doch Emilia spürte plötzlich die Anwesenheit zweier guter Energiequellen, die sie kannte. Ihre Eltern waren ihr gefolgt. Sie spürte, wie sich die Ratoratos von ihr zurückzogen, doch sie konnte sich nicht bewegen. Sie war unfähig ihren Körper zu steuern. Bloß ihr Geist spürte, wie sich die Energiequellen bewegten.

Ihre Eltern sprachen den Zauber gegen die Ratoratos gemeinsam

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Phil Humor, Angel of Love, Stella Dixon, Sunshine Girl, Sundance TwoSpirits, Drea Steini, Vivien Länquis, Kim Eisenheide, Manuela Schauten, Tony, Fíona Fhola, Ursula Strätling, Runeas Remedius, Juditha Lehmkuhl, Bert Rieser, Deva Moon, Anne Koch
Bildmaterialien: Cover von Nekochan - https://www.bookrix.de/-mc1f299f1351715/
Tag der Veröffentlichung: 24.03.2017
ISBN: 978-3-7438-0618-4

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