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Inhaltsübersicht

 

77 Storys, 20 Drabbles, 36 Gedichte, kleinere Gedichte, Aphorismen, 1400 Sprüche und Gedanken

 

Einige der Story-Themen:

Hochzeit, Alexander Puschkin, Eugen Onegin, Goethe, Mephisto, Lohengrin, Demetrius, Paris, Freischütz, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Marcel Proust, Orpheus, Giacomo Casanova, Alexander der Große, Georg Friedrich Händel, Baumgeister, Offenbarung des Johannes, Kreuzfahrtschiff, Der Wind in den Weiden, Kenneth Grahame, Werther, Garten der Lüste, Edgar Allan Poe, Der kleine Prinz, Peter Pan, Isaac Newton, Beowulf, Struwwelpeter, Mark Twain, Tom Sawyer, Schneewittchen, Così fan tutte, Mozart, Area 51, Philemon und Baucis, Sarah Bernhardt, Konfuzius, Dracula, Die Hochzeit zu Kana, Santa Claus, Hernán Cortés, Zeus, Amphitryon, Tristan und Isolde, Meister Eckhart, Narziss, Rubens, Romulus, Mars, Schneekönigin, Thor, Macbeth, Wilhelm Meister, Maskenball, Kerberos.

 

77 Storys

Wald-Hochzeit * Ballonhochzeit * Im Gespräch mit dem Aschaffenburger Maulaff * AnimalSpeech-App * Alexander Puschkin spricht mit Eugen Onegin * Supermodel an Bord * Ghostwriter * Wenn man vom Teufel spricht - Goethe und Mephisto * Elsa und Lohengrin * Demetrius * Fachmännisches Urteil des Paris * Die Lichtung - Der Freischütz * Fjodor Michailowitsch Dostojewski zwischen Anna und Polina * Faszinieren mit Fassaden * Marcel Proust und der Engel * Cappy - der Geist im Cappuccino * Orpheus in der Unterwelt * Giacomo Casanova und Marie Charpillon * Alexander der Große im Himmels-Museum * Georg Friedrich Händel resümiert * Wie man Baumgeister beschwört * In der Offenbarung des Johannes * Zeitreise in die Antike * Mit dem Kreuzfahrtschiff auf Versöhnungskurs * Der Wind in den Weiden - Interview mit Kenneth Grahame und seinen fabelhaften Tieren * Costa Hades - Werther und Mephisto * Pinocchia * Hinein in den Garten der Lüste * Edgar Allan Poe und G. Wissen * Der kleine Prinz gibt ein Interview * Goldesel, go! * Plauderei mit Peter Pan * Edgar Allan Poe und die Raben * Isaac Newton und Hermes Trismegistos * Being Beowulf * Interview mit Struwwelpeter * Mark Twain und Tom Sawyer * Interview mit Gott * Schneewittchen und die Therapeutin * Così fan tutte und eine Mozart-Kugel aus Kristall * Dungeon und Aliens * Alles im grünen Bereich in der Area 51 * Philemon und Baucis - alte Liebe rostet nicht * Android Silverstar und Nova Superb * Mozart und seine Schwester Nannerl im Freizeitsaal der Engel * Zombrini und Zombienchen im Interview * Isaac Newton im Raumschiff * Sarah Bernhardt und Nadar * Konfuzius und das Avaloner Feenblatt * Unterrichtsfach: Magisches Lächeln * Zu Gast bei Dracula * Zu Gast bei Dracula - Vorsätze * Interview mit Dracula und seiner Cousine Katrin * Ritterspiele * Die Hochzeit zu Kana und der Zeitreisende * Au-pair im Werwolf-Schloss * Interview mit Santa Claus und seiner Lieblings-Elfe Marion * Hernán Cortés und Montezuma * Zeus kommt als Amphitryon * Freecell, Schach und Philosophieren mit dem Computer * Derby Gold * Goethe 2030 * Tristan und Isolde und die Brain Book Technik * Meister Eckhart und der Tetramorph * Narziss, Echo und Hera * Rubens und die Vampirin * Romulus und Mars * Mars und Rhea Silvia interaktiv * Zac Erickson und Erich Zann * Die Schneekönigin * Thor-Chancen * Mach's wie Macbeth * Gespräch mit Wilhelm Meister * Der Maskenball * Conner Kerberos * Der gelbe Schirm * Interview mit dem Osterhasen

 

20 Drabbles

36 Gedichte

Wähle Liebe * Gespräch mit Protas * Das Wort Liebe * Gespräch mit der Kunst * Team * Positives Denken * Adventszauber * Silvester * Blowin' in the wind * 'ne feste Burg * Vita der Sprachen * Der alte Baum und das Baumhaus * Seitensprung als olympische Disziplin * Alexander der Große * Liebeskummer lohnt sich doch * Saloons und Salons * Auf der Suche nach der verlorenen Zeit * Dionysien * Wäre meine Seele ein Buch * Struwwelpeters Bande * Der Wolf und keine sieben Geißlein * Die Garde ausgedienter Wörter * Konfus durch Konfuzius? * Beowulf und Monster Grendel * Philemon und Baucis reicht's * Bytes-Bier * Bier * Fernbeziehung * Im Seelengrund * Spam * Verkleidungen * Farb-Auftrag * Winter vs. Frühling * Pferdeschlittenfahrt * Garten Reden * Schweres Frühlingserwachen

 

Kleinere Gedichte

Aphorismen

1400 Sprüche und Gedanken

 

Wald-Hochzeit



„Ich glaub, ich steh im Wald“ - diesen und ähnliche Sprüche sollte ich jetzt wohl lieber nicht bringen, denn auch wenn wir unsere Hochzeit im Wald feiern, so beginnt doch jetzt der Ernst des Lebens; mich von meiner seriösen Seite zeigen. Der Junggesellenabschied glich doch sehr den Ereignissen im Film „Hangover“ - Erinnerungen ausgetilgt dank Drugs & Rock ’n’ Roll - wobei es etwas mehr von Ersterem war. Michelle sieht bezaubernd aus; wir haben uns beim Pilzesammeln kennengelernt - wobei ich ihr bis heute nicht gestanden habe, dass nicht Maronen und Steinpilzen meine Aufmerksamkeit galt, sondern den fantastischen Magic Mushrooms. Daher das Ambiente „Wald“ - und da es seit kurzem möglich ist, die Zeremonie an beliebigen Plätzen abzuhalten, hat uns nichts davon abgehalten, eine Lichtung damit zu beauftragen, für uns als Plattform für den schönsten Tag unseres Lebens zu fungieren. Mir ist, als zucken die Pilze beim Wort „fungieren“ zusammen, Horror-Bilder von Fungiziden schießen ihnen durch ihre braunen Köpfe. Ich war ja für ein „Robin Hood“-Motto, aber Michelle nutzte die Macht ihres Vetos - stattdessen tummeln sich Horden an Feen, Waldschraten, kolossalen Kobolden um uns und intonieren das Lied „Die Vogelhochzeit“, wobei sie die honetten Zeilen durch obszönere ersetzt haben. Wir haben unsere Hochzeitsgäste gebeten, sich entsprechend zu kostümieren, und so ähnelt das Ganze ein wenig dem Sommernachtstraum.

Bei der Zeile „Der Schluckspecht war der Bräutigam, er vögelt lustig, was er kann“ zucke ich doch zusammen, das ist mir zu nahe an der Wahrheit. Ich bin drauf und dran, einige Kobolde zu erdrosseln, stattdessen singe ich „Die Pute, die Pute, die kriegt was mit der Rute“. Betroffenes Schweigen. Mein Konter kommt nicht gut an. Ich will es wiedergutmachen und singe fröhlich: „Der Pfau mit seinem geilen Schwanz macht mit der Braut den ersten Tanz.“ Unnötigerweise begleite ich das mit entsprechenden Gesten. Der Standesbeamte bemüht sich um Schadensbegrenzung. Er hämmert wie ein Richter mit seinem Schuh auf den von mir gezimmerten Altar; der bricht zusammen; doch nicht so solide, wie die Bauanleitung mir weismachen wollte. An den Bäumen hängen - wie in einem grünen Salon - Bilder, Fotos, auch einige meiner Gemälde - es soll heimelig wirken - aber mir scheint, der Wald wehrt sich; es wird windig, es nieselt; wir sind für ihn Fremdkörper. Sein Immunabwehrsystem greift uns an. Auf der Lichtung steht ein windschiefer, alles andere als einladend aussehender Hochsitz. Ist das Plan B? Sollen wir uns dort das Ja-Wort geben? Wir könnten auslosen, wer mitdarf. Aber da bricht die Sonne schon wieder durch, gar nicht nötig, die Hochzeitsgesellschaft zu splitten.

Clas, ein Freund der Braut, singt: „Der Kuckuck schreit, der Kuckuck schreit, seid Ihr fürs Kuckuckskind bereit?“

Was will er mir da unterschieben? Ich prügel die Antwort aus ihm raus. Es stellt sich heraus, dass er mir gar keine Hörner aufsetzen wollte - jetzt hat er ein Horn an der Stirn. Es ist wie eine Sucht, wir sollten mit diesem Lied aufhören, aber einem fallen unentwegt neue Strophen ein und es drängt einen, die hinauszuposaunen; ein Teufelslied.

„Die Schnepfe, die Schnepfe verdreht allen die Köpfe.“ Nun, das war noch harmlos, Mut zur Offenheit: „Brautmutter, diese Eule, will ich nicht sehen eine Weile.“

Ich kassier dafür eine Ohrfeige und dann gleich noch eine - von der Tochter und der Mutter. Schön, wenn sich Mutter und Tochter einig sind. Wir haben Gastgeschenke vorbereitet, darunter auch Mückenspray - und das wird jetzt schon benötigt. Ziemliche Plagegeister - ich wünsche mir den Komfort eines Schlosssaales; wieso haben wir uns nicht in einem Audienzsaal kennengelernt? Meine Gedanken schweifen ab, als Ritter hätte ich eine Rüstung, die mich vor Ohrfeigen schützen würde. Wir haben einen Schnellzeichner - und der zeichnet unentwegt die peinlichen Momente - das läuft hier aus dem Ruder; diese Art der Unvergesslichkeit ist mir sehr zuwider; ich sage ihm, dass er aufhören soll; Michelle sagt ihm, er soll weitermachen. Ich haue auf die Piñata, die eigentlich für später gedacht ist - Konfetti-Regen quillt aus ihr heraus. Memo an mich: Unbedingt Piñata mit auf Hochzeitsreise nehmen. Wo kann man noch Stress abbauen? Ich zerkrümel ein paar Hochzeitskekse; die waren zwar sehr liebevoll gestaltet, aber so vergreif ich mich vorerst nicht an der Hochzeitstorte; ja, die lass ich unbehelligt; wieso steckt meine Faust dann in ihr drin? Tortenschlacht? Michelle heult. Sie fragt mich, ob ich die Hochzeitsringe habe, ich antworte: „Du hast Ringe unter den Augen.“ Einige Gäste schreiben unverschämte Sachen ins Hochzeitsbuch - ich bewerfe sie mit personalisierten M&M‘s. Die Vögel des Waldes halten das für eine Fütterungsaktion - und ab jetzt geht es zu wie in Hitchcocks Film „Die Vögel“. Zumal ich sie statt mit Reis, mit Vogelfutter bewerfe. Immer politisch korrekt. Vielleicht hätten wir doch einen Hochzeitsplaner beauftragen sollen, das DIY - Do It Yourself - hat so seine Tücken. Z. B. zerfällt der Brautstrauß, wenn man allzu heftig damit Kobolde verdrischt. Die Eichhörnchen haben das Süßigkeitenbuffet für sich entdeckt - lasst es Euch schmecken. Habe ich aus Märchen gelernt: Wenn man gut zu den Tieren ist, dann helfen sie einem hernach. Die vielen Windrädchen drehen sich wie verrückt - es scheint, der Wind bemüht sich, sich meinem Empfinden anzupassen - das Äußere als Spiegelbild meiner Seele. Vielleicht bin ich nicht reif für die Ehe und täusche Zorn vor, damit ich meine wahren Gefühle nicht erkenne? Verstimmung, weil ich Angst vor dem Käfig Ehe habe? Es sabotieren - den Pastelltönen grellere Farben entgegensetzen - Raubein als Kostümierung? Wieso trage ich auch das Waldschrat-Kostüm - Michelle ist keine Elfe - und wir fordern von diesem Tag zu viel: Man kann sich nicht den schönsten Tag seines Lebens auf Knopfdruck bestellen - das funktioniert so nicht. Ich muss an Don Quichotte denken - vielleicht sind die Windmühlen, gegen die ich kämpfe, auch so winzig klein wie die Windrädchen - ich kämpfe Bagatell-Kämpfe. Vielleicht sind wir wie der Wald - und wir versuchen, mit Deko etwas zu sein, was wir nicht sind? An zwei Bäumen befestigte Tüll-Gardinen als Vorhang für ein sich liebendes Paar - witzigerweise war das früher hier ein Amphitheater, jetzt eine Startrampe, um in den siebten Himmel zu gelangen. Fehlzündung. Aber der Count-down läuft. Und die im Wald verteilten Pompons versuchen, Stimmung zu machen, wie die beim Cheerleading verwendeten Tanzwedel. Bemüht Euch nicht. Vielleicht kann ich nur holzen? Hier ist Taktik gefragt. Mir ist hier zu viel Holz: Die Eheringe sind aus Holz, das Gästebuch mit seinem Holzcover, das Essen auf Baumscheiben serviert - ich habe das Gefühl, ich mutiere ernsthaft zum Waldschrat. Ist doch erschreckend, wie sehr einen das Ambiente beeinflusst, durchströmt. Das W-Team kommt: Wildschweine, Wölfe, Wespen. Oder sind die scharf darauf, unsere mobile WC-Kabine zu testen? An den Ort zieh ich mich jetzt zurück. Der Schnellzeichner folgt mir - mir ist aufgefallen, dass er bevorzugt mich malt und mir den einen und anderen Seitenblick zuwirft. Außerdem stimmt er mir zu, dass ich im „Robin Hood“-Kostüm eine glänzende Figur gemacht hätte. Ich bin drauf und dran, mit ihm durchzubrennen, ich sage Michelle, sie soll ihm den Brautstrauß zuwerfen. Sie tut es tatsächlich. Vielleicht ist dieser Wald zu urtümlich, er verwandelt uns - er konfrontiert uns mit unserem archaischen Ich, fein überdeckt wie mit Puderzucker, da stoßen wir auf die Prähistorie. Historie ist uns gegenwärtig, aber da ist mehr im Spiel - man sollte nicht mit Fantasy-Kostümen rumlaufen, wenn man die Implikationen, die die Rolle mit sich bringt, unzureichend berechnet hat. Was ist mit der Rolle als Mustergatte? Da ist vieles, was ich noch nicht ausgelotet habe, das Bürgerliche kommt mir wie ein Schienensystem vor, ich aber bevorzuge eine Enduro, was Geländegängiges. Ich bin gut darin, meine Panik mit Schreck-Snacks zu füttern. Als ich beim Coffee-Bike, der mobilen Kaffeebar, einen Latte-Macchiato mit einem Schuss Baileys schlürfe, entpuppt sich der Wolf als Schäferhund-Welpe, das Wildschwein bleibt allerdings ein Wildschwein. Ich verjage es mit Seifenblasen - ein ungleicher Kampf - das tapfere Schneiderlein hat das besser gelöst: Es hat es in eine Kapelle gelockt. Mir wird klar, was mein Unterbewusstsein mir mit seinen Gedanken-Kapriolen sagen will: Ich bin das Wildschwein - ich soll die Freiheit des Waldes opfern - die Institutionen als Käfig. Mich stören die Hussen auf den Gartenstühlen - es soll dekorativ sein, aber es ist Täuschung. Hinfort damit! Mir dämmert, dass die Magic Mushrooms hier ein Wörtchen mitreden. Ich kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen; Narzissmus - ist das Verlobung mit sich selbst? Vielleicht rebelliert mein Alter Ego gegen Michelle? Es befürchtet Konkurrenz. Ich befrage Michelle dazu. Sie gesteht mir, dass ähnliche Sorgen sie plagen. Überall hängen bunte Luftballons - doch wir können nicht mit ihnen davonschweben; es sei denn, wir nehmen jeder 50 Stück davon - die Helium-Flucht. Beim Rumalbern kommen wir uns wieder näher. Die Hochzeitsgäste umlagern die Candybar, der Hit sind die Cake-Pops - Kuchen am Stiel. Die Chronologie fährt Achterbahn, das Ja-Wort wartet auf seinen Auftritt; aber waren die Beteiligten beim Sommernachtstraum nicht auch gefangen in einem Spiel im Spiel? Heillose Verwirrung als Ausgangspunkt für heilsame Erkenntnisse. Die Blätter spenden uns rauschenden Beifall.

„Wir ernten Beifall - die Natur gib uns ihren Segen. Könnte jemand mal das Wildschwein festbinden?!“

Es stellt sich heraus, dass jemand seinen Pudel verkleidet hat. Aber was ist des Pudels Kern? Alles ist Larve, ein Wachsen im Schutz der Verkleidung.

„Faszinierend, wie sich Dir die Dinge darstellen. Wie wär’s, wenn wir unsere Hochzeitsreise mit einem Magic-Mushrooms-Trip beginnen? Nimm mich mit auf Deine Reisen“, bittet mich Michelle.

“Schicken wir unsere Gäste ins Verdauungskoma - lass uns tafeln; ach ja, ziehen wir es jetzt durch, betreten wir die Ehe-Arena?“

Der Standesbeamte ist ganz überrascht, als wir vor ihm auftauchen.

„Ihr seid schon schräge Vögel; dass Ihr Euch noch traut. Nach mir die Sintflut.“

Er hebt in gespielter Verzweiflung die Hände.

„Manche Ehen werden im Himmel geschlossen, bei anderen denkst Du: Ich glaub, ich bin im Wald. Wenn das der Rahmen sein soll, dann bin ich nicht im Bilde“, ereifert er sich.

Der Schnellzeichner fragt mich, was ich von einer Ehe zu dritt halten würde. Clas fordert mich zum Duell heraus, wir fechten mit Baguettes.

Ich sage: „Michelle, mein blonder Engel, wenn ich falle, dann als Gladiator. Ich verspreche Dir Brot und Spiele - oder Brötchen und Spielchen - wonach Dir der Sinn ist. Oder Du bereitest uns aus Brotteig was.“

Mittlerweile beteiligen sich auch andere Hochzeitsgäste an dem Baguette-Turnier. Ein Hauen und Stechen.

Clas singt: „Der Kakadu, der Kakadu, der kackt wohl ab im Nu.“

„Eine Traumhauchzeit“, meint Michelle, ich wünschte, die Ironie wäre nicht berechtigt.

Ich bearbeite Clas wie eine Piñata. Gutes Zeichen - meine Eifersucht überzeugt mich davon, dass Michelle es wert ist, fortan im Ehe-Käfig zu leben. Ich hätte es mit gefälligeren Synonymen umschreiben sollen, denn Michelle fährt aus ihrer Haut. Sie bewirft mich mit allem, was verfügbar ist - und dazu gehört leider auch Silberbesteck. Bin ich ein Vampir - die Silberkugeln-Masche? Der Standesbeamte wiederholt seine Frage zum dritten Mal - und wir beide schleudern ihm ein „Ja“ entgegen; das hat Leidenschaft. Aber es gibt viele Arten, wie das Ja-Wort das Licht der Welt erblickt. Das Furiose und das Kuriose wird uns hoffentlich auch nach dem Ehegelöbnis erhalten bleiben. Ihr Bridal-Look hat etwas gelitten, der Brautkranz sitzt schief, aber die ersten Hürden sind umschifft. Ich will gar kein ruhiges Fahrwasser. Wie, um dem Bild des Ehehafens etwas entgegenzusetzen, habe ich ein Speedboat gemietet - mal sehen, welche Einfälle Michelle bei unserer Hochzeitsreise beisteuern wird. Lass es krachen, Baby. Ich bin zuversichtlich - sie ist ein echter Kracher.



ENDE



Ballonhochzeit



Hochzeitslocation Heißluftballon - seit einigen Monaten ist es nicht mehr notwendig, dass die standesamtliche Trauung in geschlossenen Räumen stattfindet; Pionier war Bayern, dann folgten die anderen Bundesländer. Ob am Strand, im Stadtpark - man muss den Brautleuten bei der Gestaltung dieses wichtigen Ereignisses schon entgegenkommen. Das Standesamt als Ehe-Fabrik, Fließband-Verfahren, Massenabfertigung - das geht doch auch luftiger; was spricht gegen den freien Himmel als Zeugen dieses Gelöbnisses? Auf dass es mehr einer romantischen Zeremonie gleicht als einem Verwaltungs-Akt; deshalb auch der herzförmige Heißluftballon; die Ballon-Kathedrale war leider schon vergeben - und unter einer riesigen Flasche Jägermeister zu hängen, setzt eindeutig das falsche Zeichen; also darauf achten, was über einem schwebt. Im Korb wäre Platz für 10 Personen, aber wir sind nur zu viert: der Pilot, der Standesbeamte, Tira und ich. Wenn alles gutgeht, landen wir in einer Stunde auf der Festwiese, wo uns unsere Hochzeitsgäste erwarten. Extra einen Kuhbrenner dabei - der ist leiser, aber nicht ganz so leistungsfähig - aber was tut man nicht alles, um eine Stampede zu vermeiden - das Durchgehen der Rinder. Kaum Thermik - könnte man auch symbolisch verstehen: Nicht angewiesen sein auf Aufwind - man muss selber nur heiße Luft produzieren - entspricht eigentlich meiner Lebensdevise „Luftikus“. Tira teilt meinen Leichtsinn, eigentlich unverantwortlich, zwei solche Typen zu kombinieren; was sagt die Astrologie dazu? Tira ist Widder und ich Steinbock. Lassen wir es krachen.

