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Paris und Aphrodite




PARIS.
Troja wird zerstört – und ich bin schuld.
Weil drei schöne Göttinnen mich fragten,
Ob ich ihren Zwist wohl schlichten könnt.
Narr! Ich war gebannt durch ihre Schönheit.
Statt zu fliehen, erkürte ich die Schönste:
Aphrodite hatte mich verzaubert.
Als ich ihr den goldenen Apfel reichte,
berührten unsere Hände sich ganz zart.
Sie belohnte mich für meine Gunst.
Gab mir Helena als Ehefrau.
Doch die Göttin ist's, die ich begehr:
Aphrodite! Deine Gegenwart,
Deine Nähe, Deine Küsse, Deine ...

Ach, ich bin gefesselt an mein Schicksal.
Vorbestimmt war's mir, ich bring das Böse:
Kalchas hat es prophezeit. So sei's!
Paris wird die Fackel Trojas sein.
Bringt Feuer und Verderben! Und kein Ausweg?
Irrt Kalchas sich denn niemals? Und wenn doch!
Welcher Heros rang sein Schicksal nieder?
Wer bezwang mit Willensstärke, Kraft,
Diesen übermächtig großen Gegner:
Schicksal ist das größte Ungeheuer.
Könnt ich dich besiegen mit Innerem Feuer?
In mir soll es brennen! Nicht in Troja!

Hätt ich wahre Liebesglut in mir,
Hätt ich Aphrodite nur bei mir.
Hab ich Helena denn je gewollt?
Unerreichbar war die Göttin stets.
Paris nahm vorlieb mit ihrem Schatten.
Denn ein Schatten nur ist Helena,
Wie wir Menschen allesamt: nur Schatten.
Göttinnen und Götter stehen im Licht.
Sie agieren – und tragen in sich das Licht.
Ist's ein Wunder, dass meine Seele träumt?
Träumt vom Licht, was ich einst berührt.
Aphrodites Hände spürte ich.
Nannte sie die Schönste – doch sie entwich.
Welch ein Leben hab ich da versäumt?
Hätt ich's wagen sollen? Sie verführt?

Warum muss ich meinem Schicksal folgen?
Brav dem Schicksal hinterher nur trotten.
Troja und auch Paris werden verrotten.
Welchen Sinn, Gewinn hat mein Gehorsam?
Kühn sich hoch aufschwingen zu den Göttern.
Buhlen dort um ihre Gunst und Achtung.
Damals hielt ich mich für einen Hirten.
Wusste nichts von meiner wahren Herkunft.
Trojas König Priamos: mein Vater.
Ich ein Prinz; viel edler als gedacht.
Wenn wir Menschen alle so gemacht?
Wenn wir edel sind und es nicht wissen?
Schlummert Edles, Göttliches in uns?

Blick hinaus und sehe Trojas Elend.
Kann ich Trojas Untergang verhindern?
Paris trägt die Schuld. Doch ich bin Paris.
Meinen Fehler werd ich korrigieren.
Hab Helena gewählt, an mich gebunden.
Denn die schönste Frau, die wollt ich haben.
Was nur trieb mich, so verkehrt zu wählen?
Mich, die Welt und Helena zu quälen?

Woher kommt der Nebel, der mich einhüllt?
Diese dichte, weiße Nebelwolke –
So umhüllt, enthüllte sie sich mir.
Ist Aphrodite wieder hier bei mir?
Taste ich in dieser Nebelwand?
Bist du mir nah? Ich reich dir meine Hand.

APHRODITE (erscheint).
Mein geliebter Paris, ich bin hier.
Unverändert. Doch du hast dich verändert.
Das ist euer Privileg: der Wandel.
Menschen häufen Fehler an – und lernen.
Götter sind perfekt – sie langweilen mich.
Ist es wahr? Du hast die schönste Frau,
Dennoch sehnst du dich nach Aphrodite?
Welche Wünsche soll sie dir erfüllen?

PARIS.
Unverändert! Überirdisch schön.
Nicht aus meiner Welt – erhabene Göttin.
Nicht für mich bestimmt. Dein Anblick schmerzt.
Das Entbehrte nah bei sich zu haben,
Ohne es ergreifen, festzuhalten –
All dies nicht zu können. Doch bitte bleib.
Bleib noch eine Weile. Nicht enteile!


APHRODITE.
Was begehrst du? Ist es dieser Leib?
Diesen Anblick bist du doch gewohnt.
Gleich ich Helena denn nicht vorzüglich?
Ihrem Bilde nach erschuf ich mich.
Um dir beim Wettkampf zu gefallen, Paris.
Dieses Bild sah ich in deinem Geist.
Deinem Traumbild gleich ich nun. Bin dein.
Du erschufst, was du begehrst. Sei mein.
Halte mich in deinen Armen fest.
Ja, verein dich mit dem Göttlichen.
Ist dies Aufmunterung genug mein Held?

PARIS.
Wenn der Nebel kommt und dich mir nimmt,
Wird die Leere unerträglich sein.

APHRODITE.
Doch dieser Augenblick ist angefüllt
Übervoll mit unsrer Gegenwart.
Sei gewärtig mich zu spüren ganz.
Meine Seele wirst du schauen – zart,
Schutzlos und verletzlich – ist sie nackt.
Nicht gekleidet in goldenen Glanz.
Denn von dir geliebt zu werden, Paris,
Das steht nicht im Schicksals-Buch geschrieben.
Schreiben wir die Seiten neu. Beginn.

PARIS.
Wo beginnen? Wenn dein Mund mich ruft;
Deine Hände rufen auch nach mir.
Deine Beine, Schenkel wollen Beachtung.

