... ein schlechter, ein guter?
Da fährt man durch die wunderschöne Provence, durch gottbegnadete Gegenden, vorbei an schwer gesicherten Anwesen. Da mußten sicher sehr viele Arbeitnehmer über längere Zeit sehr viel Mehrwert erwirtschaften, damit eine einzelne Familie oder Familiengruppe sich das gesetzes-konform aneignen und da unbe-schwert leben kann.
Peter Morgenroth
EPISODEN 04 - 04
Copyright Texte: Peter Morgenroth
Copyright Cover: Peter Morgenroth
Oktober 2013
das Flash Buch
Onkel Karl rief an. Ich möge meinen Allerwertesten umgehend nach Paris bewegen. In meinem Briefkasten läge ein Umschlag mit Informationen, die ich bis morgen Mittag gelesen haben sollte und dann ginge es ans Mittelmeer, soviel könne er mir schon mal verraten. Das wäre aber auch schon alles was er dazu wüßte und wenn er mehr wüßte, würde er es mir eh nicht verraten und außerdem wäre er, seit er einmal in der Provence war, auch mit dem Virus behaftet, habe immer so ein Sehnen dahin in der Brust. Aber niemand würde ihn mal dahin schicken.
Ich bedauerte Onkel Karl gebührlich und versprach, mich umgehend zu melden, wenn ich wieder zurück bin.
Der Trabant bleibt diesmal in der Garage, ich werde den Celica nehmen, der ist schnell und bequem. Wenn ich nach Mitternacht losfahre, dann bin ich zum Frühstück in Paris. Ein paar frische Krustenbrote werde ich wieder mitnehmen, das fehlt den in Frankreich lebenden Deutschen und ist immer ein hoch willkommenes Geschenk.
Pünktlich 1 Uhr war ich auf der Piste, im Celica roch es verführerisch nach frischen Brot. Einige Baustellen und ansonsten flogen wir durch die Nacht. In Frankreich dann das übliche Theater mit den Zahlstellen für die Autobahngebühr, Peage genannt. Ich bezahlte immer bar, ignorierte die CB-Spuren aus verständlichen Gründen. In Frankreich gilt auf Auto-bahnen, wenn es nicht gerade regnet, 130 Km/h. Regen ist dann, wenn man die Scheibenwischer einschalten muß. Vielleicht hat sich mancher schon gewundert, warum viele Franzosen die Scheiben-wischer erst dann einschalten, wenn es gar nicht mehr anders geht. Dann darf man nur noch 110 Km/h schnell fahren.
Vor Paris wurde der Verkehr dann dicke, ich kam aber immer noch gut durch. Die Franzosen fahren intuitiv und zügig und mit Toleranz. Da macht Autofahren richtig Spaß – ein bissel flotter könnte es gehen, aber gut.
Meine Adresse auf der Champs Elysees bestand aus einem Briefkasten in einem Hausflur eines großen Hauses. Da standen insgesamt drei Namen dran, keine Ahnung, wer die anderen drei Menschen waren. Immer dann wenn Post für mich rauszu-nehmen war, war auch nur Post für mich drin, seltsam.
Ein dickerer Briefumschlag für mich, sonst nichts. Ich nahm ihn an mich und fuhr nach Neuilly in ein nettes Bistro, welches ich von früher kannte. Im Umschlag waren Autoschlüssel, Fahrzeugpapiere von einem Hummer und einem Kühlanhänger, ein kurzer Brief mit einer Adresse in der Nähe von Port Grimaud, ein Transponder, der mir Tore öffnen sollte und eine sachlich formulierte Anweisung, die mich legitimierte das H2-Gespann zu übernehmen und zu dem Anwesen am Mittelmeer zu überführen. Dort würde ich weitere Informationen erhalten.
Ich fuhr zu unserer Pariser Dependance, da wartete ein nettes Zimmerchen auf mich und das H2-Gespann, wie einfallsreich. Erst einmal schlafen und dann was nettes essen und dann sehen wir weiter.