Tira schwärmt: „Auf Wolken schweben ... hier sind wir den Engeln näher - und der Vorsatz, von Luft und Liebe zu leben, erscheint hier ungleich realistischer als in Bodennähe; sich frei machen von den irdischen Verhältnissen, sich dem Element Luft anvertrauen.“

Sie breitet ihre Arme aus wie bei Titanic; zum Glück bin ich nicht abergläubisch oder wenn, dann soll mein Unterbewusstsein, das für sich behalten.

„Ein Kubikmeter Luft wiegt 1,3 kg; was so alles auf uns lastet; was uns eigentlich bedrücken sollte - es aber nicht tut, da wir es gewohnt sind; vielleicht ist es mit einer guten Ehe auch so: Dauerstress - der fällt dann nicht so ins Gewicht?“

Ob ich mir derartige Scherze so kurz vor der Hochzeit erlauben sollte? Aussteigen kann sie nicht.

Sie sagt: „Eigentlich wollte ich Dir ja einen Korb geben - und jetzt gibst Du mir einen: Tolle Idee mit der Ballonfahrt. Dein Leichtsinn hat was Süchtig-Machendes. Wirft alle meine Planung über den Haufen - und ich komme viel schneller ans Ziel - als ob sich unerlaubterweise Abkürzungen offenbart hätten, sich dem auftun, der nicht dem Mainstream folgt. Sonderwege, Sonderbares - da erwarte ich mir von Dir. Enttäusche mich nicht.“

Der Standesbeamte scheint, uns völlig vergessen zu haben, er ist fasziniert von der Weite; Herrscher einer neuen Dimension; Aufsteiger. Sich dem Eskapismus überlassen - einen kleinen Schlenker machen, nicht mit der Realität auf Konfrontationskurs - das ist möglich, wenn einem neue Dimensionen zur Verfügung stehen - das Traumreich, die breite Landschaft der Fantasie; Baumaterial Illusionen - die Realität beschönigen - wird sie geschmeichelt sein und diesem Ideal gleichen wollen? Der Realität Vorgaben machen - hey, so könntest Du sein - fühlt sich Welt dann berufen, nach einem Vergleich und Check diesem Ruf zu folgen? Lockruf des goldenen Zeitalters. Mag sein, weil die Sonne so golden das Land einfärbt und ich meinen Gedanken das Assoziieren gestatte, dass ich plötzlich an meinem Lebenskurs zweifle: Bin ich ein Schönfärber - überziehe ich die Areale, die ich im Fokus habe, mit goldenem Schimmer? Nun ja, der Sonne zu gleichen - es gibt schlechtere Vorbilder.

Tira singt: „Love ist in the air.“

Das hilft nun nicht gerade, um mich aus meinem Romantik-Modus zu schleudern. Wie fest ist der Boden wirklich - besteht man auf dieser Ameisen-Existenz? Berauschend - es färbt auf die Seele ab dieses Schweben; ich fürchte nur, es macht süchtig.

„Meinst Du, das ist zu viel Romantik? Wenn die Ehe in solcher Romantik-Höhe beginnt, wie sollen wir das steigern?“

Da Tira mit den Schultern zuckt, antwortet der Standesbeamte: „Ich finde die neuen Richtlinien toll; sehr unterstützenswert; es muss festlicher sein; ein breitgefächertes Angebot an Hochzeitslocations - außerdem komme ich so mehr rum.“

Der Pilot lässt ihn den Propan-Brenner bedienen. Mit einem Gasballon wäre es ruhiger; insgesamt hat man das Gefühl, diese elende Gravitationskraft auszutricksen; alles will sie einem verbieten; man muss sich in Träume flüchten, um die Erlaubnis zum Schweben zu haben?

„1783 misstraute man noch dem Luftmeer. Die Montgolfier-Brüder ließen zunächst drei Tiere in den Himmel aufsteigen: Hahn, Ente, Hammel. Tiere vorweg, ich vermute, die betreten noch vor uns den Mars. Aber wir sind ihnen ja stets gefolgt - in der Evolution eilten sie uns voraus.“

Ich habe weiße Tauben im Käfig dabei. Aber als Zugeständnis an Tiras Tierliebe handelt es sich um Papierflieger in Taubenform. Immer wenn der Brenner aus ist, schicken wir einige von ihnen auf die Reise. Ein Kuriosum: Da der Ballon mit dem Wind fährt, weht im Ballonkorb kein Wind.

Ich sage: „Existiert für uns der Wind nicht, da wir uns mit ihm bewegen? Was ist mit der Zeit - wenn wir uns wirklich mit ihr bewegen würden, dann verstriche sie nicht, dann würde sie nicht an uns vorüberstreichen? Ich brauche einen Zeit-Ballon, da setz ich mich rein.“

Der Standesbeamte meint nur, wir sollten mit der Zeremonie beginnen, offensichtlich macht er sich Sorgen um meinen rasch zerfallenden Geisteszustand.

„Es gab auch mal einen Mann, der mit einem Gartenstuhl gen Himmel fuhr - 5000 Meter hoch. 42 Heliumballons trugen ihn empor. Und dabei bestimmte Ludwig XVI., dass der Himmel nur dem Adel vorbehalten sein soll - oder draufgängerischen Tieren.“

Der Standesbeamte räuspert sich. Er hat jetzt schon mehrfach seinen Stichwortzettel auf- und zugefaltet - und ich mache auf Museumsführer, als ob ich von dem Geschehen etwas verstünde, kommentiere einen mir an sich fremden Bereich, den ich mir aber gedanklich unterwerfen will. Wir sind eben keine Zugvögel, nicht mal zu kleinen Hüpfern von Baum zu Baum in der Lage - wir besiedeln den Boden; das ist unser Schicksal. Dennoch - so nah überm Boden sich erkühnen, vom 7. Himmel zu sprechen, ihn in die Lebensplanung miteinzubeziehen - er soll involviert sein: Wir planen einen Pakt, der uns diesen Aufenthalt auf Dauer ermöglichen soll. Ich tanze mit Tira - und der Standesbeamte rauft sich die Haare. Von CD erklingt: „Ich tanze mit Dir in den Himmel hinein.“ Ich will diesen Moment hinauszögern - fast so, als ob man den Höhepunkt vorerst verhindern möchte - es ist das Refugium der Vorfreude, vorerst ist es ihr Fest. Um das Maß an Kitsch vollzumachen, entsenden wir herzförmige Luftballons als Liebesboten in die Welt hinaus. Die Ansprache des Standesbeamten ist sehr detailliert, meiner Meinung nach betont er meine Schwächen - ich muss ihn da mehrmals korrigieren - er ist drauf und dran, mich aus dem Korb zu schmeißen. Endlich kommt er zur Eheschließungsformel. Ich hatte schon überlegt, statt Ja Yep oder Yeah zu rufen; vielleicht fehlt doch das Förmliche? Man ist unverantwortlich relaxed - ich stelle mir gerade einen schwebenden Altar vor, über dem sich keine Kathedrale gen Himmel streckt, sondern ein 10.000 Kubikmeter Ballon. Wir sagen beide artig Ja. Ich bin eifrig am Mental-Foto-Knipsen. Dieser Moment verdient es, festgehalten zu werden; ich hätte auch den Ring festhalten sollen; er entgleitet mir.

„Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,

ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.“

Soll das jetzt meine aufflackernden Bedenken beschreiben, oder bin ich nur unglaublich schlecht darin, auf diplomatische Art Zitate unterzubringen? Ich drück schnell auf dem CD-Player „One moment in time“.

„Da heißt es: Give me one moment in time - when I’m more than I thought I could be. So ist mir zumute: Vollendet werden durch Ergänzung - als ob einer Farbe die Komplementärfarbe gefehlt hätte. Statt monochrom: Kontrastvielfalt. Wie roter Mohn auf grüner Wiese - das sind wir nun.“

„Bin ich der Klatschmohn oder das Gras?“, erkundigt sich Tira.

Ich deute auf die Festwiese, die in der Ferne schon erkennbar ist.

„Die Erfahrung lehrt uns, dass die Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man in die gleiche Richtung blickt“, zitiere ich Antoine de Saint-Exupéry.

Immer gut, wenn man ein Brevier mit Hochzeitssprüchen zur Hand hat. Wir fühlen uns magnetisch von unserem Ziel angezogen, nur der Heißluftballon macht Sperenzien. Als ob er einer plötzlichen Laune oder einer Eingebung folgen würde, setzt er neuen Kurs.

„Kein Problem; eine Schicht über uns weht ein anderer Wind; nehmen wir den.“

„Die Zuversicht des Piloten sagt mir, dass es nicht die schlechteste Entscheidung ist, seine Fahne nach dem Wind zu hängen - bei entsprechender Mobilität kann man sich Wunsch-Wind aussuchen. Unsere Location verkündet Freiheit; Realitäts-Flüchtlinge sein, wenn die Illusion genügend Tragkraft hat. Man muss nur entsprechende Menge an Wunsch-Kraft mitführen, so wie Propangas.“

Tira meint: „An so einem Tag wie heute bin ich gewillt, Deiner Weltsicht zuzustimmen; aber was wird sein, wenn wir den einen oder anderen Systemabsturz erlebt haben - wie viel Optimismus bleibt dann?“

„Das ist der Vorteil, wenn man zu zweit ist: Wie beim Tauchen - einer hat immer noch Optimismus-Reserve - so wie Sauerstoff, den man sich vorübergehend teilt.“

Der Ring findet sich wieder an, der Ballon schwenkt reumütig wieder auf den richtigen Kurs und wir besiegeln den Ehekontrakt mit einem Kuss, den man umständehalber durchaus auch als Dauerbrenner bezeichnen könnte. Gibt zumindest jede Menge Auftrieb.



ENDE



Im Gespräch mit dem Aschaffenburger Maulaff



Wie komme ich mit jemandem ins Gespräch, der Maulaffen feilhält? Und dazu noch ein Holzkopf ist. Ach, ganz einfach, Empathie löst jedem die Zunge, macht ihn mitteilsam. Empathie als bewährtes Mittel, um denen Worte zu verleihen, die sprachlos vor einem stehen, sei es aus Gründen des Staunens oder weil ihnen die Würde abhandengekommen ist. Mich interessiert es, wie es um den Aschaffenburger Maulaff bestellt ist. Er steht im Schlossmuseum, ist aus Eichenholz - und zunächst gar nicht gesprächswillig. Ich muss mich mehrmals räuspern, bevor er den Blick unwillig zu mir wendet. Zunächst versucht er, den Mund weiterhin offenzuhalten, aber er muss einsehen, dass seine Worte recht unverständlich sind. Ich fange an zu gähnen, da ich ihn so intensiv anstarre; seine Mimik überträgt sich auf mich - tja, man sollte es mit der Empathie nicht übertreiben - aber genau da beginnt die Magie. Er lockert seine Kiefermuskeln - und ist jetzt endlich in der Lage, Stellung zu beziehen. Ich bin ganz Ohr.



Der Maulaff krächzt: "Frag mich nicht, was die Maulaffen kosten, die ich feilhalte. Ich bin es leid, dumme Sprüche zu hören; aber ein anständiges Gespräch wäre eine Wohltat."



Er ist beinahe mannshoch - und er stützt sich auf einen langen Stock. Ich will ihm zeigen, dass ich informiert bin, und erzähle ihm das, was er schon längst weiß: "Du wurdest 1778 geschnitzt. Du trägst die Spessart-Kleidung eines Bauern: Schiffhut, grüner Rock, rote Weste, kurze gelbe Lederhose, Wadenstrümpfe und Schnallenschuhe. Geboren zu dem einzigen Zweck, die Hofgesellschaft zu unterhalten: Sie versuchten, Dir Spielkugeln aus einiger Entfernung in den Mund zu werfen - und diese rollten dann auf Deiner Rückseite wieder raus. Amüsanter Zeitvertreib. Normalerweise hält man Maulaffen feil, weil da wirklich etwas Staunenswertes ist; aber Du bist zu dieser Haltung seit Jahrhunderten verpflichtet, bist eventuell ein bisschen stolz darauf, dass Du es bis zu einem Wahrzeichen der Stadt Aschaffenburg gebracht hast; ein schöner Job; nahe dran an einer Legende."



Ich scheine sein Interesse geweckt zu haben, er sagt: "Wie werde ich denn legendär? Mir ist es schon ein wenig peinlich, durch Nichtstun so viel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen."



Um die Möglichkeit zu haben, selber darüber nachzudenken, also um Zeit zu gewinnen, beschließe ich, auf die Funktion eines Maulaffen einzugehen.



Er wehrt ab: "Kein Exkurs. Ja, ein Maulaffe ist ein Kienspanhalter. Also eigentlich jemand Wertvolles. Er hält das Licht; so als ob der Mensch selber mit den Zähnen den brennenden Kienspan hielte, damit es licht um ihn sei und er was erkennen kann. Bin ich lächerlich? Ich nehme Schwingungen wahr, die darauf hindeuten. Ich will nicht das Gespött sein, jeder will doch was Ehrenhaftes darstellen; nur berühmt sein, weil man lächerlich ist? Sprachst Du mich deshalb an, um mich darauf hinzuweisen? Dann lass mich in meiner Unwissenheit, ich mag nicht reflektieren. Dumpfes Brüten ist da besser. Nicht zu heller Verstand - um so mehr tut es weh."



Ihm rinnt eine Träne aus dem Auge; weit aufgerissene Augen. Das habe ich nicht gewollt. Ich reiche ihm ein Taschentuch.



Er meint: "Ich will mich nicht überanstrengen; ich traue meiner Bewegungsfähigkeit nicht; was ist, wenn sie mich anderntags verändert vorfinden? Sie werden erschreckt sein; ich bin ihnen vertraut in dieser Stellung. Man klammert sich an das, was man hat: ein Wahrzeichen - das ist doch was. Wobei der Belustigungs-Faktor mich beunruhigt; wo finde ich Trost? Sind Clowns wertvoll?"



Nach dem Sprechen nimmt er sogleich die Maulaffen-Mimik wieder ein, reißt dabei aber seinen Mund zu weit auf.



Ich sage: "Nicht übertreiben; Du willst es wettmachen durch Über-Gehorsam. Du fällst aus Deiner Rolle; man hat ein schlechtes Gewissen, möchte der Gesellschaft gefallen, will ihren Beifall. Für welchen Preis? Wie oft muss der moderne Mensch sich zum Affen machen? Oh nein, es ist nicht beschränkt auf die vergangenen Jahrhunderte, man geht dieser Tätigkeit auch weiterhin nach, weil sie einträglich ist. Es ist anderen etwas wert, wenn sie sich aufspielen können, man degradiert seine Untergebenen, ja sogar seine Freunde, nur um zu beweisen, dass man nicht ganz so äffisch ist. Darum bemüht sich die Menschheit: Abstand zu gewinnen vom Affen, seinem Griff, seinem Zugriff zu entkommen, aus dieser elenden Umklammerung der Natur. Wie freut man sich, wenn dann jemand freiwillig Maulaffen feilhält, er ganz unserem Spott ausgeliefert ist. So wie bei der Hofgesellschaft und ihrem Ballwerfen auf Dich. Amüsement. Harmlos?"



Er erwidert: "Nun bring mich nicht in Verlegenheit. Letztlich schiebst Du mir ja Deine Gedanken unter. Ich will nicht Deine Gedanken denken, niemand sollte das: Aber wie bin ich zu eigenen fähig? Verrate mir das. Magie der Empathie - geht das auch vice versa? Ginge das auch für Dinge, Figuren, dass sie im Sinne des Pantheismus Anrecht haben auf Gott-Anteil?"



Ich antworte: "Nun ja, Gott ist keine Aktien-Gesellschaft. Aber wer sagt denn, dass wir alle nicht deshalb beseelt sind, weil Seine Empathie es uns ermöglicht. Ausströmen des Heiligen Geistes. Input in Form von Anteilnahme."



Maulaff sagt: "Du siehst mich betroffen; da klaube ich mir mein bisschen Würde zusammen, aus dem Tatbestand, dass ich ein Wahrzeichen bin - und hoffe, dass es das andere wettmacht: Spielfigur zu sein, dazustehen wie ein Lackaffe, als ob ich mir was einbilden würde auf meine Spessart-Tracht. Trägt ja keiner mehr. Worauf stütze ich mich? Auf diesen Stock?!"



Er will den Stock wegwerfen, doch ich hindere ihn daran.



Maulaff schimpft: "Die sollen mich kennenlernen. Verdonnern mich dazu, den begriffsstutzigen Gaffer zu machen, als ob die, die an mir vorüberpilgern, so schwer zu durchschauen wären. Ich danke Dir für Deine Empathie."



Er hält mich fest. Er sagt: "Ich könnte meinem Gesichtsausdruck zufolge namenlosen Schrecken erblicken; oder es ist ein eingefrorenes Staunen, so als ob die ganze Welt ein Kuriosum sei, unaufhörliches Wunder, das zu empfinden, Ihr nicht in der Lage seid? Ich muss es Euch vermitteln - und Ihr freut Euch, wenn ich Euch an Euer einstiges Kinder-Staunen erinnere, darauf stoße, wie fantastisch das Drumherum - und dass man ein Teil dieses Etwas ist, was es eigentlich nach allen Gesetzen der Logik nicht geben dürfte. Wir erheben uns über die Logik; einst sensationslüstern - doch wir finden nur noch Banalität. Jetzt schließe ich mich mit ein in diese Betrachtung, werde zum Menschen für eine Weile - und erkenne, dass Ihr zuweilen zu gerne Maulaffen kaufen würdet: Aber so einfach lässt sich Unmittelbarkeit, das Maulaffen-Feeling nicht kaufen."



Ich antworte: "Ich staune über Dich; Du bist aus ganz anderem Holz geschnitzt, als der erste Eindruck vermuten lässt."



Maulaff sagt: "So bin ich doch auch Reflexions-Figur. Ihr kommt ins Grübeln, wenn Ihr einen Eurer Gesichtsausdrücke eingefroren vorfindet, damit konfrontiert, kein Übergangs-Stadium; fortwährendes Staunen, die Augen aufgerissen - eigentlich sollte ich nur zu einem Buchstaben befähigt sein: Dem A, dem lang gezogenen Vokal des Staunens, der Ehrfurcht - eventuell auch der Urlaut des Singens - oder der Bereitschaft, sich einen Zahn ziehen zu lassen. Na ja, diese Sorgen habe ich nicht. Ich werde hier stehen, wenn die derzeitigen Bewohner dieses Planeten einen Abgang gemacht haben, ihre Kinder und Kindeskinder werde ich begrüßen und sie an das Staunen erinnern. Das scheint mir, ist eine recht würdige Tätigkeit; damit komme ich klar."



Er nickt selbstzufrieden. Er nimmt allmählich seine andächtige, fast bittende Pose wieder ein - und mir ist, als könnte ich ihm kein weiteres Wort entlocken.



Kurioserweise ertappe ich mich in den nächsten Tagen dabei, dass ich dazu neige, Maulaffen feilzuhalten - Mimik hat wie Dialekt etwas Ansteckendes, man wird zu dem, was man schaut oder hört. Das Staunen ist nicht der schlechteste Zug an uns Menschen.



ENDE



AnimalSpeech-App


Endlich habe ich es geschafft: Die Sprachen der Tiere sind für uns jetzt super deutlich zu verstehen - dank der AnimalSpeech-App. Drei Jahre Entwicklungszeit - jetzt noch mal im Zoo testen, die Reporter sind mit dabei, ein bisschen Promotion, um das Geschäft anzukurbeln. Eventuell bei den Pinguinen anfangen, die waren immer sehr kooperationswillig; man will ja schließlich nicht hören, wie Zootiere lamentieren und die Gelegenheit nutzen, um lang angestaute Unzufriedenheit vor laufenden Kameras in alle Welt hinauszuposaunen. Zuversichtlich, wie ich bin, habe ich ein leeres Buch bei mir - ich will den Tieren die Gelegenheit geben für poetische Ergüsse, das notiere ich dann und eventuell lässt sich das prima vermarkten: Tierische Gedichte - live von der Front. Nun ja, es sind keine Wildtiere im eigentlichen Sinne, das macht es wohl leichter, sie an die Gepflogenheiten menschlicher Kommunikation heranzuführen; keine Obszönitäten, Small Talk mit tagesaktuellem Bezug. In dieser Erwartung steh ich mit meinem Handy vor den Pinguinen und sage: "Dann legt mal los, antreten zum App-Appell." Die AnimalSpeech-App funktioniert in beide Richtungen - also müssten mich die Pinguine wunderbar verstehen; aber sie tun so, als ginge sie das alles nichts an; Bestechung? Ich ködere sie mit Fischen. Endlich der erste Kommentar.


