Ich bin hier. Schon so lange
Alleine.
Meine Finger fahren die Gitterstäbe entlang, berühren jeden Einzelnen,
Während ich mich drehe und drehe, nicht aufhöre.
Manchmal sehe ich durch sie hindurch das Leben
Der anderen.
Manchmal stecke ich meine Finger durch die Lücken, probeweise
Und stelle mir vor, wie es Draußen wohl wäre.
Dann sehe ich mein Spiegelbild, mich selbst
In der Reflektion der Gitterstäbe
Und ich ziehe die Finger zurück
Und mich selbst
In die Mitte des Käfigs, weg von dem Drumherum.
In mich selbst, in Sicherheit.
Dorthin, wo mich nur noch mein Spiegelbild sehen kann.
Ich habe den Käfig gebaut.
Er beschützt alles, was ich habe.
Er ist aus Gold, seine Stäbe aus Narzissmus.
Ich bin sehr wertvoll, deshalb darf ich nicht raus,
Sage ich mir und verweile
In der Mitte meines Käfigs
Alleine.
Ich war nicht immer hier,
war früher einmal schutzlos.
Merkte damals nicht, wie gefährlich es ohne Käfig war,
wurde krank und ganz klein und besitzlos.
Als ich nichts mehr hatte, nahm ich mir
Mich selbst.
Meinen Körper, meinen Geist.
All das gehört seither mir
Alleine
Und ich beschütze es
In meinem Käfig.
Jetzt bin ich schon so lange hier.
Hüte meinen Körper, wie einen Tempel,
während mein Geist höchste Mauern um uns errichtet.
Meine Finger fahren unermüdlich an den Stäben entlang.
Der melodische Klang tut mir in den Ohren weh.
Mir ist schwindelig vom ständigen Drehen
Und meine Augen tränen,
Sind träge und schwach vom Blinzeln und Spähen
Zum Leben der anderen.
Ich sehe fort von ihnen,
Sehe zu den Gitterstäben, sehe nur mich selbst,
Mir selbst am Nächsten,
Vergesse darüber,
Dass neben mir noch andere sind.
Bis du die Finger in den Käfig streckst,
Zwischen den Stäben hindurch.
Deine Finger berühren das Gesicht meiner Reflektion,
Doch wollen mich,
Nicht mein Spiegelbild.
Ich schüttele den Kopf,
Du deinen, als du fragst:
„Was nützt das Hüten und das Wahren
Der Weiße eines Blatt Papiers?
So sehr zu hüten und zu schützen,
Dass es weder Stift noch Tinte kennt
Oder das, was man hier Farbe nennt.
Bleibst du dort,
Bleibt das Blatt, wie es ist.
Bleibt zwar unschuldig weiß
Doch wird niemals mehr sein
Als ein Bewahrer von Nichts.“
Ich bin hier.
Meine Finger fahren die Gitterstäbe entlang, berühren jeden Einzelnen,
Während ich den alten Käfig umrunde.
Manchmal sehe ich durch sie hindurch das Leben
Das ich einmal hatte.
Manchmal stecke ich meine Finger durch die Lücken, probeweise
Und erinnere mich, wie es Drinnen war.
Dann sehe ich mein Spiegelbild, mich selbst
In der Reflektion der Gitterstäbe
Und ich ziehe die Finger zurück
Und mich selbst
Weg von dem Käfig, weg von dem Inneren
Nach Draußen, in Sicherheit.
Dorthin, wo mich mein Spiegelbild nicht mehr sehen kann.
Dorthin, wo ich an seiner Stelle dein Gesicht sehe.
Tag der Veröffentlichung: 04.12.2011
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