Ludwig XIV.:
Sonnenkönig - na, wie war ich,
wie beurteilt mich die Nachwelt?
Seh'n sie mich als unbarmherz'ge
Sonne? Gar nicht einfach, wenn man
leuchten, strahlen kann; doch war's auf
ihre Kosten? Zog ich ab von
ihnen Lebenskraft? Vampir?
Grausamkeit und Prunk - wird das die
Formel sein, auf die man mich
komprimiert? Ein guter König - sie
könnten's besser bilanzieren,
wenn sie meine Last für lange
Weile trügen, probehalber. Ach,
ihnen wird zumute sein wie
Herkules: Dem zitterten die
Knie, als Atlas ihn um Gunst
bat, an seiner statt die Himmels-
Last zu stemmen. - Ich verweile
vor den Spiegeln - Spiegelsaal,
Promenade, Catwalk, hier bin
ich verherrlicht, meine Bilder
an gewölbter Decke; bin nun
Engel; zieht's mich zu den Plätzen,
die mir wichtig sind; was habe
ich zu tun mit Putten? Wieder
Ehrgeiz, möchte ganz besond'rer
Engelsbursche sein. In Güte
nun brillieren? Bin's gewohnt, die
Hierarchie wie Charts zu stürmen.
Neue Wörter zieh ich an,
haften an mir, sie gesellen
sich zu mir. Ich musste aus dem
Zeitmoment agieren - nunmehr
ist's, als ob das Karussell sich
so schnell dreht, wie's mir beliebt:
Meistere die Zeit - und steh doch
außerhalb von ihr. Ein Engel -
ohne Erz, das wird wohl noch.
Hab ich's also doch verdient.
Mir war mulmig, als ich sie aus
meinem Reich gedrängt - die Sache
mit den Hugenotten; ja das
tragen sie mir nach. Ich war so
zuversichtlich, stand im Heilsplan;
wieso diese Zweifel jetzt?
Marginal erscheint mir jetzt,
was als Zentrumsfrage mir den
Weg versperrt hat. Wollt's beiseite
rollen; zu viel Kriege; ich im
Mittelpunkt. Bin gut darin, mir
einzureden, dass es gut für
Frankreich, wenn der Fokus dort ist,
wo ich wandle, ruhe. Schau, ich
schwebe, bin am jedem Ort ...
Aber keiner folgt mir, liebe
das Gefolge, Artigkeiten;
wie sie schnappen nach der Gunst.
Grausamkeit und Prunk - was denk' ich
nach darüber? Herrscher muss das
alles nutzen; doch belastet
es mein Seelenheil? Ich seh im
Spiegel meine Flügel; bin zu
skeptisch? Doch ganz reinlich sind sie
nicht. Sind schmutzig grau. Ich tunke
sie in Purpur? Ludwig, setz auf
den Veredelungseffekt. -
Nicolas Fouquet bereichert
sich, ich reg mich auf; ganz gelb vor
Neid? Sein Fest, sein Schloss viel schöner?
Das kann ich nicht dulden! Rage.
Als Finanzminister ist er
fähig; ach, das sollte meine
Ausflucht sein, mein Argument: Als
König sei es mir gestattet,
überreich zu sein, da ich so
fähig bin. Stimmt, fleißig war er -
ach, wie jämmerlich wär solch ein
Zeugnis ... Muss mich umhör'n, was
Nachwelt plaudert über mich.
Nicolas Fouquet - ich habe
ihn gestürzt, ersetzen lassen
durch Colbert. Verbannung schien mir
zu riskant. So sperrte ich ihn
ein. - Versailles, wo Sumpf und Wiesen
einst, nun Pracht, Pompöses, Party.
Alle Wege führen zu dem König.
So soll's sein. Kommt, lasst Mätressen
um mich sein, die nachts gut schlafen.
Sei mir dieses doch gewährt. Die
Ehefrau aus Spanien - das ist
Pflicht; doch Kür das Techtelmechtel
mit den Mesdemoiselles. 'ne Leistung:
Zweiundsiebzig Jahre König.
