Inspektor Treibers Gäste scharrten ungeduldig mit den Hufen. Die Mohrenkopfhokzkohle weigerte sich zu glühen, und aus dem Sektkübel quoll plötzlich dicker Rauch. Lausig spielte sich als Retter aller Grillpartys auf und löschte den Brand mit schäumender Sangria, die sowieso zu sehr nach Kardamon schmeckte.
Für Oberstaatsanwalt Pfeiffer war die Fete längst zu Ende. Er ruhte friedlich unter den dichtbelaubten Zweigen von Treibers ganzem Hobbygärtnerstolz: einer afghanischen Trauerweide. Die bordeauxroten Strangulierungsmuster an Pfeiffers Hals harmonierten perfekt mit seiner ockerfarbenen Krawatte.
Heribert Trotzkopf, Präsident des Golfclubs »Wüstensturm e.V.« und Pfeiffers Busenfreund, ahnte noch nichts vom Ableben seines Kassenwarts. Er bemühte sich nach Kräften, dem öden Fest ein wenig Schwung zu verleihen – und griff zum somalischen Hackbrett. Vor zwei Jahren hatte ihm die glutäugige Tochter eines Bootskapitäns aus Mogadischu das Instrument aus Liebe geschenkt. Jetzt zog der Golfer das Brett auf die Knie und entlockte ihm schaurige, stöhnende Klänge, die den fetten Labrador, der hungrig vor dem Grill lag, in die Flucht schlug.
Treiber entdeckte den Oberstaatsanwalt i.R., als er Antje, der sommersprossigen Sopranistin aus dem diplomatischen Chor der Niederlande, die Elastizität von Trauerweidenzweigen demonstrieren wollte. Sofort eilte er zur Laubenbar, genehmigte sich einen dreifachen Doppelwacholder und setzte eine betroffene Miene auf.
Lausig, der sich zu viel vom dem dänischen Nudelsalat einverleibt hatte, verzichtete darauf, den Tatort auf verdächtige Reifenspuren und Ellbogenabdrücke zu untersuchen. Stattdessen zückte er seinen Zollstock.
Während er sich darauf konzentrierte, die läppchenlosen Segelohren des Verstorbenen zu vermessen, achtete er nicht auf das zarte Zischen, mit dem ein heimtückisches Nervengas dem Brausekopf der Swimmingpool-Dusche entströmte.
Wie ein satter Novembernebel senkten sich die ungesunden Schwaden auf die Grillparty. Schlagartig fühlten sich Treibers Gäste matt und hundemüde. Die einäugige Rabenkrähe, die schon seit geraumer Zeit die halbgaren Nackensteaks auf dem Grillrost hypnotisierte, fiel vom Rand der Sonnenmarkise.
Eine unheimliche Stille erfasste den Garten des Inspektors, bis der rostrote Kleinbus der Wolfsburger Waschbären mit quietschenden Reifen vor dem klettertulpenumrankten Gartentor stoppte.
Vor den Arbeitsmarktreformen waren die Waschbären bei einem renommierten Glasreinigungs-Unternehmen beschäftigt. Doch längst hatten sie das festangestellte Fensterputzen gegen das freiberufliche Fenstereinschlagen eingetauscht – und ab und zu wurden sie von Geldwäsche-Unternehmen für Hilfs- und Transportdienste engagiert.
Bei diesem Einsatz konnte die vierschrötige Truppe sogar auf ihr Werkzeug verzichten. Mit verdrehten Augen und verrenkten Gliedmaßen zierte Treibers Gästeschar den schottischen Rasen – und lud zur Selbstbedienung ein. Mit flinken Fingern erleichterten die Ex-Fensterputzer die Bewusstlosen um ihre Geldbörsen, Goldkettchen, Smartphones, Kreditkarten und Flachmänner – nur beim Inspektor hatten sie kein Glück.
Nach einem dreiwöchigen Barbecue-Intensiv-Blaskurs in Davos waren Treibers Lungenflügel in einem äußerst durchtrainierten Zustand. Und als er merkte, dass es ersten winzigen Nervengaspartikeln gelungen war, seine dichte Nasenhaarwand zu durchdringen, ergriff der Inspektor blitzschnell Gegenmaßnahmen.
Flink fischte er zwei Oliven aus den trockenen Martinis, die der rotäugige Kollege von der Drogenfahndung auf einem silbernen Tablett schwankend herumreichte, und stopfte sich die Früchtchen in die dunklen Nasenlöcher. Dann klappte er den Mund zu und spielte den sterbenden Schwan.
Treiber zuckte mit keiner Wimper, als ein unrasierter, nach Pernod stinkender Fensterputzer sich grinsend über ihn beugte und ihm den goldenen Füllfederhalter aus der Brusttasche zog. Der wertvolle Füller war das Geschenk eines korsischen Fremdenlegionär-Generals, den der Inspektor vor Jahren einmal bei einem Einsatz gegen lybische Kormoranjäger logistisch unterstützt hatte.
Als die Ganoven sich wieder zurückziehen wollten und bereits vor dem Gartentor auf dem Kieselrotweg eine Formation gebildet hatten, handelte Treiber. Er hechtete zur Pergola und drückte auf einen als Marienkäfer getarnten Knopf. Mit einem jähen Ruck setzte sich der Gartenweg in Bewegung.
Die Fensterputzkolonne geriet ins Straucheln wie eine Horde volltrunkener Giraffen, die den Gänsemarsch üben wollten. Ein Halunke nach dem anderen purzelte in den feinen, roten Kies. Für den Versuch, sich wieder aufzurappeln, blieb den Gangstern zu wenig Zeit. Noch ehe sie wussten, wie ihnen geschah, hatte sie das Undercover-Förderband schnurstracks in den Swimmingpool transportiert.
Dort wartete schon Lissy, die lebenslustige Alligatordame, die Treiber für einen verreisten Nachbarn in Pflege genommen hatte. Während sich Lissy über die neuen Spielkameraden freute, versuchte der Inspektor seinen Ekel zu überwinden, der ihn bei der Vorstellung befiel, gleich seinen Assistenten per Mund-zu-Mund-Beatmung das Leben zu retten. Denn Lausig lag wie tot neben dem Grill, die Augen glasig und das Gesicht blass wie ein rohes Seeschollenfilet.
Texte: Peter Hellriegel
Bildmaterialien: Peter Hellriegel
Tag der Veröffentlichung: 04.11.2012
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