"Wurde auch Zeit", meint Pinguin 1. "Wer gut schmiert, der gut fährt."


Ich sage ihm: "Oh nein, so haben wir nicht gewettet; für Allerweltsweisheiten gibt es keinen Fisch; da muss was Spezifischeres geliefert werden."


"Ich verstehe nur Spezi-Fisch." Der Pinguin zuckt mit den Schultern und steckt mir die Zunge raus. Dabei hat der gar keine Schultern. Die Reporter filmen wie verrückt und halten den Pinguinen ihre Mikrofone hin.


"Wird das jetzt eine Pressekonferenz?", erkundigt sich Pinguin 1 - er hat sich offenbar zum Interessenvertreter dieser zwei Dutzend Pinguine erklärt.


"Die anderen sollen auch mal", ereifere ich mich. Ich richte mich bewusst an Pinguin 2 - doch der flieht vor mir. Wahrscheinlich eine Zoobesucher-Aversion, diagnostiziere ich.


Pinguin 1 watschelt zu mir. "Was kann denn Deine App so? Könnte ich mich auch mit den Elefanten unterhalten - will sagen, die inter-tierische Kommunikation hätte für uns einigen Nutzwert. Lässt Du mir Dein Handy da?" Er greift danach. Da er nur Flossen hat, gelingt das nicht so recht. Er sieht sehr enttäuscht aus.


"Ich könnte das für Eure Bedürfnisse modifizieren."


"Flossentauglichkeit hat oberste Priorität." Seine Kumpels stimmen ihm zu.


Ich hole einen Elefanten aus dem Nachbargehege und bitte ihn darum, sich mit den Pinguinen zu unterhalten. Der hält das für eine willkommene Gelegenheit, seine Trompeten-Kunst vorzuführen, lässt sich davon auch nicht abbringen und gibt eine Zugabe nach der anderen. Dass er zunächst noch Wasser im Rüssel hat, macht die Sache nicht erfreulicher.


"Wassermusik", meint Pinguin 1 mit Kennermiene. Woher er Händel kenne?


"Ach, hier laufen jede Menge Freaks mit ihren MP3-Playern rum - manchmal besorge ich mir derlei; das merkt doch keiner."


Die anderen zischen ihm zu, dass er von ihrem Diebesgut lieber nichts erwähne.


Der Elefant erkundigt sich: "Okay, was soll ich tun? Ich will niemandem ins Gehege kommen, aber ich steig da mal einfach so rüber - so, Pinguine, heißt mich willkommen in Eurer Mitte; nett habt Ihr es hier; ich nehme mal ein Bad."


"Das läuft sehr zu unserem Nachteil, da wäre eine Aufwandsentschädigung fällig - und eine Pool-Reinigung", meint Pinguin 1.


Also ich bin bis jetzt begeistert von der AnimalSpeech-App. Die Reporter scheinen das auch so zu sehen, es hagelt Vorschläge, wen wir noch dazuholen sollten. Ein Bär drängelt sich ins Geschehen, ich drück ihm ein Glas Honig in die Hand - vorbereitet sein, ist alles. In meinem Rucksack habe ich Bestechungsfutter, Gimmicks - eben alles, was man für eine perfekte Promotion benötigt. Leider durchwühlt Pinguin 4 das soeben und zeigt freudestrahlend, was er so zutage fördert. Sehr nachlässig - ich hätte einen der Tiger als Wache abkommandieren sollen.


Pinguin 1 hopst auf die Mauer und deklamiert:


"Wir stoßen auf Verständnis - man erhört

der Pinguine sehnsuchtsvolle Bitte:

Mehr Hightech, mehr Brimborium! Uns stört

die Langeweile. Bringt Leben in die Hütte!


Und apropos, ein Iglu, das wär fein -

und Batman-Filme mit dem Pinguin.

Als Kino-Futter: Packung Iglo-Stäbchen;

der Fisch ganz ohne Gräten - dazu Wein.

Sag an, sind meine Bitten allzu kühn?

Doch dies ist nicht der Südpol - ist ein Kittchen."


Ich äußere meine Zuversicht, dass sich wohl Sponsoren finden lassen. Dann liefer ich mir ein Tauzieh-Duell mit Pinguin 4 und einigen seiner Kumpels, die ihm zu Hilfe gekommen sind - aber sie lassen meinen Rucksack nicht los. Der Elefant kommt mir zu Hilfe, dann kommt der Bär den Pinguinen zu Hilfe - macht Spaß. Der Zoodirektor verspricht, Tauzieh-Wettbewerbe öfters stattfinden zu lassen. Ich notiere mir das Pinguin-Gedicht in meinem Buch, vielleicht kommen ja noch weitere. Aber man soll Tiere nicht drängen, das Schöngeistige hat immerhin Millionen Jahre gebraucht, um im Menschlichen zur Entfaltung zu kommen.


"Who's next?" "Darf ich, darf ich?", fragt Pinguin 3 hippelig und völlig übermotiviert. Er kaut auf Koffein-Kapseln, die eigentlich für mich gedacht waren. Ich bin ein wenig übermüdet vom Programmieren, Testen - da geben Koffein-Kapseln den nötigen Kick. Der Elefant will auch welche. Er kann sich nach Bedarf welche nehmen. Okay, wir teilen uns hier den Planeten mit den Tieren - aber sie hatten bislang unzulängliche Artikulationsmöglichkeiten; das könnte sich ändern. Ich halte die AnimalSpeech-App-Broschüre in die Kameras, lächle zuversichtlich - doch die Pinguine kaspern nur rum. Da sie inzwischen pappsatt sind, macht weitere Bestechung mit Fischen keinen Sinn.


Der Elefant philosophiert: "Hungrig sei das Volk - dann kann man es lenken."


Ein Reporter meint, dass er zunächst sehr skeptisch gewesen sei, er hielt das für eine Münchhausiade. Pinguin 1 ist sofort begeistert und meint, er würde jetzt gerne auf einer Kanonenkugel reiten. Er nimmt stattdessen mit einer Drohne vorlieb. Saust über unseren Köpfen.


Ich notiere mir noch einige Gedichte, zu denen ich die Tiere nötige; sollen sie sich ins Zeug legen, endlich einmal haben sie Dichter in ihren Reihen; Maler und Musiker schon seit Längerem. Ich halte eine motivierende Ansprache, bis mich die Tiere unterbrechen. Das Reden mit uns Menschen hätten sie sich nicht so anstrengend vorgestellt, sie seien eher die einsilbigen Typen. Ich halte dagegen: Wäre aber doch nett, wenn ihre Gedichte eine breite Öffentlichkeit fänden. Sie entgegnen: Ja schon, aber das müsse ja alles nicht so tierisch ernst sein.


"Ein hoher Spaßfaktor ist elementar wichtig", sagt der Elefant - und besprüht mich mit einem Wasserstrahl.


"Ich habe tierischen Durst", meint der Bär - und ob wir ihn auf ein Glas Honigwein einladen würden. Ich lasse Met servieren - wird per Drohne gebracht; die Restaurants haben ihren Fern-Service erheblich verbessert. Minuten später sind alle ein wenig beseligter als zuvor, man schunkelt, umarmt sich - Met hat was Völkerverbindendes.


"Dann hätte ich gerne einen fernlenkbaren Jeep", bittet mich Pinguin 2, der inzwischen - eventuell dank des Mets - sehr viel zutraulicher ist. Die Drohnen landen noch einige Male bei uns, bringen herrliche Sachen, ich finanziere das mit den zu erwartenden Gewinnen der App - und eventuell des Gedicht-Buches, das sich kurioserweise immer schneller füllt. Met beschleunigt geistige Prozesse.


Der Elefant dichtet:


"Nice to meet you, Met; Du schmeckst sehr lecker.

Die Musik ist meine Leidenschaft;

das Trompeten - geht's Euch auf den Wecker?

Habt mich deshalb oftmals angeblafft.


Dank des Mets posaun ich doppelt laut.

Buddy, hast Du noch ein stärk'res Kraut?"


Er scheint gut drauf zu sein. Gönnen wir dem Elefanten einen Joint. Der Zoodirektor gibt sein Okay, macht keine Zicken - aber da ist eine Zicke. Ich spreche sie gleich an: Nahm man bislang an, dass sie vor allem meckere, könnte sie nun das Gegenteil beweisen. Die Reporter halten ihr die Mikros hin.


Die Ziege guckt dumm aus nicht vorhandener Wäsche. "Ihr verblüfft mich, was soll ich sagen, ich bin so satt, ich mag kein Blatt?"


"Ja, das hat schon sehr viel Schönes", ermuntere ich sie, "wir testen die AnimalSpeech-App und erkunden in diesem Zusammenhang, ob Deinem Meckern Inhaltsschweres innewohnt."


"Häh?"


Eine Hyäne mischt sich ein: "Wie kann ich mich ins Darknet hacken? Ich suche Lieferanten für hochklassiges Aas."


"Hast Du ein Gedicht für mich?", frage ich. Die Hyäne nimmt einige Züge vom Joint und legt dann los:


"Ihr Menschen habt es gut, Ihr habt die Drohnen,

sie bringen Euch im Nu die tollsten Sachen.

An sowas könnte ich mich gut gewöhnen,

dann hätt ich endlich einen Grund zum Lachen."


Vor allem der Zoodirektor ist begeistert. Ich stelle mir gerade vor, wie ich Goldfische interviewe - vielleicht schafft das AnimalSpeech-App 2.0? - man könnte auch Mikroben befragen oder die Sterne. Der Enthusiasmus könnte vom Met verstärkt worden sein oder von der Tatsache, dass die Tiere mich auf ihren Schultern tragen. Komme mir vor wie Dr. Dolittle. Die Verständnisbarriere zu dem Tierreich ist durchbrochen. Ich befürchte nur, dass sich das als Münchhausiade herausstellen könnte. Ich lasse die Tiere ihr Gedicht-Buch unterschreiben: Mit Tatzen, Pfoten, Flossen, Hufen - was sich mir da so entgegenstreckt.


ENDE


Alexander Puschkin spricht mit Eugen Onegin



Man kommt ins Sinnen hier im Elysium - wie viel mehr hätte ich erreichen können, wenn ich der Forderung der Gesellschaft nicht nachgegeben hätte: Mit 37 Jahren von der Bildfläche zu verschwinden - nach solchem Anlauf, den Vorbereitungen - einfach abdanken - und d'Anthès, mein Duellgegner, hat mich um 58 Jahre überlebt. Alexander Puschkin, Du Narr - überlässt ihm den ersten Schuss. War es eingefädelt, lag Zar Nikolaus I. was daran, mich loszuwerden, sah in mir den Konkurrenten? Hat sofort meine Frau Natalja hofiert; brauchte mich nicht immerfort in die Verbannung zu schicken, war es eventuell auch leid, dass ich seinen Regierungsstil kritisierte. D'Anthès hat er begnadigt - ich vermute, er hatte den Auftrag, mich zu provozieren; d'Anthès schrieb Schmähbriefe, spielte den Beleidigten, weil Natalja mich geheiratet hat und nicht ihn; ist es fatal, eine schöne Frau zu haben? Dann wäre es auch fatal, wenn das Fatum es gut mit einem meint, es befördert den Neid, beschwört das Gespenst der Missgunst herbei.



Zur Untätigkeit verdammt, der Schaffensprozess liegt danieder; schönes Elysium, wenn der Blick rückwärtsgewandt alle Möglichkeiten noch einmal durchspielt - das 'Könnte und das 'Was wäre, wenn'; vertan, mich festgelegt auf die schlechteste aller Möglichkeiten; und weshalb? Ehre - hat er sie wahrlich verletzt? Es gehört doch dazu, dass ich es zulasse; wie kann die Gesellschaft bestimmen, zu welchem Zeitpunkt meine Ehre nicht mehr intakt sei? Und weshalb das Beharren auf Untadeligkeit? Gerade ein Schriftsteller muss sich Fehler leisten können, er betritt Gedankenreiche, versuchsweise, er ist ein Pionier, ein Erkunder - er darf sich verlaufen; sei es ihm zugestanden. Es war mein 11. Duell; bin ich eine Spielernatur, so leicht lenkbar durch die Gesellschaft, was ist es, was mich im realen Leben so unfrei agieren lässt - und in der Fiktion eröffne ich mir Freiheit? Das passt natürlich nicht in ein System, was der Freiheit misstraut. Man hielt fest an der Leibeigenschaft, man wollte nicht, dass die Zukunft zu schnell Einzug hält - und ich lade die Zukunft geradewegs ein. Doch der Zar ist der Hausherr, nicht der Schriftsteller; einstmals gab man etwas auf die Sicht des Dichters, ein Visionär, jemand, der das Bisherige zusammenfasst, es bündelt, dass es handlich ist und als Mittel dient, die Welt zu verstehen. Doch wenn man ihn mit Exil droht, mit der Verbannung, er solle schweigen, bloß nicht stören - ja dann versteckt man seine Botschaft in den Zeilen, man flüchtet ins Mehrdeutige.



Eugen Onegin traf ich hier im Elysium; scheint, ich vermochte ihm so viel Realität mit auf den Weg zu geben, dass er mehr ist als ein Schemen. Er meint auch, dass Zar Nikolaus I. sehr schuldig sei, er schließt sich meinem Verdacht an. Heutzutage zaubert man durch Flugzeug-Abstürze die 'Persona non grata' weg; ein provoziertes Duell - ein wunderbarer Zaubertrick; und ich durchschaue nicht deren Machenschaften. Festhalten an dem, was man hat; warum es hergeben? Mit welcher Verve begonnen - und nun Winter, der Schreibfluss zugefroren; man denkt an den Sommer zurück, beschwört die liebgewonnenen Figuren herbei, dass sie einem Gesellschaft leisten, auch auf die Gefahr hin, in den Wahnsinn abzugleiten. Boris Godunow, mein Blankvers-Experiment - der Zar und sein Herausforderer - sich wie ein Zar gebärden, sich das Recht anmaßen, dass man ein Zarewitsch sein könnte, sich da hineinsteigern und wahrlich den Thron zu fordern - ich denke, diese Denkübung täte jedem gut; sich wie ein König fühlen, dem Besonderen zum Durchbruch verhelfen; jeder verwahrt da in sich so etwas wie Talent-Samen, man muss sie begießen, ihnen die Sonne der Begeisterung zukommen lassen. Das ist natürlich konträr zur Ansicht, dass man es mit Leibeigenen zu tun habe.



Ach, hier liegen die Kaputten; zerstörte Träume, man grübelt - und möchte da weitermachen, wo einen der Tod so rüde unterbrochen hat. Unhöflicher Geselle - aber man kann mit ihm verhandeln, er lässt sich gewinnen, wenn man ihn mit einbezieht in den Prozess des Schreibens und ihm eine Rolle zubilligt im Vers-Roman, im Gedicht. Da steht er dann und murmelt: carpe diem. Ab wann wäre es ein vollendetes Leben? Nicht so unsäglich töricht mitten im Schwung unterbrochen zu werden, man stürzt aus der Kuppel - kein Netz, was einen auffängt, kein erneutes Hochsteigen, kein Dazulernen. Ich hatte nicht das Recht, es einfach darzubringen, als sei es ein Opfer - darüber verfügen, wie ein Grandseigneur über Spielgeld im Casino. Ach, im Grunde sind es Fragmente - alles unfertig - zur Unzeit fortgegangen. Unbetreutes Werk, ich ließ Dich zurück - wie ein Hund vielleicht seinen Herrn vermisst, eine Weile bellt und dann tieftraurig leidet. Es drängt sich die Frage auf, wie reparaturfähig ist dieser Zustand? Gibt es Fluchtplan? Man entkommt dem Elysium auf die eine oder andere Art - es sei denn, man vermag es nicht, die Lethargie abzuschütteln; gerade dem dient dieses Gespräch, diese Beschwörung meines Ichs, dass ich es vor mich stelle, seiner habhaft werde.



Wie ich als 15-Jähriger dem Poeten Gawriil Derschawin mein Gedicht vorlas - er war beeindruckt, das macht Mut. Man möchte gar nicht aufhören zu deklamieren, verschreibt sich der Poesie, gewinnt auch die Prosa lieb; zwei Geliebte; man möchte sämtliche Genres testen, will sich ausprobieren - die Vorbilder ermuntern einen, sie scheinen einem zuzurufen: Lass Dich nicht abschrecken, habe Mut. Zar Nikolaus I. lag viel daran, den zunichtezumachen, das sei seine Zeit, er wolle dieser Zeit seinen Stempel aufdrücken; ein Rivalitäts-Streit - wer formt den Zeitgeist, wessen Skulptur ist er? Man ficht im Geistigen, Thesen prallen aufeinander, verbale Leichtigkeit trifft auf plumpes Drohen. So zerstört er, was ihm unlieb ist. Ich müsste aus diesem Elysium wieder mich emporarbeiten - will nicht akzeptieren, dass ich nichts Weiteres hinzufügen soll; mein Werk ruft mich; ich möchte ihm antworten im Blankvers, habe Strophen parat. Verdammt dazu, zu schweigen, nur der Monolog ist hier gestattet - und das Ausweichen auf das Gespräch mit den Figuren meiner Fantasie; eine Fantasie, wenn sie auf Papier gebracht, zu etwas Realem wird. Man lernt es in den Schulen auswendig, man zitiert mich; man bewahrt mein Andenken. Aber gerade das ist es auch, was mich unruhig macht, was mich nicht verweilen lässt - das Unvollendete, das Weiterführen, das Gefühl, das alles Fragment bleibt - egal, wie lange man sich bemüht.



Ist die Welt kaputt? Haben wir sie zerstört, mit unserem Drang nach Erkenntnis? Bleibt sie nur intakt, wenn wir in Unkenntnis verharren? Vielleicht muss man sie zerstören - im Sinne von Bausteinen, die zum Spielen uns gereicht wurden, damit immer neue Varianten, Variationen unter unseren Händen entstehen? Ich will wieder funktionsfähig sein, das Elysium ist auf Dauer anstrengend - es ist wie Verbannung; zum Heilsein gehört Gemeinschaft, ein Wirkungsfeld.



Eugen Onegin gesellt sich zu mir; er hat wie ich sein Glück zerstört - bei ihm war's Langeweile; er hat Tatjana abblitzen lassen; sie schien ihm nicht geeignet, nicht fähig genug, ihn der Langweile zu entreißen; da müssen Kräftigere her. Noch immer folgt ihm der Ennui, ich hab ihn so erschaffen. Er empfindet sich als überflüssigen Menschen, jemand, der dieser Welt gar nichts Neues hinzufügen möchte, es verlangt ihn nicht danach. Er hat die Spöttel-Sucht, unfähig oder unwillig, der Welt eine Ernsthaftigkeit zuzubilligen.



Eugen Onegin:



"Du sollst mich in den höchsten Tönen loben,

Du trägst die Kämpfe aus, die in Dir toben -

an mir lässt Du es aus; doch was, wenn ich

Dein Autor wär? Figürchen sprich:

Ein abgeschlossener Roman ist's nicht -

Dein Leben ist ja ziemlich fragmentarisch."



Ich:



"Ein Happy End wär schön, ist nicht in Sicht -

dank Dir und Deinesgleichen bin ich frisch,

noch immer irgendwie vorhanden. Komm,

und lass uns plaudern, sei kein Griesgram, brumm

nicht rum, nimm's mir nicht krumm, dass ich Dich mit

viel Leid befrachtet; da ich mit Dir litt."



Er tobt eine Weile, meint, er hätte Tatjana allzu gerne, ich hätte sie ihm gönnen sollen - und lauter solche Vorwürfe. Erstaunlich, dass er selbst beim Toben noch im Versmaß bleibt; ich weiß nicht, ob ich ihm seine Raserei abkaufen soll? Er fühlt sich wohl weiterhin seiner Rolle verpflichtet; wann ist es Zeit, andere Attitüden anzunehmen - eventuell muss ich mich transformieren, dann gelingt der Coup und ich kann hier raus? Erst will man die Diesseitsgrenzen durchstoßen, beständig auf der Suche nach Jenseits-Portalen, wähnt sie an lieblichen Orten oder in ekstatischen Momenten. Dann wiederum will man ins Diesseits zurück, weiß dessen Vorteile zu schätzen, nimmt sich vor, dem Diesseits seine Fehler nicht beständig vorzuhalten, will über so was hinwegsehen - und ist von heißem Begehren erfüllt, das Diesseits zu flicken, das Kaputte zu reparieren - man weiß ja jetzt wie: Mit der Weisheit des Jenseits, aufgetankt mit der Kraft des Ennuis - hier ist nichts los, Meditation pur. Und ich habe mich hierhin katapultiert aus Ehrgefühl - bin in die Falle gerannt. Ist es nicht ehrbarer über allem zu stehen, dass die Leidenschaften der Welt unter einem tosen? Eugen Onegin bemerkt, er hätte dazu auch was zu sagen.



