1.
Max Hartkerbe liebte diesen Weg zum alten Friedhof. Schon oft war er ihn gegangen, und immer allein. Er kannte jeden einzelnen Busch, jeden einsamen Baum.
Er wählte jedes Mal eine frühe Stunde, damit er sicher sein konnte, niemandem zu begegnen. Doch heute hatte er das Gefühl, dass er nicht als Einziger den Friedhof aufsuchen würde.
Eine innere Stimme raunte Max zu: Sie wird da sein, sie wird dich erwarten! Er wusste, dass er an diesem frühen Morgen für einen kurzen Augenblick von seiner Einsamkeit erlöst sein würde. Und diesem Moment fieberte er entgegen.
2.
Wie jeden ersten Sonntagmorgen im Monat suchte Elke Koslowski den alten Friedhof auf, um das Grab ihres viel zu früh verstorbenen Lieblingsonkels Berthold zu pflegen. Vor der Grabstätte verharrte sie andächtig eine Minute in stillem Gedenken an ihren Oheim, bevor sie mit dem Blumengießen begann
Sein Gefühl hatte Max nicht betrogen. Sie war da, und sie hatte rote Haare.
Ihrem Onkel zuliebe trug Elke ihre hautenge, violette Gymnastikhose, in die er immer so vernarrt gewesen war. Mit einer kleinen, knallgelben Kunststoff-Gießkanne befeuchtete sie liebevoll das Blumengesteck, das sie an seinem Todestag von ihrem Ersparten gekauft hatte.
Tief beugte sie sich nach vorn, um die verwelkten Blüten des Gestecks zu entfernen und die Blätter des Immergrüns in die richtige Position zu zupfen.
Bei diesem Anblick begann Max Hartkerbes Herz zu rasen. Er biss sich auf die Zunge, um sich nicht durch einen unkontrollierten Laut der Vorfreude vorzeitig zu verraten.
Dann zückte er sein Messer und näherte sich behutsam der rothaarigen Schönen, die immer noch ahnungslos das Grünzeug ordnete.
Als Elke Koslowski sich besonders tief bückte, schnellte Max vor – und stach beherzt zu. Im Rücken tödlich getroffen, stürzte Elke auf die steinerne Grabumrandung. Ihr Körper bäumte sich noch ein letzte Mal stöhnend auf – und hauchte dann seine Seele aus.
Max wartete geduldig ab, bis die Beine der Rothaarigen nicht mehr zuckten und ihr Blick starr wurde, um dann mit viel Mühe das ungewöhnlich fest steckende Messer aus dem leblosen Körper zu ziehen.
Nachdem er das Messer notdürftig an Elke Koslowskis silbergrauer Softshell-Weste gesäubert hatte, schaute er noch einmal in ihr liebliches Gesicht. Ein tiefes Glücksgefühl überkam ihn.
Als Max die letzte Ruhestätte von Elkes Onkel verließ und er von einer minutenlangen, vollkommenen Zufriedenheit erfüllt wurde, belohnte er sich, wie immer, mit einem Schokoriegel.
Während er die geballte Sinnesfreude genoss, fiel sein Blick auf eine bislang unentdeckt gebliebene junge Dame. Ein tiefes, aufrichtiges Bedauern befiel ihn, denn die Lady war aus Stein.
3.
Doris Nahtkemper nutzte das strahlend schöne Wetter und machte mit ihrem Dackel Grobian einen Spaziergang. Um möglichst wenigen Menschen zu begegnen und andere Hunde nicht unnötig zu gefährden, hatte sie sich für den Weg zum alten, verlassenen Steinbruchgelände entschiedenen. In ihrer Jugend hatte sie sich hier oft und gern mit verschiedenen Nachbarjungen herumgetrieben.
Da sie die Fähigkeit ihres Hundes kannte, Wildschweine auf einen Kilometer Entfernung zu wittern, hielt sie Grobian sicherheitshalber an der Leine. Mit klopfendem Herzen folgte Doris dem lange nicht betretenen Pfad ihrer verlorenen Unschuld.
Dass sie dabei beobachtet wurde, bemerkte sie angesichts ihrer nostalgischen Versunkenheit nicht. Und auch Grobian war unaufmerksam, hatte er doch nur eines im Sinn: Wildschweine jagen.