Nachdem ich ausgeschlafen hatte, übernahm ich offiziell den Hummer und den Kühlhänger. Der Hummer, ein großer H2 und ein flacher Kühlanhänger mit eingebauter Kühlmaschine und ohne Geschwindigkeitsbeschränkung. Da mußte ein tolles Fahrgestell drunter sein. Egal, in Frankreich ist man geschwindigkeitsmäßig eh limitiert und mit einem Hummer rast man auch nicht über die Routen, da gleitet man eher majestätisch dahin. Die Frage, was der Hänger geladen habe, sparte ich mir. Irgendwie hatte ich keine Lust auf dumme Antworten.
Vor den Augen des jetzt verdutzt drein blickenden Angestellten, brachte ich mein DNA-Siegel an. Ich zog mir einen dicken Popel aus der Nase, teilte ihn sorgfältig, je eine Hälfte dies- und jenseits des Türspaltes, dann ein Barthaar herausgezogen und in die Popelhälften gedrückt. Auf zum Montmatre, zum Place du Tertre gleich neben Sacré-Cœur, ins La Crémaillère. Zwei Duzend Austern, Coquilles St. Jacques a la provencale, einen leichten Muskat dazu, danach noch etwas Ziegenkäse, die Welt war in Ordnung.
Mein Siegel war noch da, sorgfältig beförderte ich es in ein kleines Tütchen. Konnte nun jederzeit prüfen lassen, ob in meiner Abwesenheit jemand am Hänger war. Erst mal vom Hof fahren, in der übernächsten Seitenstraße nahm ich mein kleines Notebook aus dem Köfferchen und brachte an beiden Außenspiegeln die beiden klitzekleinen Infrarocams an die den Raum hinter mir überwachten und das Erkennungsprogramm fütterten, wenn uns Fahrzeuge längere Zeit folgten. Über eine Adresse war dann sogar die Halterabfrage möglich und das europaweit. Die Sensoren meldeten, kein Sprengstoff, keine bekannten Drogen, das Auto jedenfalls war sauber.
Es war fast Mitternacht, wir fuhren auf den Périphérique, die Pariser Stadtautobahn und am Porte d'Italie auf die A6b, am Aéroport Orly vorbei und ab in den Süden. In ein paar Jahrzehnten, wenn dann Autofahren noch aktuell ist, würde man jetzt den Autopiloten einschalten, ich grinste vor mich hin. Nun war ich aber noch konventionell unterwegs. Mein persönliches Navi, das ich immer bei solchen Reisen bevorzuge, hatte bei der Abfahrt für die knapp 900 Km etwas mehr als 9 Stunden Fahrzeit vorausgesagt. Wie heißt das bei der Seefahrt immer so schön, beide Maschinen volle Kraft voraus, der Kurs liegt an Kurz hinter Lyon, eine weit gezogene Linkskurve, in der Mitte zwischen den Fahrbahnen dichtes Buschwerk. Wir sind bissel schneller, als die erlaubten 130 km/h, sind gerade am Überholen auf der linken Spur. Da steht plötzlich ein großer weißer PKW quer auf der Autobahn, genau auf meiner Spur. Das Gespann zum Stehen zu bringen, keine Chance. Dafür sind wir zu schnell und schon zu dicht dran. Nach rechts kann ich nicht, da ist der Kleintransporter. Ich bin voll auf der Bremse, der Hänger ist immer noch in der Spur. Der Kleintransporter ist auch auf der Bremse, wir sind immer noch gleichauf. Gleich wird es ganz fürchterlich knallen.