Eugen Onegin:



"Tatjana war von den Romanen high,

ganz zugedröhnt mit Inbrunst der Romantik;

hab Acht und stillgestanden liebes Jahr:

Na klar, bei ihr war jeder Monat Mai,

ja, diesen Wonnemonat fest im Blick,

verklärt - so nahm sie mich genauso wahr.



Doch meine Ehre, sie verlangt, dass ich

es bin, den sie begehrt, lebendig Wesen,

kein Pseudo-Ideal - tja, und ich schlich

davon. Woll'n wir das Epos nochmals lesen?"



Er hält mir ein Exemplar des 'Eugen Onegin' hin. Ich blättere zuweilen gern darin; Rückbesinnung.



Eugen Onegin:



"Kaputt vom Nichtstun, selbst zur Selbstbetrachtung

fehlt mir Elan; was ödet mich die Welt an.

Nichts Interessantes jüngst geschehen? Achtung

zu hegen für die Welt, für jedermann?



Das will mir nicht gelingen; Du bist schuld.

Wieso ersannst Du mich nicht mit mehr Wert?

Ich könnt' im Wahn Charaktergröße haben,

nicht diese bleierne Schwere, pures Gold.

Gedankenfülle - bin nicht unbeschwert.

Beim Müßiggang soll ich mich also laben?



Ach, was für ein Menü; der nächste Gang?

Ich hab die Schnauze voll - und ich bin krank."



Ich frage ihn, was ich für ihn tun könne, fühle ihm die Stirn. Er ist liebeskrank; was habe ich ihm da eingebrockt? Tatjana ihm auf ewig vorzuenthalten; was denke ich mir dabei? Eine Entschuldigung wäre fällig, aber ich rede mich heraus.



Ich:



"Du bist ein Held im Leiden - und Deine Welt

kaputt; das mach ich nicht zum Spaß, das Drama

verlangt's - und sei versichert, es gefällt."



Eugen Onegin:



"Ich hätte aber gern ein andres Karma."



Ich stimm ihm zu; was man da so mitschleppt - und ich bin mein eigener Autor; welche Ausrede habe ich? Wie nah darf die Muse sein? Ich habe ihm Tatjana weggenommen - und beim Versuch, die Ehre meiner Muse zu verteidigen, da landete ich hier, im Abseits; wieder Verbannung. Wenn man vollenden könnte, wenn man Zugriff hätte auf den Schwung, die Verve von damals ... Sieh mich an, wo ich gelandet bin: bei der Larmoyanz. Ich fürchte mich davor, ihm immer ähnlicher zu werden - stoße Eugen Onegin von mir - aber er ist einer der wenigen Gesprächspartner, die mir geblieben sind; gefangen in der eigenen Fantasie; Gefangener heraufbeschworener Gefühle; und das Ehrgefühl - ich achte es nicht mehr so hoch, stelle ihm keine Unbedenklichkeits-Bescheinigung aus, räume ihm nicht mehr diese Macht über mich ein. Ich sehne mich nach meiner Muse.



Ich will schreiben, mit Versen mir einen Ausweg hauen, Figuren erfinden, die mich hinausführen. Eugen Onegin betrachtet mich amüsiert.



Eugen Onegin:



"Einen Schwärmer und 'nen Zyniker

zu kombinier'n - geraten aneinander -

Du schaffst Kontraste; doch an uns bleibt's hängen:

Ja, wir Figuren baden's aus, Du seifst

uns ein, beschwatzt uns, dass wir Deinen Plot

begierig unterstützen. So endet's im

Duell - und ich erschieße meinen Freund.



Ich:



"Du hast die Reime weggelassen."



Eugen Onegin:



"Die Reime sind nicht zum Verprassen.

Ich geh behutsam damit um.

Hey, hast Du ein Problem damit?"



Er wirft mir vor, dass ich ihn gezwungen hätte, im Reim zu sprechen, so etwas könne nur schief gehen, wenn man exaltiert sei und seiner Geliebten den Hof machen wolle. Courschneiderei verlange Derbheit, Anzüglichkeit; ich habe ihn da in eine Rolle gedrängt ... da müsse man ja zum Misanthropen werden. Zumindest sei er im Versmaß so tief verwurzelt, dass er sich ohne Iambus haltlos fühle; wie käme ich denn zurecht - er wäre auch gern prosaisch.



Ich habe der russischen Literatur den Weg geebnet, die russische Sprache gleichberechtigt neben die anderen gestellt; stolz sein auf das kulturelle Erbe, testen, wofür die Sprache alles taugt. Und wenn sie Schwierigkeiten beim Übersetzen haben, dann ist das ein Zeichen für Verwurzelung in der Sprache. Komme mir umgetopft vor; einzig der Widerhall meiner Empfindungen, ein Deklamieren bis zur Verzweiflung. Ich bin froh, wenn Eugen Onegin sich wieder äußert, bin ihm dankbar für seine Vorwürfe. Ein Robinson Crusoe mit unzähligen Freitagen; immerwährender Freitag; wie ich Kalender-reglementiertes Leben vermisse. Eine kaputte Uhr, kein Vorrücken der Minuten.



Eugen Onegin:



"Du bist mir gleich geworden:

Sind außerhalb der Zeit.

Wir können überborden -

und ich bin Dein Geleit."



Ich danke ihm dafür - es ist ein Segen, in der Mitte der Nacht für Licht gesorgt zu haben: Wie ein Kienspan voller Harz sind gute Gedanken. Was Erfreuliches - das können Figuren sein, auf die man stolz ist, oder kostbare Erinnerungen. Das Elysium ist nicht per se elysisch, man muss schon ein bisschen nachhelfen. So wie man in ein unmöbliertes Haus zieht: Die Möbel und eventuell auch Nippes sollte man mitbringen.



ENDE



Supermodel an Bord



Bin ich ein Glückspilz - aber warum dann das plötzliche Verlangen nach Magic Mushrooms? Na ja, verbringen Sie mal eine Woche mit einem Supermodel, da wollen die Nerven gestärkt sein, damit man um 100 % cooler rüberkommt; sie soll von mir beeindruckt sein; sie hat zu viele Vergleichsmöglichkeiten - das ist, als ob man bei der Olympiade mitmischen will und ist gänzlich unvorbereitet. Ich habe bei einer Quizsendung im Fernsehen den 1. Preis gewonnen: Es gilt, eine Woche lang mit einem Supermodel auf einem Kreuzfahrtschiff zu verbringen - yeah ... Nun liege ich neben ihr an Deck, ihre Bodyguards sorgen dafür, dass die Sonnenliegen rund um uns unbenutzt bleiben - es ist also ein Privileg, es bis hierher geschafft zu haben, ich habe das Gefühl, ich gehöre zum ersten Mal dazu. Sie heißt Christine - und ich überlege, ob ich mit einem Zitat von Goethe beginne, um den Bereich des Small Talks hinter uns zu lassen und tieferes Fahrwasser anzupeilen. Andererseits ist das Urlaub - und die gesamte Situation gebietet Oberflächlichkeit.



Christine: "Eigentlich bin ich eher ein It-Girl, präsent sein als Beruf; dadurch bekannt, weil man präsent ist - das ist wie eine Angewohnheit; wenn da 1000 Menschen im Saal sind, musst Du derjenige sein, der auffällt - aber nicht durch Auffälligkeit, sondern durch unaufdringliche Präsenz; das habe ich von einem Schauspieler: Er meint, das mache einen guten Schauspieler aus, die Unaufdringlichkeit in Verbindung mit einem Charisma, was man zu bändigen versucht, damit es bloß nicht hervorscheine."



Ich: "Ist natürlich von Vorteil, wenn man eine Augenweide ist. Das öffnet dem Charisma Tür und Tor; manch anderer bekommt sein Charisma nicht aus seinem Wesen - es steckt dort fest, weiß nicht so recht, wie es sich den Weg bahnen soll; schon traurig, wenn man als Einziger davon überzeugt ist, dass man wertvoll sei."



Christine: "Das leidige Thema, ob man schon genug Bonus-Punkte gesammelt hat, um Anrecht auf eine Persönlichkeit zu haben. Bekannte Persönlichkeit oder starke Persönlichkeit - was wäre Dir lieber? Wenn man sich entscheiden müsste ... Das Traurige ist, ich würde es vorziehen eine bekannte Persönlichkeit zu sein - ich bin daran gewöhnt - und immer fragt man sich, ob man als Schwindler enttarnt wird; es ist viel Bluff dabei, es ist eine Kunst, der Mittelpunkt zu bleiben."



Ich habe das Gefühl, sie will mich ihrerseits durch Darbietung von Tiefsinnigkeit davon überzeugen, dass sie es wert sei, mit ihr durch die Gefilde jenseits des Small Talks zu streifen. Eine Einladung zum Nachhaken, zum Philosophieren - und ich betrachte angelegentlich, wie sie sich eincremt. Na, sie rückt doch gerade ihren Geist ins Blickfeld, da wäre es doch unhöflich an Äußerlichkeiten hängen zu bleiben. Aber sehr ansehnliche Äußerlichkeiten. Ich danke den Erfindern des Bikinis; der Stoff, aus dem die Träume sind. Sie verdreht die Augen; soll ich vor ihrer Schönheit kapitulieren - oder das Offensichtliche ignorieren? Bewunderer dürfte sie genügend haben.



Christine: "Ich habe Dich in der Quiz-Show gesehen - die Aufzeichnung - ich habe mich tatsächlich auf unser Treffen gefreut; was gibt es Schöneres, als sich von der Sonne verwöhnen zu lassen und dabei zu plaudern, zu lästern - vielleicht den Horizont zu erweitern, denn wir stehen auf den Schultern von Riesen, wenn wir diese Akrobatik-Nummer hinbekommen - sich besinnen darauf, was Vorwelt gedacht, es weiterdenken, ein Stücken hinzufügen wie bei einer Sand-Pyramide; kommst Du mit auf die Wasserrutsche?"



Sie springt von einem Thema zum anderen, soll mir recht sein; dieses Schiff bietet allerhand; man will seine Zeit sinnvoll verbringen - den Besonderheiten dieses Schiffes gerecht werden, seine Möglichkeiten zu schätzen wissen. Es ist eine Stadt für sich - man könnte auf so einem Schiff sogar heiraten - meine Gedanken schweifen zu Christine - und wie eigenartig es ist, dass jeder sie stante pede heiraten würde.



Nach der Wasserrutsche möchte sie noch im Pool bleiben - ich bin mit allem einverstanden; ich komme ins Schwimmen - dieses Gefühl habe ich schon die gesamte Zeit; aber es hat auch was Angenehmes, wenn die Umstände einen berauschen; weshalb sollte man auf Kontrolle bestehen? Ausrutscher meiden? Meine Hormone feiern Party. Und die Stimmung steigt im Whirlpool.



Christine: "Du kannst ja als Nächstes vorschlagen, welcher Aktivität wir uns widmen sollen; überrasch mich."



Soll ich ihr gestehen, dass ich das in den Liegestühlen sehr bequem fand? Ich will nicht in die Kletterwand oder ein Drahtseil entlangrutschen. Bei ihr zu sein, genügt mir vollauf. Warum jogge ich dann mit ihr - und das unter der Karibik-Sonne? Eine Runde hat mehr als 600 Meter - vorbei an Hunderten von Liegestühlen, die sehr einladend aussehen. Sie scheint ein sehr aktiver Geist zu sein - oder aber, sie hat ein schlechtes Gewissen wegen der Riesen-Portion Eis, zu der ich sie überredet habe. Wieder abtrainieren. Komme mir vor wie Mephisto, tue ihrer Disziplin gar nicht gut. Wird das ein Kräftemessen - wer zieht wen zu sich ran? Ihre Disziplin gegen meine Schludrigkeit? Ich spreche sie beim Joggen darauf an. "Du bist den Umgang mit nachlässigen Zeitgenossen nicht gewohnt, es könnte Deiner Disziplin schaden; es ist ein anderer Lebensstil - Schlendrian hat das Sagen."



Christine: "Was sagt er denn? Zeige ihm das Ziel, mal sehen, ob es ihn begeistert; man muss motiviert sein, dann werden Berge zu Maulwurfshügel, man fliegt darüber hinweg wie mit Siebenmeilenstiefeln."



Ich: "Hast du 'nen Coach gefrühstückt? Ich weiß, Du hast ein eigenes Mode-Label; sehr engagiert, aber bleibt Zeit für Fun?"



Christine: "Dienstags von 9 bis 10 - da ist Lach-Seminar."



Ich blicke sie von der Seite an; sie scherzt? Bloß nicht zugeben, dass ich keine Ahnung habe, ob sie das ernst meint oder mich auf den Arm nimmt. Vielleicht ist sie Disziplin-süchtig - dann liegt es an mir, dass sie ihre Zeit mit mir nicht als Fehlinvestition ansieht. Mal sehen, welche Lebensweisheits-Sprüche kann ich zusammenklauben - was ist die Essenz meines Daseins? Verdammt, ich stehe mit leeren Händen da. Ich bin die Inkarnation der Zeitverschwendung. Komme mir vor wie Ikarus, der der Sonne zu nahe kam. Andererseits berauscht mich ihre Nähe, finde es faszinierend, ihr so nah sein dürfen; ein Aphrodisiakum, ein joggendes Aphrodisiakum. Ich schaffe es, dass mir ihre Haare beim Laufen die Sicht versperren - pardauz! - irgendein Stahlträger im Weg; ich würde mir am liebsten ein Rettungsboot schnappen und mir mit ihr einen romantischen Abend machen - allerdings wüsste ich am nächsten Morgen nicht, in welche Richtung wir rudern müssten. Sie geleitet mich zu meinem Liegestuhl - nimmt mich bei der Hand - ich könnte glatt noch mal gegen den Stahlträger laufen, wenn das die Belohnung ist: Händchen halten zu dürfen mit ihr.



Ich: "Ist seltsam auf einem Kreuzfahrtschiff - diese Verpflichtung, die Zeit mit etwas zu verbringen, was nur hier möglich ist; die Aktivität muss das Meer einbeziehen, the blue sky, sich immer wieder mit dem Horizont beschäftigen; wann hat man schon so freies Blickfeld? Natürlich könnte man auch im Spa-Bereich oder in der Bibliothek, im Fitness-Center seine Bord-Zeit verbringen, aber es wäre wie Betrug am Urlaub, man wird der Sache nicht wirklich gerecht, es ist ein Fliehen vor den wahren Möglichkeiten; ich finde, wir machen es richtig, bitten das Meer, sich an unserer Unterhaltung zu beteiligen; es hat nicht viel intelligente Gesellschaft - die Delfine sind nicht so redselig, können hinwiederum andere Aspekte des Meeres besser würdigen."



Was rede ich denn da? Nur weil sie mich aufmunternd ansieht, ist das kein Grund, ohne Punkt und Komma zu schwadronieren über das Meer, als sei es einer meiner besten Freunde. Aber erwirbt man sich das Recht dazu erst, wenn man z. B. als Fischer jahrelang mit dem Meer gekämpft hat - kann man nicht auch das Meer wertschätzen, wenn man es nicht von seiner düsteren Seite kennt? Ich frage sie etwas in der Art - und sie fragt mich, ob ich Interesse habe, ihre düsterste Seite kennenzulernen. Nur nicht übereilt antworten.



Christine: "The dark side of a person - der Schatten hat seinen Auftritt. Immer dann, wenn man lächeln muss - und wieder keine Gelegenheit für Wahrheit. Immer dann, wenn man lächeln muss - weil die Kameras es so wollen; auf Knopfdruck ein Lächeln hervorzaubern können - was muss man dafür alles übersehen, über was alles hinwegblicken, es ignorieren? Das Lachen hätte keinen Platz auf der Welt, nicht ein Quäntchen, wenn man genau hinsähe. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut - das kann er nur vollbringen, indem er die Welt leugnet, sich so etwas baut wie diesen Mikrokosmos des Schiffes: gewissermaßen beständiger Urlaub vom Sein; ja, das Lächeln hat seinen Preis ..."



Sie wirkt nachdenklich; bin ich etwa ein Stimmungskiller? Wir lassen uns Drinks bringen, auf mein Anraten hin - denn erscheint Dir das Leben hohl, hol Alkohol. Tolle Idee; sie schläft nach zwei Drinks ein. Zeit, um in Casanovas Buch zu blättern - oder mir selber ein paar Ohrfeigen zu geben. Mangelnde Ziel-Definition - ich hatte mir vorgenommen, lediglich mit ihr zu sprechen, zu tanzen - warum so bescheiden? Jackpot. Habe ich dämonisches Glitzern in den Augen? Wenn Mephisto hier wäre, ich würde alles unterzeichnen. Wie traurig, sich einzugestehen, dass man Mephisto bemühen müsste, um sagen zu können: Der Adler ist gelandet.



Ich glaube, auch wenn ich vier Wochen Zeit gehabt hätte, würde der Adler noch immer kreisen. Aber sie hat sich immerhin meine Telefonnummer auf ihrem Handy gespeichert. Ein kleiner Schritt für Casanova aber ein großer für mich.



ENDE



Ghostwriter



Ich bin Ghostwriter, sitze in einem Ghost Train, unterwegs nach Ghost Town. Nicht freiwillig; man könnte sagen, von Erinnyen getrieben. Dabei ist es vor allem eine: Tisiphone - es ist ihr Job; den zu verfolgen, der schuldig ist. Ich habe die getötet, für die ich geschrieben habe, konnte es nicht ertragen, dass sie die Nutznießer sind, und mich haben sie abgespeist mit einigen Euro. Ja, ich würde es wieder tun, keine gute Voraussetzung, um Tisiphone milde zu stimmen. Jahrzehntelang Ghostwriter - habe ich mir damit nicht das Anrecht erworben, sie zu Geistern zu machen? Verquere Logik. Tisiphone verdanke ich diese Reise, sie sitzt mir gegenüber. Von ihr habe ich erfahren, dass es nicht nur ein Jenseits gibt. Es gibt da auch nette Orte, aber dafür müsste man schon ein Heiliger sein. Für jemanden wie mich kommt nur Ghost Town infrage. Ist es immer noch Morgen? Wir fahren seit Stunden, es scheint immer dieselbe Tageszeit, derselbe Tagesanbruch zu sein. Die Schlangen auf ihrem Haar schauen mich böse an. Seltsame Gestalten steigen aus und ein; was sind das für Stationen? Schon seltsam, auf welche Reise man sich begibt, wenn der Lokführer Wut heißt.



Jetzt wieder hat Tisiphone Fledermausschwingen, die tauchen plötzlich auf; sie ist eine Formwandlerin. Das würde mich für gewöhnlich bei Frauen begeistern, aber ich habe momentan eine Aversion gegen alles Geistige. Sie hocken mir zu dicht - beäugen, beschnüffeln mich; sind es Dämonen, Ensemble-Mitglieder eines Gruselkabinetts, Ghule ...? Ich kenne die Fachworte nicht, fahre in eine Welt, deren Vokabular mir unvertraut ist. Bald werde ich einer von ihnen sein - aufgesogen, erfasst vom Grauen. Hört dieses Morgengrauen gar nicht auf?! Ich trete zum Fenster. 'Nicht hinauslehnen während der Fahrt.' Ich habe mich doch schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Als Reiselektüre hat sie mir Grusel-Heftromane in die Hand gedrückt, so als Vorbereitung, Aufwärm-Training für das Grauen, in das wir gleiten. Der Zug fährt geräuschlos - jedenfalls sind es nicht die üblichen Geräusche, es ist ein Seufzen, ein Ächzen - nicht dieses fröhlich-optimistische 'Ich schaff das, ich schaff das', was sich bergauf quälende Loks als Mantra gewählt haben, um durchzuhalten. Für mich gibt es kein Durchhalten, keine Parolen - ich habe mir von meiner Wut das Heft aus der Hand nehmen lassen - der Fighter tritt jetzt gegen sich selbst an. Die Schlangen zischeln - und zur Abwechslung trägt Tisiphone jetzt einen Hundekopf. Na, wenn ich demnächst auch solche Tricks drauf habe. Aber wahrscheinlich ist es einfacher, Körperliches zu verändern als seinen Charakter.