Von angenehmen Gedanken umnebelt, überquerte Doris Nahtkemper den großen Schotterplatz, um zu dem Felsen zu gelangen, wo es damals geschehen war. Die Mittagssonne machte Grobian schwer zu schaffen, doch noch hatte er genug Luft für eine ordentliche Hetzjagd.
Hoch über dem Felsen, nicht weit von der Stelle entfernt, wo Doris sich vor vielen Jahren dem dicken Sohn des Metzgermeisters Hülswede hingegeben hatte, wartete Max Hartkerbe bereits ungeduldigen Herzens auf die günstige Gelegenheit, sich vorstellen zu dürfen.
Geschickt, wie seiner Zeit Luis Trenker, kletterte er den steilen Felsen herab, immer schön in Deckung bleibend. Grobian und Doris bemerkten nichts.
Dann war Max plötzlich hinter ihr, packte sie mit seiner starken linken Hand am Kinn, bog ihren Kopf zurück und hob die Rechte mit dem frisch geschliffenen Schlachtermesser.
Das wütende Bellen Grobians sowie die verzweifelten Schreie der Überfallenen konnten ihn von seinem Vorhaben nicht abbringen. Mit Wonne und von wohligen Glucksern begleitet führte Max liebevoll einen sauberen Schnitt an Doris Nahtkempers Hals durch. Ihr letzter Hilferuf erstickte gurgelnd im heraus strömenden Blut.
Max heulte auf vor Freude. Als Doris Körper nachgab, zerrte er ihn auf eine kleine, moosbewachsene Erhöhung. Grobian rannte verwirrt und heiser bellend umher.
Max beugte sich über den Leichnam, und beim Anblick des blutigen, zerschnittenen Halses befiel ihn ein wollüstiges Zittern. Doch dann bemerkte den jetzt traurig winselnden Dackel, und Mitleid überkam ihn. Er entschloss sich, den Hund mit nach Hause zu nehmen.
Aber Grobian sträubte sich energisch, denn wie jeder treuer Hund wollte er unbedingt an Frauchens Seite verweilen, ganz egal ob die Herrin noch quicklebendig war oder bereits das Zeitliche gesegnet hatte.
Vergeblich zerrte Max eine Weile mit allen Kräften an der Leine, um den Hund in seine Richtung zu bewegen. Dann verlor er die Geduld.
Als er seine Arbeit beendet hatte, gönnte er sich eine kleine Belohnung. Mit sich und der Welt vollkommen zufrieden, knabberte er zärtlich an seinem Schokoriegel. Diesmal war es einer mit knackigen Erdnüssen.
Ach, was kann das Leben doch schön sein, dachte Max.
4.
Regina Lautenschläger, Biologie-Studentin im zweiten Semester, wollte den letzten Tag der Semesterferien in der Universitätsbibliothek verbringen, um ungestört an ihrer schwierigen Hausarbeit über das Balzverhalten des männlichen Weberknechtes zu basteln.
Als sie ihren Oldtimer-Sportwagen im leeren Uni-Parkhaus abstellte, hatte die Fahrt durch die sonnendurchfluteten Straßen und die Vorfreude auf das Blättern in alten, säuerlich-muffig riechenden Biologie-Büchern eine euphorische Stimmung in ihr ausgelöst.
Fröhlich einen bekannten Gassenhauer der Ärzte pfeifend schloss Regina sorgfältig ihr Auto ab, um fremden Elementen eine rechtswidrige Probefahrt nicht allzu leicht zu machen.
Bei ihrem Kampf mit dem störrischen Türschloss merkte sie nicht, dass ein ihr unbekannter Mann sie interessiert beobachtete. Allerdings hatte dieser sportlich gekleidete Herr es weniger auf ihr schnittiges Auto abgesehen.
Das lange Warten im zugigen Parkhaus hat sich gelohnt, dachte Max. Erstes Semester Parapsychologie, sagte ihm sein erfahrener Kennerblick. Genau das Richtige für einen Intelligenz und Wissensdurst schätzenden Menschen wie ihn.
Durch seine getönten Brillengläser versuchte er, den Halsumfang des Mädchens zu taxieren. 1a Schwanenhals, freute er sich und schnalzte mit der Zunge.