Da setzt der weiße PKW ganz langsam zurück, vor mir öffnet sich eine Lücke. Die Lücke wird größer, der Fahrer hat offenbar gesehen, wie zwei Fahrzeuge auf ihn zufliegen. Ich bin ran, wir haben immer noch gut 80 km/h drauf. Die Lücke zwischen Leitplanke und Stoßstange ist groß genug, wir pflutschen durch. Da waren nur ein paar Millimeter Luft. Der Kleintransporter ist hinten durchgekommen, wie es scheint, auch unbeschadet. Wir, beide Autos, fahren weiter, ich fühle mein Herz schlagen, muß das eben erlebte erst verarbeiten, komme langsam runter. Der wollte wenden auf der Autobahn, da war gerade eine Tankstelle gewesen. Dahin wollte der wieder zurück, anders konnte das gar nicht sein. Ich hatte mich wieder. Als es wieder hell wurde war ich schon weit hinter Lyon, durch das geöffnete Fenster konnte man die Mittelmeerregion schon fühlen. Aix-en-Provence, an Avignon vorbei, Vidauban, Le Muy, Sainte Maxime, dann runter von der Hauptstraße, in 1000 Meter haben sie ihr Ziel erreicht. Ich fahre schon die ganzeZeit an einer hohen Mauer vorbei, ein großes Tor, eine schöne Kunstschmiedearbeit, Ziel erreicht. Das Tor öffnet sich, das hat der Transponder bewirkt. Längst haben uns diverse Kameras, die ganz offen angebracht sind, erfaßt. Ich fahre in Schrittge-schwindigkeit. Von einem Seitenweg kommend, setzt sich ein kleines Jeep vor uns, ein „Follow me“ Schildleuchtet auf und wir biegen nach links ab. Rechts durch die Büsche sehe ich ein größeres Anwesen. So was hatten früher in der DDR einige Kombinate als Betriebsferienheim in Verwaltung der Einheitsgewerkschaft.
Wir hielten vor einer Art Wirtschaftsgebäude. Ein Mitarbeiter kam und gab mir einen Beleg, daß ich den Kühlanhänger unbeschädigt abgeliefert habe. Datum, Uhrzeit, Stempel und Unterschrift, oha, sicher alles in deutscher oder schweizer Verwaltung. Den Hummer durfte ich in eine Art Garage, die in den Fels getrieben war, fahren. Mir wurde mein Zimmer gezeigt, in einer Art Betriebskantine gab es verschiedene Pasta, verschiedene Saucen, gegrilltes Fleisch, ein üppiges Salatbuffet. Ich solle mich erst einmal ausruhen, vielleicht etwas schlafen. Links am Haus runter geht es zum Strand, wenn ich vorher noch baden möchte. 18 Uhr würde man mich zu einem Gespräch von meinem Zimmer abholen.
Na klar, ich ging erst einmal das Mittelmeer begrüßen, das ist ein altes Ritual, das ich übrigens auch mit der Ostsee pflege und mit dem Atlantik. Mitder Nordsee nicht, die ist meistens nicht da, wenn ich gerade da bin. Mit Verlaub, die Brühe war viel zu warm, als daß sie erfrischen konnte. Trotzdem war es gut für die Seele im Wasser gewesen zu sein, ein Gefühl der Entspannung. Mit dem Salz auf der Haut legte ich mich schlafen. Mein Notebook war jetzt eine Art Raumüberwachung, gab mir die nötige Ruhe, unbeschwert und tief zu schlafen.
17:30 Uhr mein Notebook weckte mich mit meiner Lieblingsmusik, eine kurze Dusche, neue Klamotten und schon klopfte es, pünktlich 18 Uhr. Eine umwerfend gut aussehende Mitarbeiterin holte mich ab und mit einem Golfmobil fuhren wir nun kreuz und quer durch den riesigen Park. Ich habe einen ausgeprägten Orientierungssinn und mir wurde bald klar, hier werde ich gerade vereimert, das ist nie und nimmer der kürzeste Weg von A nach B. Das Mädel sagt kein Wort und ich sagte auch nichts, grinste sie nur von Zeit zu Zeit etwas unbedarft an. Immerhin erwiederte sie jedesmal mein Grinsen mit einem netten Lächeln. Irgendwann reichte es offensichtlich, wir bogen in einen Weg ein, den wir bis dato noch nicht genutzt hatten und hielten vor einer Art Pavillon. Da stand auch ein Golfmobil davor, offenbar das hier übliche Beförderungsmittel. Im Pavillon saß ein Mensch, der nun aufstand und mich überschwenglich begrüßte, wie einen alten Schulkammeraden. Nee, mir fiel nichts ein, ich kannte den Menschen nicht. Um es kurz zu machen, man würde hier in den nächsten Tagen ein größeres Fest feiern und ich hätte ganz wichtige und unverzichtbare Delikatessen von Paris mitgebracht, dafür ganz herzlichen Dank.
