in blätterbarer Volldarstellung
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Ja unsere Interflug, die war schon eine Klasse für sich. Jahrelang gab es da zum Essen einen Würfel, der mit Tomatensoße überdeckt war. Es war eine klitzekleine Bulette, ein mini Fleischpflanzerl auf bayrisch. Ob man mit diesem Würfel etwas zum Ausdruck bringen wollte oder ob nur niemanden etwas besseres eingefallen war, ich bin nie dahinter gekommen. Wie diese Buletten geschmeckt haben, habe ich auch nie herausbekommen, es war alles von Tomatengeschmack überlagert.
Und dann war das Essen vorbei, das Geschirr und die Reste wurden eingesammelt. Auf dem Tablett war auch immer eine Kaffeetasse. Die wurde auch immer gleich wieder mit eingesammelt. Wenn dann die Stewardessen durch waren, dann dauerte es nicht lang und eine freundliche Stewardess kam mit einer Kanne Kaffee und …
Nun hatte kaum noch jemand eine Kaffeetasse und extra Kaffeetassen gab es nicht und die eingesammelten waren in einem Container mit dem schmutzigen Geschirr, da kam man auch nicht mehr ran. Kaffee war in der deutschen demokratischen teuer und selten und diese Verfahrensweise konnte ich regelmäßig beobachten, also kein Zufall.
Ich habe dann immer meine Tasse gleich neben mir in den Sitz geklemmt und konnte sie der Stewardess stolz entgegenstrecken, wenn sie kam. Alle, die um mich herum saßen, hatten ihre Tassen auch noch und bekamen auch ihren Kaffee. Sie haben mich aber trotzdem immer wieder mitgenommen.
Schönefeld, der alte Feldflugplatz - Check-In bei Interflug. Ich hatte mir einen riesig großen Schrankkoffer gekauft. So ein Teil hatte ich vorher nur in Filmen gesehen und dann gab es den bei uns auf dem Markt im Koffergeschäft. Die Verkäuferinnen wußten auch nix. So was hatten sie bislang auch noch nie reinbekommen und ob so was mal wieder kommt, sei sehr ungewiß. Also einer von den Koffern war meiner. Die klassische Kofferbauweise, dicke braune Pappe mit gelben Holzspanten, an den Ecken verchromte Beschläge, drei Schlösser. Eigentlich etwas für eine Titanic.
So standen wir beide nun vor dem Schalter, ich und mein 20 Kg schweres Ungetüm. Ich war dran, Den Koffer bitte auf das Band. Wirklich? JaaAAaaa – sie schaute nicht mal hoch. Er pflutschte irgendwie rein ... und steckte fest. Das Band lief leer darunter durch. Sie hatte wohl etwas gehört, ihre Anzeige der Waage zeigte aber nichts an, gar nichts mehr. Nicht einmal eine Null, wie sie mir mitteilte.
Nun wurden Kollegen gerufen. Alle zerrten an meinem Koffer herum, er bewegte sich nicht. Fest, wie eingepaßt für die Ewigkeit. Man rief jetzt nach Technikern. Die Menschenschlange hinter mir wurde an einen anderen Schalter umgeleitet, die Anlage war irgendwie hin. Ich bekam meine Bordkarte, durfte in den Transitbereich. Was nun mit meinem Koffer wird, wollte ich wissen. Wenn der Techniker kommt, nehmen wir die Verkleidung ab. Wir sehen zu, daß er noch mitkommt.
Er war mitgekommen, er wurde sogar extra mit einem Sackkarren herausgefahren, während ich erwar-tungsvoll da stand und das Gepäckband beäugte. Der nächste Akt war dann das Ding im Auto zu verstauen. Es war die einzige Reise, die wir miteinander gemacht haben. Er war mir zu schwer, es war die Zeit, als Koffer noch kein Fahrgestell hatten. Ich habe ihn dann auf den Dachboden bugsiert und Dinge, die ich eigentlich gleich hätte wegschmeißen sollen, darin verstaut.
Die Regierung der deutschen demokratischen hatte natürlich auch ihre Flugbereitschaft. So ein Flugbereitschaftspilot braucht für seine Lizenz eine gewisse Anzahl Flugstunden und nicht jeder Regierungschef ist so viel unterwegs wie Mutti. So war es ein offenes Geheimnis, daß diese Piloten gern bei der Interflug zur Aushilfe eingesetzt wurden.
So einer muß das auf meinem Flug nach Ungarn gewesen sein oder es war ein Piloten-Lehrling. Wir fliegen ab Berlin Schönefeld mit einer Tupolew, einer Tu-134. Das ist ein schönes, schlankes Flugzeug, ein Gang, rechts und links nur je 2 Sitze, schon einige Jahre im Einsatz. Es ist alles wie immer, der rote Tomatenklops ist wieder dabei, Kaffeetasse verstecken, es gibt sogar Kaffee ...