APHRODITE.
Dann entscheide ich für dich – und schau:
Mein Gewand will fort von mir, es fällt.
Unbekleidet steht die Göttin nun.

PARIS.
Selig bin ich, dass ich Augen hab.
Meine Augen haben viel zu tun.
Was beneiden meine Hände sie.
Meine Augen sind schon glücklich tätig,
Während meine Hände scheu nur ruh'n.

APHRODITE.
Diesen goldenen Apfel gabst du mir.
Schöner sei ich als Athena, Hera.
Dieses war dein Urteil. Mir gefiel's.
Warum wähltest du mich aus? So sprich.

PARIS.
Warum wähltet ihr mich aus? Der Grund?
War's ein Scherz mit einem schlichten Hirten?
War's ein böser Plan, von Zeus erdacht?
Auftakt für den langen Krieg in Troja?
Schwere Schuld trag ich nun seitdem mit mir.

APHRODITE.
Lass dich durch mein Küssen nur nicht stören.
Ich häng an deinen Lippen; hör dir zu.
Zeus allein hat dich nicht auserwählt.
Wir drei Göttinnen, wir wählten dich.
Über Schönheit urteilt der am Besten,
Der sie selbst im höchsten Maß besitzt.
Während meine Hand auf deinem Rücken
Über Muskeln wandert, wird mir klar:
Dich hab ich vermisst auf dem Olymp.
Uns're Kinder könnten Götter sein.
Aufenthaltsberechtigt auf dem Berg –
Dort, wo jeder Sterbliche gern wäre.

PARIS.
Meinst du, dort zu sein, wär eine Ehre?
Die Olympier bilden sich sehr viel ein.
Macht zu haben, das macht Götter lieblos.

APHRODITE.
Vielleicht brauch ich deine Liebe deshalb?
Mach die Göttin menschlich. Halt mich fester.
Will es heut erfahren: Liebst du mich?
Oder liebst du diesen Frauenkörper,
Meine ausgeliehene Erscheinung.
Tausend Frauen kann ich sein, und mehr.
Mich verwandeln. – Doch ich lüge sehr.
Kann nur sein, was du in mir erblickst.
Deine Nähe bannt mich. Du bestimmst.
Siehst mich so, wie du mich sehen kannst.
Drum sind wir verwandt im Geiste, Paris.
Mann und Göttin sind in Liebe Eines.
Wie die beiden Seiten einer Münze.

PARIS.
Hab ich deshalb dich so sehr vermisst?
Lass Begierde sprechen, es ist Zeit.
Hören wir ihr zu. Ich bin bereit.

Bin mir meiner Existenz nicht sicher.
Ahn ich, dass ein Gott mein eignes Selbst
Besser darstellt, als ich's je vermag?
Ein viel besserer Paris, höher, reiner.
So wie du als Göttin einer gleichst,
Die ich liebe: meiner Helena.
Menschen sind ein schwaches Abbild nur
Von Euch Göttern. Ihr seid einzig wahr!

APHRODITE.
Wer von uns ist Kunst und wer Natur?

PARIS.
Immer wenn ich deine Nähe spüre,
Dann kommt alles so vertraut mir vor.
So als hätt ich alles schon erlebt.
Alles, was mein Leben ausmacht - Trug.
Gaukelwerk, erzeugt von meinem Geist.

APHRODITE.
Ja, ich bin zu dir schon oft gereist.
Deine Sehnsucht zieht mich mächtig an.
Glaub mir, ich begehre nicht den Gott,
Sondern Paris, du bist's als der Mann!

PARIS.
Tröstlich, das von dir zu hören - jedoch
Sonderbare Traumwelt, die mich hält.
Ist's, als ob sie träumt die ganze Welt.

APHRODITE.
Kein Entkommen für dich - kein kleines Loch?
Wie zur Wahrheit finden? Ich bin hier.
Kennst die Szene - alles dir vertraut.
Leben ist Erinnerung, du merkst's?
Alles das, was war - das wird sein.
Kreise und Spiralen sind die Bahnen.
Und auf diesen rollt das Leben - eben.
Wiederholung alles - nichts ist neu.
Gleich ich Helena und gleicht sie mir -
Wer von uns ist nun das Original?

PARIS.
Mich beunruhigt, dass du soviel mehr
Attraktivität besitzt als sie.
Wiederholung sei tatsächlich alles?
Dann darf diese Stunde wiederkehren?
Dich erneut und immerfort zu lieben!

APHRODITE.
So ist's, mein Paris, wer sollt es dir verwehren?
Halt mich fest, erfreu dich nun an mir.
Gleiches plan ich frohgemut mit dir!
Ahnen wir, was kommen mag, was soll's.
Tun wir so, als ob ganz unvertraut.
Mich noch niemals unverhüllt geschaut.

PARIS.
Soll ein Gott doch mir, dem Paris, gleichen!
Bin vielleicht nur Abbild, doch bin Ich!
Und in deiner Nähe bin ich's gern.
Sei mein Morgen-, sei mein Abend-Stern.
Seelenteil bist du von mir, ich weiß.
Hab's gespürt, als ich dir gab den Preis.
Preise deine Schönheit nun, oh Göttin.
Gäb den Apfel jederzeit nur dir.
Paris-Urteil: Du, die Siegerin.
Wahrlich, nur nach dir steht mir der Sinn.

APHRODITE.
Wie ich seh, steht dir nicht nur der Sinn.
Das ist gut so - sei dann in mir drin!


ENDE

Impressum

Texte: Coverfoto von Wikipedia http://en.wikipedia.org/wiki/Enrique_Simonet
Tag der Veröffentlichung: 29.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

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