Nun würde man mich noch bitten ein paar Tage hier zu Gast zu sein und man würde mich sehr bitten, für das Fest die pochierten Eier zu übernehmen. Meine Methode, die herzustellen, habe sich unter den Freunden der pochierten Eier längst herum-gesprochen und man sei sich einig, keiner würde bessere Eier verlieren, er grinste mich an. Also so 150 Eier sollten es schon sein oder ein paar mehr. Und die Oliven sollte ich einlegen und vielleicht ein paar Fetakäse-Cremes machen und einen ordentlichen Taramas. Ja, er würde mich nun gern mit der Küchenchef bekannt machen, damit ich mit ihm alles notwendige besprechen könne.
Gut, ich hatte in den nächsten Tagen eh nichts besseres vor und sich in erlauchter Runde etwas zu profilieren, das kann echt nicht schaden, ich stimmte dem Vorschlag zu. Wir bestiegen das Golfmobil, fuhren wieder durch den Park, diesmal sehr zielgerichtet. In einem, durch dichtes Gebüsch vom Hauptkomplex abgetrennten Gebäude trafen wir den Küchenchef, einen Chinesen, so wie der aussah. Ja und dann machten wir die Liste der Dinge, die noch einzukaufen waren, zusätzlich zu den vielen Dingen, die sowieso im Lager waren oder täglich frisch angeliefert wurden.
Die Maschine landete an frühen Morgen. Es war sehr früh und es mußte nahe am Äquator sein. Als ich aus der Luke trat schlug mir das Wetter voll entgegen. Blitzartig hatte ich Schweiß auf der Haut, eine feuchte Schwüle schlug mir auf die Glocke.
Man erwartete mich, eine große schwarze Limousine, klimatisiert, ein Chauffeur in Livree riß der Wagenschlag auf. Wir fuhren durch die Stadt, am anderen Ende wieder raus. Vorort, ein Industrie-gelände. Der Fahrer bretterte auf einen Zaun zu, eine Einfahrt, das Tor verschwand blitzartig im Boden. Monsungegend, der Eingang war großflächig über-dacht.
Das Gebäude war nur zweistöckig, schon bei der Einfahrt war mir die ungewöhnliche Form aufgefallen, supermodern. Die beste Lösung, man hatte das Gebäude um die Technologie herum gebaut, das war sofort zu sehen. Für einen Architekten immer eine Herausforderung, wenn dann noch eine passable Gesamtlösung entstehen soll. Auf der flachen Halle gab es noch eine kleine erste Etage, fast turmartig. An den Armaturen und der Installation konnte ich erkennen, große Kühlmaschinen waren da und ganz offensichtlich auch eine Küche, dann auch einen Aufenthaltsraum mit Dachterrasse. Klar und dann die üblichen Büroräume, was man halt so hat, mindestens Buchhaltung, Disposition, Geschäftsleitung. Ich hatte die Aufgabe den Laden auseinander zu nehmen. Die Umsätze kamen nicht mehr so, wie die Eigentümer sich das vorstellten. Kein Mensch hatte einen blassen Schimmer, woran das liegen könnte. Die Quartalsberichte der Geschäftsleitung waren durchweg optimistisch, allein die Ergebnisse spiegelten das nicht wider. Meine Aufgabe war nun genau das herauszufinden, was hier nicht stimmte
Nun hatte ich so meine Methode, ich kannte den Laden nicht, kannte die Leute nicht, wußte nicht einmal, was da eigentlich produziert wurde. In nur zwei Tagen wollte ich hinter die Problematik kommen. Die Verantwortlichen zur Selbsterkenntnis bringen. Ja wen eigentlich, die Geschäftsleitung, die Eigentümer in Form des Verwaltungsrates – wer hatte indem Laden eigentlich das Sagen? Wer machte hier die Musik? Wer war schlußendlich verantwortlich und wofür und warum?
