„Vrem alegeri libere!"
"Jos Ceaușescu!"
"Libertate, te iubim,
Ori învingem, ori murim!"
Damals, im Dezember neunundachtzig, es hat uns keiner etwas versprochen, es hat uns keiner gesagt, was auf uns wartet. War dies der Weg geradeaus in die Freiheit?
Ich war 19 und mit jedem Jahr ist der Wunsch immer größer geworden: Es soll ein Tag kommen, an dem ich nie wieder hungrig einschlafen sollte …Es war nicht schlimm, dass wir die Hausaufgaben bei Kerzenlicht machen mussten. Es war nicht schlimm, dass wir im Winter mit Handschuhen und Mänteln in den Klassenräumen lernen mussten. Es war nicht schlimm, dass wir nur zwei bis vier Stunden am Tag Wasser hatten. Wir fanden es normal und haben nichts vermisst. Wir hatten keine Vision. Plötzlich war er da, der Schrei nach Freiheit. War es der Hunger? War es die Wut? War es die Angst? War es die Hoffnung nach neuen und besseren Zeiten?
Tausende marschierten auf den Straßen und skandierten "Freiheit" und "Nieder mit Ceaușescu!" Unser Hunger nach Freiheit kannte keine Grenzen. Unsere Wut war zu unerfahren. Unsere Angst war so unerforscht. Plötzlich war er da, der Schrei nach Freiheit. Und er war ansteckend, verbreitete sich schnell von Temeswar über ganz Rumänien.
Verbunden, mitfühlend, wir wurden immer mehr und immer bedrohlicher. Wir bebten und waren nicht mehr zu stoppen. So viele sind unter den Schüssen gefallen. So viele sind festgenommen worden. Doch wir hatten nichts zu verlieren und auch nichts zu vermissen. Wir wollten unsere Träume nicht aufgeben, bis zum Ende kämpfen. Der Horizont gehörte uns.
Es hat uns keiner gesagt, was auf uns wartet, wenn wir endlich frei sind. Wir wussten nicht, was wir damit anfangen könnten. Auch nicht, dass wir uns noch Jahrzehnte gedulden müssten, um die Grenzen der Freiheit zu verstehen.
Texte: @ lc alias Bellador 10.2019
Cover: @ Werner Baumgarten
Tag der Veröffentlichung: 16.10.2020
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