Über die tiefere Bedeutung heftigen Flügelschlagens des männlichen Weberknechtes beim Anblick eines Nebenbuhlers angestrengt nachdenkend, strebte Regina Lautenschläger dem Eingang des Treppenhauses zu. Max aber beschäftigten im Augenblick eher unwissenschaftliche Gedanken.
Da er noch nicht gefrühstückt hatte, entschloss er sich, ausnahmsweise auf die Kür zu verzichten und unverzüglich mit der Pflichtübung zu beginnen. Doch er hatte nicht mit dem Reaktionsvermögen der Studentin gerechnet.
Blitzschnell hatte Regina die Gefahr der Situation erkannt und beschlossen, auf die nähere Bekanntschaft des sich in recht eindeutiger Absicht nähernden Mannes zu verzichten. Sie entschied sich für einen taktischen Rückzug.
Er aber sah sich erst recht herausgefordert – und setzte ihr nach. Doch als er schon glaubte, sein Opfer eingeholt zu haben, stieß er auf ein Hindernis.
Kein Problem für einen durchtrainierten Sportsmann wie ihn. Mit der Gewandtheit einer Gazelle und der Eleganz eines Pumas sprang er über den auf dem Betonboden liegenden Elektro-Scooter.
Währenddessen hatte Regina Lautenschläger das rettende Treppenhaus erreicht. Ihr hartnäckiger Verfolger war ihr jedoch so nah gekommen, dass sie sich gezwungen sah, es auf eine Kraftprobe ankommen zu lassen.
Die bittere Erkenntnis, hinter dem Begriff „das schwache Geschlecht“ könne sich mehr verbergen als chauvinistische Überheblichkeit, versetzte Regina in Panik. Jetzt blieb ihr nur noch die Flucht in ungewisse Höhen.
Du entkommst mir nicht, mein Vögelchen, dachte Max, und nahm drei Stufen auf einmal.
Regina meinte bereits, den kühlen Hauch des Todes in ihrem sensiblen Nacken zu spüren. Er aber wusste plötzlich, dass die schweißtreibend Verfolgungsjagd sich rapide ihrem Ende näherte. Und diese Erkenntnis machte ihm nicht unbedingt schlechte Laune.
Verzweifelt rüttelte die Studentin am Griff der verschlossenen Tür. Der unbequeme Gedanke durchzuckte sie, dass sie in der Falle saß.
Das hatte Max längst erkannt – und schenkte ihr sein charmantestes Lächeln.
Von einer schrecklichen Angst erfüllt drückte Regina sich in die Ecke. Eine böse Ahnung erfüllte sie, und zum ersten Mal in ihrem Leben bekam sie eine Gänsehaut.
„Schau mir in die Augen, Kleines“, murmelte Max kaum hörbar, und in den dicken Adern seiner rechten Hand, mit der das Messer fest umklammert hielt, pulsierte munter das Blut.
Zu seiner Überraschung erwachte die Studentin aus ihrer Schockstarre und begann sich zu wehren. Aber sowohl südostasiatische Selbstverteidigungs-Tricks als auch gellende Schreie konnten ihn nicht aufhalten.
Regina spürte etwas Kaltes an ihrem Hals und erkannte das endgültige Scheitern ihrer Verteidigungsstrategie. Von der Unabwendbarkeit des sich andeutenden Geschehens überzeugt, schloss sie die Augen – und dachte traurig an ihren Wellensittich Hansi.
Wer würde ihn in Zukunft füttern und ihm täglich sein frisches Salatblatt geben? Dann ließ ein greller Schmerz das Bild ihres gefiederten Lieblings verblassen.
Reginas Beine gaben nach. Leise röchelnd rutschte sie an der rauen Betonwand herab. Ihr Bewusstsein versank in einem unendlich tiefen, schwarzen See.
Nachdem Max Hartkerbe sich über den ungewöhnlich geringen Blutverlust seines jüngsten Opfers gewundert hatte, drängte es ihn hinaus in den Sonnenschein.
Wie immer wollte Max sein Freizeitvergnügen mit einer kleinen Süßigkeit abrunden, doch alles, was er in seiner Jackentasche fand, war ein gefülltes Schokoladen-Osterei, welches er kritisch beäugte.
Da seine Neugier auf die Art der Füllung groß war, zögerte er nicht länger und biss ein Stück vom Schoko-Ei ab. Eierlikör, musste er enttäuscht feststellen.