Wir fliegen gleichmäßig, keine Löcher, alles prima, gute Sicht, der Pilot ist gut drauf, erklärt viel von dem, was unten zu sehen ist. Dann sind wir schon fast über Budapest, da neigt der Pilot das Flugzeug nach vorn und schießt vehement nach unten. Wir schlucken wie blöd. Wer hat, kramt Bonbons hervor. Es hilft nichts, der starke Druck auf das Trommelfell läßt sich nur noch mit Nase zuhalten und Luft gegendrücken, ertragen.
Hat der Kerl den Flugplatz verpaßt? Es ist kein Kabinenpersonal zu sehen, wahrscheinlich klammern die sich vorn auf ihre Sitze. Unruhe macht sich breit. Und dann knallt die Maschine auf die Piste, sehr unsanft. Die Gepäckschalen springen segmentweise aus den Halterungen und schwingen haarscharf über die Köpfe, knallen gegen die Seitenwände.
Alle sitzen noch da, wie vom Donner gerührt. Die Schubumkehr jault, da steigt der Pilot auch noch voll in die Eisen und biegt auf den nächsten Taxiway ein, auf zwei Rädern, so ist das Gefühl. Und schon sind wir an unserem Gate angekommen, ein FollowMe hätte gar keine Chance gehabt. Nochmal auf die Klötzer, die Maschine wippt, wir stehen, die Turbinen drehen runter. Angst? Nee, Angst hatte hier sicher niemand, dazu war gar keine Zeit.
Ich war 3 Wochen in Bulgarien gewesen, im internationalen Jugendlager in Primorsko. Nun sollte es wieder zurück gehen, abends so gegen 20 Uhr ab Flughafen Burgas. Für bulgarische Verhältnisse suuuperpünktlich raste unser Bus los in Richtung Burgas. Das Gaspedal und die Hupe sind die beiden wichtigsten Teile an einem Bus in Bulgarien und damit kamen wir auch prima an, einchecken. Das Flugzeug ist kaputt. Wie kaputt? Na so kaputt, daß es nicht starten kann.
Und nun? Sie sind dabei es zu reparieren. Nach einer Stunde hieß es, für die IL-18 werde ein Ersatzteil benötigt. Sie sind los nach Varna, gut 100 Km eine Strecke, dann noch eine halbe Stunde das Teil einbauen, gegen Mitternacht geht es los. Architekten können sich nicht vorstellen, daß Menschen auf Flugplätzen schlafen müssen – wollen - können. Dementsprechend sind die Sitzmöbel, in Burgas damals auch. Wir machten es uns also gemütlich.
Mitternacht, sie bekommen es nicht gebacken. Das Teil paßt nicht oder sie haben keinen Durchblick oder weiß der Geier – Ratlosigkeit. Eine halbe Stunde nach Mitternacht die erlösende Nachricht. Sie haben eine Maschine losgeschickt um uns abzuholen. Der Vogel ist schon in der Luft und gegen 3 Uhr da. Nachdem das Freudengeheul abgeklungen ist, entern wir wieder die ergometrischen Monster. Halb 3 Uhr ist einchecken, im Transitraum ist die Tür offen, eine samtweiche Nacht, wie üblich da unten im Sommer.
Und da kommt sie, ein großer weißer Vogel mit Interflugbemalung, eine IL-62. Es war eine niegel-nagelneue Maschine, die sie uns da geschickt hatten, gerade erst in Dienst gestellt. Wir waren so etwa 70 Passagiere und da waren mehr als doppelt so viele Plätze. Kein Wunder daß der deutsche demokratische Sozialismus Pleite gegangen ist. Wir fühlten uns aber gut, man hatte uns nicht in Stich gelassen.
Eingecheckt, ich stehe im Transitraum am Fenster, schaue zum Flugzeug mit dem ich vermutlich gleich fliegen werde. Am Flugzeug wird Gepäck verladen. Irgend ein Generator ist angeschlossen. Unter dem Flugzeug läuft jemand herum und schaut sich verschiedene Teile an. So langsam ist die Abflugzeit herangekommen, wir scheinen auch komplett zu sein, es kommt jedenfalls niemand mehr durch die Tür.
Am Flugzeug ist man inzwischen auch fertig, die Luken sind geschlossen, eine Gangway wartet darauf, daß jemand hochsteigt. Kling klong, wir werden aufgefordert, uns am Ausgang einzufinden. Man will gerade beginnen, die Bordkarten zu kontrollieren, da kommt eine Durchsage, der Flug bimbambum nach Amsterdam werde sich um unbestimmte Zeit verschieben. Man fordert uns auf, nochmal Platz zu nehmen. Ich trete wieder vor die Scheibe, sehe zum Flugzeug, ob jetzt die Handwerker kommen? Nee, mit dem Flugzeug passiert nichts, das scheint abflugbereit. Vielleicht ist dem Piloten schlecht geworden? Da passiert aber auch nichts, keine Bewegung. Die Besatzung scheint an Bord zu sein und auf uns zu warten.
