Vorwort
Verkürzte Ausgabe zum November Wettweberb 2010
Seit 2004 eine Muskelerkrankung bei mir diagnostiziert wurde, hat sich mein Leben doch sehr verändert – zum Teil zum Guten (man glaubt es kaum), auf der anderen Seite habe ich die schwarzen Seiten des Lebens sehr genau studieren dürfen.
Es gibt drei Ereignisse, die ich hier schildern möchte. Diese ereigneten sich alle zu der Zeit als ich wegen des häufigen Fehlens in meiner Firma (ich arbeite in einem Krankenhaus als Arztsekretärin) von der BfA zur Rehabilitation (Kur) geschickt wurde.
Nette Kollegin
Wir sind in meiner Firma 3 Sekretärinnen, die alle für einen Chefarzt arbeiten. Man sollte annehmen, dass in einem Krankenhaus das Thema „Krankheit“ nichts ist worüber sich Kollegen aufregen könnten. Weit gefehlt.
Zu Beginn meiner Erkrankung war ich noch in der Funktion als stellvertretende Chefarztsekretärin tätig. Diese Position habe ich, als mir klar wurde, dass ich aufgrund der Erkrankung längere Zeit ausfallen würde und vor allem nicht vorhersehbar, aufgegeben und eine andere Kollegin übernahm wieder diesen Job (den sie vor meiner Einstellung auch schon machte).
Die Chefarztsekretärin hat es hingenommen – ihr ist egal wer sie vertritt, die andere Kollegin fühlte sich, meines Erachtens, zu diesem Zeitpunkt schon überfordert.
Nachdem nun kam, was von meiner Ärztin und leider auch von mir vorauszusehen war, viel ich im kommenden Herbst/Winter 2008 sehr häufig aus. Im August schon wurde eine Reha beantrag und nach 14 Tagen auch genehmigt. Ich wollte sie auch sofort antreten, was aufgrund der Urlaubssituation nicht möglich war. Mein 2. Reha-Termin hat dann leider auf sich warten lassen, ich war insgesamt ab August 2008 vier Monate krankgeschrieben bis am 23. Februar 2009 meine Reha begann.
In der Zwischenzeit war ich immer wieder arbeiten und musste mir leider sehr viele Kommentare meiner Kollegin anhören, wie z.B. „stell Dich nicht so an!“, „mir wird auch nichts geschenkt!“ und der für mich schlimmste war „im Internet hab ich über Deine Krankheit gelesen und keiner hatte sie dort so schlimm wie Du es schilderst“ – sie stellte mich tatsächlich als Lügner hin. Ich fühlte mich sowieso schon schlecht weil ich die Kollegen so im Stich ließ und dann noch so was.
Mein Chef und die Chefsekretärin waren über die Krankheit informiert und so hatte ich hier jedenfalls aus menschlicher Sicht jemand der sich auskannte und es befürwortete, dass ich erstmal in Reha ging und eine Therapie gefunden wurde.
Mittlerweile bin ich in Teilerwerbsminderungsrente und mit 4 Stunden Arbeit täglich kann ich auch gut weiterarbeiten. Natürlich gibt es finanzielle Einbußen, die aber durch mehr Lebensqualität kompensiert werden. Ja im Moment kann ich sagen – es geht mir wieder ganz gut.
Als diese Rente durch war kam die vorerst letzte verbale Diskriminierung meiner Kollegin „und gehst Du jetzt nebenbei noch woanders arbeiten?“ – und da frage ich mich wirklich „warum tut Dummheit eigentlich nicht weh?“
Andre Krankheit, andre Menschen
Die Klinik in die man mich zur Reha schickte ist speziell für Muskel- und für orthopädische Erkrankungen konzipiert.
Jeder der schon mal in einer Reha-Einrichtung war weiß, dass dies kein „Zuckerschlecken“ ist. Die Tagesplanung ist für jeden Einzelnen straff ogranisiert. So natürlich auch für mich.
Mein Therapieziel war, dass ich lernen sollte auf meinen Körper zu hören und moderat Sport treiben zu können bzw. Hausarbeit erledigen, im Garten werkeln etc. ohne dabei die Muskulatur überzubelasten. Wenn das nämlich passiert, bildet sich der Muskel irreparabel zurück.
