Weihnachten nahte und die kleine Birke schüttelte sich zum x-ten Male vor Kälte. Sie wußte nicht viel von Weihnachten, da sie erst letzten Sommer von einer Baumschule in diesen Vorgarten verpflanzt worden war. Sie schüttelte sich erneut und seufzte leise.
Der Schnee fiel von ihren dürren Ästen und die dicke Eiche, die ihr gegenüberstand schnaubte, weil es ihre Wurzeln noch mehr unter den weißen Flocken versteckte. „He, pass doch auf !“ raunzte sie krächzend und brummte in sich hinein, um durch die Vibration wenigstens einen Teil frei zu rütteln.
Neugierig spähte die Birke wieder zum Haus gegenüber, wo im Vorgarten eine wunderschöne Tanne stand. Gerade gewachsen, mit dunkelgrünem Kleid stand sie fast etwas arrogant mitten auf dem Rasen, der jedoch um diese Jahreszeit kaum zu erkennen war, so unter der Schneedecke vor sich hinkümmernd. Im letzten Frühjahr hatte sie sich mit kleinen Krokussen rundherum geschmückt und gelangweilt in die Sonne gestarrt. Redselig war sie ja noch nie gewesen, eher würde- oder gar geheimnisvoll. Die Vögel saßen auch alle lieber in anderen Bäumen und bauten Ihre Nester dort, wo es weniger stachelig war. Dieses Jahr hatte die kleine Birke das erste Mal einen Mitbewohner beherbergt. Eine kleine Blaumeise hatte sich umgesehen, war wieder davongeflogen und später mit ihrem Gefährten erschienen, um höflich um Platz für einen Unterschlupf zu bitten. Freudig hatte die kleine Birke zugesagt, denn das war ja etwas besonderes, das zum ersten Male ein Vogelpaar sich das Stelldichein bei ihr gab.
Kitzlig war sie zwar, lachte immer wieder kurz auf, wenn die zwei geschäftigen Tierchen mit neuem Nistmaterial heranflogen und zwischen ihren Zweigen zupften und zerrten. Später hatten sie sogar um etwas Samenkapseln zum Auspolstern gebeten und diese gab sie natürlich gerne her. Das Brüten selber schien kein Ende zu nehmen und die Blaumeisenmama saß mit ausgebreiteten Flügeln stundenlang unermüdlich auf ihrem Gelege. Ein keckes Eichhorn hatte sich einmal versucht zu nähern, in der Hoffnung auf Nahrung, aber sofort aufgegeben, als die kleine Meise sie wütend angezwischert hatte. Die kleinen Kinder, die Wochen später schlüpften waren leise und die kleine Birke fühlte sich nicht im mindesten gestört, sondern war stolz darauf, diese kleinen Untermieter zu haben. Eines Morgens als sie wach wurde, da saß die Rasselbande neugierig auf dem Ast außerhalb des Nests und versuchte sich in Flügelstreckübungen. "Welch ein Wunder!" dachte sie bei sich und überlegte, ob Ihre Saat, die der Wind davontrug auch irgendwo sich in der Erde niederlassen würde, um zu wachsen, in dem Kreislauf, dem alles Leben unterworfen war.
Heute war ein besonders kalter Tag. Es war täglich früher dunkel geworden und die kleine Birke schaute jeden Morgen gen Himmel, ob wohl wieder Schnee käme oder doch die Sonne sich mit einem Lächeln durch die Wolkendecke zeigen würde. Gegen Mittag ging die Tür gegenüber auf und der alte Mann, der dort wohnte trat vor die Tür mit einem großen Karton. "Oh ohhhhhhh! " dachte die kleine Birke, sollte es schon wieder soweit sein? Ja richtig, um die Jahreszeit gab es ein paar Tage, wo die Menschenwesen aus ihren Häusern kamen und alles schmückten, mit Lichterketten behängten zum Lobpreis Christi, wie es hieß.. D. h. sie nicht - es gab nämlich genaue Regeln und die galten nicht für kleine Vorgartenbirgen, nur für alles was "Tanne" hieß oder "Dachfirst" oder "Vorgartenzwerg", dachte sie bei sich etwas grimmig, eifersüchtig beim Gedanken an das Strahlen, daß dort die ganze Nacht abgeben werden würde. Ihre Menschen in dem Haus hinter ihr schmückten sie nicht. Selbst an Ostern nicht, als überall in der Straße an den Büschen und gegenüber im Gras bunte Eier verteilt worden waren oder Schokohasen unter der Tanne versteckt worden waren... da nicht.. nichts bei ihr... "Unter einer Tanne! einem Weihnachtsbaum" die Empörung ließ sie erzittern. "Was hatten da nur Eier zu suchen und Hasen?" dachte sie bei sich und hätte sie sich drehen können, hätte sie den Leuten, die hinter ihr im Esszimmer zu sehen waren einen Vogel gezeigt..
Fasziniert schaute sie dem Treiben auf der andern Straßenseite zu und war ganz in Gedanken versunken, als hinter ihr quietschend die Tür aufging. Ein kleiner Junge schlich herbei, warm eingepackt gegen die Kälte und er zerrte eine Schnur hinter sich her, die er um die Ecke vom Haus legte und wieder zurück zur
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Petra Soreia
Bildmaterialien: Petra Soreia
Tag der Veröffentlichung: 23.01.2012
ISBN: 978-3-95500-142-1
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