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Nur die Schwachen weinen



Als die Drachen noch den Himmel beherrschten und die Wölfe den Wald bewohnten, neigte sich die Regentschaft von König Dorion dem Ende zu. Denn er lag im sterben. Sein Reich waren die Feuerinseln. Er war der König der Drachen.
Der Krieg mit den Menschen hatte ihm in den letzten Jahren viel Kraft abverlangt. Aber der Mord an seiner Frau und der Tod seines Sohnes Ilajas stürzte den so stolzen Krieger in die Dunkelheit.

"Meine Tochter...wo ist meine Tochter?", fragte König Dorion hustend.
"Ich bin hier Vater", antwortete sie und nahm seine Hand.
Der König war fast blind und erkannte sie schlecht.
"Aria, mein Kind...Du bist." Das sprechen viel ihm sichtlich schwer. Immer wieder rang er nach Luft. "du bist, die zukünftige Königin. Sei weise, sei stark, sei mutig, für dein Volk."
"Das werde ich Vater", versprach sie.
"Du bist wie deine Mutter...wunderschön und unerbittlich."
Sie küsste ihren Vater auf den Handrücken. "Du musst nicht soviel reden. Du brauchst deine Energie."
"Nein, meine Tochter. Ich sterbe. Ich muss jetzt aussprechen was es noch zu sagen gibt."
Eine Träne lief der Prinzessin über die Wange.
"Sei nicht dumm zu glauben, das die Menschen Frieden anstreben, wenn sie in vorschlagen", warnte er sie. "Den schlugen sie auch mir vor und versuchten mich in einem Hinterhalt zu töten. Sie werden keinem Drachen Gnade gewähren, also werden sie von uns auch keine erfahren. Lass nicht zu, dass sie unser Volk zerstören. Wir sind die einzigen Herrscher des Himmels."
"Ich schwöre dir Vater, sie werden niemals siegen. Nicht solange ich lebe."
Kaum hatte Aria diese Worte ausgesprochen, fing der König an Blut zu husten. Die Ärzte schoben sie zur Seite.
Verloren stand die Prinzessin der Drachen in dem Raum voller Menschen, die versuchten ihren geliebten Vater zu retten. Den Menschen, der ihr alles beigebracht hat über das Leben. Der, welcher sie das Kämpfen gelernt hatte. Im Herzen wusste sie, es war vorbei. Er würde heute Nacht noch sterben. Und so kam es auch. Sie hatte die halbe Nacht neben ihrem Vater verbracht ohne es sich zu gestatten ein Augen zu schliessen. Bis sie seinen Atmen nicht mehr hörte. Er starb schlafend. Nicht wie er es sich gewünscht hatte im Kampf, doch bei seiner Tochter.
Sie stand auf und küsste ihren Vater auf die Stirn. Die Tränen die ihre Wange herunter liefen, wischte sie weg. Weinen, war nur den Schwachen gestattet. Sie durfte sich nicht erlauben schwach zu sein, sie hatte ein Reich zu führen.
Sie atmete tief ein und aus, bevor sie die Tür des Schlafzimmers öffnete.
"Prinzessin", sagte der Wächter vor der Tür. "Kann ich etwas für Euch tun?"
Die Worte fielen ihr nicht leicht. "Mein Vater ist Tod", sagte sie.
Das Gesicht des Wächters veränderte sich in Trauer.
"Holt seine Berater", befahl sie.
"Jawohl, Majestät." Er eilte davon.
Aria ging zurück ins Zimmer und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Trauer überkam ihr Herz, trotzdem musste sie Stärke zeigen. Sie war die Tochter des Drachen.
Ausser ihrer jüngeren Schwester Kllaudia und der Familie ihres Onkels Arun, welcher der Heerführer ihres Vaters war und der Bruder ihrer Mutter, hatte sie alle verloren. Ihren Bruder, ihre Mutter und nun auch ihren Vater. Sie stand alleine mit dem Thron. Eine Last die sie nie tragen wollte. Doch nach dem Tod ihres Bruder, war es nun an ihr das Volk zu schützen.
Im Morgengrauen, sass Aria auf dem Balkon ihres Schlafzimmers. Sie würde gleich ihre Schwester Kllaudia wecken müssen, um ihr vom Tod ihres Vater zu erzählen. Als die Sonne leicht ihr Gesicht streifte, stand sie auf und machte sich auf den Weg zu Kllaudia.
Sie klopfte an die Holztür. "Mach auf Schwester", rief sie.
Gepolter war von innen zu hören. Die Tür ging mit einem Windstoss auf. "Was ist den?", fragte Kllaudia genervt. "Darf man in diesem Haus nicht mehr länger schlafen, als bis Sonnenaufgang?"
Aria antwortete nicht. Keine fünf Sekunden vergingen, da verstand Arias Schwester, etwas war geschehen. Sie lockerte ihre Haltung.
"Vater?", fragte Kllaudia vorsichtig.
"Ja. Er ist tot", antwortete ihre ältere Schwester traurig.
Kllaudia liess die Tür los, ging zu ihrem Bett und setzte sich. Ihr Gesicht war ausdruckslos. Keine Regung, kein Anzeichen von Gefühl.
Aria setzte sich neben sie. "Ich werde deine Hilfe brauchen."
Kllaudia sah ihr in die Augen. "Ich werde an deiner Seite sein. Bis zum Ende, Schwester."