Wie komme ich mit den Dämonen ins Gespräch? Sie schauen ganz verständig aus. Wie ist es hier, gilt Unhöflichkeit als verbindlich, sind Flüche die übliche Gesprächseinleitung? Ich brauche Insider-Tipps. Das hätte ich nicht denken sollen; einer der Ghule schüttet mir seine Eingeweide vor die Füße, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt. Will er mir eine Freude bereiten? So wie eine Katze ihrem Herrn stolz eine Maus zu Füßen legt? Als sei das das Startzeichen, nimmt der neben mir sitzende Hexenmeister seinen Kopf ab und hält ihn mir hin. "Sehr flexibel", lobe ich ihn. Nachmachen werde ich das keinesfalls, auch wenn dies die allgemeine Erwartungshaltung im Abteil zu sein scheint. Aber ich will sie ja auch nicht enttäuschen, also lasse ich meine Finger knacken. Sie toppen mich, indem sie sich die Finger abreißen. Scheint eine ihre Lieblingstätigkeiten zu sein, sich gegenseitig Körperteile abzurupfen - so als würden Affen einander lästige Läuse entfernen. Das Körperliche verliert an Boden gegenüber dem Geistigen. Man schätzt es umso weniger, je näher wir den Jenseits-Welten kommen. Körper als Ballast ansehen - ungewohntes Konzept.



Tisiphone sieht sehr hübsch aus, wenn sie sich mal dazu entschließt, ihren Normal-Kopf zu verwenden. Aber sie flackert: Es ist, als wolle sie sich mir nicht im unverstellten Modus zeigen - sie geht die ganze Palette durch - selbst ein Elch-, Bison- und Löwinnen-Kopf sind dabei. Faszinierend. Könnte ihr stundenlang zuschauen - und das tue ich ja auch - also eigentlich recht unterhaltsam, wenn da nicht das Gefühl der Schuld wäre. Wie konnte ich mich dazu hinreißen lassen? Sollen sie doch meine Lorbeeren ernten; kommen zu ihren sonstigen Verdiensten noch die Meriten, die sie mir verdanken. Es ist zum Haare Ausraufen - ich tue es wirklich - hat was Befreiendes. Meine Sitznachbarn nicken verstehend. Man muss ja nicht so weit gehen wie van Gogh - oder doch? Sein Ohr leihen, die Ohren spitzen - hier könnte man Redensarten wörtlich nehmen. Käme auf einen Versuch an. Tisiphone hält mich davon ab.



"Steiger Dich langsam in die Verzweiflung. Lass Dir Zeit. Ihr Sünder seid immer so voreilig, so hoppladihopp."



Hat sie das jetzt echt gesagt? Bemüht sie sich um Vertrauen aufbauendes Vokabular? Unüblich für eine Rachegöttin. Immerhin hat 'furios' zwei Bedeutungen; wer weiß schon, welcher Richtung sie sich mehr verbunden fühlt. Rasend, begeistert ... was wird meine Furie machen, wonach ist ihr, soll ich sie provozieren, alles rausholen, was drin ist? Es ist nicht Übermut, was mich auf diesen Gedanken bringt, es ist die Musik, die ich seit geraumer Zeit höre - furioso - Leidenschaft, verpackt in Noten; Klänge, die mich dem Körperlichen immer weiter entziehen, die mich daran gemahnen, dass ich vor allem Geist bin. Es scheint, der Zug selber produziert diese Musik, Begleiterscheinung seines sich Fortbewegens durch die Raumzeit, die er in Schwingungen versetzt.



Ein Teufelchen fragt mich, ob ich mich mit Lethe eindecken will, der wunderbare Vergessenheitstrank, der Neuanfang möglich macht, ein Ausradieren der Fehler - ohne Reue, Buße, Erkenntnis - Beglückung bis zum Abwinken; er preist das an, als handle es sich um Champagner. Ich müsste Tisiphone davon zu trinken geben, dann vergisst sie meine Sünden. Bei einem Zungenkuss wäre Gelegenheit, ihr Lethe zuzuspielen. Ich trinke ein bisschen, behalte es im Mund - und schalte dann meinen Casanova-Modus an. Leider hat sie schon wieder ihren Hundekopf auf - da, jetzt, der Elch - ich glaub, mich knutscht ein Elch, fantastisch - aber es ist schon ein bisschen störend, wenn der Partner den Kopf verliert und ihn durch ein anderes Modell ersetzt; ist ja keine Glühbirne, die man mal so auswechselt - oder vielleicht doch? Bin ich zu spießig, zu konservativ? Will ich mein Ich bewahren - und bin deshalb so unflexibel? Die Lethe scheint ihre Wirkung zu tun - Tisiphone hat einen glasigen Blick. Oder schauspielert sie? Aber selbst ihre Schlangen lassen die Köpfe hängen; hat sie sich den Look von Medusa, der Gorgone, geklaut? Hätte sie sich patentieren lassen sollen, aber bei Tisiphone wirkt es verspielter, als ob sie Cosplay betreibe. Ihr liegt das Verkleiden; flieht sie etwa vor sich selbst? Wer so vielen nachstellt, immer rachgierig - eine Rache einfordernd in Stellvertretung - sie selber ist ja gar nicht die Betroffene - entfremdet sie sich von sich selbst von Amts wegen?



Es ist, als hätte ich durch diesen Kuss Einblick in ihre Seele erlangt, eine Verbundenheit, die nur möglich ist durch körperlichen Kontakt. Na also, der Körper belangvoll wie eh und je.



Doch jetzt habe ich ebenfalls sich windende Schlangen auf dem Haar - oder soll ich sagen, statt des Haares? - scheine, mich angesteckt zu haben bei Tisiphone. Vielleicht sollte ich meditieren? Mit den Tieren? Blitze zucken, nehmen den Zug aufs Korn, er enteilt. Wolken-Dämonen springen wie Superhelden auf den Zug, surfen. Scheint ein Fun-Zug zu sein; mir auch neu, dass man einen Zug als Surfbrett verwenden kann - kann man alles, wenn man es ins Geistige verlagert, wenn der Geist die Macht hat. Ghost Town mit seinen Möglichkeiten erscheint mir von Minute zu Minute attraktiver.



Ein Zombie sagt, er habe noch nicht gefrühstückt, und mein Oberschenkel sehe lecker aus. "Bedien Dich", bin ich geneigt, ihm zu antworten. Mein Vorbild sind die Wolken-Dämonen, sie besorgen sich die Materie, die sie benötigen, beharren nicht kleinlich auf Konstanz des Erlangten. Man grenzt sich ab mit seinem Körper gegen die übrige Welt ... Dämmert da bei mir Einsicht? Will ich soweit gehen und sagen, dass wir auf geistiger Ebene alle miteinander verbunden sind - Bestandteile einer Weltseele? Die Frage der Schuld, meines Frevels macht mich unruhig - dafür schläft die Furie. Aber ich verdiene ihren Zorn; soll ich sie wecken? Ich spiele Skat mit den Dämonen - dann Doppelkopf, wobei manche von ihnen das herrlich wortwörtlich nehmen und ihre Köpfe verdoppeln.



Es hätte ein triumphaler Einzug in Ghost Town werden können - wenn ich nicht vorher aufgewacht wäre. Einerseits Erleichterung, dass die Verbrechen bisher nur in meiner Fantasie stattgefunden haben, anderseits der Möglichkeit beraubt, Tisiphone näher kennenzulernen. Muss doch ein Grund haben, dass ich von ihr geträumt habe. Eine Zugfahrt, die nie stattgefunden hat - und die mich dennoch mehr verändert hat als Reales. Im Traum stecken Kraft, Erkenntnismöglichkeit und Warnung ... Vielleicht mal ein Buch im eigenen Namen veröffentlichen, der Ghostwriter könnte sich selbst finden beim Schreiben - ein schönes Ziel.



ENDE



Wenn man vom Teufel spricht - Goethe und Mephisto



Mephisto:

Wenn man vom Teufel spricht, dann steht man ihm

alsbald von Angesicht zu Angesicht

wohl gegenüber? Spekulierst darauf,

war das Dein Plan, so insgeheim? Gesteh

es mir! Jahrzehnte schriebst Du Verse, legtest

dem Faust die Verslein in den Mund, dass er

den Bund wohl schlösse mit dem Teufel, mit

Mephisto. Nun, hier bin ich; bist bereit

zum Teufelspakt? Ich will es hoffen. Mache

höchst ungern diesen weiten Weg nach Weimar.

Hier wappnen sich die Menschen mit Kultur,

man munkelt, ich sei ein Gespenst, Gespinst,

doch bin aus ganz anderem Holz geschnitzt

als Ihr. Mein lieber Johann Wolfgang Goethe,

bin nicht das Ende, bin die Morgenröte,

mit mir erneuerst Du die Kräfte, liegst

danieder; da erbarmt man sich und reicht

die Hand - wie Faust, komm mach's wie er und folge

brav seinem Beispiel; hast's vorweggenommen,

getestet, durchgespielt auf der mentalen

Theater-Bühne. Jetzt beherzige

Dein Motto, Summe Deiner Lebensklugheit:

'Wer immer strebend sich bemüht, den können

die Bösen erlösen' - gut, ich hab's ein wenig

verbogen, Dein Zitat, doch das ist ja

mein Handwerk, bin der Trickster, den Du brauchst,

ja, mach Gebrauch von mir, bin Dein Gespons,

wir sind ein Paar, geschmiedet durch die Verse,

die hammermäßig sind. Ich bin nicht nur

der Herr der Fliegen, alles hört auf mein

Kommando. Geh, die Wette ein! Lass mich

nicht lange betteln, sieh, ich rutsch schon auf

den Knien.



Goethe:

Fürwahr, das ist mir peinlich. Ist's wahr,

Du bist's? Erscheint mir ungeheuerlich.

Hab ich's bewirkt durchs viele Verse Schreiben?

Dann bin ich wirr - und bin nicht zu beneiden,

so löst sich in Erscheinung alles auf,

zerfasert mir mein guter Lebenslauf,

aus andrem Stoff hätt' ich ihn fert'gen sollen;

und wer entließ denn die Figuren, tollen

umher, sind Helena und Gretchen bei Dir?



(Er betastet Mephistos Mantel.)



Mephisto:

Man möcht's begreifen, also danach greifen.

So taste Dich mit Fragen vor; wie viel

von mir ist Fantasie, und bin ich Mythos,

wie viel trugst Du denn dazu bei, Skribent?

Bin legendär. So, hier ist das Papier,

und hier und hier dann unterschreiben, dann

gehörst Du mir.



Goethe:

Gemach. Ich bin dem Handel

an sich gewogen, doch gibt's mit Dir stets Händel.

Der Teufel steckt ja im Detail, so les'

ich nun das Kleingedruckte; lese hier,

dass Du nicht alles möglich machen kannst.

Wenn meine Wünsche Deine Möglichkeiten

nun übersteig'n?



Mephisto:

Bin ich der Weihnachtsmann?

Bedenk die Gaben, die Natur im Sack,

so viel ist nicht mehr drin. Verlässt Du Dich

auf sie, dann bist Du nicht mehr der Beschenkte,

der schenken kann, weil's ihm gegeben. Worte,

sie ziehen sich von Dir zurück, sie flattern

in neue Nester, kannst sie nicht begleiten,

die Erdenschwere nimmt halt mächtig zu.

Doch teuflisch leicht fällt Dir das Sein, bin ich

Dein Assistent.



Goethe:

Den man nicht kennt. Wie soll

ich Dir vertrau'n, wenn Du ganz anders bist,

als ich es mir im Faust erdacht? Es klaffen

womöglich Welten zwischen der Fiktion

und dem realen Gottseibeiuns. Doch

der Achtzigjährige hat schlechte Karten,

tja, dieses Spiel gewinnt Natur, es sei

denn ich betrüge, binde mich an Trickster.

Ganz anders als bei Faust - er wollte Glück,

mir geht es um Erneuerung. Die Kräfte,

sie schwinden - wie ein müder Schäferhund,

die Schafe machen, was sie woll'n; willst Du

mit mir die Schafe hüten, mein Mephisto?



Mephisto:

Bin ich der gute Hirte? Kommen wir

nun zur Bestellung; tja, ich hätte da

im Angebot die Zukunfts-Show, Du könntest

dann Deine Augen weiden am Erfolg,

dem triumphalen Auftritt Fausts und des

Mephisto - und das unaufführbare

Theaterstück, es macht sich prächtig; nennst

es inkommensurabel; welches Maß

wird dem gerecht? Enteilst wie immer dem

Gewohnten, Hergebrachten - süchtig nach

Erneuerung; die biet' ich Dir: Auf neuem

Planeten darf die Jünger-Schar des Teufels

verteufelt regelwidrig Höllenspaß

erleben. Lad ich Dich zur Party ein?

Doch komm mir nicht verstimmt, kein Griesgram,

denn gegen Bürgermief bin ich allergisch,

sei Künstler, sei es weiterhin. Du kamst

mir oft schon in den Sinn; hab ich mich in

Dein Werk geschlichen, Ruhmsucht, Eitelkeit?

Wer weiß, doch Deine Zeilen tun mir's an,

bei Dir bin ich nicht dieser Narr, den jeder

so ohne Mühe übertölpeln kann!

Wie mich das fuchst! Doch Du erschufst mich so

wie Reineke, ich bin ihm ähnlich. Wozu

nun die Tiraden? Will Dich überzeugen,

ich buhl um Dein Interesse, kokettier

mit Unfairness der Hölle; ist's denn fair,

dass man ein Leben lang das Wissen sammelt,

dann gibt man's wieder frei? Was für ein Hobby,

ein Steckenpferd aus Pappe - der Rappe wartet -

trau Du Dich in die Hölle, reit' das Vieh!



Goethe:

Jetzt geh'n mit Dir die Gäule durch, ich muss

gestehen, mit mir auch; wie machst Du das?

Ich war entschlossen, mit dem Trab mich zu

begnügen; spornstreichs wieder in Galopp

zu wechseln? Ja, es juckt mich - und ich werfe

Moral und Sittenstrenge über Bord,

wenn Du es willst. Ach, wie verzweifelt muss

man sein, um solches Zugeständnis, solch

ein Eingeständnis eig'nen Unvermögens

zu machen, mit Natur sich anzulegen?

Das ist nicht David wider Goliath,

ich will die Welt aus ihren Angeln heben,

denn quietschend stört sie meine Ruh. Als Dichter

besieg' ich sie in wen'gen Zeilen, ach,

das Dichterwort, es täuscht - ist eine Finte,

ist Schattenboxen, lehre Du mich die

Materie besiegen.



Mephisto:

Hey, bin ich

ein Coach? Trainiere selber, öffne Dich

der Hölle, inklusive ist das Böse -

und schließe es nicht aus, sonst bist Du nur

ein halber Mann. Das Christentum lehrt Dich

nur eine Seite zuzulassen; doch

der Teufel fragt Dich: Ist Gott wirklich nur

das Licht? Drum sei bereit für Schattenwelt,

umgreif das Ganze - halt die Lanze fest -

und wirf mit Schmackes diesen Popanz des

Realen aus dem Sattel. Hah! Gewinne

den Kampf, ist Dein Turnier.



Goethe:

Und wie sorg ich

für meine Seele? Wäre sie im Himmel

nicht besser aufgehoben? Pfleglicher

geht man zu Werke bei den Engeln; bei

den Höllen-Bengeln: Rüde Sitten - und

in puncto Sorgsamkeit - da gab es schlechte

Kritiken.



Mephisto:

Doch beim Spaß, da lieg'n wir vorn.

Im Ernst: Der Ernst wird überschätzt. Was ist

Kulturgut: Kunst, der Spaß, die Albernheit -

was war es wert, dass man im Sein erduldet

den Unsinn des Realen? Zieh Bilanz,

die Summe der Historie, komm sag's:

Und unterm Strich bleibt nur der Krieg? Getümmel,

Gewimmel - Welt-Theater? Traurige

Komödie. Das geht doch besser.



Goethe:

Du ziehst

mich Stück für Stück auf Deine Seite. Wo

ist Advocatus Dei? Werde flugs

zum Erzhalunken - keiner schreitet ein?

Wie kommt's, ich höre keine Widerworte.

Nur Stille - so soll ich den richt'gen Weg

vernehmen? Ich vernehm mich, hole Ratschlag,

bevor ich zum Rundumschlag ansetz. Ja,

dem Achtzigjährigen ist nicht zumute

wie einst dem Jüngling. Sturm und Drang ersetzt

durch Sehnsucht nach dem Klassischen, man will

es mustergültig - hebe ab in das

Symbolische.



Mephisto:

Hab keine Scheu vor dem

Dämonischen. Selbst Engel machen bei

uns Praktikum: Planet Dämonius

lädt ein, bezieh Dein Domizil. Die Zeit

ist kein Problem, wir stehen außerhalb

von ihr. So ist die Zukunfts-Show im Abo

als Bonus gleich mit drin; das All-inclusive-

Paket - wer heute bucht, spart doppelt; Gretchen

und Helena - im Premium-Paket,

das kostet aber extra. Nun, was sagt

der Gast: Er möchte reservieren, ist

er reserviert? Ich würde Dich ja gerne

aus der Reserve locken.



Goethe:

Teufel auch,

Du siehst, ich habe unterschrieb'n; Du hattest

mich schon beim ersten Auftritt, bei Erwähnung

der Morgenröte: Dahin zieht es Goethe.

Die Sonne ist dieselbe, wenn sie auftaucht

aus Nacht, bereit erneut hinaufzusteigen.

Die Wiederkehr, die Treue zu der Bahn,

was einem eigen - ja, dem fühl ich mich

verpflichtet. Nenn es Starrsinn, Nostalgie,

ich halte fest; das lückenlose Ganze -

ich bin inmitten des Kontinuums.



Mephisto:

Das mag schon sein; ich habe andre Kunden,

verzeih, wenn ich kurz angebunden, doch

Termine ... Wünsche dann viel Freude mit

den neu erworb'nen Spielereien; und

bei Fragen zum Kontrakt - Du ahnst es schon:

Wähl Sechs-Sechs-Sechs, nicht zu verwechseln mit

der Sex-Sex-Sex - obwohl darüber ließe

sich reden. Tschau, und halt die Ohren steif

und was Du willst - grüß Helena und Gretchen.



(Mephisto entschwindet.)



Goethe:

Ja, sorry liebe Seele, mich lockten die

Optionen. Weißt Du, stehst Du mit dem Rücken

zur Wand, erscheint Dir jedermann als Freund,

der neue Wege offerieren kann.

Vielleicht hab ich ihn selbst herbeigerufen,

warum das jahrelange Ringen mit

Mephisto, mein Bemühen, ihn als Mann

von Welt zu präsentieren? Seele, musst

nicht traurig sein, erlöst Du mich, erlös

ich Dich - wie Schatten, den man wiederfindet.

Ist besser, als wenn man Seele an sich bindet.

Der eine kauft den andren frei;

okay, es ist 'ne Gaunerei.

Hier enden nun die Worte.

Wir treten durch die Pforte.



ENDE



Elsa und Lohengrin



Lohengrin: "Verzeihung, Madame, es mag wohl angehen, dass ich mich verfahren habe; verfahrene Situation. Zudem befolgt mein neues Schwan-Modell nicht meine Instruktionen. Ich suche eine Elsa."



Lohengrins Nachen wird von einem riesigen Schwan gezogen. Er spricht zu einer Frau, die vor einem Pfahlbau-Haus sitzt. Sie schreckt auf - und das Kleinkind in ihren Armen wacht auf.



Elsa: "Ist ja seltsam, ich habe gerade von einem Ritter geträumt, geradeso wie Sie: mit silberner Rüstung, stattlich - und zu allem bereit. Als alleinerziehende Mutter ist das doch nicht zu verwegen, sich derlei Gedanken hinzugeben? Was hat man sonst? Der See ist öde, die paar Binsen, das Schilf zu betrachten, der Blick verliert sich in der Nebel-Ferne und man ahnt nur die Konturen - genauso undeutlich liegt meine Zukunft vor mir - und da drängt sich in den Vordergrund eine Märchen-Gestalt; das hat was Tröstliches."



Der Ritter will kehrtmachen; schnell fügt sie hinzu: "Ich heiße Elsa; wie kann ich Dich zum Hierbleiben verleiten? Lust auf Small Talk? Ich kann uns auch einen Obstkuchen auftischen."



Sie klopft mit ihrer Hand auf den freien Platz neben sich, als könnte diese Geste ihn herbeilocken. Der Schwan schlägt mit den Flügeln.



Schwan: "Also ich könnte einen Happen vertragen. Zieh Du mal ein Boot mit einem Ritter. Wozu gibt es Außenbordmotoren? Aber nein, wir halten fest am Mythos. Ich mach mal den Herold: Lohengrin, wie er leibt und lebt. Immer auf der Suche nach Maiden, die er beeindrucken kann. Er hat einen enormen Schwan-Verschleiß. Vor tausend Jahren half er einer Elsa in Brabant - das hat ihn geprägt, er will immer und immer wieder dieses Erlebnis hervorholen, aufführen. Ein Zwang; ein Neurotiker."



Lohengrin: "Kannst Du mit dem Diffamieren nicht warten, bis ich bei dem Fräulein wahre Wunder mit meinem Charme bewirkt habe?"



Schwan: "Pass auf, gleich erzählt er Dir vom Heiligen Gral und wie toll das sei, diesem Gegenstand zu dienen."



Lohengrin klettert aus seinem Nachen; er steigt die Leiter zu ihr empor.



Lohengrin: "Pfahlbau-Weise - sehr schick; man lebt im See und darüber; ein Mittelding - gewissermaßen in der Schwebe zwischen einem Reich und dem anderen."



