Benommen krabbelte Inspektor Treiber aus dem Heckfenster seines Dienstwagens, der fürs Kunstfliegen absolut untauglich war. Schwer atmend erklomm er die steile Böschung. Der dreifache Looping hatte seinen Gleichgewichtssinn durcheinander völlig gebracht.
Als der Inspektor den ersten Fuß auf die Schnellstraße setzte, glitt er aus und rutschte auf dem Rücken ein Stück über den Asphalt, auf dem irgendetwas Schmieriges haftete. Etwas Klebriges, das zum Himmel stank.
Das Geschmier war ein Teil der Ladung eines Transporters, den Treiber vor seinem Freiflug einige Kilometer mit seinem Dienstwagen gefolgt war. Das braune Altfett-Entsorgungsmobil der Niederrheinischen Fettschmelze aus Kalkar hatte urplötzlich die Spur gewechselt, und so war Treiber, der gerade überholen wollte, mit einem entgegenkommenden Leichenwagen kollidiert.
Jetzt klebte das ranzige Pommes-Fett an Treibers neuem Boss-Anzug – und an seinen frisch manikürten Händen. Der Inspektor hatte keine Zeit, sich zu ekeln, denn eine Kugel pfiff an seiner linken Schläfe vorbei. Treiber rollte sich zur Seite – und gleich eine steile Böschung hinunter, auf der sich Löwenzähne und Hahnenfüße angesiedelt hatte. Eine Wildrosenhecke stoppte den Inspektor. Treiber war friteusenreif mit Löwenzahnsamen paniert. In seine Ohrläppchen und Nasenflügel hatten sich Dornen gebohrt.
Zwei korpulente Fettschmelzer, die in schmierigen Overalls steckten und dicke Revolver schwangen, stolperten die Böschung hinunter. Doch bevor sie von ihren Waffen Gebrauch machen konnten, hatte Treiber sie mit zwei Scherenschlägen seiner durchtrainierten Beine zu Fall gebracht. Ehe die Ganoven sich versahen, waren ihre Hände und Füße mit Ackerwinden gefesselt.
Nach einer kurzen Brennnesselkur hatte Treiber den Fetties alle wichtigen Informationen entlockt. Regelmäßig hatten die Altfettspezialisten statt gammeligem Frittenschweröl westfälischen Rapswodka in ihren Tanks transportiert: ein billiges, blind machendes Gebräu, das ihnen die russische Mafia in St. Petersburg abkaufte.
Für diese Tour jedoch hatten sie das geladen, was auch deklariert war: Jahrzehnte altes Pommesfett, das ein pensionierter Oberst des früheren sowjetischen Geheimdienstes in Minsk dringend benötigte, um sich einen Jugendtraum zu erfüllen – die Gründung einer eigenen Imbissbuden-Kette. Schmierstoffe waren ja knapp in Weißrussland, und polnische Grenzbeamte leicht zu schmieren.
Der Inspektor entsann sich des verunglückten Transporters. Er wollte sichergehen, dass nicht noch weitere Fettgangster, die den Unfall überlebt hatten, ihr Unwesen trieben.
Seinen Dienstausweis vorzeigend rekrutierte Treiber einen alten Mann, der für seine Stallhasen Löwenzahn erntete, als Hilfssheriff und gab ihm die Order, die Gefangenen zu bewachen und notfalls von seiner Sichel Gebrauch zu machen. Dann kletterte er hoch zur Straße.
Die Fettschicht hatte bereits unzählige Maikäfer und anderes Krabbelgetier, das sich auf die Schnellstraße gewagt hatte, erstickt. Treiber fühlte Mitleid mit den noch lebenden, aber hoffnungslos festklebenden Geschöpfen und zückte sein Sturmfeuerzeug, das er vor Jahren einem einbeinigen Straßenmusikanten beim Pokern abgeluchst hatte.
Plötzlich stand die Fahrbahn in Flammen. Bevor beißender schwarzer Rauch dem Inspektor die Sicht nahm und ihm dem Atem raubte, konnte er noch erkennen wie, ein Mann, der unter einem Sarg eingeklemmt auf der Straße lag, verzweifelt mit dem freien Arm wedelte. Treiber dachte, dass es sich nur um das dritte Mitglied der Fettschmiede-Gang handeln könne – und beobachtete noch, wie der Mann sich in ein Grillhähnchen verwandelte. Dann schwanden ihm die Sinne.
Es sollte viele Wochen dauern, bis der Inspektor nicht jedes Mal verkohlte Kartoffelstäbchen roch, wenn er Luft holte.
An einem verregneten Sonntag, Treibers Nase funktionierte wieder ganz normal, war er bei Lausig zum Mittagessen eingeladen. Bereits im Hausflur roch er es – und verfluchte sich selbst, seinem Assistenten zum Geburtstag die alte Friteuse geschenkt zu haben: ein Erbstück von Tante Klementine. Der Inspektor warf die drei gelben Plastiktulpen, die er in einem niederländischen Second-Hand-Shop als Geschenk für seinen Assistenten gekauft hatte, übers Treppengeländer und machte auf dem Absatz kehrt.
Tag der Veröffentlichung: 29.12.2014
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