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Dornröschen und Prinz Richard - Dreamteam

 

„Ich hatte eigentlich erwartet, dich hier schlafend vorzufinden; wer hat dich geweckt?“ Prinz Richard schaut unters Bett von Dornröschen. Das Bett ist verkleidet mit einem roten Samtvorhang. Dornröschen liegt bäuchlings auf dem mit rotem Damast bespannten Bett. „Also ich habe momentan eine Aversion gegen Rot. Erst die gigantische Masse an roten Rosen, die entgegen der Weissagung auch nach 100 Jahren noch sehr aktive Dornen haben, so als seien sie darauf dressiert, wackere Prinzen niederzuringen - und nun dieses rote Himmelbett - sieht verdammt verrucht aus. - Gefällt mir.“ Er setzt sich zu ihr auf die Bettkante. Sie stößt ihn herunter. „Sorry, ein Reflex. Dabei bin ich wohl weit über das Alter, da man die Sittsamkeit hochachten sollte - vielmehr dankbar dafür, dass ein Freiersmann sich zu mir herbemüht.“ Sie reicht ihm ihre Hand. Sie trägt ein weißes ärmelloses Nachthemd. Es ist hochgerutscht, so dass ihre wohlgeformten Beine gut sichtbar sind. Wohl auch der Grund dafür, dass Prinz Richard sich von seiner momentanen Position nicht sofort wieder erhebt. „Gute Sicht ist wichtig. Du siehst entzückend aus, wenn ich mir dieses Kompliment erlauben darf gegenüber einer 117-jährigen Lady. - Schlaf hält jung. Ich sollte mehr schlafen. Lässt du mich in dein Bett?“ Dornröschen betrachtet ihn genauer. „Was ist mit der Fee Carabosse? Wird sie mich erneut verfluchen? - Einen Beschützer könnte ich gebrauchen - so für dies und das - allerdings wirst du mit dem Schwert wohl kaum etwas ausrichten können bei Magie.“ „Ist Liebe denn nicht auch Magie? In allen mir bekannten Märchen ist wahre Liebe mächtiger als böse Magie.“ „Ich kann auch eine böse Prinzessin sein - vielleicht der Grund für meine Bestrafung. Ich meine, wer sticht sich schon an der Spindel und wird verdonnert zu 100 Jahre Bettruhe?! Hierher konnte ich mich gerade noch hinbewegen, bevor diese Müdigkeit über mich hereinbrach - als ob eine zwölfspännige Kutsche über mich hinwegbretterte.“ „Dreizehnspännig - um bei der Metapher zu bleiben: Die 13. Fee sollte man nicht vergessen. Äußerst nachtragendes Geschöpf. Übrigens: Sie lebt immer noch. Auch sehr langlebig.“ Dornröschen wendet sich ihm spontan zu und umfasst ihn. Hatte ich diese Wirkung beabsichtigt, überlegt Prinz Richard, ich sollte diese Taktik beibehalten. Er sieht sich betont besorgt um. „Vielleicht sollten wir mehr Licht machen.“ Er zündet die Kerze an, die auf dem runden Nachttisch steht. Schiebt die roten Fenstervorhänge weiter auf. „Hatten deine Eltern ein Faible für Rot? Sieht mächtig sündig aus; gefällt.“

Dornröschen schlägt sich mit der Hand auf den Mund. „Meine Eltern! Wer hat das Reich regiert?! - Bin ich schon aufgewacht - oder träume ich noch immer?“ Sie fasst Prinz Richard an. „Erzähle mir von dir. Irgendetwas, was ich nicht wissen kann. Dass du nicht nur ein Produkt meiner Wünsche bist.“ „Ach, an sich bin ich hier überflüssig. Du bist doch schon wach. Hatte mich so auf den Kuss gefreut.“ Dornröschen hebt das Kinn von Prinz Richard und streicht ihm mit ihrem Finger über seinen Mund. „Dieser Teil der Prophezeiung - entgangener Höhepunkt. Wir können es nachholen - aber erst rausfinden, was los ist.“ Dornröschen eilt zu ihrem Kleiderschrank und greift sich wahllos eines der Kleider - es ist ein grünes Ballkleid, was sofort zerfällt. „Staub!! Ich bin inmitten einer Gruft!“ Sie eilt zu den roten Samtvorhängen des Bettes. Zerrt daran. „Solide. Die halten.“ Sie seufzt. „Offenbar ist alles in deiner Nähe verschont vom Zahn der Zeit.“ „Weh mir! Meine Eltern ... meine Freunde bei Hofe - und alles nur wegen dieser eingeschnappten Fee Carabosse! Goldenes Tafelservice - als ob solche Lappalie Menschenleben ruinieren dürfte!! Wir sollten darüber stehen.“