So eine knappe halbe Stunde später fährt eine schwarze Tatra-Limousine vor die Gangway und ein einzelner Herr steigt hinauf. Die Limousine fährt ab und fast im gleichen Moment werden wir wieder aufgerufen. Nun geht alles sehr schnell. Der Herr im schwarzen Anzug, der mit dem schwarzen Auto kam, sitzt gleich ganz vorn und hat eine Zeitung vor dem Kopf.
Auf die Piste, hoch und ab nach Amsterdam. Wir sind kurz vor Schiphol, schweben ein. Es rumpelt, das Fahrwerk ist ausgefahren. Da jaulen plötzlich die Turbinen wieder auf, die Flugzeugnase hebt sich, wir starten durch, das Flugzeug gewinnt wieder Höhe, neigt sich nach rechts. Durch die Wolken sieht man, unter uns ist Meer. Offenbar fliegen wir einen großen Kreis und wieder neu an.
Am Klang der Triebwerke ist zu hören, wir schweben erneut ein. Das Fahrwerk rumpelt wieder raus. Alle haben die Ohren hochgestellt, lauschen. Da brüllen die Turbinen wieder los, wir starten durch. Vom Kabinenpersonal ist, wie üblich in solchen Situationen, niemand zu sehen. Was ist los? Geht das Fahrwerk nicht raus?
Wir drehen wieder die große Runde, fliegen über das Ijsselmeer und neu auf Schiphol an. ich mache mir so meine Gedanken. Schiphol ist ein richtig großer Flugplatz, dagegen ist Schönefeld wahrlich ein Feldflughafen. Da gibt es einen festen Takt. Wenn nun die Interflug den Takt nicht einhält und irgendwann angeschnorchelt kommt … alles durcheinander bringt. Ich wäre dann sauer. Vielleicht lassen uns die Holländer einfach so lange oben, bis der Sprit alle ist. Das kostet ja richtig Geld, na und Strafe muß sein.
Diesmal klappt es, einschweben, Fahrwerk raus, sanft aufsetzen, unser Gate. Die mit der Maschine nach Berlin wollen, warten schon ungeduldig, man kennt sich. Hey, ihr kommt aber spät. Ja, erst mußten wir auf eine bedeutsame Persönlichkeit warten und dann sind wir nicht runtergekommen, keine Ahnung warum. Hier war eben gerade ein kleiner Schneesturm. Es kam urplötzlich ganz schwarz hoch und hat dann gut 10 Minuten kräftig geschüttet, Schnee, Regen und Graupel - Weltuntergang.
Ah ja, so hat alles wieder mal eine ganz natürliche Erklärung.
Zum ersten mal nach Amsterdam. Es ist Mittag, wir heben ab und fliegen und fliegen und die Sonne scheint durch die rechten Kabinenfenster. Wir fliegen nach Osten. Amsterdam-Schiphol liegt von Berlin aus im Westen, das ist einfach so. Nun hatte ich schon mal was von Luftkorridoren gehört, gleich werden wir wenden.
Nein, wir wenden nicht, wir fliegen straff nach Osten. Langsam beginne ich mir Sorgen zu machen, bin ich in das falsche Flugzeug eingestiegen? Da war doch aber gerade nur ein Abflug. Als die Stewardess wieder vorbei kommt, frage ich. Ist das wirklich das Flugzeug nach Amsterdam? Ja. Ähm, aber Amsterdam liegt doch, ich deute mit dem Daumen hinter mich.
Lächelnd erklärt sie mir, es geht jetzt bis an die Oder, dann die Oder runter bis zum Oderhaff, dort die Ostseeküste lang nach Westen, oberhalb Flensburg über Dänemark, rüber zur Nordsee und von da schräg runter nach Amsterdam. Klar, direkt wäre viel kürzer. Das geht aber nicht die BRD verweigert der Interflug die Überfluggenehmigung. So was verkraftet nur der „Sozialismus“.
Ja stimmt, bei der Sicherheitseinweisung vorhin, wurde mit Schwimmweste und Schlauchboot hantiert. Ich hatte gedacht, das habe etwas mit den Holländern zu tun, da gibt es ja nun bannig viel Wasser. Ich bin dann noch öfters mit der Interflug nach und von Amsterdam geflogen. Es waren immer sehr schöne Flüge, weil es bei guter Sicht immer viel zu sehen gab. An Google Maps war damals noch nicht zu denken und einen ordentlichen Fotoapparat hatte ich auch noch nicht, leider.
Die Webseite zur DDR-Fluggesellschaft .INTERFLUG und zum Luftverkehr in der DDR!
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Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG
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Die war die staatliche Fluggesellschaft der DDR und fungierte zudem als Dachorganisation für alle anderen kommerziellen Luftfahrtaktivitäten des Landes (Agrarflug, Flugsicherung, Flughafenbetrieb). Das 1958 gegründete Unternehmen wurde 1991 aufgelöst.
http://de.wikipedia.org/wiki/Interflug
Texte: Peter Morgenroth
Bildmaterialien: Peter Morgenroth
Tag der Veröffentlichung: 22.02.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
erst veröffentlicht am: 22.02.2013
auf e-pub umgestellt: 26.03.2013