Na immerhin, tröstete Max sich, es hätte schlimmer kommen können. Denn noch mehr als Eierlikör verabscheute er Nougat. Lässig fegte er den Anflug einer depressiven Verstimmung beiseite.
5.
Kommissarin Helene Sparwasser war eine ehrgeizige Kriminalbeamtin mit einem ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Sie hasste nichts mehr auf dieser Welt, als einem Frauenmörder ungestört seinem Hobby nachgehen zu lassen.
Deshalb beschloss sie, dem schokoladensüchtigen Messerhelden endgültig das blutige Handwerk zu legen.
Da die Kommissarin wusste, dass der Killer zwar ein Psychopath aber nicht dumm war, sah sie nur eine Möglichkeit, seiner habhaft zu werden. Sie musste ihn in eine Falle locken.
Schon bald hatte sie einen genialen Plan ausgeheckt, wie sie den umtriebigen Bösewicht einfangen konnte.
An einem sonnigen Augusttag zog es unsere unerschrockene Kommissarin raus in die Natur. Doch nicht, um Holunderbeeren zu pflücken oder nach frühreifen Waldbrombeeren Ausschau zu halten, sondern um ihre Pflicht zu erfüllen.
Heute sollte es geschehen. Die Stunden des Schlächters waren gezählt. Ihre Spezial-Frauenmörderangel geschultert, marschierte Frau Sparwasser gut gelaunt durch den Wald.
Der Plan der Kommissarin bestand darin, sich die beiden Hauptschwächen des Täters zu Nutze zu machen. Seinen allgegenwärtigen Heißhunger auf Süßes und seine Leidenschaft für schöne Frauen.
Deshalb hatte Kommissarin Sparwasser reichlich Köder mitgebracht: eine Tüte voller Schokoriegel und – sich selbst.
Sorgfältig sondierte sie das Terrain, um eine günstige Stelle ausfindig zu machen, an der sie mit dem Auslegen der Schokoladenköder beginnen konnte.
Schnell hatte sie einen passenden Ort gefunden. Liebevoll platzierte sie den ersten Müsli-Schoko-Riegel auf einem einsamen Waldweg, von dem sie wusste, dass er zum aktuellen Jagdrevier des Killers gehörte.
Nicht umsonst hatte sie zwei Jahre lang nach Feierabend die kriminalastrologische Abendschule in Neukirchen-Vluyn besucht.
Und weiter ging es mit dem Auslegen der Köderspur. Frau Kommissarin deponierte einen Schokoriegel nach dem anderen im Gras, bis sie an eine Waldlichtung gelangte, die von dichtem Buschwerk umgeben war. Dieser Ort erschien ihr bestens geeignet, dem Täter aufzulauern.
Sie begann, ihre Angel zu präparieren. Da ihr letzter Fischzug fast drei Jahre zurücklag, sie hatte damals Anton, den Mädchenschänder von Kleve, mausetot aus einem Altrheinarm gezogen, musste sie sich erst wieder mit der nicht unkomplizierten Technik vertraut machen. Doch dann war sie so weit.
Alle restlichen Köder waren an der Angelschnur befestigt. Jetzt fehlte nur noch der Fisch.
Der hatte den ersten Schokoriegel längst entdeckt.Unersättlich, wie er nun einmal war, hoffte er, weitere Süßigkeiten zu erbeuten – eine Hoffnung, die sich erfüllen sollte.
Diese Leckereien muss ein Schokoriegel-Bomber verloren haben, dachte Max und grinste über beide Ohren. Ihm war, als fielen Allerheiligen und Allerseelen auf einen Tag, und er konnte sein Glück kaum fassen.
Und so kämpfte Max sich weiter und weiter voran, dabei fühlte er sich wie im Paradies.
Mit der Zeit veränderte er seine Taktik und begann, sich an die süßen Verlockungen heranzuschleichen, als sei er ein Indianer auf dem Kriegspfad. Er bildete sich schon ein, als besäßen die Schokoriegel ein Eigenleben und versuchten, sich ihm zu entziehen. Doch er war schneller.
Jetzt hatte Max etwas ganz Besonderes gefangen. Einen Studentenfutter-Crisp-Joghurt-Riegel. Den wollte er so richtig genießen.