Man hatte einen Imbiss vorbereitet. Mir knurrte der Magen, trotzdem fragte ich mit mürrischem Gesichtsausdruck, was wohl heute zu feiern gibt. Mir wurde bedeutet, das sei extra für mich arrangiert worden, ich müsse doch Hunger haben, nach dem langen Flug, sie waren furchtbar nett. Ich betont mürrisch, nuschelnd, zum Arbeiten sei ich doch hierher beordert worden, oder. Ich zog aus dem Arrangement von ganz unten ein Kanapee heraus und fragte bewußt unwirsch, wo ich denn nun endlich die Geschäftsleitung finden würde. Man könne mir eine kleine Auswahl hinterherbringen und den Rest an die Belegschaft verteilen und wo nun endlich die Geschäftsleitung zu finden sei, wiederholte ich mich, immer mürrischer werdend.
Aus der Meute der umherstehenden löste sich ein jüngerer Mensch, der sich, als ich den Raum betreten hatte, schon einmal mit einigen Schritten auf mich zu bewegt und den ich durch mein barsches Gebaren und sonst auch total ignoriert hatte. Er sei hier der Geschäftsführer, stellte er sich vor und er murmelte den Namen, den ich von meinen Unterlagen her kannte. Ich wies ihn an in sein Büro zu gehen und da auf mich zu warten, ich würde gleich nachkommen. Der Herr Geschäftführer trollte sich und hatte in dem Moment schon einmal voll verloren.
In seinem Vorzimmer machte ich es mir am Schreibtisch seiner Sekretärin gemütlich. Ich erzählte von meinem Flug, daß ich kurzfristig hierher beordert wurde. Wollte wissen, wo meine Unterkunft sei, wie sie beschaffen sei, was es Interessantes in der Gegend anzusehen gäbe. Das Mädel, das mich anfangs auch mit angstvollen Augen anstarrte, taute zunehmend auf. Innerhalb kürzester Zeit schwätzten wir wie alte Vertraute, ich hatte eine Verbündete gewonnen. Nach einer knappen halben Stunde verdehte ich die Augen, bewegte den Kopf in Richtung Chefzimmer, ich müsse jetzt da mal rein, schließlich wolle ich ja nicht, daß jemand auf mich warten müsse. Wir grinsten uns an, wie Bruder und Schwester.
Endlich ging es los, das Holzhaus wurde in Angriff genommen. Dafür hatten wir schon vor Jahren ein schönes großes Gelände gekauft. Etwa fünftausend Quadratmeter, an einem kleinen Wäldchen und aus der geplanten zweiten Etage, sogar mit Blick auf's Meer, auf die Flußmündung, wo es hinunter zum Hafen geht. Wo die Schlepper und Lotsen herauskommen um die großen Schiffe in Empfang zu nehmen. Inzwischen hatten wir das Gelände erschlie-ßen lassen. Gekauft hatten wir es „wie gesehen“, also ohne Ansprüche, falls Probleme mit Altlasten o.ä. auftreten sollten.
Auf den Gelände lagen Bäume. Ja richtig, normalerweise stehen Bäume. Bei uns auf dem Gelände, etwas abseits, lagen aber genau 16 dicke Baumstämme, zu etwa 4 Zentimeter dicken Bohlen aufgeschnittene Baumstämme, so wie sie zusammen gehörten, immer fein mit Zwischenlage und auf Betonschwellen, ganz penibel und fachmännisch ausgerichtet.
Der Vorbesitzer hatte das Gelände auch schon mit den Baumstämmen erworben, konnte damit auch erst mal nichts anfangen und so gingen sie einfach mit in unseren Besitz über. Ich hatte mir eine offene flache Lagerhalle aus Holz bauen lassen mit einem Kleinen Gebäude dran. Da wollte ich mir eine kleine Zimmermanns-Werkstatt einrichten einrichten, wenn ich mal Rentner bin. Nur so zum Spaß, um etwas zu tun zu haben. Das war immer schon mein Traum, Holz ist mein Werkstoff. Die Lagerhalle stand, darin Lagerböcke aus Beton gegossen, davor mein, zukünftige Holzwerkstatt. Eine Firma karrte mit einem Tieflader einen geländegängigen Gabelstapler heran und man begann die Baumstammstapel umzusetzen. Das Gelände etwas wellig, das Gras hoch gewachsen, alles etwas verwildert, aber ein Elefant hätte sich trotzdem noch nicht verstecken können. Das Umsetzen ging flott von statten, das Lager füllte sich.