Es klopft. Die Zimmertür stürzt ein. „Hoppla. Ich falle mit der Tür ins Haus. Dein Prinzessin-Pavillon - verstaubt, dass mein Asthma sich sofort meldet.“ Die Fee Carabosse hustet erbärmlich. Dann schleppt sie sich ins Zimmer - sie stützt sich dabei auf einen sehr langen Zauberstab. Dornröschen springt ins Bett und zieht die roten Samtvorhänge zu. „Mach kein Theater!“ Die Fee Carabosse teilt den Vorhang mit ihrem Zauberstab und richtet ihn auf Dornröschen. Prinz Richard: “Also wenn hier jemand seinen mächtigen Zauberstab zum Einsatz bringen lassen sollte - dann wohl ich!!“ Dornröschen lacht. Prinz Richard: „Zeit für Aussöhnung! Sind 100 Jahre nicht ausreichend Strafzeit? Für was? Das Kind ist unschuldig. Wird für einen Fauxpas der Eltern aufs Übertriebenste bestraft: Welches Kind schickt man schon für 100 Jahre auf sein Zimmer? Das ist böse!“ Prinz Richard deutet mit dem Zeigefinger auf die Fee Carabosse - diese umfasst seinen Zeigefinger, zieht den Prinzen zu sich heran, und als ob sie asiatische Kampftechnik beherrschen würde, wirbelt sie den Prinzen hoch in die Luft, wo er verweilt. „DAS ist Magie!!“ Der Prinz antwortet von oben herab: „Wie viel wert ist Magie, wenn sie es nicht vermag, kleinste Kränkungen zu kurieren?! Selbst 1000 Jahre würden dann nicht ausreichen, wenn man kleinlich ist. Doch Großmut ...“ Dornröschen ruft: „Pssst! Fang bloß nicht an mit solch hohen Zahlen. Das bringt sie nur auf Gedanken. Habe jetzt schon arge Rückenschmerzen vom Liegen. - Könnten wir uns nicht darauf einigen, dass mein Erlebnis etwas Symbolträchtiges hat und dass man gewiss etwas daraus lernen könne? Ähnelt doch sehr einem der Volks-Märchen. Möchte gerne, dass Sinn macht mein Leiden. Wer möchte es nicht? - Suche auch du, Fee Carabosse, nach dem Sinn in deinem Leiden - dann gelingt uns beiden das Verzeihen.“ Dornröschen streckt verlegen der Fee ihre Hand entgegen. Die Fee schnaubt. „Rache!!“ Der Prinz spitzt den Mund. „Wie wäre es mit einem Kuss von mir - bin heute noch gar nicht zum Kusseinsatz gekommen. - Holde Fee Carabosse - ich wäre bereit, dir einen sehr anständigen Schmatzer zu geben - und dafür verschonst du Dornröschen. In der späteren Version unserer Geschichte wird es dann allerdings heißen, ich hätte Dornröschen mittels Kuss-Magie erlöst - und hätte dann auch gerne namentliche Erwähnung in dem dann aufzuschreibenden Märchen. Eventuell: Dornröschen und Prinz Richard - Dreamteam.“ Die Fee schmunzelt. „Eiei, er hat Charme. - Ach, was soll‘s; komm runter von da oben. Habe genug Blödsinn angestellt mit meiner Magie. Geschadet hat‘s mir. Schau dich an, Dornröschen. Jung bist du und wunderschön.“ Die Fee tritt vor den Wandspiegel. „Resultat meiner falsch geleiteten Besorgnis. Ich könne nicht genug gewürdigt werden. Im Hofzeremoniell der Lapsus. Keine Einladung. Was soll‘s?“ Sie spricht ins Spiegelbild: „Ich könnte mir verzeihen - aber von dir, Dornröschen, will ich es nicht verlangen - ich schaue, was ich wiedergutmachen kann.“ Sie schwingt den gewaltigen Zauberstab - das grüne, zerbröselte Ballkleid fügt sich wieder zusammen. „Alles was dir nah, was dir gehört, zu dir gehört, hat unbeschadet nun die 100 Jahre überstanden. Eltern, Freunde ... begrüße sie ... mache Euch nicht zuschanden.“ Die Fee wendet sich zur Tür und während sie geht, verjüngt sie sich. Erschrocken hält sie inne ... betastet sich. Dornröschen schwingt sich aus dem Bett, schaut die Fee genau an, wendet deren Kopf zum Licht. „Sollte man vermarkten. Keine Verjüngungscreme wirkt so überzeugend, wie mit sich selbst im Reinen zu sein. Du bist wahrlich wieder jung ... gute Fee.“ Die beiden Frauen betrachten sich im großen Wandspiegel. Dornröschen hebt ihr Nachthemd bis zur Hüfte und betrachtet ihre Beine. „Alles tadellos, was meinst Du, Prinz Richard?“ „Soweit ich das von hier oben mitbekomme, entgeht mir da einiges. Könnte ich bitte in heldenhafterer Pose teilnehmen an dieser Zurschaustellung von Versöhnung und Verführung?“ Die Fee nickt - und Dornröschen richtet den großen Zauberstab auf Prinz Richard. Dieser schwebt zu Boden und sagt: „Ich fasse mal zusammen: Da du, Fee Carabosse, auf Dornröschen zugegangen bist mit stark verminderter Bitternis, ist dir das süße Geschenk zuteil geworden, dass die salzigen Tränen ...“ Dornröschen küsst ihn. „Da stehen mir ja Metaphern ins Haus! Gut zu wissen, wie man solches in wohltuende Bahnen lenken kann.“ Sie zieht ihn zum Bett. Die Fee: „Auch ich werde mich umsehen im Königreich nach einem passenden Junker. Bin jung. Aufregend jung. - Ich habe dir zu danken.“ Die Fee küsst Prinz Richard auf die Stirn.

 

ENDE

 

Casanova, Krösus und Schneewittchen

 

"So, hier bin ich, hinter sieben Bergen.

Und vermutlich bist du das Schneewittchen?"

"Gut und gern bewacht von sieben Zwergen.

Scher er sich von hinnen, bin kein Flittchen!

 

Früher fiel ich noch auf Sprüche rein.

Kann's so viel Gemeinheit geben? Bah!

Bot mir schönste Waren - mir zur Pein!

Lockte mich mit Mieder, Kamm; ist wahr:

 

Meines Vaters neue Frau, Jasmin,

hört auf ihren Spiegel, fragt ihn

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Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Bildmaterialien: Cover © Corey Ford/bigstockphoto.com Atelier Sommerland/bigstockphoto.com - Bilder im Innenteil © 123rf
Tag der Veröffentlichung: 30.08.2013
ISBN: 978-3-7309-4665-7

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