Er hüpft auf und ab. Haut mit der Hand gegen die Balken des Hauses.



Lohengrin: "Solide; das lob ich mir. Also Elsa, was macht die Kunst?"



Elsa: "Ich betreibe die Kunst des 'dolce far niente' - zumindest für ein Jahr - ein Sabbatical. Zeit für mein Kind, kein Berufsstress - so war es gedacht; aber der Trubel fehlt mir, Termindruck, Planung. Ich will ja hören, was mir der See zu sagen hat ... Und man gerät ins Träumen. Denkt an eine andere Elsa, die aus Brabant, die ihr Glück verscheucht hat durch bohrende Fragen. Wie kann man das Numinose inbrünstig herbeiflehen, dann aber obsiegt die Skepsis? So wie Du eben gerüttelt hast an dem Pfahlbau-Haus, so rüttelt Elsa an ihrer Beziehung: Das muss doch kaputtzukriegen sein. Lohengrin ergreift die Flucht, da er gerne die mystische Aura um sich bewahren möchte. Das Gebot 'Nie sollst Du mich befragen' ignoriert sie, ihre Neugier gebietet ihr, alles offenzulegen; dem Partner jedes Geheimnis zu entreißen, ihn zu annektieren - als ob man das Heil darin fände, alles zu offenbaren. Gläsern sei der Mensch - durchschaubar bis auf den Grund seiner Seele. Da ist dann kein Platz für Heiligen Gral - er braucht das Areal des Numinosen, von daher bezieht er seine Kraft; doch der Verstand ist trotzig - er will nicht außen vor bleiben, er beharrt auf Aufklärung; wie ein Detektiv reißt er das Reich des Grals ein - und behauptet, es habe es niemals gegeben."



Lohengrin: "Du scheinst Dir ja 'ne Menge Gedanken gemacht zu haben; wie wär's, wenn ich Dir den Heiligen Gral zeige? Der Würdigkeits-Test ist schnell gemacht. Es gilt, meine Fragen zu beantworten - und ein Schäferstündchen gibt es als Zusatz-Leistung."



Elsa: "Wie dreist; aber ein hochwillkommenes Angebot; Gralsritter kommen hier selten vorbei. Wie kommt es, dass Du mir Deine Identität nicht verheimlichst? In Brabant war es Dir wichtig: inkognito. Man spekuliert, ist er von Adel, ist er ein Zauberer? Von woher bezieht man seine Kraft - zu welcher Art Magie ist man befähigt? Das frage ich mich, während ich hier sitze, überlege, ob ich anknüpfen soll beim Bisherigen oder einen neuen Teppich knüpfen sollte; von woher nehme ich die Muster - aus meiner Seelentiefe? Da wäre es doch schön, wenn man einen Gralsritter an seiner Seite hätte, einen Mentor."



Schwan: "Oha, ich glaube, er sieht sich eher als Lover. Ich muss Dich warnen: Wer den Test nicht besteht, wird übers Knie gelegt. Aber es würde sich gut machen in Deinem Lebenslauf: Praktikum bei einem Gralsritter."



Elsa: "Dann leg mal los, mir schwant, dass ich's vergeige."



Schwan: "Die erste Geige wirst Du bei ihm ohnehin nie spielen, er ist mehrfach verlobt, unbeständig - und seine Waffen sind unzeitgemäß. Im Zeitalter der Drohnen ficht er mit dem Schwert. Er sieht da einen Zusammenhang zwischen Größe des Schwertes und Männlichkeit. Jetzt knurrt er mich an - apropos, mein Magen knurrt. Ich komme hier nicht zum Gründeln, wie wäre es mit einem Eisberg-Salat?"



Lohengrin: "Ich knurre zu Recht. Was bist Du denn für ein Wingman? Du sollst mir zuspielen; das haben wir doch geübt; wo ist Deine Stichwortliste?"



Der Schwan guckt unter seinem Flügel nach.



Schwan: "Alles notiert. Ich habe magische Flügel - mit automatischem Beschriftungs-System. Im Grunde agiere ich als schwimmendes Post-it; alles, was er sich nicht merken will - und das ist 'ne Menge. Degradier mich doch gleich zum Kühlschrankmagneten! Das hat übrigens auch der Heilige Gral drauf: Auf ihm erscheinen Schriftsymbole - nicht immer verständlich, aber wir haben einen Riesen-Spaß, sie zu deuten - und liegen meist voll daneben."



Lohengrin: "Jetzt ist aber Schluss, das sind Betriebsgeheimnisse! Mylady verzeihen - aber ich hätte jetzt gerne den Obstkuchen. Mir ist ganz flau - ich stehe schon seit Stunden im Kahn, immer aufrecht, in voller Montur, den Schild mit dem Schwanen-Wappen haltend, als sei ich eine Reklame-Figur. Aber ich habe ja auch eine Botschaft ... Gemäß den Regularien sollten wir uns auf Dienstreise von Hostien ernähren ... Rieche ich da Kaffee?"



Elsa: "Ja, klar, komm zu mir aufs Schaffell - machen wir Picknick; das ist romantisch; oder lieber an den Tisch im Haus? Das ist keine Kemenate, es ist schlichter; es gehört unserer Familie - mein Vater hat es gebaut - ein Hobby von ihm; er ist Geschichtsprofessor und schwärmt für die Legenden und Richard Wagner; deshalb haben sie mich wohl Elsa genannt. Aber ich vermute, das weißt Du längst, der Heilige Gral informiert Dich."



Schwan: "Früher mal; jetzt bringt er alles durcheinander. Ihr Menschen ähnelt Euch; was sollen die Unterscheidungs-Kriterien sein?"



Lohengrin setzt sich zu Elsa und ihrem Kind auf das Schaffell.



Schwan: "Das Kind ist ja allerliebst. Wie heißt er?"



Elsa: "Parzival; wie gesagt, mein Vater verehrt Richard Wagner, alles Hehre, Große; in der Historie sucht er nach Vorbildhaftem; was ist erhaltenswert, nachahmenswert? Wir können die Wiederholung nur vermeiden, indem wir die Historie kennen, uns an ihr orientieren, nicht in immer dieselben Mausefallen trippeln. Irgendwann teilte ich seinen Enthusiasmus, nannte mein Kind Parzival - als ob es heutzutage etwas gäbe, was dem Heiligen Gral entspräche. Der Heilige Gral gibt ein Ziel vor; wir sind ohnehin Suchende - freuen uns aber, wenn wir wissen, wonach wir suchen."



Der Junge klettert auf den Schwan.



Schwan: "Willst Du übers Wasser fliegen? Das ist besser als Wasserski."



Der Junge jauchzt, als sie dicht überm Wasser dahinsausen.



Lohengrin: "Eine Spannweite von 5 Metern. Das ist beachtlich; 2,40 Meter ist im Allgemeinen die Obergrenze. Grenzen durchstoßen - das ist mein Anliegen."



Elsa: "Dass ich keine Jungfrau mehr bin, dürfte ja klar sein. Welchem Durchstoß könnten wir uns ersatzweise widmen? Ich meine auf intellektuellem Gebiet. Ihr scheint ja Überflieger zu sein."



Sie bringt Kaffee und Kuchen auf einem Korktablett.



Elsa: "Zurück zur Natur; auch mein Rock und mein T-Shirt sollen davon zeugen: Schlichtheit. So wird Elsa doch beschrieben im 'Lohengrin': naiv, glaubensstark - aber im Grunde ein schlichtes Gemüt. Heißt es denn, sich mit der Schwarzen Magie zu verbünden, wenn man kritisch ist - und den Argwohn nicht ausklammert? Kann man es sich heutzutage noch leisten, vertrauensselig zu sein? Da tut sich ein Widerspruch auf: Der Heilige Gral verlangt Hingabe, aber man möchte wachsam bleiben, bereit zum Rückzug, sich nicht vereinnahmen lassen für etwas, was man nicht gutheißt; und nur auf sein Drängen hin unternimmt man es, ihm zu dienen."



Lohengrin kaut auf seinem Kuchen; er deutet an, dass er den Mund voll habe und dass seine Antwort sich verzögere.



Elsa: "Du wirkst wie ausgehungert. Mit der Geschwindigkeit, mit der Du den Kuchen hineinstopfst ... Sättigender als eine Hostie. Da ist es wieder das Problem: Das Geistige allein macht nicht selig; man will es behaglich, der Körper will die Wonnen dieser Welt."



Sie schmiegt sich an ihn.



Elsa: "Wie man jemanden in Harnisch bringt, das weiß ich. Aber wie bringt man ihn da heraus? Silberne Ritterrüstung im Sommer - Du könntest einen Hitzschlag bekommen."



Lohengrin: "Das wird durch Magie gekühlt. Einer der Vorteile, wenn man im Auftrag des Heiligen Grals agiert; es hat diverse Vorteile - z. B. kann ich die Zukunft lesen. Ich habe mich an die Magie gewöhnt - man könnte vieles inzwischen ersetzen durch Technik, aber wie ein Schriftsteller, der die Feder gewohnt ist oder die Schreibmaschine, der wird nicht einfach so zum Notebook wechseln."



Sie zeigt ihm ihr Handy.



Elsa: "Immer erreichbar zu sein - ich wollte mich abnabeln; vielleicht kann man nur erwachsen werden, wenn man innerlich autark ist? Aber hin und wieder schalte ich mein Handy ein - die Neugierde, was verpasst man. Ich glaube, die Eremiten hätten es früher nicht geschafft, wenn sie ihr Handy dabei gehabt hätten; sie wollen die Nummer Gottes herausfinden, wollen mit ihm kommunizieren - aber wie bei einer Bar-Bekanntschaft - der andere will nicht mit seiner Handy-Nummer herausrücken. Man versucht es mit Schmeichelei, mit Angeberei, mit auswendig gelernten Sprüchen - und man scheitert. Zweifelt an seinem Charme. Warum geht Gott nicht ran - warum verweigert er das Näher-Kennenlernen?"



Lohengrin: "Also Gott mit einem Date zu vergleichen … Die moderne Welt stellt immer neue Metaphern zur Verfügung. Früher verglich man die Welt mit einer Taschenuhr - und Gott sei demzufolge derjenige, der sie aufziehen würde. Dass Du keine Befürchtung hegst, dass ich Dich aufziehen will; Du nimmst mir meine Maskerade ab; ich könnte ein Betrüger sein. Glamour, mich schmücken mit den Insignien des Lohengrin. Ich bin fern meiner eigentlichen Zeit, stoße auf Unglauben, werde mit Gelächter empfangen. Will sagen: Du hast die erste Prüfung bestanden. Du lässt Dich ein mit dem Mystischen, konterst nicht mit der allgegenwärtigen Wissenschaft, die alles für sich beansprucht, das ganze Terrain; sie sei die Herrin und alle haben ihr zu dienen. Nun ja, ich diene dem Heiligen Gral - fühle mich manchmal wie eine Grals-Marionette. Aber sag ihm das nicht; wenn ich erst anfange mit Zweifeln, dann gibt es kein Halt; es zerbröselt wie Pergament aus grauer Vorzeit; schauderhaft, von welcher Brüchigkeit der Glaube ist; die Gralstaube kommt regelmäßig und erneuert die Kraft des Heiligen Grals - es bedarf der Erneuerung, der Stärkung des Glaubens. Da sind Kontrahenten, die würden bei Dir gerne Zweifel säen - so wie Ortrud und Graf Telramund, die Gegenspieler der Elsa aus Brabant. Ihr Argwohn war zu schwach; Gutherzigkeit kann eine Schwäche sein, wenn man die Rahmenbedingungen ignoriert. Unter welcher Flagge reist die vermeintliche Wahrheit? Ja, ich habe an meinem Kahn keine Flagge. Könnte ich noch einen Kaffee bekommen?"



Elsa schenkt ihm ein. Der Schwan kehrt mit dem Jungen Parzival zurück.



Parzival: "Das ist viel besser als Tretboot-Fahren. Kommt Ihr uns öfters besuchen?"



Er schaukelt auf dem Schwan, als sei das ein Schaukelpferd.



Lohengrin: "Das hängt davon ab, ob Deine Mutter den Test besteht."



Parzival: "Einen Schwan-Führerschein?"



Elsa: "Ich wüsste nicht, welche Behörde da zuständig wäre. Wie ist es in Montsalvat, der Gralsburg? Ich weiß, dass ein Ungebetener das Reich nicht betreten darf - man kommt sich vor wie bei Aschenputtel und dem Ball; wer darf anwesend sein? Ihr gelingt es mit Magie - und sie beeindruckt den Prinzen; ich würde Dich auch gerne beeindrucken. Reinheit des Herzens - damit kann ich nicht aufwarten; allerlei schmutzige Gedanken - besonders in Bezug auf Dich - geben da ihre eigene Party, es erinnert an orgiastische Gelage."



Lohengrin schmunzelt.



Lohengrin: "So weiß ich noch immer zu betören -

das lässt sich doch hören.

Zum Stelldichein

fände ich mich gerne öfters ein.

Mich zieht es ins Leben,

auch ich hoff auf Erlösung - mein Bestreben:

Du segnest mich mit Deiner Liebe,

dass ich es nicht schon wieder versiebe.

Keine Verschwiegenheitsklausel,

bin nicht mehr der Schnösel,

der im Numinosen verharrt.

Bin in Dich vernarrt.

Okay, ich verliebe mich rasch, ungestüm,

bin ich deshalb ein Ungetüm?



Schwan: "Kann ich die Frage beantworten?"



Lohengrin: "Dem Lohengrin

sind viele nicht grün.

Die Lohen meiner Leidenschaft

entflammen Deine Fantasie? Geschafft.

Hab ich erst Fuß gefasst in Deiner Seele,

ist's, als ob ich mich mit Dir vermähle."



Schwan: "Fall nicht drauf rein - das sind seine üblichen Sprüche."



Lohengrin: "Ich will auch ein Sabbatical. Dieser ewige Dienst ermüdet; ich will ein Fragender sein, jemand, der sich Betrachtungen hingibt. Mir gefällt Dein Ansatz; eine Auszeit. Gewähre mir die Gunst, für ein Jahr oder weniger bei Dir zu bleiben, solange Du hier verweilst im Grenzbereich, mit Pfählen gesondert, gleichsam schwebend über der Welt. Der See gluckst, die Sonne lacht - Fröhlichkeit ist angesagt."



Mit einer Handbewegung von ihm zerreißt der Nebel - und die Sonne bricht hervor.



Schwan: "Immer wieder ein erhabenes Schauspiel: Gebieter der Natur, wirkmächtig sich betätigend - darauf steh ich; bin ich ein Autoritäts-Freak? Nicht antworten ... Die meisten Fragen sind rhetorischer Art - man kennt die Antwort, möchte es im Grunde infrage stellen."



Parzival: "Bleibt der Schwan auch hier?"



Elsa: "Nomen est omen. Zum Glück haben wir Dich nicht Tarzan genannt. Als ob vom Namen Schwingung ausgeht, ein Ortungssystem; erkunden, wie man die Wünsche leitet, an Hindernissen vorbei - zum Wunschort, zum ersehnten Ziel. Muss nicht der Heilige Gral sein - aber ich habe keine Einwände, wenn uns unsere Reise dorthin führen sollte. Siehst Du, ich sehe mich schon als Deine Reisebegleiterin. Das kommt davon, wenn man einen zünftigen Auftritt als Märchen-Prinz hinlegt; Dir gebührt Applaus und erquickliche Belohnung. Also weitaus mehr als ein Quickie."



Parzival zupft dem Schwan einige Daunen raus und pustet sie in die Luft.



Schwan: "Einer muss ja immer Federn lassen. Habe ich mich um dieses Amt beworben? Endet Gutmütigkeit immer mit zerzaustem Gefieder?"



Elsa zieht Parzival zu sich.



Lohengrin: "So ist es abgemacht? Wir verweilen - es funkt bei uns; doch wird es funktionieren?"



Elsa: "Wollen doch mal sehen, wie funktionstüchtig Du bist."



ENDE



Demetrius



Demetrius: "Bin ich Demetrius, Sohn Iwans des Schrecklichen - bin ich ein Hochstapler? Auf jeden Fall bin ich der Zar; über den Zustand des Prätendenten hinaus. Manche bleiben ihr Leben lang verhaftet in der Position des hoffnungsvollen Anwärters, Gefangene ihrer Ambitionen. Es schert die anderen keinen Deut, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht, sie sehen ihren Vorteil, ich kann ihnen alles verschaffen. Dir, Marina, habe ich zwei Städte geschenkt - eine Hochzeitsgabe; welcher Mann vermag das? Sie reden zwar davon, ihrer Angebeteten die Welt zu Füßen zu legen, aber ich verwirkliche es. Du wandelst mit mir auf solide gebauten Traumpfaden. Ist unsere Hochzeit erst neun Tage her? Wir haben die Zeit gut genutzt, es sollte mich nicht wundern, wenn der Zarewitsch just gezeugt worden wäre."



Marina: "Bin noch ganz erschöpft vom dritten Liebesakt - und da turnen Deine Gedanken bereits am Gerüst der hohen Politik? Betätige Dich hier noch ein Weilchen - man sagt, ich verdiene 100-prozentige Aufmerksamkeit."



Demetrius: "Wer sagt das? Die Schar Deiner Verehrer? Dann haben sie trotz allem nicht genügend aufgepasst - ich habe Dich ihnen weggeschnappt."



Marina: " Einer Burg bescheinigt man Sturmfreiheit, wenn sie uneinnehmbar ist. Mein Held - die Marina-Burg zumindest konntest Du erobern - und ich kann Dir auch versichern, dass es Bestand haben wird. Aber was ist mit dieser riesigen Burg Russland? Es ging verdächtig einfach; fürchtest Du nicht das Aufbegehren, jähen Widerstand? 4000 polnisch-litauische Soldaten sind nicht viel, wenn es gilt, Russland zu bändigen. Man kann es nicht allen recht machen: den Bojaren, der Kirche, dem Volk - wie eine Decke, die nicht für alle reicht, irgendwer ist immer halb abgedeckt."



Sie zieht die Bettdecke mit einem Ruck zu sich herüber.



Demetrius: "Iwan des Schreckliche hat versucht, die Macht der Bojaren, des Adels abzubauen. Er war ihre Spielfigur - bis er mit 13 Jahren begriff, welche Macht in ihm steckt; seitdem zwang er ihnen sein Spiel auf. Man könnte aus dem Verhalten der Amts-Vorgänger etwas lernen - aber wie bezähmt man die Streitmacht an Gefühlen? Iwan war schrecklich unausgeglichen, stets am Bereuen. - Elf Monate regiere ich bereits, es läuft gut - ich stütze mich auf das Volk, komme ihnen entgegen mit Geschenken, die der Adel zur Verfügung stellt. Aber ich befürchte, dass sie gar nicht so schenkungswillig sind, wie von mir befohlen. In den zwei Wochen um den Georgstag können die Leibeigenen sich umorientieren: Können sich entscheiden, einem anderen Herrn zu dienen. Diese Möglichkeit hatte Boris Godunow ihnen genommen. Und auch hier wieder obwaltet das Seltsame: Genau zum passenden Zeitpunkt tritt Boris Godunow von der Lebensbühne, überlässt mir die Szene. Man könnte von Gottgewolltheit sprechen oder aber von Mord. Lassen wir es in der Schwebe. Warum so versessen sein auf das Bestimmte - es ist viel förderlicher, wenn man es im Ungefähren belässt, im Reich der Vermutungen - man hat einen schönen Zuwachs an Optionen: So auch die leidige Frage, wie echt ich sei. Nun, ich bin so solide, wie der Marktwert es besagt. Und sieh mich an, ich bin Zar. Wahrscheinlich auch, weil die Umstände zum Gotterbarmen waren: Die Hungersnot von 1601 bis 1603 - das deuten die Menschen als Bestrafung. Regierte Boris Godunow zu Recht? Und diese Wackeligkeit seines Thrones nutzt ein Schelm aus - weiß, wo er den Fuß hinbewegen muss."



Marina: "Soll Dein Füßeln mich versöhnlich stimmen? Du beachtest meine Reize nicht mit dem gebührenden Sachverstand - Du bist am Spekulieren, redest von Optionen ... Ich befürchte, ich habe es Dir zu einfach gemacht; im Grunde hat Russland es Dir auch zu einfach gemacht. Sturmfreiheit ist ein Wert - man öffnet sich nicht jedem flotten Belagerer. Das Beilager ist ein heiliger Akt. Führe Deine Truppen wieder zum Sturmangriff. Muskete zum Feuern bereit?"



Demetrius: "Der Musketier braucht Pause. Bist Du nicht ein bisschen berechnend: Erst der Heirat zuzustimmen, wenn ich Zar bin? Meiner Meinung nach ungesunde Bestrebungen - die Liebe sollte auf die Person zielen und nicht auf das Amt."



Marina wirft ihm ein Kissen an den Kopf.