Ungebetener Besucher



Die Türen des Salons öffneten sich. Kllaudia schritt energisch voran. Die Hüftlangen, pechschwarzen Haare, wie die eines Raben, streng zu einem Pferdeschwanz gebunden, wippten hin und her, während sie auf ihre Schwester Aria zulief. Die Rüstung sass an ihrem Körper wie eine zweite Haut. Vor der Treppe blieb sie stehen.
Kllaudia war die einige, der es erlaubt war, sich nicht zu verbeugen, vor der Königin.
„Wir haben einen Fremden gefunden“, informierte sie die Königin, sobald diese das Gespräch mit dem Heerführer unterbrochen hatte.
„Wer ist er?“, fragte Aria.
„Er will seinen Namen nicht preis geben.“
Arias Gesicht blieb ernst. „Wie ist dein Name Fremder?“, fragte sie ihn direkt.
Er starrte sie nur an.
„Antworte der Königin!“, befahl ihm Kllaudia in barschem Ton.
„Sie ist nicht meine Königin“, sprach er schliesslich.
Kllaudia holte aus und gab ihm eine Ohrfeige. „Zeig Respekt, du Made. Du bist in unserem Reich.“
„Genug Schwester“, sagte die Königin, stand auf, ging elegant die vier Stufen der Treppe hinunter und stellte sich vor den Mann, der in Ketten lag. „Aufmüpfig in der Gegenwart des schwarzen Drachen…Feige kann man ihn nicht nennen. Nicht wahr?“ Sie blickte mit ihren bohrenden, weissen Augen an. „Du kennst doch den schwarzen Drachen oder?“
„Ich habe von ihn gehört“, antwortete er.
„Sie an Schwester…Du bist eine Berühmtheit bei den Menschen.“
Die Augen des Mannes weiteten sich, als er begriff, das der weisse und der berüchtigte, schwarze Drache, vor ihm standen.
„Ich frage dich ein letztes Mal. Und wenn du nicht antwortest, lasse ich dich von meiner Schwester in der Luft zerfetzten…Also…wer bist du? Und wie bist du in unser Reich gelangt?“
Mit der Hand auf dem Griff ihres Schwertes, stand die Königin geduldig da.
„Wenn ich euch sage, wer ich bin, werdet ihr mich sowieso töten.“
„Du wählst freiwillig den Tod?“
„Ihr seid nicht für eure Gnade bekannt.“
Sie wandte sich von ihm ab und setzte sich wieder auf ihren Thron. „Ich gebe dir mein Wort. Deinen Namen für dein Leben.“
Er zögerte, aber glaubte der Königin. „Ich bin Prinz Dastan“, sprach der Mann.
Ohne eine Mine zu verziehen sass Aria auf ihrem Thron. „Kllaudia bring unseren Gast in sein Gemach.“ Sie lächelte kalt.
„Ihr tötet mich nicht?“
„Unser Volk hält seine Versprechen. Im Gegensatz zu dem Euren.“ Mit einer Kopfbewegung forderte sie die Wächter auf ihn wegzubringen.

Impressum

Texte: Sandra Todorovic
Tag der Veröffentlichung: 01.04.2012

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