So eines Tages in der 2. Woche meiner Rehamaßnahme. Die Sporthalle bzw. sämtliche Räumlichkeiten, wo die gemeinschaftlichen Übungen zur Wiederherstellung der Kondition und Kraft durchgeführt wurden lagen im Keller – mein Zimmer war im 4. Obergeschoss. Das Haus besaß mehrere Aufzüge. Ein relativ kleiner war der Sporthalle und meinem Zimmer am nächsten gelegen.
Ich hatte an diesem Morgen schon 20 Minuten Schwimmen und nach einer kurzen Pause (ca. 30 Minuten) eben in der Sporthalle Muskelaufbautraining hinter mir, als ich mich völlig erschöpft zum Aufzug schleppte. Als ich an den Aufzug kam, war dieser gerade bereit zur Abfahrt. Der Aufzug war ziemlich voll, ich passte aber noch hinein. Ich wollte nicht auf den nächsten warten und rief über den Gang „bitte wartet auf mich ich möchte noch mit!“. Als ich im Aufzug eintraf, betrachtete mich der Mann, der den Schaltern und der Tür am nächsten stand von oben bis unten und meinte dann „na ja, wenn ich sie so sehen, würde es ihnen bestimmt auch gut tun zu laufen!“ Er spielte wohl auf meine Figur an – die ja in den letzten Jahren leider aus dem Ruder gelaufen ist.
Ich muss gestehen ich war völlig sprachlos, kämpfte sofort mit den Tränen (ich war auch sehr depressiv zu dieser Zeit) – hatte mich aber gleich wieder in der Gewalt, betrachtete ihn auch von oben bis unten (er kam vom Schwimmen und ging mit Gehhilfe – hatte eine Hüft- oder Knie-Operation gehabt) und meinte sehr unterkühlt „manchmal ist es anders als es aussieht“, zog mich zurück in den hintersten Winkel, ein-, zwei Mitfahrer mokierten sich noch über diesen Mensch und als er ausgestiegen war meinte einer, der auch eine Muskelerkrankung hatte „ob Dummheit weh tut?“ – was mir in diesem Moment keine große Hilfe war aber im Nachhinein habe ich mich das auch schon öfters gefragt.
Es gibt auch unwissende Therapeuten
Und mit das Schlimmste, was mir an verbaler Diskrimi-nierung in der Reha widerfahren ist, passierte während einer Muskeltrainingsstunde gegen Ende der Reha. Eine recht junge, neu angestellte Therapeutin zog dieses Training durch wie in einem Fitnessclub. Alle aus meiner Gruppe machten so mit, wie sie es in den letzten Wochen gelernt hatten – nur so viel machen bis der Körper sich wehrt, die Anzeichen beachten und dann Pausieren.
Nach einer Weile, es ging um eine Übung bei der man im Liegen das Becken anheben muss (ähnlich wie bei der „Brücke“, die jeder noch aus der Kindheit kennen wird), konnte ich nicht mehr. Es kam hinzu, dass man dann, wenn das Becken angehoben war, im Wechsel das rechte und das linke Bein ausstrecken sollte. Es gab tatsächlich den einen oder anderen in der Gruppe, die das hinbekamen. Ich jedoch nicht. Mein Körper streikte hier (ich kann das bis heute nicht wirklich!) und ich pausierte, wie mir seit Wochen geraten wurde.
Kommentar der Therapeutin: „nur keine Müdigkeit vorschützen“. Ich daraufhin: „ich muss pausieren, wenn mein Körper es sagt, ich habe eine Muskelerkrankung!“
Kommentar der Therapeutin: „das sagen alle, die zu faul sind sich zu bewegen – sie schieben nur ihre Krankheit vor!“
Das war unglaublich – diesen Vorfall meldete ich auch dem Chefarzt der neurologischen Klinik (ein unglaublich engagierter und lieber Mensch), der sofort veranlasste, dass diese Mitarbeiterin über die Krankheit aufgeklärt wurde. Außerdem hatte ich diese Dame nicht mehr bei meinen Trainingsstunden.
Mein Schlusswort soll sein „Oftmals ist es anders als man denkt!“
Texte: © Petra Wenzel (Cover u. Text)
Tag der Veröffentlichung: 04.07.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
meiner Familie, die mich während meiner bisher schlimmsten Zeit immer unterstützte