Wer macht mir das nach? Trotz Kriegen:
Frankreich prosperiert; doch habe
ich die Liebe mir erworben?
Wär' es möglich: Macht und Liebe
zu verkörpern? Dirigent - mit
königlichem Zepter statt
Dirigentenstab; so viele
Interessen, wie sie einen?
Einklang, Harmonie, ich habe
mich bemüht. Doch wollte ich die
erste Geige spielen. Maestro.
Tonangebend. Zupf ich bald die
Harfe? - Mann mit Eisen-Maske,
das als größtes Rätsel, was ich
hinterließ? Mein Zwillingsbruder
oder ist's mein Vater? Jetzt ist
mir, als trüge ich zum ersten
Mal die Maske selber. Werte
Physiognomie - vertrautes
Mienenspiel - ich schaue in die
Spiegel - vor mir steht ein Fremder.
Galt es doch, den Weg zum Ich zu
meistern, das mit Eleganz ...
Engel, lass doch nicht die Flügel
hängen. Ist mir doch, als ob man
manches Gute spricht: Epoche
ist ihm gut gelungen. Welcher
Mensch kann so als Künstler wirken?
Ihr verherrlicht mich - kann Sonne
stärker scheinen; huldigt Gott,
hat Er noch mehr Power. Letztlich
nur ein Amt. Der Sonnenkönig
schreitet in die Nacht. Gut' Nacht.
(Uriel erscheint)
Uriel:
Ja, die Müdigkeit, die Fragen ...
Plötzlich Hofstaat nicht vorhanden.
Toll, Du arrangierst Dich prächtig.
Ist 'ne Ehre, Dich bei uns im
Corps zu haben. Wie im Himmel,
so auf Erden: Ordnung täte
uns ganz gut. Wie wär's, wenn Gott so
resolut und absolut
herrscht, wie Du es vorgemacht?
Deinem Vorbild folgen, jeder
dient Ihm, hechelt, ob er Seine
Gunst und Seinen Blick verdient?
Dann mache Dich darauf gefasst,
dass Du Höfling bist in Seinem
himmlischen Versailles. Ist Willkür
inklusive? Ach, berate
uns - Du bist auf dem Gebiet ein
Meister.
Ludwig XIV.:
Ja, nur zu, gib volles
Maß: Schenk ein - das Maß ist voll,
aus dem Krug der Ironie
süffisant serviert; wird's süffig?
Möchte mich rehabilitieren.
Uriel, kannst Du mir bess'ren
König nennen? Einfach ist's, die
Fehler aufzuzeigen. Ihr seid
wie der Feldherr auf dem Berg:
Überblick - es liegt zu Füßen
das System, man weiß so um die
Ordnung. Doch im Chaos steht der
Mensch.
Uriel:
Gemach. Wir können wirklich
von Dir lernen. Mit Versuch und
Irrtum kommt man weit. Die Welt
wen'ger grausam zu gestalten ...
Doch es wohnt ihr inne. Ja, auch
Gott hat viele Interessen
abzustimmen, irgendjemand
ist beleidigt, fühlt sich schnöde
übergangen. Bau für uns
himmlisches Versailles, nur zu!
Jeder kriegt die Chancen, kann dort
weitermachen, wo er bei war.
Mag ja sein, dass Prunk die Heilung
bringt. Bemühe Dich - und strahlend
weiß als Lohn die Flügel. Ja, sind
Ehrabzeichen; nützlich Rang,
Klassifikation; es gilt:
divide et impera.
Dies als erster Einblick, siehst sehr
wohl, dass Du am rechten Platz.
Ludwig XIV.:
Imperator als Berater.
Ich bin baff. Ja, ich vermehre
Euch den Schatz! Ich seh' es auch so:
Liebe, Ordnung nicht im Clinch.
Himmlisches Jerusalem?
Biet Euch: himmlisches Versailles.
ENDE
Tag der Veröffentlichung: 09.08.2014
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