Marina: "Wie kannst Du es wagen, mich zu belehren, mich über die Liebe aufzuklären? Ich habe die Liebe erfunden, wie sie sein soll: Der Verlockung widerstehen, bis alles unter Dach und Fach ist - sich keinen Illusionen hinzugeben bezüglich der eigenen Person - man wird nicht geliebt um seiner selbst willen, sondern es ist immer das Erreichte, was zählt. Wenn alle so dächten, hätte die Ehe eine viel solidere Basis als reine Schwärmerei oder Pflichtgefühl. Nur sich selbst gehorchen und darauf achten, was der Partner zu bieten hat. Berechnend sein und es nicht verhehlen - das nenne ich ehrliche Moral - alles andere ist Schönfärberei und ein Sich-Bücken vor der Etikette. Doch wir sind jetzt tonangebend bei Hofe, da bückt man sich nicht; es sei denn, wenn ich es befehle."



Sie haut ihm auf den Hintern.



Demetrius: "Ich rufe nach den Wachen. Das ist Nötigung zum exzessiven Beischlaf. Wobei an Schlaf schon gar nicht mehr zu denken ist. - Es heißt, man nimmt es Dir übel, dass Du Dich nicht zum orthodoxen Glauben bekehrst; man argwöhnt, dass ich Deinen Landsleuten, den Polen, immer weitere Rechte einräume. Steht Russlands Identität auf dem Spiel? Was, wenn wir uns zu Unrecht nur über das Gestern definieren und uns sperren gegen ein schillerndes Morgen - dem wir neue Facetten dazugewinnen? Polen-Litauen lebt es sehr schön vor: Mix von Republik und Monarchie, 10% Adel - das sind erfreuliche Bedingungen."



Marina: "Reichlich kühne Gedanken für einen Schwindler. Ein Hochstapler sollte schwindelfrei sein."



Demetrius: "Wer sagt Dir, dass ich nicht doch das Original bin? Vielleicht hat Demetrius das Attentat von 1591 überlebt, vielleicht war er schon längst in Sicherheit, da seine Mutter wusste, was in Boris Godunow vorging? Seine Gedanken waren ja nicht schwer zu erraten: Demetrius stand ihm im Weg - so gewinnt man ein Rennen am leichtesten, indem man alle Konkurrenten gar nicht erst antreten lässt. Wie er gezittert hat, dass ja jemand flugs an ihm vorüberzog. Er selber im Unklaren, ob und wie seine Befehle damals ausgeführt wurden - war er ein Mörder, fühlte er sich zu Unrecht als Mörder? - mag sein, diese Ungewissheit verkraftete er nicht; nicht zu wissen, ob man nun ein schlechtes Gewissen haben muss ... Andererseits galt Herrschaftsabsicherung schon immer als notwendig, für den Herrschenden gälte eine andere Moral, da er auch größere Verantwortung trüge. Macht man sich da was vor? Ich liebe dieses In-der-Schwebe. Man ist sowohl schuldig als auch unschuldig, sowohl berechtigt als auch unberechtigt. Anmaßung ist alles! Man nehme sich den Thron - die Tatsachen sprechen dann für sich - künden vom Seit-jeher-so-gewollt-Sein. Auf was anderes fußt Zaren-Anspruch, als auf den Glauben der Menschen, dass derjenige ihnen eine bessere Zukunft zu bringen in der Lage ist, als jeder andere Mitbewerber? Ich bringe großartige Zukunft. Zumindest ist das in meinem Gepäck."



Marina: "Lass das aber nicht die Palastwachen hören; man will gerne überzeugendere Argumente vorgelegt bekommen als philosophische Konstrukte. Sohn von Iwan dem Schrecklichen - ja oder nein?"



Sie setzt sich auf seine Brust.



Demetrius: "Nicht so drängend, meine Schöne. Was wäre mit der Gewissheit gewonnen? Die Seele muss glauben - das muss genügen. Dann erreichen wir Gebiete jenseits des für möglich gedachten Horizonts. Ein Abenteurer, der nur mit solcher Legitimation ausgestattet ist - das hat doch weitaus mehr Charme, als biedere Ehrlichkeits-Huberei."



Marina: "Ich muss darauf bestehen, dass Du Dich meiner annimmst, erneut mit aller Inbrunst; zeige Stehvermögen. Am Höhepunkt Deiner Macht - das solltest Du mit entsprechenden Höhepunkten in der Liebe feiern."



Demetrius: "Ich bin vom Feiern völlig erschöpft. Morgen ist auch noch ein Tag."



Marina: "Wenn sie Dich stürzen, bliebe mir immer noch ein Zarewitsch; also füge Dich und mach mir ein Kind - möglichst einen Sohn. Das sei Deine dringlichste Pflicht in den kommenden Wochen und Monaten - wir können zu Deiner Erbauung auch Tänzerinnen in unser Liebes-Spiel einfügen, ich bin da sehr offen."



Demetrius: "Das meinst Du jetzt nicht ernst?"



Marina: "Lassen wir es in der Schwebe. Das bevorzugst Du doch, die Ungewissheit, ob es Liebe ist, die mich in Deine Arme treibt, Geltungssucht oder die Aussicht auf Familie. Auch ich beherrsche das Spiel mit der Ungewissheit, dem Zwiespalt."



Demetrius: "Stürmen zu wollen, offensiv sein - und dennoch begnügt man sich mit taktischem Geplänkel. Zeit gewinnen, plaudern. Hat ein Mann je so viel leisten müssen, um seine Geliebte in den Armen halten zu können: Ein ganzes Reich als Hochzeitsgabe?"



Marina: "Und wir müssen das Reich vergrößern. Imposanz ist wie ein Wall, der die anderen davon abhält, so frech zu sein, wie Du es warst. Wir haben vorgemacht, wie einfach es ist - andere könnten unserem Beispiel folgen. Dem gilt es, vorzubeugen. Man muss sich ein wenig recken, meinetwegen auch auf die Zehenspitzen stellen - damit erreicht man eine Zunahme an ..."



Demetrius: "... Würde? Das wirkt lächerlich. Ich habe es nicht nötig, mehr zu scheinen, als ich bin. Ich bin der mögliche Demetrius. Pseudo-Identitäten sind normal, wir glauben, dass wir wir selbst sind - und sind doch schon am nächsten Tag die Kopie vom Gestern."



Marina: "Jedenfalls beunruhigt es mich, dass wir ein Beispiel gesetzt haben für spielend leichte Revolte. Man könnte sich wider uns empören. Ich will die Sturmfreiheit wieder intakt wissen - eine feste Burg sei unser Land."



Demetrius: "Das ist eine schöne Absicht. Wir zehren noch immer von der Unzufriedenheit derer, die sich von Boris Godunow abgewandt haben - sie zufrieden zu machen, das sei mein Anliegen. Der Kurs ist aber nicht einzuhalten, man bräuchte entsprechenden Wind. Und Du bist eifrig dabei, mir den Wind aus den Segeln zu nehmen, das Segel hängt schlaff."



Marina: "Leiste, was Du zu leisten imstande bist. Als Frau ruft man 'da capo' - dabei sollte man den Musikern auch mal eine Pause gönnen. Mal sehen, wie viele Aufzüge die Historie uns zugedacht hat. Proben sie bereits ein neues Stück? Du hast es hoffähig gemacht, dass beinahe jeder nun vermeint, einen guten Zaren abgeben zu können. Sehr leichtsinnig."



***



Am nächsten Morgen wird Demetrius gestürzt.



ENDE



Fachmännisches Urteil des Paris



Jetzt soll ich den Streit schlichten; wohlan denn, mal sehen, ob ich mir hierbei nicht mehr Vorteile als Ärger einhandeln kann. Wenn Zeus schon davon Abstand nimmt, sich als Schiedsrichter zu betätigen, sich in die Wettbewerbs-tolle Meute zu begeben, dann soll ich, Paris der schlichte Hirte, alles schlichten? Oder ist es in meinem Interesse, mich für ein Weilchen wie Eris, die streitbare Göttin, aufzuführen? Das hätte den unstrittigen Vorteil, dass dann noch mehr Schlichtungsbedarf sich auftäte.



Das Gebirge Ida war schon immer ein besonderer Ort; nah bei Troja - mit lieblicher Quelle. Da sitze ich also, halte den Preis in der Hand: ein Goldener Apfel - inklusive Inschrift 'ti kallisti' – 'Für die Schönste'. Endlich bin ich im Mittelpunkt, man sollte das ausdehnen, die drei Göttinnen umlagern mich, machen sich anheischig, die Beweislage für ihre Schönheit so erkennbar wie möglich zu präsentieren. Ich hatte sie schon gebeten, sich zu entkleiden, das mache mir die Sache einfacher - und dann ginge das schneller über die Bühne. Bin ich der erste Mensch, dem die Göttinnen - in diesem Fall aufgrund einer Notlage - die Gunst des langen Blicks gewähren? Man sollte das in einem Gemälde festhalten; spätere Generationen werden das vermutlich mit Begeisterung zustande bringen; pinseln, skizzieren - den kostbaren Moment. Ich blicke von einer zur anderen - ich brauche gar keine Unentschiedenheit vorzutäuschen - alle drei repräsentieren unterschiedliche Aspekte, Erscheinungsformen des Schönen. Kombiniert mit Geist und scharfem Verstand: Athene. Mit Grazie und Lässigkeit, als sei das Leben ein immerwährender Tanz: Aphrodite. Majestätisch, so als ob Würde ein Parfum sei, was sie erst kürzlich aufgetragen habe: Hera.



Sie stehen abwartend vor mir; ganz egal, wie ich mich entscheide, zwei werde ich vor den Kopf stoßen; das ist mir sehr unlieb; aber sie wollen eine Entscheidung - und was sehr schmeichelhaft ist: Sie betrachten mich als schönsten Mann - keine Ahnung, ob sie während eines Zechgelages zu diesem Urteil gekommen sind, oder ob sie sich den nächstbesten Tölpel geschnappt haben, um ihm weiszumachen, dass er vorzügliche Qualitäten habe. Ein verwegener Gedanke steigt in mir auf, da sie so dicht beieinanderstehen, die Gelegenheit wäre günstig, drei Göttinnen im Liebestaumel; ob sie lesbische Neigungen verspüren, könnte man sie dazu ermutigen? Wenn z. B. für besonders einsatzfreudige Tätigkeit an der Liebes-Front ein Sieg im Schönheits-Wettbewerb wahrscheinlicher würde? Sie reagieren nicht unwillig auf meinen Vorschlag, versuchen es aber zunächst mit Bestechung, was ich mir denn wünsche, ich solle mich da nicht zurückhalten. 'Die Lesben-Nummer', bin ich geneigt zu antworten; aber vielleicht sollte ein Hirte materielle Wünsche zur Sprache bringen? Aber wenn ich es richtig verstanden habe, haben sie mich ja ausgewählt, weil sie annehmen, dass ich kein Allerweltsmensch bin. Oder demonstrieren, dass ich ein Allroundman bin - ein Allround-Künstler auf dem Gebiet der Liebe. Nun gut, ich bin verheiratet - mit der Bergnymphe Oinone, Tochter des Flussgottes Kebren. Das ist Naturverbundenheit - einen Fluss als Schwiegervater.



Ich lasse mir derweil die Angebote der Göttinnen durch den Kopf gehen. Sie sprechen von Weltherrschaft, Kriegskunst ... bei einem Angebot werde ich hellhörig: "Wie wäre es mit der schönsten Frau der Welt - ist das ein Angebot?", fragt mich Aphrodite - und sie bringt es fertig, mit den Wimpern zu klimpern und dennoch seriös zu wirken. Sie erläutert: "Nur dass wir uns richtig verstehen, wir reden hier von Helena, der Frau des Menelaos. Du müsstest sie entführen - aber da eine Genehmigung meinerseits vorläge, wäre das mit der kosmischen Ordnung vereinbar."



"Na, Ihr geht ja leichtfertig mit dem Beziehungsstatus um." Ich lasse mit Absicht mein Leopardenfell, was mich ganz vorzüglich kleidet, von meiner Schulter gleiten - und gebe so den Blick frei auf meinen muskulösen Oberkörper; immerhin stemme ich jeden Tag drei Ziegen und übe mich im Schafe-Weitwurf. Aphrodite schnappt hörbar nach Luft - das bringt ihr Bonus-Punkte bei mir ein; aber wahrscheinlich trickst sie mich gerade aus und mimt die freudige Erwartung. Andererseits schlingt sie ihre Arme um mich, als läge ihr viel daran, eine vertrauliche Atmosphäre zu schaffen - mit beachtlichem Resultat. Das Leopardenfell sollte ich vorerst nicht gänzlich ablegen.



Ich halte immer noch den Siegespreis in meiner schwitzigen Hand: Ob das dem Goldenen Apfel guttut? Wie ich es verstanden habe, stammt er aus dem Garten der Hesperiden - er verleiht ewiges Leben. Warum behalte ich ihn nicht einfach? Ganz auf gute Narziss-Art - und mir selbst den Preis verleihen?



Athene schmückt mich mit einem Kranz; für was? Habe noch nichts geleistet. Vielleicht suchen ihre Hände einfach eine Betätigung, da es nichts am Zeug zu nesteln gibt, ihre Nacktheit macht sie ein wenig verlegen.



Vor der Küste liegt die Insel Lesbos; meine Frau Oinone, die über Wahrsagekräfte verfügt, meint, dass dort einst die Dichterin Sappho Frauen um sich scharen wird; sie werden einer besonderen Art der Liebe huldigen: Frauen, die ganz ohne Männer auskommen, sich gegenseitig verbunden in Ekstase und unermüdlicher Beglückung. Meine Gedanken schweifen ab. Aphrodite zwickt mich.



Ich erzähle von Sappho - und dass ihre gefeierte Dichtkunst sang- und klanglos aus der Historie verschwindet - das sei doch tragisch; könne man da nichts machen? Ich gräme mich über Ereignisse, die noch nicht einmal am Horizont aufgetaucht sind; diesen weiten Blick verdanke ich Oinone. Dann wieder stelle ich mir Helena vor - mit einem Wort wäre sie die meine; welche Hebelwirkung, welche enorme Vervielfältigung meiner Möglichkeiten - man müsste immer drei Göttinnen zur Seite haben, es macht das Leben um so viel leichter. Ja, will ich Weltherrschaft ...? Ich bin ohnehin ein vortrefflicher Bogenschütze - aber das Hirtenleben - so inmitten von Rindern, Ziegen, Schafen - hat was Beschauliches; soll ich mir das zerstören durch Ambitionen?



Es scheint so sinnlos, etwas zu leisten: Es bleibt nichts verwahrt in dieser Weltgeschichte - eine Buchrolle, auf der die Buchstaben wieder ausgetilgt werden. Da wirst Du melancholisch im Angesicht solcher Reize?



Hera erzählt: "Alle Götter und Halbgötter waren eingeladen auf unserem Fest - nur Eris nicht, die Göttin der Zwietracht; ich meine, wer lädt sie freiwillig ein, man will feiern, die Uneinigkeit vergessen für eine Weile; ist es nicht möglich, das einfach zu beschließen? Man denkt doch, dass es Göttern ein Leichtes sei, den Frieden zu wahren; dann genügt ein Zankapfel - als ob es ein Wollknäuel sei, mit dem die Katzen spielen wollen, ein Urinstinkt sagt uns, dass wir darauf unser Interesse richten sollen. Schau ihn an: Es ist ein Symbol - dazu gemacht von Eris - und wenn es um ein Symbol geht, dann verliert die Realität an Macht, an Bedeutung - wir kämpfen in symbolischen Arenen, sind Stellvertreter, Repräsentanten in einem Spiel, dem eine Eigen-Dynamik innewohnt, wir werden davon mitgerissen. Es ist einerseits jämmerlich und andererseits beachtlich, welche Macht Symbole haben. Mit dem Symbol hast Du die komprimierte Realität, wie ein Extrakt; deshalb gibt man uns Attribute bei - damit wir wiederzuerkennen sind - Götter scheinen Euch mitunter austauschbar, aber wir haben unser Revier, den Bezirk, den wir verwalten; Zuständigkeit; man ruft uns an bezüglich einer Sache - und wir gewähren oder versagen; was soll ich Dir gewähren, Du nachdenklicher Hirte? Wisse, Du bist mehr als ein Hirte, bist Königssohn. Das bist Du auch ohne unser Zutun; also habe keine Scheu nach den Sternen zu greifen - Du stehst stellvertretend für den Menschen, der sich im Weltgeschehen keine bedeutende Position einräumen mag - er will es anderen überlassen; was würde ihn befähigen? Dennoch solltest Du zugreifen, viele Möglichkeiten sind zum Greifen nah; sei entscheidungsfreudig, lass Dich betören von Schönheit, die gänzlich unverstellt ist."



Sie streicht mir durchs Haar. Mein Glückstag? Hier soll sich freier Wille betätigen: Alle drei Möglichkeiten gleich attraktiv; der freie Wille stockt, er fragt nach Instruktionen, will Kriterien. Vielleicht liegt im Aufschieben das größte Glückspotenzial: Ich sollte sie mit Gedichten in Stimmung bringen, vielleicht ermuntert sie das zu kühnen erotischen Eskapaden?



Ich deklamiere: "Berührt es den Betrachter,

wenn Schönheit pur sich zeigt ...

Nun träumt er, nun erwacht er -

Verstand betroffen schweigt.



Die Lieblichkeit betört,

die Anmut macht ihn mutig -

und eben noch verstört,

wächst Hoffnung ihm nun stetig."



Nicht zu leugnen, meine Erregung wächst. War so nicht beabsichtigt. Aber erfreulicherweise zeigen sich auch die drei Göttinnen nicht unbeeindruckt; man bettet sich aufs Gras, rückt näher; die Gelegenheit ist günstig - auf dem Olymp sind solche Freiheiten wohl unüblich - ein Urlaub quasi; wobei die Eigenschaft, schönster Mann zu sein, hier einiges beschleunigt. Das sollte man schamlos ausnutzen; wer weiß, wie lange sie dieser Ansicht sind. Hauptsache, Eros fliegt hier nicht rum und verballert seine Pfeile - ich will, dass es koordiniert zugeht. Mit Disziplin auf eine Orgie zusteuern - ich habe das Gefühl, der Tag ist gerettet. Vorfreude auf Helena.



Ich fordere sie auf: "Dann lasst mal sehen, welche Show Ihr einem Schiedsrichter anbieten könnt, beeindruckt ihn; gute Performance ist das A und O beim Betören."



Hab ich das jetzt gesagt? Wie kühn; aber es ist tatsächlich so, dass die unmittelbare Nähe so vieler Schlüsselreize mich in einen Modus versetzt hat, den man als Präludium zur Ekstase bezeichnen könnte. Athene küsst Hera, diese fragt, was das soll. Athene meint, sie wisse das auch nicht, aber wohin mit der angestauten Eros-Energie? Da müsse man nun durch. Ihr Blick geht immer wieder zu meinem Körper; habe das Gefühl, sie beachtet mich gar nicht, ihr Blick bleibt auf dem Äußeren, dringt nicht vor zu meiner Seele. Fühle mich benutzt; aber auf gute Art. Aphrodite möchte auch geküsst werden. Hera seufzt - und tut ihr den Gefallen. Läuft ja prächtig; ich spiele ein bisschen auf der Panflöte, sanfte Klänge; zwischendurch beiße ich vom Goldenen Apfel ab. Hoppla; aber der repariert sich von alleine. Jetzt verstehe ich, warum den Göttern ein Baum im Garten der Hesperiden genügt - sehr effizient; hätte ich nie erfahren, wenn ich nicht die Tendenz zur Unachtsamkeit hätte. Die Siegestrophäe ist also noch intakt - und es fällt mir schwer, an Weltherrschaft oder Kriegskunst zu denken, während Athene Aphrodite mit Küssen bedeckt. Sie steigern sich da hinein, auch ganz ohne meine Ermunterungen. Hoffentlich fragt Zeus nicht Hera, wie der Nachmittag war; auf der Frivolitäts-Skala macht sie bedeutsame Fortschritte.



Ich deklamiere erneut: "Brüstet Euch mit den Erfolgen,

denn die Sinnlichkeit ist hochbeglückt.

Brust an Brust in Liebe schwelgen;

seid versichert, ich bin gut bestückt.



Könnte am Finale mich beteiligen,

stoße zu Euch, wenn Ihr wollt, Ihr Heiligen."



Echt jetzt, Sarkasmus zu diesem Zeitpunkt? Vielleicht ist es ein Versuch, alles in weniger leidenschaftliche Bahnen zu lenken. Aber Eros beherrscht die Szene, er wird siegen. Hier wurden zu viele Streicheleinheiten ausgegeben, wir waren sehr freigiebig; ja, hin und wieder gleitet meine Hand über üblicherweise verbotenes Terrain der Göttinnen. Eigentlich ein guter Zeitpunkt, um einen Halbgott zu zeugen, schießt es mir in den Sinn. Aphrodite raunt mir zu, dass ihr Angebot für Helena noch steht. "Und da steht auch noch Weiteres", bemerkt sie anzüglich. "Bitte bedien Dich", sage ich zuvorkommend - woraufhin Athene sich beklagt, dass sie darauf eher ihre Ansprüche angemeldet habe. "Üblicherweise ist es meine Aufgabe, die Vorreiter-Rolle innezuhaben", meint sie trotzig. Ich ermutige sie, ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der gleichgeschlechtlichen Liebe auszubauen, schiebe sie zu Hera, aber sie klammert sich an meinen Hals. Hera tröstet sich mit Eris ... Wo ist die denn hergekommen?