Nächster Stapel, anheben und nicht der Stapel hob sich an, der große Stapler ging mit den Hinterrädern in die Luft. Was war das? Hatte man den Stapel einbetoniert? - festgeschraubt? Der Fahrer kam aus seiner Kabine, ging zum Stapel, wollte das obere Brett anheben – keine Chance. Wieso war das Holz so schwer?
An solchen Stellen, wo wir früher gelernt hatten, Probleme zu lösen, ruft man heutzutage seinen Chef an, bei kleinen Firmen den Eigentümer. Es wurde also erst mal palavert, dann wurden die anderen Stapel umgesetzt, problemlos.
Inzwischen kam dann auch der Chef. Der konnte das oberste Brett aber auch nicht anheben und auch der Stapler kam bei ihm hinten hoch. Er versuchte mit den Gabeln zwischen den Stapel zu kommen, das war aber für diese Gabeln zu eng. Immerhin hatte man die Oberfläche beschädigt und als man sich das nun betrachtete, sah man – Kupfer. Das war kein Baum, das war ein Stapel dicker Kupferplatten. Der lag einfach so zwischen den Baumstämmen, sicher schon einige Jahrzehnte. Rein rechtlich war alles klar, „gekauft wie gesehen“ das Kupfer lag auf dem Gelände, nicht darin und das seit ewiger Zeit, dafür gab es auch noch Zeugen. Kein Zweifel, das Kupfer gehörte uns, wir hatten es erworben.
Grob überschlagen, fast 3 Kubikmeter hochreines Kupfer, in 18 Platten macht knapp 25 Tonnen und bei nur mal 6.000 Euro für die Tonne Kupfer, lag da ein Schätzchen von rund 140.000,- Euro vor mir. Damit konnte ich meine Holzwerkstatt locker finanzieren und ein paar Maschinen waren auch noch drin.
Leider, alle anderen Stapel waren wirklich Holz, meist Buche, aber auch Eiche und Ulme - auch Schätzchen und wie.
Ingelore rief an, eine von meinen vielen Bekannten. Wir hatten uns lange Zeit weder gesehen noch gesprochen. Das übliche Begrüßungsritual am Telefon, so als wären wir gestern Abend miteinander aus gewesen. Unvermittelt kommt sie zum Grund ihres Anrufes.
Ingelore hatte Post von einem Anwaltsbüro bekommen, das Schreiben eigentlich mit der anderen bescheuerten Werbung aus dem Westen schon ins Körbchen gefeuert. Dann hat sie das Schreiben aber doch aus einem Grund, den sie nicht definieren konnte, wieder herausgekramt, noch paar mal gelesen und bei der Kanzlei zur Verifizierung zurück gerufen. Sie war nun von der Seriosität überzeugt.
Folgender Sachverhalt. Verschiedene in der Region Hannover ansässige Rechtanwaltsbüros, die sich mit Erbschaftsangelegenheiten befassen, veranstalten auf einer Residenz irgendwo in Brandenburg an einem Wochenende ein Seminar. Ingelore ist dazu eingeladen. Individuelle Anreise, sonst garantiert keine weiteren Kosten, für gute Verpflegung und Unterhaltung ist gesorgt. Eine Begleitperson ist selbstverständlich, möglichst viele Familienpapiere mitbringen, Geburts-, Heirats- Sterbeurkunden, Familienbücher …
Ingelore wollte nun, daß ich sie begleite, sie würde sich mit mir viel sicherer fühlen. Mein Terminkalender hatte an dem Wochenende noch keinen Eintrag. Ja warum nicht, vielleicht ganz interessant so eine Veranstaltung, beschloß ich für mich. Ich stimmte zu, unter der Bedingung, daß ich sie mit dem Trabbi abhole und wir mit dem Plastebomber zur Veranstaltung reiten.