Während die Milchschokoladen-Atome unter seiner Zunge schmolzen, dachte er mit Wonne an Isolde, seine erste Freundin, die er in der Nacht Ihres achtzehnten Geburtstages mit den Vorzügen eines Kartoffelschälmessers vertraut gemacht hatte.
Angesichts dieser schönen Erinnerung mundetet ihm der Knusperriegel besonders gut.
Doch Max war unersättlich. Und ein unbestimmtes Gefühl nährte seine Hoffnung, dass der Beutezug noch nicht zu Ende war.
In der Tat entdeckte Max bereits nach wenigen Metern einen weiteren Schatz – eine Entdeckung mit Folgen. Denn Kommissarin Sparwasser wartete bereits seit geraumer Zeit hinter einem Busch verborgen ungeduldig auf den Augenblick, in dem der dicke Fisch anbeißen würde.
Und nun schnappte dieser Fisch zu, was die Kommissarin mit Genugtuung registrierte.
Als sie spürte, wie sich die Angelschnur straffte, begann ihr Herz, vor Freude zu hüpfen. Durch die Zweige konnte sie erkennen, wie der Frauenmörder dem Schoko-Köder zu Leibe rücken wollte.
Aber der Riegel entwickelte eine seltsame Eigendynamik, und der Killer musste sich ganz schöne strecken.
Kommissarin Sparwasser hatte alle Mühe, ihren Fang einzuholen. Aber sie hatte schon dickere Fische an Land gezogen. Doch plötzlich schien sich dieser Fisch mehr für sie zu interessieren, als für den Köder.
In solchen Situationen hatte Frau Kommissarin immer etwas in petto, und mit einer anmutigen Bewegung zückte sie ihre Geheimwaffe, einen schwarzen PrimaDonna-BH, der mit filigranen Stickereien verziert war.
Darauf war Max nicht vorbereitet. Eine ganz neue Art von Begierde ergriff von ihm Besitz.
Vom sündhaften Schwarz des Kleidungsstückes geblendet, merkte er nicht, dass er Opfer eines Ablenkungsmanövers wurde.
Helene Sparwasser nutzte seine Unkonzentriertheit und griff zu ihren reißfesten Dienstseidenstrümpfen, die sie immer in der geräumigen Tasche ihrer silbergrauen Cargohose mit sich trug.
Während er gierig nach dem Dessous grabschte, schwebte die Gerechtigkeit bereits über ihm. Aufgeregt befingerte er den BH, als er unvermittelt einen starken Druck auf seinem Adamsapfel verspürte.
Sein Röcheln versetzte Caroline Sparwasser in Verzückung. Genussvoll zog sie die Schlinge zu.
Auf der Polizeischule hatte sie die Strangulierungs-Prüfung mit Bestnote abgeschlossen. Während sie ihr Tagewerk routiniert vollendete, hauchte der Serienmörder sein süßes Leben aus.
In der Vorfreude auf einen baldige Beförderung strebte Kommissarin Sparwasser ihrem wohlverdienten Feierabend entgegen. Jedoch vergaß nicht, sich vom erlegten Killer zu verabschieden. Sie hob eine zerknitterte Snickers-Hülle auf, glättetet sie, so gut es hing, rollte das klebrige Papier zusammen und steckte die Rolle dem mausetoten Messerhelden ins rechte Nasenloch.
Bei allem Stolz auf ihren Erfolg hatte die Polizeibeamtin nicht bedacht, dass es auch für Schokoriegel-Killer ein Leben nach dem Tod gibt, denn das unsanft entschlafene Schleckermaul kehrte fortan in lauen Vollmondnächten als Geist zurück, um die Tiere des Waldes in Angst und Schrecken zu versetzen.
Manchmal zog sich das Gespenst sogar das Tuch, mit dem es sein Gesicht verhüllte, herunter, um seinen grausamen, mit Schokolade verschmierten Mund sowie die gruselig hervorquellenden Augen zu zeigen.
Bei diesem Anblick gefror jedem ausgewachsenen Keiler das Blut in den Adern, und eine hungrige Waldohreule erlitt bei der Begegnung mit dem demaskierten Zombie solch ein Schock, dass sie sich schleunigst ein neues Jagdrevier suchte.
Tag der Veröffentlichung: 24.04.2023
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