Eris meint: "Da ich schuld an dieser Veranstaltung bin, kann ich auch davon profitieren. Lasst Euch nicht stören; die Göttin des Streits ist auch liebesbedürftig. Was meint Ihr denn, wie frustrierend das ist, wenn man gemieden wird; ich will nicht Single bleiben."



Sie schiebt sich zwischen Hera und Athene. Jetzt sind tolle Kombinationen möglich. Eris hat etwas Wildes. Sie jetzt auszuladen, wage ich nicht. Sie ist integrationswillig - und sie bereichert unsere Anstrengungen durch ein wenig Sadomaso. Der Goldene Apfel leistet hervorragende Dienste als Sexspielzeug. "Siehst Du, man entdeckt immer wieder neue faszinierende Einsatzmöglichkeiten für das Vertraute - so wird es das Versaute", predige ich Aphrodite. Sie pflichtet mir bei, sie hat einen guten Rhythmus. "Darf ich abklatschen?", fragt Eris. Ich gebe ihr versuchsweise eine Ohrfeige. Das scheint sie anzutörnen; oder deute ich ihre rot werdenden Augen falsch? Ich ziehe mich vorsichtshalber auf den Beobachterposten zurück.



Ja, wem gebührt der Goldene Apfel? Eventuell sogar Eris? Sie hat Talent, sie verkörpert die herbe Schönheit; Schönheit, die sich einem nicht gleich erschließt; vielleicht etwas für Kenner.



Oinone hat mir geweissagt, dass es Trojas Untergang sein wird, wenn ich nach Sparta gehe. Schlage ich das in den Wind? Vermutlich; wir tun, was uns die Götter nahelegen; wir folgen ihrem Wink. Eris ist die Tochter der Nyx, der Nacht. Man kann sie nicht vom Fest ausladen; kann man dem Streit mit Liebe begegnen? Die Vier testen es gerade: Zungenküsse für die Streitbare, sie versinkt in Wohlbehagen, um sodann auf den Wellen der Inbrunst zu schaukeln. Sie sieht vergnügt aus. Schau an, sie kennt Orgien des Hasses - aber diese Orgie scheint ihr mindestens genauso zuzusagen. Abwechslung.



Ich reiche Aphrodite den Goldenen Apfel; ihre Art der Liebe sagt mir am meisten zu: Es ist ihre Leichtigkeit. Im Grunde will ich Helena gar nicht, ich will Aphrodite. Aber das kann ich ihr nicht sagen; hier endet das Menschenmögliche - man feiert die Begegnung mit dem Göttlichen als Fest; man vermag ja nicht einmal mit seinem Ideal Schritt zu halten - wie sollte man auf Dauer Schritt halten mit einer Göttin - und dann noch mit einer, die so leichtfüßig daherkommt, für die alles Tanz ist, unbegreifliche Leichtigkeit? Schon bei dem Gedanken werde ich schwermütig.



Ich bin mir sicher, dass sie in den Geschichtsbüchern die Orgie weglassen werden. Sollen sie doch; sie bleibt in meiner Erinnerung verwahrt.



Mythen sind vor Verwendung für die Öffentlichkeit gründlich zu reinigen. Vielleicht ist das der Grund, warum es uns dreckig geht.



ENDE



Die Lichtung - Der Freischütz



Hirsch: "Darf ich fragen, was die Herren hier machen? Das sieht mir ganz nach einer Teufelsbeschwörung aus. Darf ich mich beteiligen?"



Max greift zu seiner Büchse.



Max: "Verdammte Wolfsschlucht - aber ich brauch die Freikugeln. Ich muss da jetzt durch; bist Du ein Abgesandter des Teufels?"



Hirsch: "Woraus folgerst Du das? Weil ich sprechen kann? Ist doch nicht schwer. Ich habe Zeit, beim Wiederkäuen über vieles nachzudenken. Hier finden regelmäßig Meetings mit Samiel statt, kann sein, dass der eine oder andere Zauberspruch, den er bei mir angewendet hat, dazu geführt hat, dass ich ein wenig eloquenter bin als andere Paarhufer. Vielleicht kann ich Euch behilflich sein. Die Kugelgießerei ist heikel, wenn man zittert; ängstige ich Dich etwa? Ja, ich bin ein Sechzehnender, das macht was her."



Der Hirsch schaukelt mit seinem Geweih.



Kaspar: "Vielleicht sollten wir uns erst mal vorstellen. Ich bin der Kaspar - und ich bin im Begriff, Max reinzulegen. Max soll einen Probeschuss abgeben, damit Ottokar, der Fürst, beeindruckt ist. Das wiederum würde es Max ermöglichen, Agathe, die Tochter des Erbförsters, zu ehelichen. Max ist an sich ein vorzüglicher Schütze, aber bei einer so heiklen Angelegenheit will man auf Nummer sicher gehen - und eben deshalb sind wir hier, wie Du richtig vermutet hast."



Hirsch: "Das ist schön, dass Ihr mich einweiht; das ist hochanständig - andererseits ist das hier mein Revier und Ihr wäret ohnehin auskunftspflichtig."



Max: "Wollen wir jetzt darüber diskutieren, wer hier der Platzhirsch ist? Die Zeit drängt. Sieben Kugeln wollen gegossen sein; ah, da kommt Samiel."



Samiel: "Was seh ich, zwei Jägerburschen im trauten Gespräch mit 'nem Hirschen? Sieht man auch nicht alle Tage; dann hat sich mein Kommen ja gelohnt. Also, es geht um die Lieferung von zwei Dutzend Freikugeln und einen Goldhamster?"



Kaspar: "Ich weiß ja nicht, wer da bei der Bestellannahme einen Bock geschossen hat, aber das Höllen-Sekretariat arbeitet schluderig. Wir brauchen lediglich sieben Freikugeln; und wieso Goldhamster?"



Samiel: "Den gibt es als Gratis-Dreingabe dazu. Zufriedene Kunden sind Gold wert. Neuer Kurs, seit ich Marketing-Leiter bin: Freundlichkeit ... Und wieso Fürst der Finsternis? Machen wir es uns doch etwas gemütlicher."



Er klatscht in die Hände - und die düstere Wolfsschlucht wird durchflutet von bonbonfarbenen Lichtstrahlen.



Max: "Ist ja grell. Ich gebe zu, die Schatten an den Felsen hatten was Schauderhaftes, so als ob sie Mahner wären. Aber ich habe ein gutes Gefühl; ein Teufelspakt zeigt, dass ich karrierebewusst bin und nicht so kleinkariert, dass ich Redlichkeit oberste Priorität einräumen würde; man muss Abstriche machen. Was nützt es mir, wenn ich die Moral auf meiner Seite habe - aber habe Agathe nicht an meiner Seite? Mag sein, sie machen aus meinem edlen Wunsch ein Singspiel, eine Oper? Das wäre doch was: Vorlage sein für den 'Freischütz', ich höre bereits die Musik."



Samiel: "Ja, das ist mein Jagdhorn - ich nähere mich gerne meinen Kunden an, versetze mich in ihre Situation - und mit viel Fingerspitzengefühl mache ich ihnen dann ein Angebot, was sie nicht ablehnen können. Wissen, was der Kunde will; die meisten allerdings haben gar keine Vorstellung davon, was sie auf diesem Erdenrund anstellen sollen. Sie greifen nach dem Üblichen, statt nach dem Besonderen. Dann liegt es an mir, sie darauf hinzuweisen, dass in ihnen Möglichkeiten stecken, die sie gänzlich unbeachtet lassen, statt sie zu hegen - und mit entsprechender Teufels-Power ins Gigantische, Überdimensionale zu züchten. Ich bin so ein Zauberer, der es mit Leichtigkeit versteht, Wunder zu bewirken; das fasziniert die naiven Seelchen und sie kommen zu mir in Scharen. Ja, mein Terminkalender ist voll, das soll mich aber nicht davon abhalten, Euch den einen oder andern Trick vorzuführen, um Euch für mich zu gewinnen; denn Ihr sollt überzeugt sein, nicht überredet. Mit der Büchse einen Steinadler zu treffen - pah, eine Kleinigkeit für eine Freikugel in der Silber-Ausführung. Es gibt aber weitere - geschickt versuchte ich das Thema auf 'Gold' zu bringen - Goldkugeln sind en vogue, sie befördern Deine Seele, wohin Du willst: Zeitreisen sind möglich, Kontinente überspringst Du, wie ein Frosch von einer Seerose zur nächsten springt. Auch Deine Agathe muss nicht die einzige Rose sein, mein junger Hüpfer. Spring! Die Welt ist nur groß für den, der klein von sich denkt."



Max: "Das sind sehr ermunternde Worte für einen Springinsfeld wie mich. - Kann es sein, dass die Bäume zurückweichen? Hier war eben noch keine Lichtung, es scheint, Du verdrängst sie - sie ziehen sich vor Dir zurück, wie Höflinge, die sich rückwärtsschreitend zum Ausgang bewegen, den König im Blick."



Hirsch: "Verschandel mir nicht mein Revier! Aber es ist geräumiger - zum Äsen praktischer."



Max: "Ich hätte gerne die immer treffenden Freikugeln; die weiteren Details interessieren mich nicht, bzw. wenn ich nichts davon weiß, kann ich mich später besser rausreden; vor dem Fürsten auf naiv machen, bieder dastehen wie ein Sonntagsschüler, der in Gedanken ein Eselsohr in seine Bibel gemacht hat. Ein lässliches Vergehen."



Samiel: "Nun ja, wenn wir bei Geständnissen sind: Ich habe ebenfalls zu beichten. Ich habe geschummelt; es liegt an mir, dass Deine Treffsicherheit gelitten hat. Ich habe Deine Kugeln fehlgeleitet; Du zweifelst nun daran, im entscheidenden Moment volle Leistung bringen zu können; sauber eingefädelt, nicht wahr? Bist mir ins Garn gegangen, weißt gar nicht, wie Dir geschieht. Widersetze Dich mir - sei überzeugt von Dir; das würde mich besiegen - ich zöge mich zurück; aber Du wählst den leichteren Weg: nach vorn - hinein in meine Arme; komm, ich fang Dich auf, reiß Dir Deine Seele aus, nagele sie wie eine Jagdtrophäe an die Höllenwand."



Hirsch: "Oh, hör bloß auf mit Jagdtrophäen; wenn ich das in den Wirtshäusern sehe - wie die Geweihe da rumhängen - schauderhaft; da wird mir speiübel - und ich kann mein Bier nicht weitertrinken. - Mit Euch ist es lustig; die anderen röhren immer nur."



Kaspar: "Wie schön, dass wir Deinen Unterhaltungs-Ansprüchen genügen. - So, ich habe jetzt drei Kugeln fertig gegossen; gehört da nicht mehr Magie dazu, sie wirken so unscheinbar?"



Samiel: "Wie gesagt, ich kann Euch wärmstens die Gold-Edition empfehlen, limitierte Auflage, handsigniert - ich habe in meinem Köfferchen einige dabei; und wir hätten auch nicht die Scherereien mit dem Gießen. Zeitreisen ..."



Max: "Wie muss ich mir das vorstellen? Ich schieß mir so eine Gold-Kugel in die Birne und dann bin ich Zeitreisender? Klingt wie ein Ammenmärchen - aber durchaus interessant. Das lass ich mir als Option, wenn Agathe mir den Laufpass gibt."



Der Hirsch singt: "Lauf, Jäger lauf, mein lieber Jäger, guter Jäger lauf, lauf, lauf, ..."



Kaspar: "Ich halt's nicht aus, da will man seriös betrügen - und da entdeckt man immer weitere Möglichkeiten, will sich nicht zufriedengeben mit kleinen Wundern; es verlangt einen nach immer größeren Attraktionen - und alles erreichbar - alles eintauschbar gegen eine Seele, die einem ohnehin lästig ist; warum dieses Beharren auf immer und ewig der gleichen Person? Mal jemand anderes sein, sich gänzlich neu erfinden; kann sein, mir kommt der Gedanke, weil ich mir zuwider bin - man ist völlig genervt vom Ich, macht immer dieselben Fehler, kommt nicht von der Stelle, erledigt nicht die Wunder, die einem wichtig wären. Und da kommst Du ins Spiel, Samiel: Verwandle mich - egal mit welcher Kugel - so wie Du diese Düsternis verwandelt hast in bonbonfarbenen Kitsch, gleißendes Licht, man weiß gar nicht woher, ob aus den Bäumen, den Blumen, es funkelt, belebt einen mit Hoffnung; man tankt den Kitsch - und man weiß, dass man sich dennoch in der Wolfsschlucht befindet, ein grausiger Ort, ein Ort der Verbrechen, des Versteckens vor sich selbst. Das Böse transformiert das Schaurige - das ist ungewöhnlich - Du überrascht Deine Gäste; wir spenden Dir Applaus."



Auch der Hirsch applaudiert. Dabei kippt er um.



Hirsch: "Verdammt! Das kommt davon, wenn man sich weigert, der zu sein, der man eigentlich ist. Mehr sein als ein Hirsch, mehr sein als eine Jagdtrophäe. Ihr bezieht mich ins Gespräch mit ein - ich schulde dem Bösen was; beschämt mich das? Auf einer Lichtung stehen und getroffen werden vom Wunder - ich muss zugeben, das Böse hat gute Argumente."



Samiel: "Ach, stellt mich doch nicht in diese Ecke; ich habe viel Facetten - und auch meine Kollegen. Im Grunde birgt das Böse viel Lehrreiches - sodass es einem wie ein Wunder erscheint, was sich da offenbart; aber wer traut sich schon in die Tiefe zu schauen, so wie in diese Wolfsschlucht? Wir befinden uns gewissermaßen im Unbewussten, von hier aus sind Wunder ein Leichtes, wenn man damit in Verbindung steht."



Max: "Ein Lob auf die Tiefe - alles gut und schön. Aber ich soll morgen den Probeschuss schaffen; Agathe ist der Preis. Ich habe zwei Möglichkeiten: Zunächst müsste ich Dich besiegen - wie bei einem Rodeo, wo es gilt, den Reiter in den Staub zu werfen, beweisen, dass man ein Mustang ist. Oder aber ich lasse mir Freikugeln aufschwatzen - und die treffen ihr Ziel."



Samiel: "Vielleicht ist es ja auch so, dass sie treffen, weil Du davon überzeugt bist, dass es Freikugeln sind? Komplizierte Psychologie; Psychologie als mein Komplize."



Kaspar: "Vom Glauben war nicht die Rede. Das gefiel mir: die Einfachheit. Seit wann sind Teufelspakte so komplex? Man erkennt doch sonst: Ah, das ist des Pudels Kern."



Hirsch: "Also mir gefällt diese Lichtung; sind wir aufgefordert, es als Metapher zu begreifen: Das Düstere hat keinen Bestand, wenn man den Boss oder den Marketing-Leiter der Hölle auf seiner Seite hat? Das Wunder besteht darin, sich anzumaßen, dass man über die Tiefe gebieten kann - Eines sein mit dem Teufel der eigenen Seele - von dort verschiebt man, was einem missfällt, nimmt Korrekturen vor. Ob ich aus mir einen Zwanzigender mache? Wieso trägst Du gar keine Teufelshörner?"



Samiel: "Unser Stirnwaffenträger legt ja mächtig los. Tja, er hat - wie von ihm selbst geäußert - viel Zeit beim Wiederkäuen. Als Monogastrier habt Ihr diesen Vorteil nicht; lediglich ein Magen; und Euch liegt das Böse schwer auf dem Magen; Ihr zögert, kommt zu keinen rechten Einsichten - alles bleibt in der Schwebe. Waidmannsheil - Ihr jagt Euch selber einen Schrecken ein, fürchtet Euch vor Eurem Schatten, dabei ist es Euer Schatten, der Euch retten kann. So steh ich vor Euch: Als Euer Schatten; bezwingt mich - es gelingt durch Empathie - so viel sei Euch verraten. Fühlt wie ich, vollbringt die Wunder, die Eure Seele in der Tiefe hütet, besitzt den Schlüssel, damit Ihr wahrlich Hausherr seid - und nicht ausgesperrt bleibt von den Wohnungen in den unteren Etagen, mag man es Kerker nennen, Unterwelt oder Höllenschlund - dort hinab müsst Ihr steigen, es aufnehmen mit dem, der da das Sagen hat - und sagt, dass Ihr gedenkt, da ein Wörtchen mitzureden; sagt es bestimmt, im Brustton der Überzeugung, überzeugt ihn davon, dass Ihr wisst, was Ihr da tut. Dann wird man Euch vertrauen. Es geht nicht um das Helle, Gute - dem nähert Ihr Euch ungleich lieber. Noch verberge ich meine Macht, enthülle mich Euch nicht ganz - auf dass der Schrecken sich langsam steigert, Ihr mithalten könnt; mir scheint, ich bin das liebe Böse - trete auf als Mentor - und helfe mit, mich zu besiegen. Töricht? Es kommt auf Euch an; seid Ihr würdig - oder schaudert es Euch? Ich meine, keiner geht gerne in eine Fledermaushöhle - begrüßt die Geschöpfe der Nacht - es ist so, als ob Ihr realisiert, dass der Mond Euch stets nur eine Seite gezeigt hat."



Hirsch: "Na, ich kenn ja diese Ansprachen, aber für sie wird es neu sein, ich sehe Ihre verwirrten Gesichter; schön, wenn der Hirsch den Jägern was voraushat. Nein, nicht zum Hirschfänger greifen. Der Hirsch albert nur rum."



Er deutet eine Verbeugung an, trifft dabei aber mit seinem Geweih Kaspars Brille.



Max: "Also ich nehme dann drei Gold-Kugeln, zwei Silber- und 100 Freikugeln. Bevor ich mir dieses Gespräch wieder antue - lieber ein großer Vorrat; wer weiß, vielleicht lässt Agathe sich scheiden, und dann muss ich erneut und erneut meine Treffsicherheit unter Beweis stellen."



Hirsch: "Ich habe ja eine treffsichere Ausdrucksweise - dank Samiel. Ich bin dem Bösen sehr verbunden, komme seitdem besser über die Runden."



Samiel: "Alles notiert; empfehlt mich weiter. Mund-zu-Mund-Propaganda ist mir ebenso recht wie Mund-zu-Schnauze- oder Schnabel-zu-Maul-Propaganda. Au revoir. Das Gewünschte findet Ihr am Rand der Lichtung."



Max: "Ob ich mit den Freikugeln auch die Sterne vom Himmel holen kann? Teste ich morgen. Wäre ein prima Hochzeitsgeschenk für Agathe."



ENDE



Fjodor Michailowitsch Dostojewski zwischen Anna und Polina



Anna Snitkina hat meinen Heiratsantrag angenommen; das ist ein Erfolg, nachdem Polina Suslowa meine beiden Heiratsanträge abgeschmettert hat. Ist Anna ein Trostpreis? Sie interessiert sich für mich, meine Werke, sie sieht in mir Fjodor Michailowitsch Dostojewski, den großen russischen Literatur-Künstler, sie blickt zu mir auf. Diese Blickrichtung gefällt mir entschieden besser als Polinas Sichtweise: Bin ich ein hechelnder Hund, der auf ihre Liebkosungen, das Gekrault-Werden lauert? Sie hat mich verdammt noch mal zu respektieren! Aber mach das mal einer Femme fatale klar. Denkmäler habe ich ihr gesetzt in meinen Werken, jetzt gerade wieder: In 'Der Spieler' - ein Romänchen, kein ausgewachsener Roman, hingepfeffert in 26 Tagen unter äußerstem terminlichem Druck, sonst wäre eine Konventionalstrafe fällig; aber ich habe es geschafft - dank Anna, ich habe ihr diktiert, sie hat meinem Diktat gehorcht ... Eine Stenotypistin ... In ihrer Gegenwart fühle ich mich wie ein Potentat, der zum Herrschen berufen ist, vertrauensselige Untertanen erwarten von ihm nur das Beste. Was wird das hier? Ein Rechenschafts-Bericht? Wem, außer meinem Gewissen, wäre ich Rechenschaft schuldig? Gott? Ich wollte mich von ihm lossagen, fand ihn in Sibirien wieder; ein ungewöhnlicher Ort, aber etwas Seelenwärme brauchte ich - es wäre kein Weiterbestehen möglich. Für 4 Jahre das Neue Testament als einzige Lektüre; Gehirnwäsche? 4 Jahre in Ketten, das hat mir einen Begriff davon gegeben, was es heißt, wenn der Geist in Ketten liegt; er steckt im Weltlichen

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Bildmaterialien: Cover von balaikin2009/bigstockphoto
Tag der Veröffentlichung: 23.02.2017
ISBN: 978-3-7396-9940-0

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