Sie machte nicht einmal den Versuch mich davon abzubringen, ihr Gesicht konnte ich mir aber gut vorstellen, in Anbetracht des Fuhrparkes, der uns zur Verfügung stand. Die genaue Adresse hatte sie noch nicht, würde sie bekommen, wenn sie ihre Teilnahme bestätigt.
Als Karl die Tage bei mir aufkreuzte, schrieb er beiläufig eine Koordinate auf einen Zettel und meine breit grinsend, das wäre da wo ich mit Ingelore … und 9 Uhr bei Ingelore, das wäre doch eine gute Zeit, um vormittags da einzutreffen. Ich grinste zurück und es hätte mich arg gewundert, wenn Karl einmal etwas nicht gewußt hätte.
Google Maps zeigte mir unter der Koordinate ein Wasserschlößchen, Park und Fischteiche drum herum, ein kleines Hotel, eine kleine Brauerei. Der Ausflug scheint interessant zu werden.
An dem Samstag ist wunderschönes Wetter, Ingelore faltet sich in den Trabant. Sie sagt nichts, ihr Gesicht spricht Bände. Die Musikanlage, wie einige andere Dinge auch, gehört nicht zur Standardausrüstung eines Trabbi, Ingelore ist zunehmend versöhnt, der USB-Stic gibt einiges her. Die Reise dauert nicht lang, fast nur Autobahn. Wir kommen am Wasserschloß an, auf dem Parkplatz dicke, fette Karossen, Sterne, Ringe, Rauten, Pferde, Winkel … nur einer in kakelschietgrün mit dem Sachsenring „S“. Die Aufmerksamkeit wird mit uns sein.
Eine junge Frau begrüßt uns, erstes Treffen 15 Uhr im Park. Das Gepäck wird auf die Zimmer gebracht, wir gehen ins Restaurant, wollen schauen, wer da noch alles gekommen ist – eine Art Milieustudie betreiben. Es ist nicht sehr ergiebig, nur wenige Plätze sind verstreut besetzt. Nur an einem abgelegenen Tisch mehrere Herren bei guter Laune, sicher die Veranstalter. Sie haben ihren Platz gut gewählt. Um etwas mitzubekommen, müßte man sich in die Nähe setzen, das wäre doch sehr auffällig. Nach einem Wasser gehen wir auf unsere Zimmer, sie liegen in der ersten Etage, nebeneinander.
15 Uhr im Park, ein Zelt ist aufgebaut. Fünf Herren, Rechtanwälte und Notare stellen sich vor und begrüßen die knapp 30 Anwesenden. Man habe einige hochkarätige aber bisher ungeklärte Erbschaftsangelegenheiten und möchte sich in zwangloser Atmosphäre und Umgebung von möglichen Erbschaftskandidaten in aller Ruhe ein Bild machen. Ich mache es kurz. Wir verbrachten einen schönen Nachmittag und einen interessanten Abend. Eine Catering-Firma tischte auf, etwas Musikuntermalung, abends Fackeln im Park wir lernten einige Leute kennen, eine nette Party. Am nächsten Tag Einzel-gespräche, ein Rechtsanwalt studierte die Papiere, die Ingelore mitgebracht hatte. Und Ingelore lernte eine Halbschwester kennen, von deren Existenz sie bislang keine Ahnung hatte, eine reizende Person.
Ingelore wurde davon in Kenntnis gesetzt, sie und ihre Halbschwester kamen für eine größere Erbschaft infrage, hervorragend gelegener und vermieteter Immobilienbesitz, ein gut angelegter zweistelliger Millionenbetrag und Anteile an einem produzierenden Unternehmen, das in den letzten Jahren immer eine gute Rendite abwirft. Die Umstände wurden erläutert.
Auf der Rückfahrt war Ingelore sehr schweigsam, sie hatte Mühe die Informationen zu verdauen. Ich setzte sie ab und sie wollte Fotoalben studieren. Seitdem haben wir uns noch nicht wieder gesehen oder gesprochen, es ist nun schon eine Weile her.
Texte: Peter Morgenroth
Bildmaterialien: Peter Morgenroth
Tag der Veröffentlichung: 12.10.2013
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